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Integrative Medizin

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Integrative Medizin beschreibt eine medizinische Richtung, „die die Bedeutung der Beziehung zwischen Arzt und Patient betont, sich auf die ganze Person fokussiert, auf Evidenz stützt und alle relevanten therapeutischen Möglichkeiten, Gesundheitsberufe und -disziplinen nutzt, um optimale Gesundheit und Heilung zu erreichen.“ wie es das Consortium of Academic Health Centers for Integrative Medicine 2004 formuliert hat.[1][2]

Ein Grundmotiv ist die Zusammenführung ("Integration") unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen, Heilmethoden, Maßnahmen als Komponenten eines Behandlungs-Gesamtkonzeptes.[3] Hierbei können Ansätze unterschiedlicher Paradigmen, solcher der konventionellen (Schulmedizin), oder komplementärmedizinische eingesetzt werden, mit einem Fokus auf solche, für die wissenschaftliche Untersuchungen und Wirksamkeitsnachweise vorliegen (Evidenz). Verbreitet ist die Position eines medizinischen Pluralismus, der einen Dialog auch unterschiedlicher Paradigmen berücksichtigt. Zentral ist die Bemühung um Wissenschaftlichkeit und Forschung bei Offenheit des Wissenschaftsbegriffes.

Begriffsgeschichte

In Polarität zur Alternativmedizin, der eine Trennung hervorhebt, kennzeichnet der Begriff der Integrativmedizin Austausch und Zusammenarbeit sich ergänzender (komplementärer) Partner. Der Begriff Integrativmedizin wurde in den späten 1940er Jahren in der angloamerikanischen Literatur aufgebracht[4] und seit den 90er Jahren unter anderem von Andrew Weil propagiert[5]. Im deutschsprachigen Raum kam der Begriff erst ab den 1990er Jahren in Gebrauch.[4] Die Schwerpunktsetzungen und Interpretationen des noch relativ jungen Begriffes wandelten sich im Laufe der Jahre und werden auch heute von verschiedenen Vertretern teils unterschiedlich gewichtet. Im unteren Bereich finden sich einige Beschreibungen und Definitionen.

In den 2000er Jahren stand im Vordergrund eine Verbindung von Elementen der konventionellen Medizin mit wissenschaftlich evaluierten Elementen der Komplementär- und Alternativmedizin (siehe Definition NCCAM).[4]

Begriffskritik

Es gibt auch Kritik an dem Begriff, der neben der salutogenetischen Orientierung keine konzeptuelle Neuerung gegenüber dem der komplementären Medizin enthalte.[5]

Aspekte integrativer Medizin

Menschenbild

Integrative Medizin wird teilweise als menschlichere Medizin wahrgenommen und dies zum Teil an Defiziten der konventionellen Medizin festgemacht. In letzterer werde eine hohe technische Präzision erreicht. Der Fokus auf ein reduktionistisch - mechanistisches Welt- und Menschenbild würde aber wesentlichen Teilaspekten des Menschen nicht immer ausreichend gerecht.[6] Hierbei kommen Aspekte der Einzigartigkeit jeder menschlichen Individualität, der menschlichen Begegnung und Biographie in Betracht, die mit dem verbreiteten Maschinenparadigma schwierig in Deckung zu bringen sind. Entsprechende Gedanken führten auch zur biopsychosozialen Medizin.

Je nach Menschenbild treten Fragen nach Lebensprozessen und Seele des Menschen, sowie Spiritualität stärker in den Vordergrund.

Forschung

Wissenschaftliche Forschung ist im Bereich der integrativen Medizin zentrales Element.

Beispiele:

Im 7. Rahmenprogramm der EU (FP7: 7th Framework Programme) fand ein Koordinationsprojekt zur Darstellung der Angebots- und Nachfrageseite der Komplementärmedizin unter dem Namen Cambrella statt.[7] Das Kürzel "CAMbrella" steht dabei für ein Dachprojekt der Komplementär- und Alternativmedizin (engl.: umbrella of Complementary and Alternative Medicine).[8]

Ausbildung an universitären Einrichtungen[9]

Deutschland

Im Jahr 2003 wurde mit der Revision der Approbationsordnung für Ärzte der Querschnittsbereich Rehabilitation, Physikalische Medizin und Naturheilverfahren als verbindlicher Teil der Lehre in den klinischen Ausbildungsabschnitt eingeführt. Damit wurden naturheilkundlich-komplementärmedizinische Inhalte erstmals prüfungsrelevant. Aktuell bestehen in Deutschland mehrere universitäre Einrichtungen für Naturheilkunde, Komplementärmedizin und integrative Medizin sowie weitere Forschungsinstitute:[10]

Definitionen (deutsch)

Einige Definitionen von integrativer Medizin aus dem deutschsprachigen Raum
Quelle Jahr Definition Autoren
Kompetenznetz Integrative Medizin Baden-Württemberg (KIM) „Integrative Medizin“ beschreibt die Verbindung sich sinnvoll ergänzender konventioneller und komplementärer Behandlungsangebote in einem patientenzentrierten Versorgungs-konzept. Neben die leitlinienbasierte fachlich-medizinische Versorgung treten Behandlungs- und Beratungsangebote aus dem Bereich von Naturheilverfahren und Komplementärmedizin. Sie umfassen Naturmedikamente, traditionelle Behandlungsverfahren wir z.B. die Akupunktur, pflegerische Anwendungen wie Wickel und Einreibungen, Aromatherapie und Verfahren der Mind-Body-Therapie (Kunst- und Musiktherapie, MBSR/Meditation, Heileurythmie, Yoga, Tai Chi u.a.). Darüberhinaus geht es um gezielte Beratung und Begleitung zur Umsetzung gesundheitsfördernder Lebensstilveränderungen im Alltag.[13]
Hufelandgesellschaft Die Integrative Medizin verbindet konventionelle ärztliche Medizin und ärztliche Komplementärmedizin zu einem sinnvollen Gesamtkonzept. Ziel ist es, die individuell beste Therapie für den Patienten zu finden und Nebenwirkungen soweit wie möglich zu reduzieren.

Die Integrativer Medizin stellt den Patienten in den Mittelpunkt, orientiert sich an dessen individuellen Ressourcen und aktiviert die Selbstheilungskräfte. Ihre Stärke entfaltet sie insbesondere da, wo die konventionelle Akutmedizin an ihre Grenzen stößt: bei der Therapie chronischer Erkrankungen.

Die Integrative Medizin ist durch wissenschaftliche Erkenntnisse geleitet. Dabei wird das zum Teil Jahrtausende alte Erfahrungswissen komplementärmedizinischer Verfahren in qualitativ hochwertigen Studien wissenschaftlich aufgearbeitet und evaluiert und das Wissen über Möglichkeiten und Grenzen laufend weiterentwickelt.[14]

Sommerakademie für Integrative Medizin „Integrative Medizin“ wird auf der Veranstaltung so verstanden, daß im selben Maße körperliche, seelische und geistige Aspekte der Patient*innen in das Verständnis und in die Therapie von Erkrankungen einbezogen werden. Das reflektierte Studium verschiedener Medizinsysteme, Menschenbilder und Therapieverfahren soll dazu beitragen sich den Zusammenhängen dieser Aspekte zu nähern. Intention ist, die Integrative Medizin auf einer wissenschaftlichen Basis aufzubauen, wobei auch die Weiterentwicklung der Wissenschaft in den Diskurs mit aufgenommen wird.[15]

Definitionen (englisch)

Einige englische Definitionen von integrativer Medizin
Quelle Jahr Definition Autoren
National Center for Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) um 2000 Integrative medicine combines mainstream medical therapies and CAM therapies for which there is some high-quality scientific evidence of safety and effectiveness.[16]
NCI Dictionary of Cancer Terms A type of medical care that combines conventional (standard) medical treatment with complementary and alternative (CAM) therapies that have been shown to be safe and to work. CAM therapies treat the mind, body, and spirit.[17]
Mayo Clinic Complementary and alternative medicine (CAM) is the popular name for health care practices that traditionally have not been part of conventional medicine. In many cases, as evidence of efficacy and safety grows, these therapies are being combined with conventional medicine.

Thus, the term alternative has been dropped and replaced with newer terms, such as complementary and integrative medicine, integrative medicine and health, or just integrative medicine.[18]

British Medical Journal (BMJ) Editorial 2001 Integrated medicine (or integrative medicine as it is referred to in the United States) is practising medicine in a way that selectively incorporates elements of complementary and alternative medicine into comprehensive treatment plans alongside solidly orthodox methods of diagnosis and treatment.[19] Lesley Rees, Andrew Weil
Academic Consortium for Integrative Medicine & Health The practice of medicine that reaffirms the importance of the practitioner-patient relationship. It focuses on the whole person, is informed by evidence, and makes use of all appropriate therapeutic approaches, health care professionals, and disciplines to achieve optimal health and healing.[20][21]
National Center for Complementary and Integrative Health (NCCIH) There are many definitions of “integrative” health care, but all involve bringing conventional and complementary approaches together in a coordinated way. ... NCCIH generally uses the term “complementary health approaches” when we discuss practices and products of non-mainstream origin. We use “integrative health” when we talk about incorporating complementary approaches into mainstream health care.[22]
World health organization (WHO) Traditional, complementary and integrative medicine - Definitions


Traditional medicine - Traditional medicine has a long history. It is the sum total of the knowledge, skill, and practices based on the theories, beliefs, and experiences indigenous to different cultures, whether explicable or not, used in the maintenance of health as well as in the prevention, diagnosis, improvement or treatment of physical and mental illness.


Complementary medicine - The terms “complementary medicine” or “alternative medicine” refer to a broad set of health care practices that are not part of that country’s own tradition or conventional medicine and are not fully integrated into the dominant health-care system. They are used interchangeably with traditional medicine in some countries.


Herbal medicines - Herbal medicines include herbs, herbal materials, herbal preparations and finished herbal products, that contain as active ingredients parts of plants, or other plant materials, or combinations.[23]

Brinkhaus B and Esch T, adapted Version of the US consortium IM 2020 Integrative medicine and Health reaffirms the importance of the relationship between practitioner and patient, focuses on the whole person, is informed by evidence, and makes use of all appropriate therapeutic, preventive, health-promoting, and lifestyle approaches, healthcare professionals and disciplines to achieve optimal health and healing, emphasizing the art and science of healing. It is based on a social and democratic as well as natural and healthy environment.[24][25] Brinkhaus B, Esch T
Andrew Weil Center for Integrative Medicine[26] What is IM/IH?

Integrative Medicine (IM) is healing-oriented medicine that takes account of the whole person, including all aspects of lifestyle. It emphasizes the therapeutic relationship between practitioner and patient, is informed by evidence, and makes use of all appropriate therapies.

The Defining Principles of Integrative Medicine

  • Patient and practitioner are partners in the healing process.
  • All factors that influence health, wellness, and disease are taken into consideration, including mind, spirit, and community, as well as the body.
  • Appropriate use of both conventional and alternative methods facilitates the body's innate healing response.
  • Effective interventions that are natural and less invasive should be used whenever possible.
  • Integrative medicine neither rejects conventional medicine nor accepts alternative therapies uncritically.
  • Good medicine is based in good science. It is inquiry-driven and open to new paradigms.
  • Alongside the concept of treatment, the broader concepts of health promotion and the prevention of illness are paramount.
  • Practitioners of integrative medicine should exemplify its principles and commit themselves to self-exploration and self-development.

Literatur

  • "From Complementary to Integrative Medicine and Health: Do We Need a Change in Nomenclature?" Melchart D Complement Med Res 2018;25:76-78 doi:10.1159/000488623
  • Michael Frass, Lothar Krenner (Hrsg.): Integrative Medizin. Evidenzbasierte komplementärmedizinische Methoden. Springer, Berlin 2018, ISBN 978-3-662-48878-2.

Einzelnachweisliste

  1. DEFINITION OF INTEGRATIVE MEDICINE AND HEALTH. In: Academic Consortium for Integrative Medicine & Health website. Abgerufen am 6. November 2019.
  2. Institut für Integrative Medizin (IfIM). Abgerufen am 25. November 2019.
  3. Integrative Medizin. In: Marjorie-Wiki. Abgerufen am 27. November 2019.
  4. 4,0 4,1 4,2 Benno Brinkhaus, Tobias Esch: Was ist integrative Medizin? In: Benno Brinkhaus, Tobias Esch (Hrsg.): Integrative Medizin und Gesundheit. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2021, ISBN 978-3-95466-422-1, S. 9.
  5. 5,0 5,1 Dieter Melchart: From Complementary to Integrative Medicine and Health: Do We Need a Change in Nomenclature? In: Complement Med Res. Nr. 25. Karger, Freiburg 2018, S. 76–78, doi:10.1159/000488623 (english).
  6. Daniela Kuhn: Der menschliche Mediziner. In: NZZ. 11. November 2013 (nzz.ch).
  7. Hedda Sützl-Klein: Komplementär- und integrativmedizinische Forschungsprojekte und Horizont 2020 (8. Europäisches Forschungsförderprogramm). In: Michael Frass, Lothar Krenner (Hrsg.): Integrative Medizin, evidenzbasierte komplementärmedizinische Methodenlehre. Springer, Berlin 2019, ISBN 978-3-662-48878-2, 39.2, S. 997.
  8. EU-Projekt Cambrella. In: Website Kompetenzzentrum für Komplementärmedizin und Naturheilkunde (KoKoNat), Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München. Abgerufen am 7. Januar 2020.
  9. Der Abschnitt wurde im September 2021 aus dem Artikel Naturheilkunde übertragen. Er stammt ursprünglich von Wikipedia.
  10. http://www.dialogforum-pluralismusindermedizin.de/links
  11. http://naturheilkunde.immanuel.de/andreas-michalsen/
  12. https://www.klinikum-bochum.de/fachbereiche/naturheilkunde/fachbereich.html
  13. Gründungsimpuls, Ziele und Arbeitsweise. In: Kompetenznetz Integrative Medizin Baden-Württemberg. Abgerufen am 28. Juni 2021.
  14. Was verstehen wir unter Integrative Medizin? In: Hufelandgesellschaft. Abgerufen am 28. Juni 2021.
  15. Was ist integrative Medizin? In: Sommerakademie für integrative Medizin Website. Abgerufen am 26. November 2019.
  16. What is CAM? Defining Complementary and Alternative Medicine; Integrative Medicine. In: Dr. Rogers Prize for Excellence in Complementary and Alternative Medicine. Abgerufen am 30. September 2021 (english).
  17. integrative medicine. In: NCI Dictionary of Cancer Terms. Abgerufen am 17. September 2018.
  18. https://www.mayoclinic.org/tests-procedures/complementary-alternative-medicine/about/pac-20393581
  19. Lesley Rees, Andrew Weil: Integrated medicine; Imbues orthodox medicine with the values of complementary medicine. In: British medical journal. 322, Nr. 119, 20 January 2001. doi:10.1136/bmj.322.7279.119.
  20. Integrative Medicine.
  21. DEFINITION OF INTEGRATIVE MEDICINE AND HEALTH.
  22. Complementary, Alternative, or Integrative Health: What’s In a Name?.
  23. Traditional, complementary and integrative medicine ; Definitions.
  24. Vorlage:Cite
  25. Tobias Esch, Benno Brinkhaus: Neue Definitionen der Integrativen Medizin: Alter Wein in neuen Schläuchen?. In: Karger (Hrsg.): Complement Med Res. 27, 2020, S. 67–69. doi:10.1159/000506224.
  26. What is Integrative Medicine? In: Andrew Weil Center for Integrative Medicine website. Abgerufen am 6. November 2019.