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Schmerz: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Schmerz''' ist eine komplexe [[Wahrnehmung#Formen der Wahrnehmung|subjektive]] Sinnes[[wahrnehmung]], die als [[Krankheitsverlauf#Zeitlicher Verlauf|akutes]] Geschehen den Charakter eines Warn- und Leitsignals aufweist und in der Intensität von unangenehm bis unerträglich reichen kann. Als chronischer Schmerz hat es den Charakter des Warnsignales verloren und wird heute als eigenständiges Krankheitsbild ''([[Chronisches Schmerzsyndrom]])'' gesehen und behandelt.
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'''Schmerz''' ist eine komplexe [[Wahrnehmung#Formen der Wahrnehmung|subjektive]] Sinnes[[wahrnehmung]], die als [[Wikipedia:Krankheitsverlauf#Zeitlicher Verlauf|akutes]] Geschehen den Charakter eines Warn- und Leitsignals aufweist und in der Intensität von unangenehm bis unerträglich reichen kann. Als chronischer Schmerz hat es den Charakter des Warnsignales verloren und wird heute als eigenständiges Krankheitsbild ''([[Wikipedia:Chronisches Schmerzsyndrom|Chronisches Schmerzsyndrom]])'' gesehen und behandelt.
  
Ein [[Schmerzempfinden von Tieren]] kann nicht direkt bestimmt werden, daher wird es kontrovers diskutiert und wurde bis in die 1980er Jahre auch gelegentlich abgestritten.<ref>Bernard Rollin: ''The Unheeded Cry: Animal Consciousness, Animal Pain, and Science.'' Oxford University Press, 1989, xii, S. 117–118.</ref> Zugrunde liegt immer die Übertragung vom Menschen auf das Tier.<ref>K. M. D. Rutherford: ''Assessing pain in animals.'' In: ''Animal Welfare.'' Band 11, Nr. 1, 2002, S. 31–53.</ref><ref name="PMID18289614">G. T. Whiteside, A. Adedoyin, L. Leventhal: ''Predictive validity of animal pain models? A comparison of the pharmacokinetic-pharmacodynamic relationship for pain drugs in rats and humans.'' In: ''Neuropharmacology.'' Band 54, Nummer 5, April 2008, S.&nbsp;767–775, {{ISSN|0028-3908}}, [[doi:10.1016/j.neuropharm.2008.01.001]], PMID 18289614 (Review).</ref><ref name="PMID12132063">Q. Hogan: ''Animal pain models.'' In: ''Regional anesthesia and pain medicine.'' Band 27, Nummer 4, 2002 Jul-Aug, S.&nbsp;385–401, {{ISSN|1098-7339}}, PMID 12132063 (Review).</ref> Insbesondere ist es kaum möglich, die subjektive Schmerzwahrnehmung verschiedener Einzeltiere miteinander in Vergleich zu setzen oder gar zu quantifizieren. Bei [[Art (Biologie)|Arten]], die entfernter mit dem Menschen verwandt sind, weist der Aufbau des [[Nervensystem]]s erhebliche Unterschiede gegenüber dem der [[Wirbeltiere]] auf (wie bei [[Weichtiere]]n, [[Insekten]]), die Nervensysteme verschiedener [[Stamm (Biologie)#Zoologie|Tierstämme]] sind nicht [[Homologie (Biologie)|homolog]].
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Ein [[Wikipedia:Schmerzempfinden von Tieren|Schmerzempfinden von Tieren]] kann nicht direkt bestimmt werden, daher wird es kontrovers diskutiert und wurde bis in die 1980er Jahre auch gelegentlich abgestritten.<ref>Bernard Rollin: ''The Unheeded Cry: Animal Consciousness, Animal Pain, and Science.'' Oxford University Press, 1989, xii, S. 117–118.</ref> Zugrunde liegt immer die Übertragung vom Menschen auf das Tier.<ref>K. M. D. Rutherford: ''Assessing pain in animals.'' In: ''Animal Welfare.'' Band 11, Nr. 1, 2002, S. 31–53.</ref><ref name="PMID18289614">G. T. Whiteside, A. Adedoyin, L. Leventhal: ''Predictive validity of animal pain models? A comparison of the pharmacokinetic-pharmacodynamic relationship for pain drugs in rats and humans.'' In: ''Neuropharmacology.'' Band 54, Nummer 5, April 2008, S.&nbsp;767–775, {{ISSN|0028-3908}}, [[doi:10.1016/j.neuropharm.2008.01.001]], PMID 18289614 (Review).</ref><ref name="PMID12132063">Q. Hogan: ''Animal pain models.'' In: ''Regional anesthesia and pain medicine.'' Band 27, Nummer 4, 2002 Jul-Aug, S.&nbsp;385–401, {{ISSN|1098-7339}}, PMID 12132063 (Review).</ref> Insbesondere ist es kaum möglich, die subjektive Schmerzwahrnehmung verschiedener Einzeltiere miteinander in Vergleich zu setzen oder gar zu quantifizieren. Bei [[Wikipedia:Art (Biologie)|Arten]], die entfernter mit dem Menschen verwandt sind, weist der Aufbau des [[Nervensystem]]s erhebliche Unterschiede gegenüber dem der [[Wikipedia:Wirbeltiere|Wirbeltiere]] auf (wie bei [[Wikipedia:Weichtiere|Weichtiere]]n, [[Wikipedia:Insekten|Insekten]]), die Nervensysteme verschiedener [[Wikipedia:Stamm (Biologie)#Zoologie|Tierstämme]] sind nicht [[Wikipedia:Homologie (Biologie)|homolog]].
  
Die jährlichen volkswirtschaftlichen Kosten von Schmerzzuständen als Summe von medizinischen Behandlungen, Produktivitätseinbußen und Ausgleichszahlungen für [[Arbeitsunfähigkeit]] belaufen sich in den entwickelten Ländern und Industriestaaten auf rund eine Billion US-Dollar.<ref name="Schappert">S. M. Schappert: ''National Ambulatory Medical Care Survey: 1992 summary.'' In: ''Adv. Data.'' Band 235, 1994, S. 1–20, PMID 10172117.</ref><ref name="Molecular epidemiology">M. B. Max, W. F. Steward: ''The molecular epidemiology of pain: a new discipline for drug discovery.'' In: ''[[Nat Rev Drug Discov]].'' Band 7, Nr. 8, 2008, S. 647–658, PMID 18587382.</ref>
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Die jährlichen volkswirtschaftlichen Kosten von Schmerzzuständen als Summe von medizinischen Behandlungen, Produktivitätseinbußen und Ausgleichszahlungen für [[Wikipedia:Arbeitsunfähigkeit|Arbeitsunfähigkeit]] belaufen sich in den entwickelten Ländern und Industriestaaten auf rund eine Billion US-Dollar.<ref name="Schappert">S. M. Schappert: ''National Ambulatory Medical Care Survey: 1992 summary.'' In: ''Adv. Data.'' Band 235, 1994, S. 1–20, PMID 10172117.</ref><ref name="Molecular epidemiology">M. B. Max, W. F. Steward: ''The molecular epidemiology of pain: a new discipline for drug discovery.'' In: ''[[Wikipedia:Nat Rev Drug Discov|Nat Rev Drug Discov]].'' Band 7, Nr. 8, 2008, S. 647–658, PMID 18587382.</ref>
  
 
== Etymologie und Synonyme ==
 
== Etymologie und Synonyme ==
Der Ausdruck ''Schmerz'', auch ''Weh'' (von mittelhochdeutsch ''wē'' „Weh, Schmerz, Leid, Krankheit“; vgl. auch „[[Wehe]]“) genannt, stammt über [[Mittelhochdeutsch|mhd.]] ''smërze'' von [[Althochdeutsch|ahd.]] ''smërzo'' und lässt sich auf die indogermanische Wurzel ''(s)mer(d)-'' (‚reiben‘, ‚aufreiben‘, ‚zerreiben‘) zurückführen.<ref>[[Friedrich Kluge]], [[Alfred Götze (Philologe)|Alfred Götze]]: ''[[Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache]].'' 20. Aufl., hrsg. von [[Walther Mitzka]]. De Gruyter, Berlin/ New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 663 f.</ref> Sinngleich sind [[Niederländische Sprache|nl.]] ''smerte'', [[Westfriesische Sprache|westfries.]] ''smart'' (letzteres bedeutet vor allem seelischen Schmerz, während der körperliche Schmerz durch ''pîn'' („Pein“, früher auch '''Wehtag''' genannt) ausgedrückt wird). Verwandte Wörter sind [[Englische Sprache|engl.]] ''smart'' ([[Mittelenglisch|me.]] ''smerte'') „scharf, bitter“, [[Griechische Sprache|griechisch]] σμερδνός, σμερδαλέος „schrecklich“, [[Latein|lat.]] ''mordere'' „beißen, kränken“, [[Slawische Sprachen|slaw.]] ''smrt'', [[Litauische Sprache|lit.]] ''smertis'' „Tod“.<ref>{{Deutsches Wörterbuch |Lemma=Schmerz |Band=15 |Sp= |lemid=GS13601}}</ref>
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Der Ausdruck ''Schmerz'', auch ''Weh'' (von mittelhochdeutsch ''wē'' „Weh, Schmerz, Leid, Krankheit“; vgl. auch „[[Wikipedia:Wehe|Wehe]]“) genannt, stammt über [[Wikipedia:Mittelhochdeutsch|mhd.]] ''smërze'' von [[Wikipedia:Althochdeutsch|ahd.]] ''smërzo'' und lässt sich auf die indogermanische Wurzel ''(s)mer(d)-'' (‚reiben‘, ‚aufreiben‘, ‚zerreiben‘) zurückführen.<ref>[[Wikipedia:Friedrich Kluge|Friedrich Kluge]], [[Wikipedia:Alfred Götze (Philologe)|Alfred Götze]]: ''[[Wikipedia:Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache|Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache]].'' 20. Aufl., hrsg. von [[Wikipedia:Walther Mitzka|Walther Mitzka]]. De Gruyter, Berlin/ New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 663 f.</ref> Sinngleich sind [[Wikipedia:Niederländische Sprache|nl.]] ''smerte'', [[Wikipedia:Westfriesische Sprache|westfries.]] ''smart'' (letzteres bedeutet vor allem seelischen Schmerz, während der körperliche Schmerz durch ''pîn'' („Pein“, früher auch '''Wehtag''' genannt) ausgedrückt wird). Verwandte Wörter sind [[Wikipedia:Englische Sprache|engl.]] ''smart'' ([[Wikipedia:Mittelenglisch|me.]] ''smerte'') „scharf, bitter“, [[Wikipedia:Griechische Sprache|griechisch]] σμερδνός, σμερδαλέος „schrecklich“, [[Latein|lat.]] ''mordere'' „beißen, kränken“, [[Wikipedia:Slawische Sprachen|slaw.]] ''smrt'', [[Wikipedia:Litauische Sprache|lit.]] ''smertis'' „Tod“.<ref>{{Deutsches Wörterbuch |Lemma=Schmerz |Band=15 |Sp= |lemid=GS13601}}</ref>
  
Das veraltete Wort '''Pein''' geht wie das Adjektiv [[Peinlichkeit|''peinlich'']] zurück auf mhd. ''pîne, pîn'', ahd. ''pîna''. Dieses stammt wie auch englisch ''pain'' von lat. ''poena'' ab ([[mittellatein]]ische Aussprache: pêna, dessen ê im Althochdeutschen zu î geworden ist).<ref>{{Deutsches Wörterbuch |Lemma=Pein |Band=13 |Sp= |lemid=GP01545}}</ref> Die wörtliche Übersetzung von lat. ''poena'' „Sühne, Strafe, Rache“ verweist auf subjektive Deutungen des Schmerzes. Beim primären [[Hyperparathyreoidismus]] fasst man die drei Hauptsymptome noch heute als „Stein-, Bein- und Magenpein“ zusammen, für Nierensteinleiden, Knochen- und Magenschmerzen.
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Das veraltete Wort '''Pein''' geht wie das Adjektiv [[Wikipedia:Peinlichkeit|''peinlich'']] zurück auf mhd. ''pîne, pîn'', ahd. ''pîna''. Dieses stammt wie auch englisch ''pain'' von lat. ''poena'' ab ([[Wikipedia:mittellatein|mittellatein]]ische Aussprache: pêna, dessen ê im Althochdeutschen zu î geworden ist).<ref>{{Deutsches Wörterbuch |Lemma=Pein |Band=13 |Sp= |lemid=GP01545}}</ref> Die wörtliche Übersetzung von lat. ''poena'' „Sühne, Strafe, Rache“ verweist auf subjektive Deutungen des Schmerzes. Beim primären [[Wikipedia:Hyperparathyreoidismus|Hyperparathyreoidismus]] fasst man die drei Hauptsymptome noch heute als „Stein-, Bein- und Magenpein“ zusammen, für Nierensteinleiden, Knochen- und Magenschmerzen.
  
Medizinische Fachausdrücke sind '''Dolor''' (lat. ''dolor'') sowie aus dem Griechischen '''Algesie''' (Gegenwort: [[Analgesie]]), in Wortverbindungen ''-algie'', ''-algesie'' (alle von άλγος ''algos'' „Schmerz“) oder ''-odynie'' (von οδύνη „Schmerz“).<ref>Vgl. auch Francine Mawet: ''Recherches sur les oppositions fonctionelles dans le vocabulaire homérique de la douleur (autour de ‚perma‘ – ‚algos‘).'' Brüssel 1979 (= ''Académie royale de Belgique, Mémoires de la classe des lettres'', 2<sup>e</sup> série T. LVIII, Fascicule 4 et dernile).</ref>
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Medizinische Fachausdrücke sind '''Dolor''' (lat. ''dolor'') sowie aus dem Griechischen '''Algesie''' (Gegenwort: [[Wikipedia:Analgesie|Analgesie]]), in Wortverbindungen ''-algie'', ''-algesie'' (alle von άλγος ''algos'' „Schmerz“) oder ''-odynie'' (von οδύνη „Schmerz“).<ref>Vgl. auch Francine Mawet: ''Recherches sur les oppositions fonctionelles dans le vocabulaire homérique de la douleur (autour de ‚perma‘ – ‚algos‘).'' Brüssel 1979 (= ''Académie royale de Belgique, Mémoires de la classe des lettres'', 2<sup>e</sup> série T. LVIII, Fascicule 4 et dernile).</ref>
  
 
== Definition ==
 
== Definition ==
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  |ref=<ref>[http://www.iasp-pain.org/files/Content/ContentFolders/Publications2/FreeBooks/Classification-of-Chronic-Pain.pdf ''Classification of Chronic Pain.'' Second Edition, Part III: ''Pain Terms, A Current List with Definitions and Notes on Usage,''] (PDF) S. 209–214. IASP Task Force on Taxonomy, edited by H. Merskey and N. Bogduk, IASP Press, Seattle 1994.</ref>}}
 
  |ref=<ref>[http://www.iasp-pain.org/files/Content/ContentFolders/Publications2/FreeBooks/Classification-of-Chronic-Pain.pdf ''Classification of Chronic Pain.'' Second Edition, Part III: ''Pain Terms, A Current List with Definitions and Notes on Usage,''] (PDF) S. 209–214. IASP Task Force on Taxonomy, edited by H. Merskey and N. Bogduk, IASP Press, Seattle 1994.</ref>}}
  
Die Wahrnehmung ''Schmerz'' wird als komplexe Wechselwirkungen zwischen biologischen, psychischen<ref name="PMID10846154">D. D. Price: ''Psychological and neural mechanisms of the affective dimension of pain.'' In: ''[[Science]].'' Band 288, Nummer 5472, Juni 2000, S.&nbsp;1769–1772, {{ISSN|0036-8075}}, PMID 10846154 (Review).</ref> und sozialen Faktoren angenommen (biopsychosoziales Schmerzkonzept). Der Schmerz ist also eine subjektive Wahrnehmung, welche nicht allein durch neuronale Signale der [[Nervenfaser]]n bestimmt wird, vielmehr ist es eine Wahrnehmung, welche über komplexe Vorgänge stark reguliert wird (s.&nbsp;a. [[#Schmerzmodulierung|Schmerzmodulierung]]). Schmerz ist also das, was der Patient als solchen empfindet. Weil es sich um eine stark subjektiv gefärbte Wahrnehmung handelt, kann es zu Verständigungsschwierigkeit zwischen Patient und Behandelnden kommen, insbesondere im Bezug auf das Ausmaß des Leidens.
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Die Wahrnehmung ''Schmerz'' wird als komplexe Wechselwirkungen zwischen biologischen, psychischen<ref name="PMID10846154">D. D. Price: ''Psychological and neural mechanisms of the affective dimension of pain.'' In: ''[[Wikipedia:Science|Science]].'' Band 288, Nummer 5472, Juni 2000, S.&nbsp;1769–1772, {{ISSN|0036-8075}}, PMID 10846154 (Review).</ref> und sozialen Faktoren angenommen (biopsychosoziales Schmerzkonzept). Der Schmerz ist also eine subjektive Wahrnehmung, welche nicht allein durch neuronale Signale der [[Wikipedia:Nervenfaser|Nervenfaser]]n bestimmt wird, vielmehr ist es eine Wahrnehmung, welche über komplexe Vorgänge stark reguliert wird (s.&nbsp;a. [[#Schmerzmodulierung|Schmerzmodulierung]]). Schmerz ist also das, was der Patient als solchen empfindet. Weil es sich um eine stark subjektiv gefärbte Wahrnehmung handelt, kann es zu Verständigungsschwierigkeit zwischen Patient und Behandelnden kommen, insbesondere im Bezug auf das Ausmaß des Leidens.
  
 
== Stellung innerhalb der Sensibilität ==
 
== Stellung innerhalb der Sensibilität ==
Das Schmerz[[Empfindung|empfinden]] ist eine [[Sinnesmodalität]] innerhalb der somatoviszeralen [[Sensibilität (Neurowissenschaft)|Sensibilität]].<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=701}}</ref> Weitere Modalitäten sind die Empfindung [[Tastsinn|mechanischer]] und [[Thermorezeption|thermischer Reize]] sowie der [[Propriozeption|Muskelspannung und Gelenkstellung]]. Zur Sensibilität gehört außerdem die Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung weiterer propriozeptiver sowie chemischer Reize, woraus sich mangels Empfindung aber keine Sinnesmodalitäten ergeben. Innerhalb der Modalität Schmerz werden [[Sinnesqualität]]en wie stechend, drückend, brennend unterschieden, auch der [[Juckreiz]]<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=702}}</ref> kann hier eingeordnet werden.
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Das Schmerz[[Wikipedia:Empfindung|empfinden]] ist eine [[Wikipedia:Sinnesmodalität|Sinnesmodalität]] innerhalb der somatoviszeralen [[Wikipedia:Sensibilität (Neurowissenschaft)|Sensibilität]].<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Wikipedia:Stefan Silbernagl|Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=701}}</ref> Weitere Modalitäten sind die Empfindung [[Tastsinn|mechanischer]] und [[Thermorezeption|thermischer Reize]] sowie der [[Wikipedia:Propriozeption|Muskelspannung und Gelenkstellung]]. Zur Sensibilität gehört außerdem die Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung weiterer propriozeptiver sowie chemischer Reize, woraus sich mangels Empfindung aber keine Sinnesmodalitäten ergeben. Innerhalb der Modalität Schmerz werden [[Wikipedia:Sinnesqualität|Sinnesqualität]]en wie stechend, drückend, brennend unterschieden, auch der [[Wikipedia:Juckreiz|Juckreiz]]<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Wikipedia:Stefan Silbernagl|Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=702}}</ref> kann hier eingeordnet werden.
  
Den Empfindungen der unterschiedlichen Modalitäten (und Qualitäten) liegen Reizungen unterschiedlicher Fasern des [[Peripheres Nervensystem|peripheren Nervensystems]] zugrunde (ein historischer Gegenentwurf zu dieser ''Spezifitätstheorie'' war die ''Intensitätstheorie'', nach der Schmerz durch starke Reizung im thermischen oder mechanischen System entsteht).<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=713}}</ref> Die für das Schmerzempfinden zuständigen Sensoren heißen ''[[Nozizeptor]]en'' und sind freie Nervenendigungen, die geeignete [[Rezeptor (Biochemie)|Rezeptorproteine]] [[Genexpression|exprimieren]]; ihr [[adäquater Reiz]] ist eine erfolgte oder drohende Gewebeschädigung, solche Reize heißen ''noxisch''. Die Reizung von Juckfasern führt nur dann zur entsprechenden Empfindung, wenn nicht gleichzeitig Nozizeptoren erregt werden; in jenem Fall tragen die Juckfasern zur Schmerzempfindung bei, was die Linderung des Juckreizes durch Kratzen erklärt.<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=714}}</ref> Die objektive Grundlage des Schmerzempfindens (also die Erfassung noxischer Reize, die Weiterleitung dieser Information über das Rückenmark ins Gehirn und die Informationsverarbeitung inklusive der Auslösung von [[Reflex]]en) heißt ''Nozizeption''; eine [[Empfindung]] wird daraus frühestens im [[Thalamus]], eine [[Wahrnehmung]] erst durch Verarbeitung in der [[Großhirnrinde]].
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Den Empfindungen der unterschiedlichen Modalitäten (und Qualitäten) liegen Reizungen unterschiedlicher Fasern des [[Wikipedia:Peripheres Nervensystem|peripheren Nervensystems]] zugrunde (ein historischer Gegenentwurf zu dieser ''Spezifitätstheorie'' war die ''Intensitätstheorie'', nach der Schmerz durch starke Reizung im thermischen oder mechanischen System entsteht).<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Wikipedia:Stefan Silbernagl|Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=713}}</ref> Die für das Schmerzempfinden zuständigen Sensoren heißen ''[[Wikipedia:Nozizeptor|Nozizeptor]]en'' und sind freie Nervenendigungen, die geeignete [[Wikipedia:Rezeptor (Biochemie)|Rezeptorproteine]] [[Wikipedia:Genexpression|exprimieren]]; ihr [[adäquater Reiz]] ist eine erfolgte oder drohende Gewebeschädigung, solche Reize heißen ''noxisch''. Die Reizung von Juckfasern führt nur dann zur entsprechenden Empfindung, wenn nicht gleichzeitig Nozizeptoren erregt werden; in jenem Fall tragen die Juckfasern zur Schmerzempfindung bei, was die Linderung des Juckreizes durch Kratzen erklärt.<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Wikipedia:Stefan Silbernagl|Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=714}}</ref> Die objektive Grundlage des Schmerzempfindens (also die Erfassung noxischer Reize, die Weiterleitung dieser Information über das Rückenmark ins Gehirn und die Informationsverarbeitung inklusive der Auslösung von [[Wikipedia:Reflex|Reflex]]en) heißt ''Nozizeption''; eine [[Wikipedia:Empfindung|Empfindung]] wird daraus frühestens im [[Wikipedia:Thalamus|Thalamus]], eine [[Wahrnehmung]] erst durch Verarbeitung in der [[Wikipedia:Großhirnrinde|Großhirnrinde]].
  
Eine Besonderheit des Schmerzempfindens (inklusive der Empfindung von Juckreiz) ist der unangenehme [[Affekt]], der Reizungen im nozizeptiven System fast immer begleitet. Schmerz ist also mehr als die Information über Ort, Art, Intensität und Dauer einer drohenden oder erfolgten Gewebeschädigung, Schmerz ist auch die Motivation zur Vermeidung von Verletzungen und Schonung verletzter Körperteile. Als negativer [[Verstärkung (Psychologie)|Verstärker]] trägt Schmerz durch [[Instrumentelle und operante Konditionierung|operante Konditionierung]] dazu bei, das Vermeiden schädlichen Verhaltens zu [[Lernen|erlernen]].
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Eine Besonderheit des Schmerzempfindens (inklusive der Empfindung von Juckreiz) ist der unangenehme [[Wikipedia:Affekt|Affekt]], der Reizungen im nozizeptiven System fast immer begleitet. Schmerz ist also mehr als die Information über Ort, Art, Intensität und Dauer einer drohenden oder erfolgten Gewebeschädigung, Schmerz ist auch die Motivation zur Vermeidung von Verletzungen und Schonung verletzter Körperteile. Als negativer [[Wikipedia:Verstärkung (Psychologie)|Verstärker]] trägt Schmerz durch [[Wikipedia:Instrumentelle und operante Konditionierung|operante Konditionierung]] dazu bei, das Vermeiden schädlichen Verhaltens zu [[Wikipedia:Lernen|erlernen]].
  
Neuroanatomisch gilt wie für die gesamte bewusste Sensibilität (ohne [[Hirnnerv]]en), dass das erste Neuron mit seinem Zellkörper [[Pseudounipolare Nervenzelle|pseudounipolar]] im [[Spinalganglion]] sitzt und im [[Rückenmark]] auf ein zweites Neuron umgeschaltet wird, das auf die Gegenseite kreuzt und die Information zum Thalamus leitet, von wo aus ein drittes Neuron zur Großhirnrinde zieht. Besondere Ähnlichkeit zeigt die Nozizeption dabei mit der Thermozeption: In beiden Fällen werden die Reize von C- und Aδ-Fasern aufgenommen und schon im Hinterhorn des Eintrittssegments auf das zweite Neuron umgeschaltet, das sogleich auf die kontralaterale Seite wechselt. Dort ziehen thermozeptive und nozizeptive Fasern anatomisch untrennbar im Tractus spinothalamicus lateralis Richtung Gehirn; eine Schädigung der nozizeptiven Bahn im Rückenmark geht daher praktisch immer auch mit eingeschränkter Warmkaltempfindung im gleichen Gebiet einher.<ref>{{Literatur |Autor=Mathias Bähr, Michael Frotscher |Titel=Neurologisch-topische Diagnostik |Auflage=10. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-535810-9 |Seiten=61}}</ref> Die [[Dermatom (Anatomie)|Dermatome]] der Schmerzempfindung überlappen sich weniger als die der Berührungsempfindung, sodass sich Schädigungen einzelner sensibler [[Nervenwurzel]]n in der neurologischen Untersuchung am ehesten als Hypalgesie nachweisen lassen.<ref>{{Literatur |Autor=Mathias Bähr, Michael Frotscher |Titel=Neurologisch-topische Diagnostik |Auflage=10. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-535810-9 |Seiten=40}}</ref>
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Neuroanatomisch gilt wie für die gesamte bewusste Sensibilität (ohne [[Wikipedia:Hirnnerv|Hirnnerv]]en), dass das erste Neuron mit seinem Zellkörper [[Wikipedia:Pseudounipolare Nervenzelle|pseudounipolar]] im [[Wikipedia:Spinalganglion|Spinalganglion]] sitzt und im [[Wikipedia:Rückenmark|Rückenmark]] auf ein zweites Neuron umgeschaltet wird, das auf die Gegenseite kreuzt und die Information zum Thalamus leitet, von wo aus ein drittes Neuron zur Großhirnrinde zieht. Besondere Ähnlichkeit zeigt die Nozizeption dabei mit der Thermozeption: In beiden Fällen werden die Reize von C- und Aδ-Fasern aufgenommen und schon im Hinterhorn des Eintrittssegments auf das zweite Neuron umgeschaltet, das sogleich auf die kontralaterale Seite wechselt. Dort ziehen thermozeptive und nozizeptive Fasern anatomisch untrennbar im Tractus spinothalamicus lateralis Richtung Gehirn; eine Schädigung der nozizeptiven Bahn im Rückenmark geht daher praktisch immer auch mit eingeschränkter Warmkaltempfindung im gleichen Gebiet einher.<ref>{{Literatur |Autor=Mathias Bähr, Michael Frotscher |Titel=Neurologisch-topische Diagnostik |Auflage=10. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-535810-9 |Seiten=61}}</ref> Die [[Wikipedia:Dermatom (Anatomie)|Dermatome]] der Schmerzempfindung überlappen sich weniger als die der Berührungsempfindung, sodass sich Schädigungen einzelner sensibler [[Wikipedia:Nervenwurzel|Nervenwurzel]]n in der neurologischen Untersuchung am ehesten als Hypalgesie nachweisen lassen.<ref>{{Literatur |Autor=Mathias Bähr, Michael Frotscher |Titel=Neurologisch-topische Diagnostik |Auflage=10. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-535810-9 |Seiten=40}}</ref>
  
 
== Nozizeption ==
 
== Nozizeption ==
Nozizeption und Schmerz gehen typischerweise miteinander einher, Nozizeption ist aber weder hinreichend noch notwendig für ein Schmerzempfinden. Beispielsweise lösen nozizeptive Signale, die das Gehirn im Schlaf erreichen, keine Schmerzen aus, da der [[Thalamus]] dann keine sensorischen Informationen zur [[Großhirnrinde]] weiterleitet (ausreichend starke Signale führen jedoch zum Erwachen).<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=307}}</ref> Andersherum ist die [[Chronisches Schmerzsyndrom|chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren]] durch eine ausgeprägte Schmerzwahrnehmung ohne entsprechende noxische Reize gekennzeichnet. Manche Reize, die durch das nozizeptive System aufgenommen werden, werden üblicherweise nicht als Schmerz beschrieben, darunter fallen die [[geschmackliche Schärfe]], stechender Geruch, die Kratzigkeit von Wollstoffen und die Spitzempfindung.<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=291}}</ref>
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Nozizeption und Schmerz gehen typischerweise miteinander einher, Nozizeption ist aber weder hinreichend noch notwendig für ein Schmerzempfinden. Beispielsweise lösen nozizeptive Signale, die das Gehirn im Schlaf erreichen, keine Schmerzen aus, da der [[Wikipedia:Thalamus|Thalamus]] dann keine sensorischen Informationen zur [[Wikipedia:Großhirnrinde|Großhirnrinde]] weiterleitet (ausreichend starke Signale führen jedoch zum Erwachen).<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Wikipedia:Robert Franz Schmidt|Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=307}}</ref> Andersherum ist die [[Wikipedia:Chronisches Schmerzsyndrom|chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren]] durch eine ausgeprägte Schmerzwahrnehmung ohne entsprechende noxische Reize gekennzeichnet. Manche Reize, die durch das nozizeptive System aufgenommen werden, werden üblicherweise nicht als Schmerz beschrieben, darunter fallen die [[Wikipedia:geschmackliche Schärfe|geschmackliche Schärfe]], stechender Geruch, die Kratzigkeit von Wollstoffen und die Spitzempfindung.<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Wikipedia:Robert Franz Schmidt|Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=291}}</ref>
  
Schmerz, der tatsächlich durch Reizung von Nozizeptoren entsteht, erfüllt die oben beschriebenen wichtigen Funktionen im Körper und wird deshalb ''physiologischer'' oder (bei erhöhter Schmerzempfindlichkeit im Rahmen von akuten Entzündungen) ''pathophysiologischer Nozizeptorschmerz'' genannt.<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=299}}</ref> Wird das nozizeptive System an anderer Stelle als den Nozizeptoren erregt, etwa durch Druck auf Nerven, resultiert ein '''neuropathischer Schmerz''', der im Gebiet der Nozizeptoren empfunden wird, obwohl dort keine Schädigung vorliegt. Ein Spezialfall des neuropathischen Schmerzes ist der [[Zentraler Schmerz|zentrale Schmerz]] durch direkte Reizung im [[Zentralnervensystem]].
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Schmerz, der tatsächlich durch Reizung von Nozizeptoren entsteht, erfüllt die oben beschriebenen wichtigen Funktionen im Körper und wird deshalb ''physiologischer'' oder (bei erhöhter Schmerzempfindlichkeit im Rahmen von akuten Entzündungen) ''pathophysiologischer Nozizeptorschmerz'' genannt.<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Wikipedia:Robert Franz Schmidt|Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=299}}</ref> Wird das nozizeptive System an anderer Stelle als den Nozizeptoren erregt, etwa durch Druck auf Nerven, resultiert ein '''neuropathischer Schmerz''', der im Gebiet der Nozizeptoren empfunden wird, obwohl dort keine Schädigung vorliegt. Ein Spezialfall des neuropathischen Schmerzes ist der [[Wikipedia:Zentraler Schmerz|zentrale Schmerz]] durch direkte Reizung im [[Wikipedia:Zentralnervensystem|Zentralnervensystem]].
  
 
=== Aufnahme von Schmerzreizen ===
 
=== Aufnahme von Schmerzreizen ===
[[Nozizeptor]]en sind freie Endigungen von Nervenfasern der [[Nervenfaser#Einteilung nach Leitungsgeschwindigkeit nach Erlanger/Gasser|Klassen C und Aδ]], die den Schmerzreiz von der Peripherie bis ins Rückenmark leiten. Aδ-Fasern sind dünn [[Myelinscheide|myelinisiert]] und erreichen eine Reizleitungsgeschwindigkeit von 5–25&nbsp;m/s. Die entwicklungsgeschichtlich älteren C-Fasern sind die bei weitem häufigsten [[afferent]]en Fasern,<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=713–714}}</ref> sie finden sich fast überall im Körper und erreichen wegen fehlender Myelinisierung nur 0,5–2&nbsp;m/s. [[Lokalanästhetikum|Lokalanästhetika]] unterbrechen die Reizleitung durch Blockade von Natriumkanälen vollständig, sind dabei jedoch nicht spezifisch für nozizeptive Fasern.
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[[Wikipedia:Nozizeptor|Nozizeptor]]en sind freie Endigungen von Nervenfasern der [[Wikipedia:Nervenfaser#Einteilung nach Leitungsgeschwindigkeit nach Erlanger/Gasser|Klassen C und Aδ]], die den Schmerzreiz von der Peripherie bis ins Rückenmark leiten. Aδ-Fasern sind dünn [[Wikipedia:Myelinscheide|myelinisiert]] und erreichen eine Reizleitungsgeschwindigkeit von 5–25&nbsp;m/s. Die entwicklungsgeschichtlich älteren C-Fasern sind die bei weitem häufigsten [[Wikipedia:afferent|afferent]]en Fasern,<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Wikipedia:Stefan Silbernagl|Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=713–714}}</ref> sie finden sich fast überall im Körper und erreichen wegen fehlender Myelinisierung nur 0,5–2&nbsp;m/s. [[Wikipedia:Lokalanästhetikum|Lokalanästhetika]] unterbrechen die Reizleitung durch Blockade von Natriumkanälen vollständig, sind dabei jedoch nicht spezifisch für nozizeptive Fasern.
  
 
Nozizeptoren reagieren auf verschiedene Arten der Reizung:
 
Nozizeptoren reagieren auf verschiedene Arten der Reizung:
 
* thermische (Hitze, Kälte)
 
* thermische (Hitze, Kälte)
 
* mechanische (z.&nbsp;B. Durchtrennung, starker Druck)
 
* mechanische (z.&nbsp;B. Durchtrennung, starker Druck)
* chemische (z.&nbsp;B. [[Adenosintriphosphat|ATP]], [[Proton (Chemie)|Protonen]], [[Kalium]]-Ionen)
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* chemische (z.&nbsp;B. [[Wikipedia:Adenosintriphosphat|ATP]], [[Wikipedia:Proton (Chemie)|Protonen]], [[Wikipedia:Kalium|Kalium]]-Ionen)
  
Die Detektion dieser Reize erfolgt soweit bekannt über Rezeptorproteine in der Zellmembran. Von gewöhnlichen mechano-, thermo- oder chemosensitiven Nervenendigungen unterscheiden sich Nozizeptoren durch eine höhere Reizschwelle. Sie adaptieren langsam,<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=291}}</ref> d.&nbsp;h., ein andauernder Reiz führt erst nach verhältnismäßig langer Zeit zu einer verminderten [[Aktionspotential|AP]]-[[Frequenz]]. Die meisten Nozizeptoren sind polymodal, d.&nbsp;h., sie tragen eine Vielzahl von Rezeptoren für unterschiedliche Arten von noxischen Reizen in derselben Endigung; solche Nozizeptoren sind typischerweise Teil von C-Fasern und erzeugen eine dumpfe Schmerzempfindung. Daneben gibt es, insbesondere unter den Aδ-Fasern, auch monomodale Nozizeptoren, z.&nbsp;B. hochschwellige Mechanosensoren; ihre Erregung wird für den schnellen, gut lokalisierbaren ''ersten Schmerz'' bei akuter Verletzung verantwortlich gemacht und spielt für Schutz- und Fluchtreflexe eine besondere Rolle.<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=713–714}}</ref> ''Stumme Nozizeptoren'' sind normalerweise so hochschwellig, dass sie überhaupt nicht erregt werden können.
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Die Detektion dieser Reize erfolgt soweit bekannt über Rezeptorproteine in der Zellmembran. Von gewöhnlichen mechano-, thermo- oder chemosensitiven Nervenendigungen unterscheiden sich Nozizeptoren durch eine höhere Reizschwelle. Sie adaptieren langsam,<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Wikipedia:Robert Franz Schmidt|Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=291}}</ref> d.&nbsp;h., ein andauernder Reiz führt erst nach verhältnismäßig langer Zeit zu einer verminderten [[Wikipedia:Aktionspotential|AP]]-[[Wikipedia:Frequenz|Frequenz]]. Die meisten Nozizeptoren sind polymodal, d.&nbsp;h., sie tragen eine Vielzahl von Rezeptoren für unterschiedliche Arten von noxischen Reizen in derselben Endigung; solche Nozizeptoren sind typischerweise Teil von C-Fasern und erzeugen eine dumpfe Schmerzempfindung. Daneben gibt es, insbesondere unter den Aδ-Fasern, auch monomodale Nozizeptoren, z.&nbsp;B. hochschwellige Mechanosensoren; ihre Erregung wird für den schnellen, gut lokalisierbaren ''ersten Schmerz'' bei akuter Verletzung verantwortlich gemacht und spielt für Schutz- und Fluchtreflexe eine besondere Rolle.<ref>{{Literatur |Hrsg=Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, [[Wikipedia:Stefan Silbernagl|Stefan Silbernagl]] |Titel=Physiologie |Auflage=7. |Verlag=Georg Thieme Verlag |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-13-796007-2 |Seiten=713–714}}</ref> ''Stumme Nozizeptoren'' sind normalerweise so hochschwellig, dass sie überhaupt nicht erregt werden können.
  
 
=== Periphere Sensitivierung ===
 
=== Periphere Sensitivierung ===
Durch Gewebsschädigung und die daraus resultierende Immunreaktion ([[Entzündung]]) werden im Schmerzgebiet ''Mediatoren'' freigesetzt, die durch Bindung an spezifische Membranrezeptoren die Reizschwelle der Nozizeptoren herabsetzen:
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Durch Gewebsschädigung und die daraus resultierende Immunreaktion ([[Wikipedia:Entzündung|Entzündung]]) werden im Schmerzgebiet ''Mediatoren'' freigesetzt, die durch Bindung an spezifische Membranrezeptoren die Reizschwelle der Nozizeptoren herabsetzen:
* Die Verletzung des Gewebes bewirkt eine Freisetzung von [[Arachidonsäure]] aus Zellmembranen. Sowohl in den [[Endothel]]zellen (COX1) als auch in den einwandernden [[Leukozyt]]en (COX2) wird eine Form des [[Enzym]]s [[Cyclooxygenasen|Cyclooxygenase]] [[Genexpression|exprimiert]], das Arachidonsäure in ''[[Prostaglandin E2|Prostaglandin E<sub>2</sub>]]'' umwandelt.
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* Die Verletzung des Gewebes bewirkt eine Freisetzung von [[Wikipedia:Arachidonsäure|Arachidonsäure]] aus Zellmembranen. Sowohl in den [[Wikipedia:Endothel|Endothel]]zellen (COX1) als auch in den einwandernden [[Wikipedia:Leukozyt|Leukozyt]]en (COX2) wird eine Form des [[Wikipedia:Enzym|Enzym]]s [[Wikipedia:Cyclooxygenasen|Cyclooxygenase]] [[Wikipedia:Genexpression|exprimiert]], das Arachidonsäure in ''[[Wikipedia:Prostaglandin E2|Prostaglandin E<sub>2</sub>]]'' umwandelt.
* Die ebenfalls aus dem verletzten Endothel stammenden [[Kinine]] werden in ''[[Bradykinin]]'' umgewandelt.
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* Die ebenfalls aus dem verletzten Endothel stammenden [[Wikipedia:Kinine|Kinine]] werden in ''[[Wikipedia:Bradykinin|Bradykinin]]'' umgewandelt.
* [[Mastzelle]]n setzen den Inhalt ihrer Granula frei (Degranulation), u.&nbsp;a. ''[[Histamin]]''.
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* [[Wikipedia:Mastzelle|Mastzelle]]n setzen den Inhalt ihrer Granula frei (Degranulation), u.&nbsp;a. ''[[Wikipedia:Histamin|Histamin]]''.
* Die [[Entzündungsmediator]]en (vor allem ''Bradykinin'' und ''[[Serotonin]]'') bewirken (über die Bildung von [[Stickstoffmonoxid|NO]]) auch eine [[Vasodilatation]], also eine Erweiterung der [[Blutgefäße]]. Hierdurch kommt es zu einem lokalen Ödem, das es Leukozyten ermöglicht, einfacher in das geschädigte Gewebe einzutreten. (Es entsteht ein geröteter Kern mit [[Quaddel]]<nowiki />bildung, man spricht im Englischen von einer ''wheel and flare reaction''.)
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* Die [[Wikipedia:Entzündungsmediator|Entzündungsmediator]]en (vor allem ''Bradykinin'' und ''[[Wikipedia:Serotonin|Serotonin]]'') bewirken (über die Bildung von [[Wikipedia:Stickstoffmonoxid|NO]]) auch eine [[Wikipedia:Vasodilatation|Vasodilatation]], also eine Erweiterung der [[Wikipedia:Blutgefäße|Blutgefäße]]. Hierdurch kommt es zu einem lokalen Ödem, das es Leukozyten ermöglicht, einfacher in das geschädigte Gewebe einzutreten. (Es entsteht ein geröteter Kern mit [[Wikipedia:Quaddel|Quaddel]]<nowiki />bildung, man spricht im Englischen von einer ''wheel and flare reaction''.)
 
* Entzündliches Gewebe weist oft einen niedrigen ''pH-Wert'' auf, der entsprechende Chemorezeptoren reizt.
 
* Entzündliches Gewebe weist oft einen niedrigen ''pH-Wert'' auf, der entsprechende Chemorezeptoren reizt.
* Durch Freisetzung von ''[[Substanz P]]'' und ''[[CGRP]]'' wird die lokale Entzündung auch von den Nozizeptoren selbst unterhalten ([[neurogene Entzündung]]).<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=303}}</ref>
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* Durch Freisetzung von ''[[Wikipedia:Substanz P|Substanz P]]'' und ''[[Wikipedia:CGRP|CGRP]]'' wird die lokale Entzündung auch von den Nozizeptoren selbst unterhalten ([[neurogene Entzündung]]).<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Wikipedia:Robert Franz Schmidt|Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=303}}</ref>
* Zusätzlich zur [[Sensitivierung]] bestehender Nozizeptoren regt die Freisetzung von ''[[Nervenwachstumsfaktor|Nerve Growth Factor]]'' (NGF) das Aussprossen nozizeptiver Fasern an.
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* Zusätzlich zur [[Wikipedia:Sensitivierung|Sensitivierung]] bestehender Nozizeptoren regt die Freisetzung von ''[[Wikipedia:Nervenwachstumsfaktor|Nerve Growth Factor]]'' (NGF) das Aussprossen nozizeptiver Fasern an.
  
Durch die Sensitivierung werden stumme Nozizeptoren erweckt. Manche Nozizeptoren werden so stark sensitiviert, dass sie durch die Bedingungen im Gewebe ständig überschwellig erregt werden. Der Betroffene erlebt dies als [[Hyperalgesie]] (stärkere Schmerzen bei noxischen Reizen) und [[Allodynie]] (Schmerzempfindung bei normalerweise nicht schmerzhaften Reizen) bzw. als Ruheschmerz. Schmerzmittel aus der Klasse der [[Nichtsteroidales Antirheumatikum|nichtsteroidalen Antiphlogistika]] ([[Acetylsalicylsäure|ASS]], [[Ibuprofen]], [[Diclofenac]],&nbsp;…) wirken als Hemmstoffe der Cyclooxygenase und vermindern so Entzündung und Sensitivierung; sie können die Schmerzempfindlichkeit nicht unter das Niveau von nicht entzündetem Gewebe senken.
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Durch die Sensitivierung werden stumme Nozizeptoren erweckt. Manche Nozizeptoren werden so stark sensitiviert, dass sie durch die Bedingungen im Gewebe ständig überschwellig erregt werden. Der Betroffene erlebt dies als [[Wikipedia:Hyperalgesie|Hyperalgesie]] (stärkere Schmerzen bei noxischen Reizen) und [[Wikipedia:Allodynie|Allodynie]] (Schmerzempfindung bei normalerweise nicht schmerzhaften Reizen) bzw. als Ruheschmerz. Schmerzmittel aus der Klasse der [[Wikipedia:Nichtsteroidales Antirheumatikum|nichtsteroidalen Antiphlogistika]] ([[Wikipedia:Acetylsalicylsäure|ASS]], [[Wikipedia:Ibuprofen|Ibuprofen]], [[Wikipedia:Diclofenac|Diclofenac]],&nbsp;…) wirken als Hemmstoffe der Cyclooxygenase und vermindern so Entzündung und Sensitivierung; sie können die Schmerzempfindlichkeit nicht unter das Niveau von nicht entzündetem Gewebe senken.
  
 
=== Umschaltung im Rückenmark ===
 
=== Umschaltung im Rückenmark ===
Im [[Rückenmark]] kommt es zu [[Reflex]]<nowiki />verschaltungen, die Fluchtbewegungen und Schonhaltungen auslösen; die primitiven Reaktionen auf Ebene des Rückenmarks werden dabei in unterschiedlichem Ausmaß durch höhere Zentren (im Gehirn) moduliert. Ein weitgehend spinal organisiertes Beispiel ist der [[Flexorreflex|Beugereflex]], der die betroffene Extremität vom noxischen Reiz wegzieht, wie beim Anziehen des Beines beim Tritt auf einen spitzen Gegenstand (hier mit gekreuztem Streckreflex, also Kraftverlagerung auf das andere Bein, wofür höhere Zentren miteingebunden werden müssen).<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=304}}</ref> Der Griff an einen unerwartet heißen Gegenstand bewirkt tatsächlich ein Zurückziehen der Hand, noch bevor der Schmerz überhaupt bewusst wird (auch wenn man sich im Nachhinein vielleicht denkt, man habe aufgrund des Schmerzes gehandelt). Ein Beispiel für motorische Reaktionen auf Eingeweideschmerz ist die [[Abwehrspannung]] des Bauches. Neben motorischen lösen Schmerzreize auch vegetative Reflexe aus (z.&nbsp;B. [[Sympathikus]]-Aktivierung), übergeordnetes Steuerzentrum ist hier der [[Hypothalamus]].
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Im [[Wikipedia:Rückenmark|Rückenmark]] kommt es zu [[Wikipedia:Reflex|Reflex]]<nowiki />verschaltungen, die Fluchtbewegungen und Schonhaltungen auslösen; die primitiven Reaktionen auf Ebene des Rückenmarks werden dabei in unterschiedlichem Ausmaß durch höhere Zentren (im Gehirn) moduliert. Ein weitgehend spinal organisiertes Beispiel ist der [[Wikipedia:Flexorreflex|Beugereflex]], der die betroffene Extremität vom noxischen Reiz wegzieht, wie beim Anziehen des Beines beim Tritt auf einen spitzen Gegenstand (hier mit gekreuztem Streckreflex, also Kraftverlagerung auf das andere Bein, wofür höhere Zentren miteingebunden werden müssen).<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Wikipedia:Robert Franz Schmidt|Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=304}}</ref> Der Griff an einen unerwartet heißen Gegenstand bewirkt tatsächlich ein Zurückziehen der Hand, noch bevor der Schmerz überhaupt bewusst wird (auch wenn man sich im Nachhinein vielleicht denkt, man habe aufgrund des Schmerzes gehandelt). Ein Beispiel für motorische Reaktionen auf Eingeweideschmerz ist die [[Wikipedia:Abwehrspannung|Abwehrspannung]] des Bauches. Neben motorischen lösen Schmerzreize auch vegetative Reflexe aus (z.&nbsp;B. [[Wikipedia:Sympathikus|Sympathikus]]-Aktivierung), übergeordnetes Steuerzentrum ist hier der [[Wikipedia:Hypothalamus|Hypothalamus]].
  
Die Umschaltung auf die zweiten Neurone, die die Information im [[Vorderseitenstrang]] des Rückenmarks (Tractus spinothalamicus lateralis) zum Ventrobasalkern des [[Thalamus]] weiterleiten, erfolgt konvergent, d.&nbsp;h., mehrere nozizeptive Fasern aus der Peripherie erregen ein Rückenmarksneuron. Rückenmarksneurone, die Signale aus inneren Organen erhalten, erhalten dabei stets auch Signale aus somatischen Gebieten des jeweiligen Rückenmarksegments, was die schlechte Lokalisierbarkeit und teilweise paradoxe Übertragung von Eingeweideschmerzen erklärt.<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=304}}</ref> An den [[Synapse]]n setzen die ersten Neurone Glutamat sowie [[Substanz P]] und [[CGRP]] als erregende [[Neuropeptid]]e frei. Unter den [[Glutamatrezeptor]]en in der postsynaptischen Membran der zweiten Neurone befinden sich [[NMDA-Rezeptor]]en, deren Öffnung die Synapse langfristig verstärkt (siehe [[Langzeitpotenzierung]]). Zusammen mit der Wirkung der Kotransmitter, zentraler Prostaglandine und des Glutamats an [[Metabotropie|metabotropen]] Rezeptoren ergibt sich eine [[Zentrale Sensitivierung]], die die Schmerzempfindlichkeit weiter erhöht und das schmerzempfindliche Gebiet auf nicht entzündetes umgebenes Gewebe ausweiten kann (sekundäre Hyperalgesie).<ref name="PMID19712899">A. Latremoliere, C. J. Woolf: ''Central sensitization: a generator of pain hypersensitivity by central neural plasticity.'' In: ''The journal of pain: official journal of the American Pain Society.'' Band 10, Nummer 9, September 2009, S.&nbsp;895–926, [[doi:10.1016/j.jpain.2009.06.012]], PMID 19712899, {{PMC|2750819}} (Review).</ref> Die zentrale Sensitivierung ist anfangs reversibel, stellt jedoch langfristig einen Mechanismus zum Erlernen chronischer Schmerzen dar. [[Ketamin]] entfaltet seine analgetische Wirkung vor allem durch Blockade des NMDA-Rezeptors.
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Die Umschaltung auf die zweiten Neurone, die die Information im [[Wikipedia:Vorderseitenstrang|Vorderseitenstrang]] des Rückenmarks (Tractus spinothalamicus lateralis) zum Ventrobasalkern des [[Wikipedia:Thalamus|Thalamus]] weiterleiten, erfolgt konvergent, d.&nbsp;h., mehrere nozizeptive Fasern aus der Peripherie erregen ein Rückenmarksneuron. Rückenmarksneurone, die Signale aus inneren Organen erhalten, erhalten dabei stets auch Signale aus somatischen Gebieten des jeweiligen Rückenmarksegments, was die schlechte Lokalisierbarkeit und teilweise paradoxe Übertragung von Eingeweideschmerzen erklärt.<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Wikipedia:Robert Franz Schmidt|Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=304}}</ref> An den [[Wikipedia:Synapse|Synapse]]n setzen die ersten Neurone Glutamat sowie [[Wikipedia:Substanz P|Substanz P]] und [[Wikipedia:CGRP|CGRP]] als erregende [[Wikipedia:Neuropeptid|Neuropeptid]]e frei. Unter den [[Wikipedia:Glutamatrezeptor|Glutamatrezeptor]]en in der postsynaptischen Membran der zweiten Neurone befinden sich [[Wikipedia:NMDA-Rezeptor|NMDA-Rezeptor]]en, deren Öffnung die Synapse langfristig verstärkt (siehe [[Wikipedia:Langzeitpotenzierung|Langzeitpotenzierung]]). Zusammen mit der Wirkung der Kotransmitter, zentraler Prostaglandine und des Glutamats an [[Wikipedia:Metabotropie|metabotropen]] Rezeptoren ergibt sich eine [[Wikipedia:Zentrale Sensitivierung|Zentrale Sensitivierung]], die die Schmerzempfindlichkeit weiter erhöht und das schmerzempfindliche Gebiet auf nicht entzündetes umgebenes Gewebe ausweiten kann (sekundäre Hyperalgesie).<ref name="PMID19712899">A. Latremoliere, C. J. Woolf: ''Central sensitization: a generator of pain hypersensitivity by central neural plasticity.'' In: ''The journal of pain: official journal of the American Pain Society.'' Band 10, Nummer 9, September 2009, S.&nbsp;895–926, [[doi:10.1016/j.jpain.2009.06.012]], PMID 19712899, {{PMC|2750819}} (Review).</ref> Die zentrale Sensitivierung ist anfangs reversibel, stellt jedoch langfristig einen Mechanismus zum Erlernen chronischer Schmerzen dar. [[Wikipedia:Ketamin|Ketamin]] entfaltet seine analgetische Wirkung vor allem durch Blockade des NMDA-Rezeptors.
  
 
=== Schmerzhemmung durch absteigende Bahnen ===
 
=== Schmerzhemmung durch absteigende Bahnen ===
Die gerade beschriebene Übertragung von Schmerzreizen im Rückenmark wird durch absteigende Bahnen aus dem Gehirn moduliert, zwei schmerzhemmende Bahnen sollen hier vertieft werden: Von [[Periaquäduktales Grau|zentralen Höhlengrau]] projizieren opioiderge Neurone zu den [[Raphe-Kerne]], von wo aus serotoninerge Fasern im Rückenmark absteigen. Zu den Schaltstellen der Schmerzübertragung ziehen außerdem noradrenerge Fasern, die ihren Ausgangspunkt im [[Locus caeruleus]] haben. Die Transmitter [[Serotonin]] bzw. [[Noradrenalin]] erregen spinale [[Interneuron]]e, die über [[γ-Aminobuttersäure|GABA]], [[Glycin]] und [[Opioidpeptid|körpereigene Opioide]] ([[Peptid]]e mit der charakteristischen [[N-Terminus|''N''-terminalen]] Sequenz [[Tyrosin|Tyr]]-[[Glycin|Gly]]-Gly-[[Phenylalanin|Phe]]-[[Methionin|Met]]/[[Leucin|Leu]]) hemmend auf das erste und zweite Neuron der Schmerzbahn einwirken.<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=305–308}}</ref>
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Die gerade beschriebene Übertragung von Schmerzreizen im Rückenmark wird durch absteigende Bahnen aus dem Gehirn moduliert, zwei schmerzhemmende Bahnen sollen hier vertieft werden: Von [[Wikipedia:Periaquäduktales Grau|zentralen Höhlengrau]] projizieren opioiderge Neurone zu den [[Wikipedia:Raphe-Kerne|Raphe-Kerne]], von wo aus serotoninerge Fasern im Rückenmark absteigen. Zu den Schaltstellen der Schmerzübertragung ziehen außerdem noradrenerge Fasern, die ihren Ausgangspunkt im [[Wikipedia:Locus caeruleus|Locus caeruleus]] haben. Die Transmitter [[Wikipedia:Serotonin|Serotonin]] bzw. [[Wikipedia:Noradrenalin|Noradrenalin]] erregen spinale [[Wikipedia:Interneuron|Interneuron]]e, die über [[Wikipedia:γ-Aminobuttersäure|GABA]], [[Wikipedia:Glycin|Glycin]] und [[Wikipedia:Opioidpeptid|körpereigene Opioide]] ([[Wikipedia:Peptid|Peptid]]e mit der charakteristischen [[Wikipedia:N-Terminus|''N''-terminalen]] Sequenz [[Wikipedia:Tyrosin|Tyr]]-[[Wikipedia:Glycin|Gly]]-Gly-[[Wikipedia:Phenylalanin|Phe]]-[[Wikipedia:Methionin|Met]]/[[Wikipedia:Leucin|Leu]]) hemmend auf das erste und zweite Neuron der Schmerzbahn einwirken.<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Wikipedia:Robert Franz Schmidt|Robert Franz Schmidt]], Florian Lang, Manfred Heckmann |Titel=Physiologie des Menschen |Auflage=31. |Verlag=Springer Medizin Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=2010 |ISBN=978-3-642-01650-9 |Seiten=305–308}}</ref>
  
Über [[Opioidrezeptor]]en an den präsynaptischen Endigungen der Schmerzfasern wird die Freisetzung der erregenden Transmitter gehemmt. Die Aktivierung postsynaptischer Rezeptoren für GABA, Glycin und endogene Opioide erzeugt an den zweiten Neuronen [[Inhibitorisches postsynaptisches Potential|inhibitorische Potentiale]]. Im Gehirn finden sich Opioidrezeptoren an vielen weiteren Orten, unter anderem wird die affektive Komponente der Schmerzempfindung gehemmt. Als Schmerzmittel eingesetzte [[Opioide]] sind hochwirksam, weil sie trotz chemisch stark abweichender Struktur ebenfalls an Opioidrezeptor binden. Die schmerzlindernde Wirkung mancher [[Antidepressivum|Antidepressiva]] wird auf die (ursprünglich im Gehirn beabsichtigte) Konzentrationserhöhung von Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt zurückgeführt.
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Über [[Wikipedia:Opioidrezeptor|Opioidrezeptor]]en an den präsynaptischen Endigungen der Schmerzfasern wird die Freisetzung der erregenden Transmitter gehemmt. Die Aktivierung postsynaptischer Rezeptoren für GABA, Glycin und endogene Opioide erzeugt an den zweiten Neuronen [[Wikipedia:Inhibitorisches postsynaptisches Potential|inhibitorische Potentiale]]. Im Gehirn finden sich Opioidrezeptoren an vielen weiteren Orten, unter anderem wird die affektive Komponente der Schmerzempfindung gehemmt. Als Schmerzmittel eingesetzte [[Wikipedia:Opioide|Opioide]] sind hochwirksam, weil sie trotz chemisch stark abweichender Struktur ebenfalls an Opioidrezeptor binden. Die schmerzlindernde Wirkung mancher [[Wikipedia:Antidepressivum|Antidepressiva]] wird auf die (ursprünglich im Gehirn beabsichtigte) Konzentrationserhöhung von Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt zurückgeführt.
  
 
=== Verarbeitung im Gehirn ===
 
=== Verarbeitung im Gehirn ===
In der Großhirnrinde wird aus der Nozizeption Schmerz, der nun bewusst wird und im [[Limbisches System|limbischen System]] emotional bewertet wird. Die bewusste Schmerzwahrnehmung und genaue Lokalisation eines Schmerzes ist ein Lernprozess. Im [[Somatosensorischer Cortex|sensiblen Cortex]], genauer im [[Gyrus postcentralis]], gibt es für jedes [[Dermatom (Anatomie)|Hautareal]] repräsentative und zuständige Areale (sogenannter sensibler [[Homunculus]]); durch Erfahrungen wird ein Stich in den kleinen linken Finger auch sofort als ein solcher bewusst.
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In der Großhirnrinde wird aus der Nozizeption Schmerz, der nun bewusst wird und im [[Wikipedia:Limbisches System|limbischen System]] emotional bewertet wird. Die bewusste Schmerzwahrnehmung und genaue Lokalisation eines Schmerzes ist ein Lernprozess. Im [[Wikipedia:Somatosensorischer Cortex|sensiblen Cortex]], genauer im [[Wikipedia:Gyrus postcentralis|Gyrus postcentralis]], gibt es für jedes [[Wikipedia:Dermatom (Anatomie)|Hautareal]] repräsentative und zuständige Areale (sogenannter sensibler [[Wikipedia:Homunculus|Homunculus]]); durch Erfahrungen wird ein Stich in den kleinen linken Finger auch sofort als ein solcher bewusst.
  
 
== Schmerzmodulierung ==
 
== Schmerzmodulierung ==
Schmerz ist eine subjektive Wahrnehmung, die nicht alleine von den neuronalen Signalen aus den Schmerznervenfasern an das Gehirn bestimmt wird. Vielmehr sorgen z.&nbsp;B. Filterprozesse unseres Zentralnervensystems dafür, dass eine körperliche Schädigung nicht zwangsläufig zu Schmerz führt ([[Stressanalgesie]]; z.&nbsp;B. werden Verletzungen während eines Verkehrsunfalls, Wettkampfes, im Gefecht oder beim Geschlechtsverkehr oft nicht bemerkt) und umgekehrt Schmerzen auch ohne körperliche Schädigung bestehen können (z.&nbsp;B. [[Phantomschmerz]]). Darüber hinaus ist die subjektive Schmerzwahrnehmung, und dies insbesondere bei chronischen Schmerzzuständen, stets von kognitiven<ref name="PMID19853522">I. Tremblay, M. J. Sullivan: ''Attachment and pain outcomes in adolescents: the mediating role of pain catastrophizing and anxiety.'' In: ''The journal of pain: official journal of the American Pain Society.'' Band 11, Nummer&nbsp;2, Februar 2010, S.&nbsp;160–171, {{ISSN|1528-8447}}, [[doi:10.1016/j.jpain.2009.06.015]], PMID 19853522.</ref><ref name="PMID16492621">L. Bunketorp, M. Lindh u.&nbsp;a.: ''The perception of pain and pain-related cognitions in subacute whiplash-associated disorders: its influence on prolonged disability.'' In: ''Disability and rehabilitation.'' Band 28, Nummer 5, März 2006, S.&nbsp;271–279, {{ISSN|0963-8288}}, [[doi:10.1080/09638280500158323]], PMID 16492621.</ref> und motivationalen<ref name="PMID18718486">M. Auvray, E. Myin, C. Spence: ''The sensory-discriminative and affective-motivational aspects of pain.'' In: ''Neuroscience and biobehavioral reviews.'' Band 34, Nummer 2, Februar 2010, S.&nbsp;214–223, {{ISSN|1873-7528}}, [[doi:10.1016/j.neubiorev.2008.07.008]], PMID 18718486 (Review).</ref><ref name="PMID11327568">W. C. Clark, M. N. Janal u.&nbsp;a.: ''How separate are the sensory, emotional, and motivational dimensions of pain? A multidimensional scaling analysis.'' In: ''Somatosensory & motor research.'' Band 18, Nummer 1, 2001, S.&nbsp;31–39, {{ISSN|0899-0220}}, PMID 11327568.</ref> Einflüssen geprägt.
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Schmerz ist eine subjektive Wahrnehmung, die nicht alleine von den neuronalen Signalen aus den Schmerznervenfasern an das Gehirn bestimmt wird. Vielmehr sorgen z.&nbsp;B. Filterprozesse unseres Zentralnervensystems dafür, dass eine körperliche Schädigung nicht zwangsläufig zu Schmerz führt ([[Stressanalgesie]]; z.&nbsp;B. werden Verletzungen während eines Verkehrsunfalls, Wettkampfes, im Gefecht oder beim Geschlechtsverkehr oft nicht bemerkt) und umgekehrt Schmerzen auch ohne körperliche Schädigung bestehen können (z.&nbsp;B. [[Wikipedia:Phantomschmerz|Phantomschmerz]]). Darüber hinaus ist die subjektive Schmerzwahrnehmung, und dies insbesondere bei chronischen Schmerzzuständen, stets von kognitiven<ref name="PMID19853522">I. Tremblay, M. J. Sullivan: ''Attachment and pain outcomes in adolescents: the mediating role of pain catastrophizing and anxiety.'' In: ''The journal of pain: official journal of the American Pain Society.'' Band 11, Nummer&nbsp;2, Februar 2010, S.&nbsp;160–171, {{ISSN|1528-8447}}, [[doi:10.1016/j.jpain.2009.06.015]], PMID 19853522.</ref><ref name="PMID16492621">L. Bunketorp, M. Lindh u.&nbsp;a.: ''The perception of pain and pain-related cognitions in subacute whiplash-associated disorders: its influence on prolonged disability.'' In: ''Disability and rehabilitation.'' Band 28, Nummer 5, März 2006, S.&nbsp;271–279, {{ISSN|0963-8288}}, [[doi:10.1080/09638280500158323]], PMID 16492621.</ref> und motivationalen<ref name="PMID18718486">M. Auvray, E. Myin, C. Spence: ''The sensory-discriminative and affective-motivational aspects of pain.'' In: ''Neuroscience and biobehavioral reviews.'' Band 34, Nummer 2, Februar 2010, S.&nbsp;214–223, {{ISSN|1873-7528}}, [[doi:10.1016/j.neubiorev.2008.07.008]], PMID 18718486 (Review).</ref><ref name="PMID11327568">W. C. Clark, M. N. Janal u.&nbsp;a.: ''How separate are the sensory, emotional, and motivational dimensions of pain? A multidimensional scaling analysis.'' In: ''Somatosensory & motor research.'' Band 18, Nummer 1, 2001, S.&nbsp;31–39, {{ISSN|0899-0220}}, PMID 11327568.</ref> Einflüssen geprägt.
  
Schmerzzustände sind für den Körper ''erlernbar''. Wiederholt auftretende Schmerzen führen dabei zu intensiverem und längerem Schmerzempfinden, einem so genannten [[Schmerzgedächtnis]], da dabei die [[Schmerzschwelle]] herabgesetzt wird. Deshalb ist eine ''frühzeitige'' und ''ausreichende'' Schmerzbekämpfung mit Medikamenten oder durch andere geeignete Verfahren wichtig. So konnte gezeigt werden, dass das nozizeptive System im Menschen einer neuronalen Plastizität unterliegt, die sich durch gezielte Elektrostimulation beeinflussen lässt.<ref>{{Literatur |Autor=Martin Mücke, Henning Cuhls, Lukas Radbruch, Tobias Weigl, Roman Rolke |Hrsg= |Titel=Evidence of Heterosynaptic LTD in the Human Nociceptive System: Superficial Skin Neuromodulation Using a Matrix Electrode Reduces Deep Pain Sensitivity |Sammelwerk=PLOS ONE |Band=9 |Nummer=9 |Ort= |Datum=2014-09-17 |ISSN=1932-6203 |Seiten=e107718 |Online=http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0107718 |Abruf=2017-06-20 |DOI=10.1371/journal.pone.0107718 |PMC=4168234 |PMID=25229556}}</ref> Untersuchungen haben ergeben, dass in Deutschland gegenüber anderen Ländern Schmerzen oft unzureichend therapiert werden.<ref name="PMID21158184">T. Nolte: ''[Chronic pain patient: no fear of opioids].'' In: ''MMW Fortschritte der Medizin.'' Band 152, Nummer 44, November 2010, S.&nbsp;87–9, 91, {{ISSN|1438-3276}}, PMID 21158184.</ref><ref name="PMID20490571">M. Pflughaupt, R. Scharnagel u.&nbsp;a.: ''[Physicians’ knowledge and attitudes concerning the use of opioids in the treatment of chronic cancer and non-cancer pain].'' In: ''Schmerz.'' Band 24, Nummer 3, Juni 2010, S.&nbsp;267–275, {{ISSN|1432-2129}}, [[doi:10.1007/s00482-010-0913-3]], PMID 20490571.</ref> Dies gilt nicht nur für Patienten mit Schmerzen bei Krebserkrankungen und nach operativen Eingriffen.<ref name="aerzteblatt-78168">{{Literatur |Autor=Christoph Maier, Nadja Nestler, Helmut Richter, Winfried Hardinghaus, Esther Pogatzki-Zahn, Michael Zenz, Jürgen Osterbrink |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/78168/Qualitaet-der-Schmerztherapie-in-deutschen-Krankenhaeusern Qualität der Schmerztherapie in deutschen Krankenhäusern] |Sammelwerk=[[Deutsches Ärzteblatt]] |Band=107 |Nummer=36 |Datum=2010-09-10 |Seiten=607–614 |DOI=10.3238/arztebl.2010.0607}}</ref> Dies geht wahrscheinlich auf die tief verwurzelte und oft unbegründete Furcht vor Abhängigkeit von [[Analgetikum|Schmerzmedikamenten]], v.&nbsp;a. beim Einsatz von [[Opioide]]n beim Nicht-Tumorschmerz<ref name="PMID19730894">H. Reinecke, H. Sorgatz: ''[S3 guideline LONTS. Long-term administration of opioids for non-tumor pain].'' In: ''Schmerz.'' Band 23, Nummer 5, Oktober 2009, S.&nbsp;440–447, {{ISSN|1432-2129}}, [[doi:10.1007/s00482-009-0839-9]], PMID 19730894.</ref>, zurück. Ein umfassendes, interdisziplinäres [[Schmerztherapie|Schmerzmanagement]] ist entscheidend.
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Schmerzzustände sind für den Körper ''erlernbar''. Wiederholt auftretende Schmerzen führen dabei zu intensiverem und längerem Schmerzempfinden, einem so genannten [[Wikipedia:Schmerzgedächtnis|Schmerzgedächtnis]], da dabei die [[Wikipedia:Schmerzschwelle|Schmerzschwelle]] herabgesetzt wird. Deshalb ist eine ''frühzeitige'' und ''ausreichende'' Schmerzbekämpfung mit Medikamenten oder durch andere geeignete Verfahren wichtig. So konnte gezeigt werden, dass das nozizeptive System im Menschen einer neuronalen Plastizität unterliegt, die sich durch gezielte Elektrostimulation beeinflussen lässt.<ref>{{Literatur |Autor=Martin Mücke, Henning Cuhls, Lukas Radbruch, Tobias Weigl, Roman Rolke |Hrsg= |Titel=Evidence of Heterosynaptic LTD in the Human Nociceptive System: Superficial Skin Neuromodulation Using a Matrix Electrode Reduces Deep Pain Sensitivity |Sammelwerk=PLOS ONE |Band=9 |Nummer=9 |Ort= |Datum=2014-09-17 |ISSN=1932-6203 |Seiten=e107718 |Online=http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0107718 |Abruf=2017-06-20 |DOI=10.1371/journal.pone.0107718 |PMC=4168234 |PMID=25229556}}</ref> Untersuchungen haben ergeben, dass in Deutschland gegenüber anderen Ländern Schmerzen oft unzureichend therapiert werden.<ref name="PMID21158184">T. Nolte: ''[Chronic pain patient: no fear of opioids].'' In: ''MMW Fortschritte der Medizin.'' Band 152, Nummer 44, November 2010, S.&nbsp;87–9, 91, {{ISSN|1438-3276}}, PMID 21158184.</ref><ref name="PMID20490571">M. Pflughaupt, R. Scharnagel u.&nbsp;a.: ''[Physicians’ knowledge and attitudes concerning the use of opioids in the treatment of chronic cancer and non-cancer pain].'' In: ''Schmerz.'' Band 24, Nummer 3, Juni 2010, S.&nbsp;267–275, {{ISSN|1432-2129}}, [[doi:10.1007/s00482-010-0913-3]], PMID 20490571.</ref> Dies gilt nicht nur für Patienten mit Schmerzen bei Krebserkrankungen und nach operativen Eingriffen.<ref name="aerzteblatt-78168">{{Literatur |Autor=Christoph Maier, Nadja Nestler, Helmut Richter, Winfried Hardinghaus, Esther Pogatzki-Zahn, Michael Zenz, Jürgen Osterbrink |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/78168/Qualitaet-der-Schmerztherapie-in-deutschen-Krankenhaeusern Qualität der Schmerztherapie in deutschen Krankenhäusern] |Sammelwerk=[[Wikipedia:Deutsches Ärzteblatt|Deutsches Ärzteblatt]] |Band=107 |Nummer=36 |Datum=2010-09-10 |Seiten=607–614 |DOI=10.3238/arztebl.2010.0607}}</ref> Dies geht wahrscheinlich auf die tief verwurzelte und oft unbegründete Furcht vor Abhängigkeit von [[Wikipedia:Analgetikum|Schmerzmedikamenten]], v.&nbsp;a. beim Einsatz von [[Wikipedia:Opioide|Opioide]]n beim Nicht-Tumorschmerz<ref name="PMID19730894">H. Reinecke, H. Sorgatz: ''[S3 guideline LONTS. Long-term administration of opioids for non-tumor pain].'' In: ''Schmerz.'' Band 23, Nummer 5, Oktober 2009, S.&nbsp;440–447, {{ISSN|1432-2129}}, [[doi:10.1007/s00482-009-0839-9]], PMID 19730894.</ref>, zurück. Ein umfassendes, interdisziplinäres [[Wikipedia:Schmerztherapie|Schmerzmanagement]] ist entscheidend.
  
 
== Schmerzbeschreibung ==
 
== Schmerzbeschreibung ==
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Diese drei Qualitäten werden lokalisationstheoretisch verschiedenen Hirnarealen der sogenannten Schmerzmatrix<ref name="PMID20607220">G. D. Iannetti, A. Mouraux: ''From the neuromatrix to the pain matrix (and back).'' In: ''Experimental brain research.'' Band 205, Nummer 1, August 2010, S.&nbsp;1–12, {{ISSN|1432-1106}}, [[doi:10.1007/s00221-010-2340-1]], PMID 20607220 (Review).</ref> zugeschrieben:
 
Diese drei Qualitäten werden lokalisationstheoretisch verschiedenen Hirnarealen der sogenannten Schmerzmatrix<ref name="PMID20607220">G. D. Iannetti, A. Mouraux: ''From the neuromatrix to the pain matrix (and back).'' In: ''Experimental brain research.'' Band 205, Nummer 1, August 2010, S.&nbsp;1–12, {{ISSN|1432-1106}}, [[doi:10.1007/s00221-010-2340-1]], PMID 20607220 (Review).</ref> zugeschrieben:
* sensorische Komponente: primärer und sekundärer [[somatosensorischer Cortex]]
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* sensorische Komponente: primärer und sekundärer [[Wikipedia:somatosensorischer Cortex|somatosensorischer Cortex]]
* unmittelbar emotionale Komponente: [[Inselrinde|Cortex der Insula]] und [[Gyrus cinguli]] anterior
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* unmittelbar emotionale Komponente: [[Wikipedia:Inselrinde|Cortex der Insula]] und [[Wikipedia:Gyrus cinguli|Gyrus cinguli]] anterior
* emotionale Langzeitkomponente: [[präfrontaler Cortex]]
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* emotionale Langzeitkomponente: [[Wikipedia:präfrontaler Cortex|präfrontaler Cortex]]
  
Insbesondere bei chronischen Schmerzzuständen müssen darüber hinaus strukturelle Veränderungen im ZNS<ref name="PMID21593339">D. A. Seminowicz, T. H. Wideman u.&nbsp;a.: ''Effective treatment of chronic low back pain in humans reverses abnormal brain anatomy and function.'' In: ''The Journal of neuroscience: the official journal of the Society for Neuroscience.'' Band 31, Nummer 20, Mai 2011, S.&nbsp;7540–7550, {{ISSN|1529-2401}}, [[doi:10.1523/JNEUROSCI.5280-10.2011]], PMID 21593339.</ref> ebenso berücksichtigt werden wie Veränderungen in den sogenannten Ruhenetzwerken,<ref>{{Literatur |Autor=A. Otti, M. Noll-Hussong |Titel=Intrinsische Hirnaktivität bei Schmerzen |Sammelwerk=Der Schmerz |Band=25 |Nummer=5 |Verlag=Springer |Datum=2011 |ISSN=0932-433X |Seiten=501–507 |DOI=10.1007/s00482-011-1097-1}}</ref> z.&nbsp;B. dem [[Default Mode Network]].<ref name="PMID18256259">M. N. Baliki, P. Y. Geha u.&nbsp;a.: ''Beyond feeling: chronic pain hurts the brain, disrupting the default-mode network dynamics.'' In: ''The Journal of neuroscience.'' Band 28, Nummer 6, Februar 2008, S.&nbsp;1398–1403, {{ISSN|1529-2401}}, [[doi:10.1523/JNEUROSCI.4123-07.2008]], PMID 18256259.</ref><ref name="PMID19789220">D. Mantini, M. Caulo u.&nbsp;a.: ''Noxious somatosensory stimulation affects the default mode of brain function: evidence from functional MR imaging.'' In: ''Radiology.'' Band 253, Nummer 3, Dezember 2009, S.&nbsp;797–804, {{ISSN|1527-1315}}, [[doi:10.1148/radiol.2533090602]], PMID 19789220.</ref><ref name="PMID20800649">E. Tagliazucchi, P. Balenzuela u.&nbsp;a.: ''Brain resting state is disrupted in chronic back pain patients.'' In: ''Neuroscience letters.'' Band 485, Nummer 1, November 2010, S.&nbsp;26–31, {{ISSN|1872-7972}}, [[doi:10.1016/j.neulet.2010.08.053]], PMID 20800649, {{PMC|2954131}}.</ref>
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Insbesondere bei chronischen Schmerzzuständen müssen darüber hinaus strukturelle Veränderungen im ZNS<ref name="PMID21593339">D. A. Seminowicz, T. H. Wideman u.&nbsp;a.: ''Effective treatment of chronic low back pain in humans reverses abnormal brain anatomy and function.'' In: ''The Journal of neuroscience: the official journal of the Society for Neuroscience.'' Band 31, Nummer 20, Mai 2011, S.&nbsp;7540–7550, {{ISSN|1529-2401}}, [[doi:10.1523/JNEUROSCI.5280-10.2011]], PMID 21593339.</ref> ebenso berücksichtigt werden wie Veränderungen in den sogenannten Ruhenetzwerken,<ref>{{Literatur |Autor=A. Otti, M. Noll-Hussong |Titel=Intrinsische Hirnaktivität bei Schmerzen |Sammelwerk=Der Schmerz |Band=25 |Nummer=5 |Verlag=Springer |Datum=2011 |ISSN=0932-433X |Seiten=501–507 |DOI=10.1007/s00482-011-1097-1}}</ref> z.&nbsp;B. dem [[Wikipedia:Default Mode Network|Default Mode Network]].<ref name="PMID18256259">M. N. Baliki, P. Y. Geha u.&nbsp;a.: ''Beyond feeling: chronic pain hurts the brain, disrupting the default-mode network dynamics.'' In: ''The Journal of neuroscience.'' Band 28, Nummer 6, Februar 2008, S.&nbsp;1398–1403, {{ISSN|1529-2401}}, [[doi:10.1523/JNEUROSCI.4123-07.2008]], PMID 18256259.</ref><ref name="PMID19789220">D. Mantini, M. Caulo u.&nbsp;a.: ''Noxious somatosensory stimulation affects the default mode of brain function: evidence from functional MR imaging.'' In: ''Radiology.'' Band 253, Nummer 3, Dezember 2009, S.&nbsp;797–804, {{ISSN|1527-1315}}, [[doi:10.1148/radiol.2533090602]], PMID 19789220.</ref><ref name="PMID20800649">E. Tagliazucchi, P. Balenzuela u.&nbsp;a.: ''Brain resting state is disrupted in chronic back pain patients.'' In: ''Neuroscience letters.'' Band 485, Nummer 1, November 2010, S.&nbsp;26–31, {{ISSN|1872-7972}}, [[doi:10.1016/j.neulet.2010.08.053]], PMID 20800649, {{PMC|2954131}}.</ref>
  
 
== Schmerzarten ==
 
== Schmerzarten ==
Der [[Pschyrembel (Medizinisches Wörterbuch)]]<ref>''Pschyrembel Klinisches Wörterbuch.'' 259. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2001, ISBN 3-11-016522-8, S. 1500.</ref> unterteilt den Schmerz nach seiner [[Ätiologie (Medizin)|Ätiologie]] in drei Formen: 1.&nbsp;[[Nozizeptorenschmerz]], 2.&nbsp;[[#Nozizeption|neuropathische Schmerzen]], 3.&nbsp;[[Schmerzen infolge funktioneller Störungen]]. Psychosomatische Schmerzen gehören zur 3.&nbsp;Gruppe. Daneben gibt es noch verschiedene weitere Ein- und Unterteilungen von Schmerzen.
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Der [[Wikipedia:Pschyrembel (Medizinisches Wörterbuch)|Pschyrembel (Medizinisches Wörterbuch)]]<ref>''Pschyrembel Klinisches Wörterbuch.'' 259. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2001, ISBN 3-11-016522-8, S. 1500.</ref> unterteilt den Schmerz nach seiner [[Wikipedia:Ätiologie (Medizin)|Ätiologie]] in drei Formen: 1.&nbsp;[[Wikipedia:Nozizeptorenschmerz|Nozizeptorenschmerz]], 2.&nbsp;[[#Nozizeption|neuropathische Schmerzen]], 3.&nbsp;[[Schmerzen infolge funktioneller Störungen]]. Psychosomatische Schmerzen gehören zur 3.&nbsp;Gruppe. Daneben gibt es noch verschiedene weitere Ein- und Unterteilungen von Schmerzen.
  
 
=== Mischform (Mixed Pain) ===
 
=== Mischform (Mixed Pain) ===
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Bezüglich der Dauer kann Schmerz grundsätzlich in akut und chronisch kategorisiert werden.
 
Bezüglich der Dauer kann Schmerz grundsätzlich in akut und chronisch kategorisiert werden.
  
'''Akuter Schmerz''' ist ein zeitlich limitierter Schmerz, der als Reaktion auf die oben erläuterte Schmerzentstehung und Schmerzweiterleitung wahrgenommen wird. Er hat den Charakter eines Warn- und Leitsignals, das auch wegweisend zur Diagnose der Ursache sein kann. Nebst einer allgemein wirksamen analgetischen Therapie ist die aus der Diagnose folgende [[Kausaltherapie]] entscheidend sowohl zur Behandlung der auslösenden Ursache als auch zur Schmerztherapie.
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'''Akuter Schmerz''' ist ein zeitlich limitierter Schmerz, der als Reaktion auf die oben erläuterte Schmerzentstehung und Schmerzweiterleitung wahrgenommen wird. Er hat den Charakter eines Warn- und Leitsignals, das auch wegweisend zur Diagnose der Ursache sein kann. Nebst einer allgemein wirksamen analgetischen Therapie ist die aus der Diagnose folgende [[Wikipedia:Kausaltherapie|Kausaltherapie]] entscheidend sowohl zur Behandlung der auslösenden Ursache als auch zur Schmerztherapie.
  
 
Eine Form des akuten Schmerzes ist der so genannte '''Durchbruchschmerz''', eine innerhalb von Minuten auftretende Schmerzzunahme bei Patienten, die an einem ansonsten ausreichend (etwa durch eine Dauermedikation bzw. Basismedikation mit Opioiden) kontrollierten (chronischen) Dauerschmerz leiden.<ref>Russell K. Portenoy, Neil A. Hagen: ''Breakthrough pain: definition, prevalence and characteristics.'' In: ''Pain.'' Band 41, Nr. 3, (Juni) 1990, S. 273–281.</ref>
 
Eine Form des akuten Schmerzes ist der so genannte '''Durchbruchschmerz''', eine innerhalb von Minuten auftretende Schmerzzunahme bei Patienten, die an einem ansonsten ausreichend (etwa durch eine Dauermedikation bzw. Basismedikation mit Opioiden) kontrollierten (chronischen) Dauerschmerz leiden.<ref>Russell K. Portenoy, Neil A. Hagen: ''Breakthrough pain: definition, prevalence and characteristics.'' In: ''Pain.'' Band 41, Nr. 3, (Juni) 1990, S. 273–281.</ref>
  
'''Chronischer Schmerz''' ist ein zeitlich länger andauernder Schmerz, wobei der genaue Zeitrahmen unterschiedlich definiert wurde, typischerweise drei bis zwölf Monate. Länger dauernde Schmerzen können sich in eine chronische Schmerzkrankheit (eigener Krankheitswert) entwickeln. Die Schmerzen haben dann ihre Leit- und Warnfunktion verloren. Diese [[Schmerzkrankheit]] ist neben den organischen auch durch die daraus folgenden psychosozialen Veränderungen definiert, die in die integrative [[Schmerztherapie|Schmerzbehandlung]] einfließen müssen.
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'''Chronischer Schmerz''' ist ein zeitlich länger andauernder Schmerz, wobei der genaue Zeitrahmen unterschiedlich definiert wurde, typischerweise drei bis zwölf Monate. Länger dauernde Schmerzen können sich in eine chronische Schmerzkrankheit (eigener Krankheitswert) entwickeln. Die Schmerzen haben dann ihre Leit- und Warnfunktion verloren. Diese [[Wikipedia:Schmerzkrankheit|Schmerzkrankheit]] ist neben den organischen auch durch die daraus folgenden psychosozialen Veränderungen definiert, die in die integrative [[Wikipedia:Schmerztherapie|Schmerzbehandlung]] einfließen müssen.
  
 
Chronische Schmerzen haben –&nbsp;im Gegensatz zu akuten&nbsp;–&nbsp;fast nie nur eine einzige auslösende oder unterhaltende Ursache, sie sind multikausal. Das schmerztherapeutische Behandlungskonzept orientiert sich folgerichtig am ''bio-psycho-sozialen Modell'', womit allein schon deutlich wird, dass die einseitige Behandlung mit Analgetika alleine dem chronischen Schmerzpatienten nicht gerecht wird.
 
Chronische Schmerzen haben –&nbsp;im Gegensatz zu akuten&nbsp;–&nbsp;fast nie nur eine einzige auslösende oder unterhaltende Ursache, sie sind multikausal. Das schmerztherapeutische Behandlungskonzept orientiert sich folgerichtig am ''bio-psycho-sozialen Modell'', womit allein schon deutlich wird, dass die einseitige Behandlung mit Analgetika alleine dem chronischen Schmerzpatienten nicht gerecht wird.
  
Als Beispiele seien bestimmte [[Kopfschmerz|Kopf-]] und [[Rückenschmerzen]] (auch nach mehreren [[Operation (Medizin)|Operationen]]), Stumpf- und [[Phantomschmerz]]en, post[[Herpes Zoster|zosterische]] [[Neuralgie]]n, [[Trigeminusneuralgie]], Krebsschmerzen, [[Sympathikus|sympathisch]] unterhaltene, postoperative und [[Trauma (Medizin)|posttraumatische]] Schmerzen genannt. Aus psychosomatischer wie neurobiologischer Sicht können chronische nichtmaligne Schmerzen auch Ausdruck psychischer Störungen oder bestimmter Lebens- bzw. Kindheitserfahrungen sein,<ref>M. Noll-Hussong, H. Gündel, M. Sack: ''Die Schatten der Vergangenheit - Chronischer Schmerz bei einer Vorgeschichte von frühkindlicher sexueller Gewalt aus neurobiologischer Sicht.'' In: ''Trauma und Gewalt.'' Band 5, Nr. 1, 2011, S. 68–72.</ref><ref name="PMID20403508">M. Noll-Hussong, A. Otti u.&nbsp;a.: ''Aftermath of sexual abuse history on adult patients suffering from chronic functional pain syndromes: an fMRI pilot study.'' In: ''Journal of psychosomatic research.'' Band 68, Nummer 5, Mai 2010, S.&nbsp;483–487, {{ISSN|1879-1360}}, [[doi:10.1016/j.jpsychores.2010.01.020]], PMID 20403508.</ref> welche sich auch auf neurobiologischer Ebene abbilden.<ref name="PMID23497482">A. Otti, H. Guendel u.&nbsp;a.: ''Frequency shifts in the anterior default mode network and the salience network in chronic pain disorder.'' In: ''BMC psychiatry.'' Band 13, 2013, S.&nbsp;84, {{ISSN|1471-244X}}, [[doi:10.1186/1471-244X-13-84]], PMID 23497482, {{PMC|3616999}}.</ref><ref name="PMID22894821">A. Otti, H. Guendel u.&nbsp;a.: ''Functional network connectivity of pain-related resting state networks in somatoform pain disorder: an exploratory fMRI study.'' In: ''Journal of psychiatry & neuroscience: JPN.'' Band 38, Nummer&nbsp;1, Januar 2013, S.&nbsp;57–65, {{ISSN|1488-2434}}, [[doi:10.1503/jpn.110187]], PMID 22894821, {{PMC|3529220}}.</ref><ref name="PMID23362496">M. Noll-Hussong, A. Otti u.&nbsp;a.: ''Neural correlates of deficits in pain-related affective meaning construction in patients with chronic pain disorder.'' In: ''Psychosomatic medicine.'' Band 75, Nummer 2, Februar 2013, S.&nbsp;124–136, {{ISSN|1534-7796}}, [[doi:10.1097/PSY.0b013e31827e60f3]], PMID 23362496.</ref>
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Als Beispiele seien bestimmte [[Wikipedia:Kopfschmerz|Kopf-]] und [[Wikipedia:Rückenschmerzen|Rückenschmerzen]] (auch nach mehreren [[Wikipedia:Operation (Medizin)|Operationen]]), Stumpf- und [[Wikipedia:Phantomschmerz|Phantomschmerz]]en, post[[Wikipedia:Herpes Zoster|zosterische]] [[Wikipedia:Neuralgie|Neuralgie]]n, [[Wikipedia:Trigeminusneuralgie|Trigeminusneuralgie]], Krebsschmerzen, [[Wikipedia:Sympathikus|sympathisch]] unterhaltene, postoperative und [[Wikipedia:Trauma (Medizin)|posttraumatische]] Schmerzen genannt. Aus psychosomatischer wie neurobiologischer Sicht können chronische nichtmaligne Schmerzen auch Ausdruck psychischer Störungen oder bestimmter Lebens- bzw. Kindheitserfahrungen sein,<ref>M. Noll-Hussong, H. Gündel, M. Sack: ''Die Schatten der Vergangenheit - Chronischer Schmerz bei einer Vorgeschichte von frühkindlicher sexueller Gewalt aus neurobiologischer Sicht.'' In: ''Trauma und Gewalt.'' Band 5, Nr. 1, 2011, S. 68–72.</ref><ref name="PMID20403508">M. Noll-Hussong, A. Otti u.&nbsp;a.: ''Aftermath of sexual abuse history on adult patients suffering from chronic functional pain syndromes: an fMRI pilot study.'' In: ''Journal of psychosomatic research.'' Band 68, Nummer 5, Mai 2010, S.&nbsp;483–487, {{ISSN|1879-1360}}, [[doi:10.1016/j.jpsychores.2010.01.020]], PMID 20403508.</ref> welche sich auch auf neurobiologischer Ebene abbilden.<ref name="PMID23497482">A. Otti, H. Guendel u.&nbsp;a.: ''Frequency shifts in the anterior default mode network and the salience network in chronic pain disorder.'' In: ''BMC psychiatry.'' Band 13, 2013, S.&nbsp;84, {{ISSN|1471-244X}}, [[doi:10.1186/1471-244X-13-84]], PMID 23497482, {{PMC|3616999}}.</ref><ref name="PMID22894821">A. Otti, H. Guendel u.&nbsp;a.: ''Functional network connectivity of pain-related resting state networks in somatoform pain disorder: an exploratory fMRI study.'' In: ''Journal of psychiatry & neuroscience: JPN.'' Band 38, Nummer&nbsp;1, Januar 2013, S.&nbsp;57–65, {{ISSN|1488-2434}}, [[doi:10.1503/jpn.110187]], PMID 22894821, {{PMC|3529220}}.</ref><ref name="PMID23362496">M. Noll-Hussong, A. Otti u.&nbsp;a.: ''Neural correlates of deficits in pain-related affective meaning construction in patients with chronic pain disorder.'' In: ''Psychosomatic medicine.'' Band 75, Nummer 2, Februar 2013, S.&nbsp;124–136, {{ISSN|1534-7796}}, [[doi:10.1097/PSY.0b013e31827e60f3]], PMID 23362496.</ref>
  
Primär chronische Schmerzen sind beispielsweise [[Migräne]], [[Cluster-Kopfschmerz]], Trigeminusneuralgie, Stumpf- und Phantomschmerzen, [[Thalamus]]schmerz und Krebsschmerz. Gerade bei solchen Schmerzen und bei den Akutschmerzen, die nicht nach der zu erwartenden Zeit zu beseitigen sind, müssen Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden, die präventiv wirken, also der Entwicklung der Schmerzkrankheit entgegenwirken können.
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Primär chronische Schmerzen sind beispielsweise [[Wikipedia:Migräne|Migräne]], [[Wikipedia:Cluster-Kopfschmerz|Cluster-Kopfschmerz]], Trigeminusneuralgie, Stumpf- und Phantomschmerzen, [[Wikipedia:Thalamus|Thalamus]]schmerz und Krebsschmerz. Gerade bei solchen Schmerzen und bei den Akutschmerzen, die nicht nach der zu erwartenden Zeit zu beseitigen sind, müssen Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden, die präventiv wirken, also der Entwicklung der Schmerzkrankheit entgegenwirken können.
  
 
=== Seelischer/psychischer/sozialer Schmerz ===
 
=== Seelischer/psychischer/sozialer Schmerz ===
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== Begutachtung chronischer Schmerzen ==
 
== Begutachtung chronischer Schmerzen ==
Am 31. Mai 2012 und am 7. November 2017 wurde die Leitlinie der [[AWMF]] zur ''Ärztlichen Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen''<ref>AWMF [https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/094-003.html Leitlinie zur ärztlichen Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen] Abgerufen am 21. Oktober 2019.</ref> aktualisiert. Die [[Medizinischer Sachverständiger|Begutachtung]] von Schmerzen ist eine interdisziplinäre ärztliche Aufgabe. Sie dient der Vereinheitlichung und [[Qualitätssicherung in der Medizin|Qualitätssicherung]] der Begutachtung bei Antragstellern einer [[Gesetzliche Rentenversicherung|Rente]] oder [[Entschädigung]], die als [[Leitsymptom]] Schmerzen beklagen.
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Am 31. Mai 2012 und am 7. November 2017 wurde die Leitlinie der [[Wikipedia:AWMF|AWMF]] zur ''Ärztlichen Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen''<ref>AWMF [https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/094-003.html Leitlinie zur ärztlichen Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen] Abgerufen am 21. Oktober 2019.</ref> aktualisiert. Die [[Wikipedia:Medizinischer Sachverständiger|Begutachtung]] von Schmerzen ist eine interdisziplinäre ärztliche Aufgabe. Sie dient der Vereinheitlichung und [[Wikipedia:Qualitätssicherung in der Medizin|Qualitätssicherung]] der Begutachtung bei Antragstellern einer [[Wikipedia:Gesetzliche Rentenversicherung|Rente]] oder [[Wikipedia:Entschädigung|Entschädigung]], die als [[Wikipedia:Leitsymptom|Leitsymptom]] Schmerzen beklagen.
  
 
In der gutachtlichen Situation sind vereinfacht drei Kategorien von Schmerzen zu unterscheiden:
 
In der gutachtlichen Situation sind vereinfacht drei Kategorien von Schmerzen zu unterscheiden:
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** „Übliche Schmerzen“ als Begleitsymptom einer körperlich fassbaren Erkrankung bzw. einer Nervenschädigung.
 
** „Übliche Schmerzen“ als Begleitsymptom einer körperlich fassbaren Erkrankung bzw. einer Nervenschädigung.
 
** „Außergewöhnliche Schmerzen“ z.&nbsp;B. bei Stumpf- und Phantomschmerzen oder
 
** „Außergewöhnliche Schmerzen“ z.&nbsp;B. bei Stumpf- und Phantomschmerzen oder
** im Rahmen eines „[[Komplexes regionales Schmerzsyndrom|komplexen regionalen Schmerzsyndroms]]“ (CRPS).
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** im Rahmen eines „[[Wikipedia:Komplexes regionales Schmerzsyndrom|komplexen regionalen Schmerzsyndroms]]“ (CRPS).
* Körperlich zum Teil erklärbare Schmerzen mit psychischer [[Komorbidität]] als zahlenmäßig größte zur Begutachtung kommende Gruppe.
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* Körperlich zum Teil erklärbare Schmerzen mit psychischer [[Wikipedia:Komorbidität|Komorbidität]] als zahlenmäßig größte zur Begutachtung kommende Gruppe.
 
* Schmerz als Ausdruck einer primären psychischen Erkrankung insbesondere im Rahmen depressiver Störungen
 
* Schmerz als Ausdruck einer primären psychischen Erkrankung insbesondere im Rahmen depressiver Störungen
  
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* Schmerz als Leitsymptom einer psychischen Erkrankung.
 
* Schmerz als Leitsymptom einer psychischen Erkrankung.
  
Siehe auch [[Tübinger Bogen zur Erfassung von Schmerzverhalten]]
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Siehe auch [[Wikipedia:Tübinger Bogen zur Erfassung von Schmerzverhalten|Tübinger Bogen zur Erfassung von Schmerzverhalten]]
  
 
== Schmerzerzeugung ==
 
== Schmerzerzeugung ==
Durch [[Folter]] werden Schmerzen oder andere Leiden gezielt und gewaltsam Folteropfern zugefügt. Folter ist weltweit geächtet, wird aber praktiziert.<ref>Winston P. Nagan, Lucie Atkins: ''The International Law of Torture: From Universal Proscription to Effective Application and Enforcement.'' In: ''Harv. Hum. Rts. J.'' Band 14, 2001, S. 87.</ref> Durch Folter können chronische Schmerzen ausgelöst werden.<ref>A. B. Thomsen, J. Eriksen, K. Smidt-Nielsen: ''Chronic pain in torture survivors.'' In: ''Forensic science international.'' Band 108, Nummer 3, Februar 2000, S.&nbsp;155–163, {{ISSN|0379-0738}}, PMID 10737462.</ref><ref>A. C. Williams, C. R. Peña, A. S. Rice: ''Persistent pain in survivors of torture: a cohort study.'' In: ''Journal of pain and symptom management.'' Band 40, Nummer&nbsp;5, November 2010, S.&nbsp;715–722, {{ISSN|1873-6513}}, [[doi:10.1016/j.jpainsymman.2010.02.018]], PMID 20678891.</ref><ref>K. Amris, A. Williams: ''Chronic pain in survivors of torture.'' In: ''Pain: clinical updates.'' Band 15, Nr. 7, 2007, S. 1–4.</ref>
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Durch [[Wikipedia:Folter|Folter]] werden Schmerzen oder andere Leiden gezielt und gewaltsam Folteropfern zugefügt. Folter ist weltweit geächtet, wird aber praktiziert.<ref>Winston P. Nagan, Lucie Atkins: ''The International Law of Torture: From Universal Proscription to Effective Application and Enforcement.'' In: ''Harv. Hum. Rts. J.'' Band 14, 2001, S. 87.</ref> Durch Folter können chronische Schmerzen ausgelöst werden.<ref>A. B. Thomsen, J. Eriksen, K. Smidt-Nielsen: ''Chronic pain in torture survivors.'' In: ''Forensic science international.'' Band 108, Nummer 3, Februar 2000, S.&nbsp;155–163, {{ISSN|0379-0738}}, PMID 10737462.</ref><ref>A. C. Williams, C. R. Peña, A. S. Rice: ''Persistent pain in survivors of torture: a cohort study.'' In: ''Journal of pain and symptom management.'' Band 40, Nummer&nbsp;5, November 2010, S.&nbsp;715–722, {{ISSN|1873-6513}}, [[doi:10.1016/j.jpainsymman.2010.02.018]], PMID 20678891.</ref><ref>K. Amris, A. Williams: ''Chronic pain in survivors of torture.'' In: ''Pain: clinical updates.'' Band 15, Nr. 7, 2007, S. 1–4.</ref>
  
 
== Schmerztheorien ==
 
== Schmerztheorien ==
 
=== Historische Schmerztheorien ===
 
=== Historische Schmerztheorien ===
In der Antike sah [[Aristoteles]] das Zentrum der Sinne im Herzen und dementsprechend lokalisierte er dort auch das Zentrum der Schmerzempfindung. Diese Theorie blieb durch die Rezeption von Aristoteles im Mittelalter über die Antike hinaus wirksam. Bei [[Hippokrates von Kos]] dagegen galt entsprechend der [[Humoralpathologie]] ein Ungleichgewicht von „Körpersäften“ (z.&nbsp;B. Blut, Lymphe, schwarze und gelbe Galle, Wasser) als Ursache von Schmerzen. Daneben gab es auch aus anatomischen Untersuchungen von Strafgefangenen sich herleitende Befunde.<ref name="Schmerztheorien">Andreas Kopf, Rainer Sabatowski: ''Schmerz und Schmerztherapie.'' In: Eugen Blume u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Schmerz. Kunst + Wissenschaft.'' Dumont, Köln 2007, S.&nbsp;58&nbsp;ff.</ref>
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In der Antike sah [[Wikipedia:Aristoteles|Aristoteles]] das Zentrum der Sinne im Herzen und dementsprechend lokalisierte er dort auch das Zentrum der Schmerzempfindung. Diese Theorie blieb durch die Rezeption von Aristoteles im Mittelalter über die Antike hinaus wirksam. Bei [[Wikipedia:Hippokrates von Kos|Hippokrates von Kos]] dagegen galt entsprechend der [[Wikipedia:Humoralpathologie|Humoralpathologie]] ein Ungleichgewicht von „Körpersäften“ (z.&nbsp;B. Blut, Lymphe, schwarze und gelbe Galle, Wasser) als Ursache von Schmerzen. Daneben gab es auch aus anatomischen Untersuchungen von Strafgefangenen sich herleitende Befunde.<ref name="Schmerztheorien">Andreas Kopf, Rainer Sabatowski: ''Schmerz und Schmerztherapie.'' In: Eugen Blume u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Schmerz. Kunst + Wissenschaft.'' Dumont, Köln 2007, S.&nbsp;58&nbsp;ff.</ref>
  
Man findet die antiken Schmerztheorien in ihren Hauptpositionen versammelt in [[Cicero]]s Schrift ''[[Tusculanae disputationes]]''.<ref>Bernhard Koch: ''Philosophie als Medizin für die Seele. Untersuchungen zu Ciceros Tusculanae Disputationes'' (Palingenesia 90). Steiner, Stuttgart 2006, S. 151–164.</ref> Dort definiert Cicero den Schmerz als „rauhe Bewegung im Körper, die von den Sinnen abgelehnt wird“ (''motus asper in corpore, alienus a sensoribus''; Tusc. disp. II, 35), wonach der Schmerz kein seelischer Zustand ist. Eingehend kritisiert Cicero in den Büchern III und IV gemäß seiner Unterteilung von körperlichem Schmerz ''(dolor)'' und der spezifischen Emotion des Kummers ''(aegritudo)'' besonders die Lust- bzw. Schmerzlehre [[Epikur]]s wie auch die Schmerztheorie der [[Stoa|Stoiker]], weil beide Philosophenschulen nur kognitive Bewusstseinstechniken anempfehlen und deshalb den falschen Ansatzpunkt wählen. Kulturhistorisch bemerkenswert ist Ciceros Katalog (Tusc. disp. II, 34–41) von Personen, denen seiner Meinung nach tatsächlich ein Ertragen von Schmerzen gelingt: [[Spartaner]], römische Soldaten, Jäger, Sportler, [[Gladiator]]en.
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Man findet die antiken Schmerztheorien in ihren Hauptpositionen versammelt in [[Wikipedia:Cicero|Cicero]]s Schrift ''[[Wikipedia:Tusculanae disputationes|Tusculanae disputationes]]''.<ref>Bernhard Koch: ''Philosophie als Medizin für die Seele. Untersuchungen zu Ciceros Tusculanae Disputationes'' (Palingenesia 90). Steiner, Stuttgart 2006, S. 151–164.</ref> Dort definiert Cicero den Schmerz als „rauhe Bewegung im Körper, die von den Sinnen abgelehnt wird“ (''motus asper in corpore, alienus a sensoribus''; Tusc. disp. II, 35), wonach der Schmerz kein seelischer Zustand ist. Eingehend kritisiert Cicero in den Büchern III und IV gemäß seiner Unterteilung von körperlichem Schmerz ''(dolor)'' und der spezifischen Emotion des Kummers ''(aegritudo)'' besonders die Lust- bzw. Schmerzlehre [[Wikipedia:Epikur|Epikur]]s wie auch die Schmerztheorie der [[Wikipedia:Stoa|Stoiker]], weil beide Philosophenschulen nur kognitive Bewusstseinstechniken anempfehlen und deshalb den falschen Ansatzpunkt wählen. Kulturhistorisch bemerkenswert ist Ciceros Katalog (Tusc. disp. II, 34–41) von Personen, denen seiner Meinung nach tatsächlich ein Ertragen von Schmerzen gelingt: [[Wikipedia:Spartaner|Spartaner]], römische Soldaten, Jäger, Sportler, [[Wikipedia:Gladiator|Gladiator]]en.
  
 
[[Datei:Descartes-reflex.JPG|mini|Illustration zu Descartes’ ''De homine'']]
 
[[Datei:Descartes-reflex.JPG|mini|Illustration zu Descartes’ ''De homine'']]
Im 17. und 18. Jahrhundert bestimmten mechanistische Erklärungen das Verständnis des Schmerzes. So erklärte [[Descartes]] in seinem Essay ''De homine'' die Schmerzleitung, indem er die Nerven mit einem Seil verglich, an dem eine Glocke hängt. Der Schmerzreiz (A) verursacht einen Zug am Nervenende (B), der über den Nerven-Seilzug (C) in das Gehirn (F) geleitet wird, wo der Zug als Schmerzsignal registriert wird. Er gab auch dem Auftreten von Phantomschmerzen erstmals eine physiologische Erklärung. Ihm zufolge entstünden diese, indem die am Amputationsstumpf endenden Nerven weiterhin funktionieren, als ob die Gliedmaßen noch intakt seien. Trotz solcher immerhin wissenschaftlicher Ansätze blieben bei der konkreten Behandlung von Schmerzen geradezu quacksalberische Methoden im Schwange, wie zum Beispiel das „Herausziehen“ von Schmerzen mit den von dem amerikanischen Arzt [[Elisha Perkins]] erfundenen und patentierten sogenannten „Perkins-Traktoren“.<ref name="Schmerztheorien" />
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Im 17. und 18. Jahrhundert bestimmten mechanistische Erklärungen das Verständnis des Schmerzes. So erklärte [[Wikipedia:Descartes|Descartes]] in seinem Essay ''De homine'' die Schmerzleitung, indem er die Nerven mit einem Seil verglich, an dem eine Glocke hängt. Der Schmerzreiz (A) verursacht einen Zug am Nervenende (B), der über den Nerven-Seilzug (C) in das Gehirn (F) geleitet wird, wo der Zug als Schmerzsignal registriert wird. Er gab auch dem Auftreten von Phantomschmerzen erstmals eine physiologische Erklärung. Ihm zufolge entstünden diese, indem die am Amputationsstumpf endenden Nerven weiterhin funktionieren, als ob die Gliedmaßen noch intakt seien. Trotz solcher immerhin wissenschaftlicher Ansätze blieben bei der konkreten Behandlung von Schmerzen geradezu quacksalberische Methoden im Schwange, wie zum Beispiel das „Herausziehen“ von Schmerzen mit den von dem amerikanischen Arzt [[Elisha Perkins]] erfundenen und patentierten sogenannten „Perkins-Traktoren“.<ref name="Schmerztheorien" />
  
Im 19. Jahrhundert wurden in der Forschung neue Theorien zur Entstehung des Schmerzes formuliert. So stellte [[Moritz Schiff]] 1856 die sogenannte „Spezifitätstheorie“ auf. Demnach ist Schmerz eine spezifische Sinneserfahrung, die über spezifische Nervenbahnen weitergeleitet wird. Dazu demonstrierte er 1858, dass Tastsinn und Schmerz auf verschiedenen Bahnen im Rückenmark verlaufen. Als Gegentheorie dazu entwickelte [[Wilhelm Heinrich Erb]] 1874 die „Summationstheorie“ (Intensitätstheorie), die besagt, dass jeder Reiz als Schmerz empfunden werden kann, sofern er nur entsprechend intensiv ist.<ref name="Schmerztheorien" /> Darin hatte er 1794 in [[Erasmus Darwin]] einen Vorläufer. Die Summationstheorie wurde 1889 durch Experimente von [[Bernhard Naunyn]] gestützt, die auch bewirkten, dass [[Alfred Goldscheider]] von der Spezifizitätstheorie zur Summationstheorie wechselte. Anfang der 1890er Jahre vertraten vor allem Physiologen wie [[Maximilian von Frey]] und klinische Ärzte die Spezifizitätstheorie – von Frey meinte 1896 spezifische Schmerzpunkte in der Haut (die er mit freien Nervenenden identifizierte) gefunden zu haben, unabhängig von Sensoren für Hitze, Kälte oder Tastsinn. Die Intensitätstheorie wurde vor allem von Psychologen vertreten. Nach den Experimenten von Max von Frey und [[Henry Head]] wurde am Ende des 19. Jahrhunderts die Spezifitätstheorie dominierend, auch wenn in theoretischen Arbeiten auch im 20. Jahrhundert nach wie vor immer wieder die Summationstheorie vertreten wurde, zum Beispiel in der Mustertheorie. Eine Synthese beider Standpunkt erfolgte in der [[Gate-Control-Theory]] (1965), die eine Umwälzung auf theoretischem Gebiet bewirkte, auch wenn sie in Details korrigiert wurde.
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Im 19. Jahrhundert wurden in der Forschung neue Theorien zur Entstehung des Schmerzes formuliert. So stellte [[Wikipedia:Moritz Schiff|Moritz Schiff]] 1856 die sogenannte „Spezifitätstheorie“ auf. Demnach ist Schmerz eine spezifische Sinneserfahrung, die über spezifische Nervenbahnen weitergeleitet wird. Dazu demonstrierte er 1858, dass Tastsinn und Schmerz auf verschiedenen Bahnen im Rückenmark verlaufen. Als Gegentheorie dazu entwickelte [[Wikipedia:Wilhelm Heinrich Erb|Wilhelm Heinrich Erb]] 1874 die „Summationstheorie“ (Intensitätstheorie), die besagt, dass jeder Reiz als Schmerz empfunden werden kann, sofern er nur entsprechend intensiv ist.<ref name="Schmerztheorien" /> Darin hatte er 1794 in [[Wikipedia:Erasmus Darwin|Erasmus Darwin]] einen Vorläufer. Die Summationstheorie wurde 1889 durch Experimente von [[Wikipedia:Bernhard Naunyn|Bernhard Naunyn]] gestützt, die auch bewirkten, dass [[Wikipedia:Alfred Goldscheider|Alfred Goldscheider]] von der Spezifizitätstheorie zur Summationstheorie wechselte. Anfang der 1890er Jahre vertraten vor allem Physiologen wie [[Wikipedia:Maximilian von Frey|Maximilian von Frey]] und klinische Ärzte die Spezifizitätstheorie – von Frey meinte 1896 spezifische Schmerzpunkte in der Haut (die er mit freien Nervenenden identifizierte) gefunden zu haben, unabhängig von Sensoren für Hitze, Kälte oder Tastsinn. Die Intensitätstheorie wurde vor allem von Psychologen vertreten. Nach den Experimenten von Max von Frey und [[Wikipedia:Henry Head|Henry Head]] wurde am Ende des 19. Jahrhunderts die Spezifitätstheorie dominierend, auch wenn in theoretischen Arbeiten auch im 20. Jahrhundert nach wie vor immer wieder die Summationstheorie vertreten wurde, zum Beispiel in der Mustertheorie. Eine Synthese beider Standpunkt erfolgte in der [[Wikipedia:Gate-Control-Theory|Gate-Control-Theory]] (1965), die eine Umwälzung auf theoretischem Gebiet bewirkte, auch wenn sie in Details korrigiert wurde.
  
 
Das Verhältnis zum Schmerz unterliegt dem gesellschaftlichen Rollenverständnis. Schmerz wird in verschiedenen Situationen und je nach Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen unterschiedlich erduldet. Eine kulturelle Vorstellung erklärt freiwillig ertragenen Schmerz zu einem Erlösung bringenden Leid. Je nach mythologischem Hintergrund wird dafür z.&nbsp;B. der verlustreiche Auszug der Ursippe ins verheißene Land zitiert, der das kulturelle oder physische Überleben des Volkes rettete und Vorbildfunktion hat.
 
Das Verhältnis zum Schmerz unterliegt dem gesellschaftlichen Rollenverständnis. Schmerz wird in verschiedenen Situationen und je nach Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen unterschiedlich erduldet. Eine kulturelle Vorstellung erklärt freiwillig ertragenen Schmerz zu einem Erlösung bringenden Leid. Je nach mythologischem Hintergrund wird dafür z.&nbsp;B. der verlustreiche Auszug der Ursippe ins verheißene Land zitiert, der das kulturelle oder physische Überleben des Volkes rettete und Vorbildfunktion hat.
  
Bei der [[Initiation]], einem Aufnahmeritual traditioneller Gesellschaften, ist das Ertragen von zugefügtem Schmerz unverzichtbar und hat etwas Befreiendes, da es den Initianden in die Gruppe der Eingeweihten aufnimmt.<ref>Nigel Barley: [http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/cd00b101-a30a-4384-80b2-e5d88b47bb2a.aspx ''Ein Schmerz und eine Seele.''] In: ''[[NZZ Folio]].'' 1/2007.</ref> Die [[Hamar (Volk)|Hamar]] in Südäthiopien sind ein Volk, das sich durch kollektives Zufügen von Schmerzen seiner kulturellen Identität versichert.<ref>Anni Peller: [http://www.arbore.de/Literaturen/Peller_NoPainNoGain.pdf ''No Pain No Gain. Die Verbesserung sozialer Chancen durch das Ertragen von Schmerz.''] (PDF; 421&nbsp;kB) In: ''Afrika Spectrum.'' 38, 2003, S. 197–214.</ref>
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Bei der [[Wikipedia:Initiation|Initiation]], einem Aufnahmeritual traditioneller Gesellschaften, ist das Ertragen von zugefügtem Schmerz unverzichtbar und hat etwas Befreiendes, da es den Initianden in die Gruppe der Eingeweihten aufnimmt.<ref>Nigel Barley: [http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/cd00b101-a30a-4384-80b2-e5d88b47bb2a.aspx ''Ein Schmerz und eine Seele.''] In: ''[[Wikipedia:NZZ Folio|NZZ Folio]].'' 1/2007.</ref> Die [[Wikipedia:Hamar (Volk)|Hamar]] in Südäthiopien sind ein Volk, das sich durch kollektives Zufügen von Schmerzen seiner kulturellen Identität versichert.<ref>Anni Peller: [http://www.arbore.de/Literaturen/Peller_NoPainNoGain.pdf ''No Pain No Gain. Die Verbesserung sozialer Chancen durch das Ertragen von Schmerz.''] (PDF; 421&nbsp;kB) In: ''Afrika Spectrum.'' 38, 2003, S. 197–214.</ref>
  
Neben körperlichem Schmerz gibt es auch seelischen Schmerz. Die [[Judentum|jüdische Kultur]] kennt z.&nbsp;B. den Begriff des ''Tzar Gidul Banim'', der den Schmerz und die Anspannung bezeichnet, von der Eltern, die Kinder aufziehen, alltäglich begleitet werden, etwa über Krankheiten, den Tod oder die [[Insubordination]] dieser Kinder.<ref>Amy Hirshberg Lederman: ''One God, Many Paths: Finding Meaning and Inspiration in Jewish Teachings.'' Wheatmark, Tucson 2008, ISBN 978-1-58736-736-6, S. 35 ({{Google Buch |BuchID=GwpNinzkCvkC |Seite=35 |Linktext=eingeschränkte Online-Version |Land=US}}).</ref>
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Neben körperlichem Schmerz gibt es auch seelischen Schmerz. Die [[Wikipedia:Judentum|jüdische Kultur]] kennt z.&nbsp;B. den Begriff des ''Tzar Gidul Banim'', der den Schmerz und die Anspannung bezeichnet, von der Eltern, die Kinder aufziehen, alltäglich begleitet werden, etwa über Krankheiten, den Tod oder die [[Wikipedia:Insubordination|Insubordination]] dieser Kinder.<ref>Amy Hirshberg Lederman: ''One God, Many Paths: Finding Meaning and Inspiration in Jewish Teachings.'' Wheatmark, Tucson 2008, ISBN 978-1-58736-736-6, S. 35 ({{Google Buch |BuchID=GwpNinzkCvkC |Seite=35 |Linktext=eingeschränkte Online-Version |Land=US}}).</ref>
  
 
=== Moderne Schmerztheorien ===
 
=== Moderne Schmerztheorien ===
 
* Mustertheorie (D. C. Sinclair, G. Weddell 1955, Vorläufer J. P. Nafe 1929), eine Variante der Intensitätstheorie. Danach sind alle sensorischen Nervenendungen in der Haut (außer an den Haarzellen) fähig Schmerz zu erzeugen, falls der Stimulus intensiv genug ist. Die Theorie ignorierte viele der zuvor für die Spezifitätstheorie gesammelten Befunde. Art des Sinneseindrucks und Intensität und damit auch Schmerz wird durch die Art des raum-zeitlichen Musters des „Feuerns“ der Nervenfasern dargestellt.<ref>Massieh Moayedi, Karen Davis: Theories of pain: from specifity to gate control, J. Neurophysiol., Band 109, 2013, S. 5–12, [https://www.physiology.org/doi/full/10.1152/jn.00457.2012 Online]</ref>
 
* Mustertheorie (D. C. Sinclair, G. Weddell 1955, Vorläufer J. P. Nafe 1929), eine Variante der Intensitätstheorie. Danach sind alle sensorischen Nervenendungen in der Haut (außer an den Haarzellen) fähig Schmerz zu erzeugen, falls der Stimulus intensiv genug ist. Die Theorie ignorierte viele der zuvor für die Spezifitätstheorie gesammelten Befunde. Art des Sinneseindrucks und Intensität und damit auch Schmerz wird durch die Art des raum-zeitlichen Musters des „Feuerns“ der Nervenfasern dargestellt.<ref>Massieh Moayedi, Karen Davis: Theories of pain: from specifity to gate control, J. Neurophysiol., Band 109, 2013, S. 5–12, [https://www.physiology.org/doi/full/10.1152/jn.00457.2012 Online]</ref>
 
* Neurotheorie (Hedway, 1961)
 
* Neurotheorie (Hedway, 1961)
* [[Gate-Control-Theory]] ([[Ronald Melzack]], [[Patrick David Wall]], 1965, Vorläufer [[Willem Noordenbos (Chirurg, 1910)|Willem Noordenbos]]). Sie revolutionierte die Schmerztheorie und vereinigte die scheinbar widersprechenden Erkenntnisse von Spezifitätstheorie und Intensitätstheorie (Mustertheorie).
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* [[Wikipedia:Gate-Control-Theory|Gate-Control-Theory]] ([[Wikipedia:Ronald Melzack|Ronald Melzack]], [[Wikipedia:Patrick David Wall|Patrick David Wall]], 1965, Vorläufer [[Willem Noordenbos (Chirurg, 1910)|Willem Noordenbos]]). Sie revolutionierte die Schmerztheorie und vereinigte die scheinbar widersprechenden Erkenntnisse von Spezifitätstheorie und Intensitätstheorie (Mustertheorie).
* [[Primärtheorie]] ([[Arthur Janov]] befasst sich in seinem Gesamtwerk sowohl mit neurologischen als auch mit psychologischen Aspekten der Schmerzverarbeitung.)
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* [[Wikipedia:Primärtheorie|Primärtheorie]] ([[Wikipedia:Arthur Janov|Arthur Janov]] befasst sich in seinem Gesamtwerk sowohl mit neurologischen als auch mit psychologischen Aspekten der Schmerzverarbeitung.)
  
 
=== Schmerz und Leid in der Religion ===
 
=== Schmerz und Leid in der Religion ===
Innerhalb der christlichen Traditionen wird der Schmerz in den Zusammenhang mit Sünde und Schuld gestellt, da der ursprüngliche Schöpfungsplan Gottes keinen Ort für Schmerz vorsieht. Nach Lehre der christlichen Theologie besaßen die Menschen im Paradies übernatürliche Gaben der vollen Unversehrtheit und Gesundheit (''dona integritatis'', im Einzelnen das ''donum immortalitatis, impassibilitatis, scientiae, perfecti dominii''), z.&nbsp;B. auch eine Freiheit von Leiden des Leibes und vom äußeren Unglück (''donum impassibilitatis''; vgl. [[Augustinus]], [[De civitate dei]] XIV 10,26; [[Thomas von Aquin]], [[Summa theologiae]]&nbsp;I, qu.&nbsp;97, art.&nbsp;2). Erst durch den vom Menschen begangenen Sündenfall tritt der Schmerz bzw. die Schmerzempfänglichkeit in die Welt des Menschen ein. Im Christentum verweist man zum Verständnis und zur Bewältigung des Schmerzes, dem auch immer ein Moment des Unverstehbaren anhaftet, auf die [[Passion|Leiden Christi]], das Leiden der Gottesmutter [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]] (vgl. bes. die Sequenz [[Stabat mater dolorosa]]), auf biblische Vorbilder (besonders [[Ijob|Hiob]]) sowie auf das Vorbild der Heiligen und Märtyrer. Eine christliche Sonderausformung ist die [[Leidensmystik]].
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Innerhalb der christlichen Traditionen wird der Schmerz in den Zusammenhang mit Sünde und Schuld gestellt, da der ursprüngliche Schöpfungsplan Gottes keinen Ort für Schmerz vorsieht. Nach Lehre der christlichen Theologie besaßen die Menschen im Paradies übernatürliche Gaben der vollen Unversehrtheit und Gesundheit (''dona integritatis'', im Einzelnen das ''donum immortalitatis, impassibilitatis, scientiae, perfecti dominii''), z.&nbsp;B. auch eine Freiheit von Leiden des Leibes und vom äußeren Unglück (''donum impassibilitatis''; vgl. [[Wikipedia:Augustinus|Augustinus]], [[Wikipedia:De civitate dei|De civitate dei]] XIV 10,26; [[Wikipedia:Thomas von Aquin|Thomas von Aquin]], [[Wikipedia:Summa theologiae|Summa theologiae]]&nbsp;I, qu.&nbsp;97, art.&nbsp;2). Erst durch den vom Menschen begangenen Sündenfall tritt der Schmerz bzw. die Schmerzempfänglichkeit in die Welt des Menschen ein. Im Christentum verweist man zum Verständnis und zur Bewältigung des Schmerzes, dem auch immer ein Moment des Unverstehbaren anhaftet, auf die [[Wikipedia:Passion|Leiden Christi]], das Leiden der Gottesmutter [[Wikipedia:Maria (Mutter Jesu)|Maria]] (vgl. bes. die Sequenz [[Stabat mater dolorosa]]), auf biblische Vorbilder (besonders [[Wikipedia:Ijob|Hiob]]) sowie auf das Vorbild der Heiligen und Märtyrer. Eine christliche Sonderausformung ist die [[Leidensmystik]].
  
Der römisch-katholische Papst [[Johannes Paul II.]], der selber zum Lebensende hin schwer erkrankte, verfasste 1984 das [[Apostolisches Schreiben|Apostolische Schreiben]] „''[[Salvifici doloris]]''. Über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens“ als theologische Meditation, die heilbringende Kraft des Leidens erklärend.<ref>[[Johannes Paul II.]]: [[Apostolisches Schreiben]] ''[[Salvifici doloris]]'' über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens (11. Februar 1984). Vatikanstadt 1984 ([http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/apost_letters/documents/hf_jp-ii_apl_11021984_salvifici-doloris_ge.html Volltext online]).</ref>
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Der römisch-katholische Papst [[Wikipedia:Johannes Paul II.|Johannes Paul II.]], der selber zum Lebensende hin schwer erkrankte, verfasste 1984 das [[Wikipedia:Apostolisches Schreiben|Apostolische Schreiben]] „''[[Wikipedia:Salvifici doloris|Salvifici doloris]]''. Über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens“ als theologische Meditation, die heilbringende Kraft des Leidens erklärend.<ref>[[Wikipedia:Johannes Paul II.|Johannes Paul II.]]: [[Wikipedia:Apostolisches Schreiben|Apostolisches Schreiben]] ''[[Wikipedia:Salvifici doloris|Salvifici doloris]]'' über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens (11. Februar 1984). Vatikanstadt 1984 ([http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/apost_letters/documents/hf_jp-ii_apl_11021984_salvifici-doloris_ge.html Volltext online]).</ref>
  
 
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'''Kulturgeschichtlich'''
 
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* Eugen Blume, Annemarie Hürlimann, Thomas Schnalke, Daniel Tyradellis (Hrsg.): ''Schmerz. Kunst + Wissenschaft.'' Begleitbuch zur Ausstellung Schmerz, 5. April – 5. August 2007 in der Nationalgalerie Hamburger Hauptbahnhof und dem Medizinhistorischen Museum der Charieté. Dumont, Köln 2007, ISBN 978-3-8321-7766-9.
 
* Eugen Blume, Annemarie Hürlimann, Thomas Schnalke, Daniel Tyradellis (Hrsg.): ''Schmerz. Kunst + Wissenschaft.'' Begleitbuch zur Ausstellung Schmerz, 5. April – 5. August 2007 in der Nationalgalerie Hamburger Hauptbahnhof und dem Medizinhistorischen Museum der Charieté. Dumont, Köln 2007, ISBN 978-3-8321-7766-9.
* Johannes Flügge, Matthias Kroß, Nikola Grahek: ''Schmerz. I. Antike bis frühe Neuzeit; II. Neuzeit; III. Naturwissenschaft und Medizin.'' In: ''[[Historisches Wörterbuch der Philosophie]].'' Band 8 (1992), Sp. 1314f., 1315–1323, 1323–1330.
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* Johannes Flügge, Matthias Kroß, Nikola Grahek: ''Schmerz. I. Antike bis frühe Neuzeit; II. Neuzeit; III. Naturwissenschaft und Medizin.'' In: ''[[Wikipedia:Historisches Wörterbuch der Philosophie|Historisches Wörterbuch der Philosophie]].'' Band 8 (1992), Sp. 1314f., 1315–1323, 1323–1330.
 
* Iris Hermann: ''Schmerzarten. Prolegomena einer Ästhetik des Schmerzes in Literatur, Musik und Psychoanalyse.'' Carl Winter, Heidelberg 2006, ISBN 3-8253-5255-2 (literaturwissenschaftlich).
 
* Iris Hermann: ''Schmerzarten. Prolegomena einer Ästhetik des Schmerzes in Literatur, Musik und Psychoanalyse.'' Carl Winter, Heidelberg 2006, ISBN 3-8253-5255-2 (literaturwissenschaftlich).
 
* Bernhard Koch: ''Philosophie als Medizin für die Seele. Untersuchungen zu Ciceros Tusculanae Disputationes'' (=&nbsp;Palingenesia. 90). Steiner, Stuttgart 2006, ISBN 3-515-08951-9, S.&nbsp;151–164.
 
* Bernhard Koch: ''Philosophie als Medizin für die Seele. Untersuchungen zu Ciceros Tusculanae Disputationes'' (=&nbsp;Palingenesia. 90). Steiner, Stuttgart 2006, ISBN 3-515-08951-9, S.&nbsp;151–164.
 
* Franz-Josef Kuhlen: ''Historisches zum Thema Schmerz und Schmerztherapie.'' In: ''Pharmazie in unserer Zeit'', 31(1) (2002), S. 13–22, {{ISSN|0048-3664}}.
 
* Franz-Josef Kuhlen: ''Historisches zum Thema Schmerz und Schmerztherapie.'' In: ''Pharmazie in unserer Zeit'', 31(1) (2002), S. 13–22, {{ISSN|0048-3664}}.
* Matthias Laarmann: ''Schmerz.'' In: ''[[Lexikon des Mittelalters]].'' 7 (1995), Sp. 1502&nbsp;f. (zu Medizin, Philosophie und Theologie des Mittelalters).
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* Matthias Laarmann: ''Schmerz.'' In: ''[[Wikipedia:Lexikon des Mittelalters|Lexikon des Mittelalters]].'' 7 (1995), Sp. 1502&nbsp;f. (zu Medizin, Philosophie und Theologie des Mittelalters).
 
* David Le Breton: ''Schmerz – Eine Kulturgeschichte.'' Diaphanes Verlag, Zürich / Berlin 2003, ISBN 3-935300-20-4.
 
* David Le Breton: ''Schmerz – Eine Kulturgeschichte.'' Diaphanes Verlag, Zürich / Berlin 2003, ISBN 3-935300-20-4.
 
* David B. Morris: ''Geschichte des Schmerzes.'' Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-458-16615-7 (kulturhistorisch).
 
* David B. Morris: ''Geschichte des Schmerzes.'' Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-458-16615-7 (kulturhistorisch).

Aktuelle Version vom 21. September 2021, 23:59 Uhr

Kopfschmerz (The Head Ache, Karikatur von George Cruikshank)

Schmerz ist eine komplexe subjektive Sinneswahrnehmung, die als akutes Geschehen den Charakter eines Warn- und Leitsignals aufweist und in der Intensität von unangenehm bis unerträglich reichen kann. Als chronischer Schmerz hat es den Charakter des Warnsignales verloren und wird heute als eigenständiges Krankheitsbild (Chronisches Schmerzsyndrom) gesehen und behandelt.

Ein Schmerzempfinden von Tieren kann nicht direkt bestimmt werden, daher wird es kontrovers diskutiert und wurde bis in die 1980er Jahre auch gelegentlich abgestritten.[1] Zugrunde liegt immer die Übertragung vom Menschen auf das Tier.[2][3][4] Insbesondere ist es kaum möglich, die subjektive Schmerzwahrnehmung verschiedener Einzeltiere miteinander in Vergleich zu setzen oder gar zu quantifizieren. Bei Arten, die entfernter mit dem Menschen verwandt sind, weist der Aufbau des Nervensystems erhebliche Unterschiede gegenüber dem der Wirbeltiere auf (wie bei Weichtieren, Insekten), die Nervensysteme verschiedener Tierstämme sind nicht homolog.

Die jährlichen volkswirtschaftlichen Kosten von Schmerzzuständen als Summe von medizinischen Behandlungen, Produktivitätseinbußen und Ausgleichszahlungen für Arbeitsunfähigkeit belaufen sich in den entwickelten Ländern und Industriestaaten auf rund eine Billion US-Dollar.[5][6]

Etymologie und Synonyme

Der Ausdruck Schmerz, auch Weh (von mittelhochdeutsch „Weh, Schmerz, Leid, Krankheit“; vgl. auch „Wehe“) genannt, stammt über mhd. smërze von ahd. smërzo und lässt sich auf die indogermanische Wurzel (s)mer(d)- (‚reiben‘, ‚aufreiben‘, ‚zerreiben‘) zurückführen.[7] Sinngleich sind nl. smerte, westfries. smart (letzteres bedeutet vor allem seelischen Schmerz, während der körperliche Schmerz durch pîn („Pein“, früher auch Wehtag genannt) ausgedrückt wird). Verwandte Wörter sind engl. smart (me. smerte) „scharf, bitter“, griechisch σμερδνός, σμερδαλέος „schrecklich“, lat. mordere „beißen, kränken“, slaw. smrt, lit. smertis „Tod“.[8]

Das veraltete Wort Pein geht wie das Adjektiv peinlich zurück auf mhd. pîne, pîn, ahd. pîna. Dieses stammt wie auch englisch pain von lat. poena ab (mittellateinische Aussprache: pêna, dessen ê im Althochdeutschen zu î geworden ist).[9] Die wörtliche Übersetzung von lat. poena „Sühne, Strafe, Rache“ verweist auf subjektive Deutungen des Schmerzes. Beim primären Hyperparathyreoidismus fasst man die drei Hauptsymptome noch heute als „Stein-, Bein- und Magenpein“ zusammen, für Nierensteinleiden, Knochen- und Magenschmerzen.

Medizinische Fachausdrücke sind Dolor (lat. dolor) sowie aus dem Griechischen Algesie (Gegenwort: Analgesie), in Wortverbindungen -algie, -algesie (alle von άλγος algos „Schmerz“) oder -odynie (von οδύνη „Schmerz“).[10]

Definition

Die International Association for the Study of Pain (IASP, Internationale Gesellschaft zur Erforschung des Schmerzes) definiert Schmerz folgendermaßen:

„Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung einhergeht oder von betroffenen Personen so beschrieben wird, als wäre eine solche Gewebeschädigung die Ursache.“[11]

Die Wahrnehmung Schmerz wird als komplexe Wechselwirkungen zwischen biologischen, psychischen[12] und sozialen Faktoren angenommen (biopsychosoziales Schmerzkonzept). Der Schmerz ist also eine subjektive Wahrnehmung, welche nicht allein durch neuronale Signale der Nervenfasern bestimmt wird, vielmehr ist es eine Wahrnehmung, welche über komplexe Vorgänge stark reguliert wird (s. a. Schmerzmodulierung). Schmerz ist also das, was der Patient als solchen empfindet. Weil es sich um eine stark subjektiv gefärbte Wahrnehmung handelt, kann es zu Verständigungsschwierigkeit zwischen Patient und Behandelnden kommen, insbesondere im Bezug auf das Ausmaß des Leidens.

Stellung innerhalb der Sensibilität

Das Schmerzempfinden ist eine Sinnesmodalität innerhalb der somatoviszeralen Sensibilität.[13] Weitere Modalitäten sind die Empfindung mechanischer und thermischer Reize sowie der Muskelspannung und Gelenkstellung. Zur Sensibilität gehört außerdem die Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung weiterer propriozeptiver sowie chemischer Reize, woraus sich mangels Empfindung aber keine Sinnesmodalitäten ergeben. Innerhalb der Modalität Schmerz werden Sinnesqualitäten wie stechend, drückend, brennend unterschieden, auch der Juckreiz[14] kann hier eingeordnet werden.

Den Empfindungen der unterschiedlichen Modalitäten (und Qualitäten) liegen Reizungen unterschiedlicher Fasern des peripheren Nervensystems zugrunde (ein historischer Gegenentwurf zu dieser Spezifitätstheorie war die Intensitätstheorie, nach der Schmerz durch starke Reizung im thermischen oder mechanischen System entsteht).[15] Die für das Schmerzempfinden zuständigen Sensoren heißen Nozizeptoren und sind freie Nervenendigungen, die geeignete Rezeptorproteine exprimieren; ihr adäquater Reiz ist eine erfolgte oder drohende Gewebeschädigung, solche Reize heißen noxisch. Die Reizung von Juckfasern führt nur dann zur entsprechenden Empfindung, wenn nicht gleichzeitig Nozizeptoren erregt werden; in jenem Fall tragen die Juckfasern zur Schmerzempfindung bei, was die Linderung des Juckreizes durch Kratzen erklärt.[16] Die objektive Grundlage des Schmerzempfindens (also die Erfassung noxischer Reize, die Weiterleitung dieser Information über das Rückenmark ins Gehirn und die Informationsverarbeitung inklusive der Auslösung von Reflexen) heißt Nozizeption; eine Empfindung wird daraus frühestens im Thalamus, eine Wahrnehmung erst durch Verarbeitung in der Großhirnrinde.

Eine Besonderheit des Schmerzempfindens (inklusive der Empfindung von Juckreiz) ist der unangenehme Affekt, der Reizungen im nozizeptiven System fast immer begleitet. Schmerz ist also mehr als die Information über Ort, Art, Intensität und Dauer einer drohenden oder erfolgten Gewebeschädigung, Schmerz ist auch die Motivation zur Vermeidung von Verletzungen und Schonung verletzter Körperteile. Als negativer Verstärker trägt Schmerz durch operante Konditionierung dazu bei, das Vermeiden schädlichen Verhaltens zu erlernen.

Neuroanatomisch gilt wie für die gesamte bewusste Sensibilität (ohne Hirnnerven), dass das erste Neuron mit seinem Zellkörper pseudounipolar im Spinalganglion sitzt und im Rückenmark auf ein zweites Neuron umgeschaltet wird, das auf die Gegenseite kreuzt und die Information zum Thalamus leitet, von wo aus ein drittes Neuron zur Großhirnrinde zieht. Besondere Ähnlichkeit zeigt die Nozizeption dabei mit der Thermozeption: In beiden Fällen werden die Reize von C- und Aδ-Fasern aufgenommen und schon im Hinterhorn des Eintrittssegments auf das zweite Neuron umgeschaltet, das sogleich auf die kontralaterale Seite wechselt. Dort ziehen thermozeptive und nozizeptive Fasern anatomisch untrennbar im Tractus spinothalamicus lateralis Richtung Gehirn; eine Schädigung der nozizeptiven Bahn im Rückenmark geht daher praktisch immer auch mit eingeschränkter Warmkaltempfindung im gleichen Gebiet einher.[17] Die Dermatome der Schmerzempfindung überlappen sich weniger als die der Berührungsempfindung, sodass sich Schädigungen einzelner sensibler Nervenwurzeln in der neurologischen Untersuchung am ehesten als Hypalgesie nachweisen lassen.[18]

Nozizeption

Nozizeption und Schmerz gehen typischerweise miteinander einher, Nozizeption ist aber weder hinreichend noch notwendig für ein Schmerzempfinden. Beispielsweise lösen nozizeptive Signale, die das Gehirn im Schlaf erreichen, keine Schmerzen aus, da der Thalamus dann keine sensorischen Informationen zur Großhirnrinde weiterleitet (ausreichend starke Signale führen jedoch zum Erwachen).[19] Andersherum ist die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren durch eine ausgeprägte Schmerzwahrnehmung ohne entsprechende noxische Reize gekennzeichnet. Manche Reize, die durch das nozizeptive System aufgenommen werden, werden üblicherweise nicht als Schmerz beschrieben, darunter fallen die geschmackliche Schärfe, stechender Geruch, die Kratzigkeit von Wollstoffen und die Spitzempfindung.[20]

Schmerz, der tatsächlich durch Reizung von Nozizeptoren entsteht, erfüllt die oben beschriebenen wichtigen Funktionen im Körper und wird deshalb physiologischer oder (bei erhöhter Schmerzempfindlichkeit im Rahmen von akuten Entzündungen) pathophysiologischer Nozizeptorschmerz genannt.[21] Wird das nozizeptive System an anderer Stelle als den Nozizeptoren erregt, etwa durch Druck auf Nerven, resultiert ein neuropathischer Schmerz, der im Gebiet der Nozizeptoren empfunden wird, obwohl dort keine Schädigung vorliegt. Ein Spezialfall des neuropathischen Schmerzes ist der zentrale Schmerz durch direkte Reizung im Zentralnervensystem.

Aufnahme von Schmerzreizen

Nozizeptoren sind freie Endigungen von Nervenfasern der Klassen C und Aδ, die den Schmerzreiz von der Peripherie bis ins Rückenmark leiten. Aδ-Fasern sind dünn myelinisiert und erreichen eine Reizleitungsgeschwindigkeit von 5–25 m/s. Die entwicklungsgeschichtlich älteren C-Fasern sind die bei weitem häufigsten afferenten Fasern,[22] sie finden sich fast überall im Körper und erreichen wegen fehlender Myelinisierung nur 0,5–2 m/s. Lokalanästhetika unterbrechen die Reizleitung durch Blockade von Natriumkanälen vollständig, sind dabei jedoch nicht spezifisch für nozizeptive Fasern.

Nozizeptoren reagieren auf verschiedene Arten der Reizung:

  • thermische (Hitze, Kälte)
  • mechanische (z. B. Durchtrennung, starker Druck)
  • chemische (z. B. ATP, Protonen, Kalium-Ionen)

Die Detektion dieser Reize erfolgt soweit bekannt über Rezeptorproteine in der Zellmembran. Von gewöhnlichen mechano-, thermo- oder chemosensitiven Nervenendigungen unterscheiden sich Nozizeptoren durch eine höhere Reizschwelle. Sie adaptieren langsam,[23] d. h., ein andauernder Reiz führt erst nach verhältnismäßig langer Zeit zu einer verminderten AP-Frequenz. Die meisten Nozizeptoren sind polymodal, d. h., sie tragen eine Vielzahl von Rezeptoren für unterschiedliche Arten von noxischen Reizen in derselben Endigung; solche Nozizeptoren sind typischerweise Teil von C-Fasern und erzeugen eine dumpfe Schmerzempfindung. Daneben gibt es, insbesondere unter den Aδ-Fasern, auch monomodale Nozizeptoren, z. B. hochschwellige Mechanosensoren; ihre Erregung wird für den schnellen, gut lokalisierbaren ersten Schmerz bei akuter Verletzung verantwortlich gemacht und spielt für Schutz- und Fluchtreflexe eine besondere Rolle.[24] Stumme Nozizeptoren sind normalerweise so hochschwellig, dass sie überhaupt nicht erregt werden können.

Periphere Sensitivierung

Durch Gewebsschädigung und die daraus resultierende Immunreaktion (Entzündung) werden im Schmerzgebiet Mediatoren freigesetzt, die durch Bindung an spezifische Membranrezeptoren die Reizschwelle der Nozizeptoren herabsetzen:

Durch die Sensitivierung werden stumme Nozizeptoren erweckt. Manche Nozizeptoren werden so stark sensitiviert, dass sie durch die Bedingungen im Gewebe ständig überschwellig erregt werden. Der Betroffene erlebt dies als Hyperalgesie (stärkere Schmerzen bei noxischen Reizen) und Allodynie (Schmerzempfindung bei normalerweise nicht schmerzhaften Reizen) bzw. als Ruheschmerz. Schmerzmittel aus der Klasse der nichtsteroidalen Antiphlogistika (ASS, Ibuprofen, Diclofenac, …) wirken als Hemmstoffe der Cyclooxygenase und vermindern so Entzündung und Sensitivierung; sie können die Schmerzempfindlichkeit nicht unter das Niveau von nicht entzündetem Gewebe senken.

Umschaltung im Rückenmark

Im Rückenmark kommt es zu Reflexverschaltungen, die Fluchtbewegungen und Schonhaltungen auslösen; die primitiven Reaktionen auf Ebene des Rückenmarks werden dabei in unterschiedlichem Ausmaß durch höhere Zentren (im Gehirn) moduliert. Ein weitgehend spinal organisiertes Beispiel ist der Beugereflex, der die betroffene Extremität vom noxischen Reiz wegzieht, wie beim Anziehen des Beines beim Tritt auf einen spitzen Gegenstand (hier mit gekreuztem Streckreflex, also Kraftverlagerung auf das andere Bein, wofür höhere Zentren miteingebunden werden müssen).[26] Der Griff an einen unerwartet heißen Gegenstand bewirkt tatsächlich ein Zurückziehen der Hand, noch bevor der Schmerz überhaupt bewusst wird (auch wenn man sich im Nachhinein vielleicht denkt, man habe aufgrund des Schmerzes gehandelt). Ein Beispiel für motorische Reaktionen auf Eingeweideschmerz ist die Abwehrspannung des Bauches. Neben motorischen lösen Schmerzreize auch vegetative Reflexe aus (z. B. Sympathikus-Aktivierung), übergeordnetes Steuerzentrum ist hier der Hypothalamus.

Die Umschaltung auf die zweiten Neurone, die die Information im Vorderseitenstrang des Rückenmarks (Tractus spinothalamicus lateralis) zum Ventrobasalkern des Thalamus weiterleiten, erfolgt konvergent, d. h., mehrere nozizeptive Fasern aus der Peripherie erregen ein Rückenmarksneuron. Rückenmarksneurone, die Signale aus inneren Organen erhalten, erhalten dabei stets auch Signale aus somatischen Gebieten des jeweiligen Rückenmarksegments, was die schlechte Lokalisierbarkeit und teilweise paradoxe Übertragung von Eingeweideschmerzen erklärt.[27] An den Synapsen setzen die ersten Neurone Glutamat sowie Substanz P und CGRP als erregende Neuropeptide frei. Unter den Glutamatrezeptoren in der postsynaptischen Membran der zweiten Neurone befinden sich NMDA-Rezeptoren, deren Öffnung die Synapse langfristig verstärkt (siehe Langzeitpotenzierung). Zusammen mit der Wirkung der Kotransmitter, zentraler Prostaglandine und des Glutamats an metabotropen Rezeptoren ergibt sich eine Zentrale Sensitivierung, die die Schmerzempfindlichkeit weiter erhöht und das schmerzempfindliche Gebiet auf nicht entzündetes umgebenes Gewebe ausweiten kann (sekundäre Hyperalgesie).[28] Die zentrale Sensitivierung ist anfangs reversibel, stellt jedoch langfristig einen Mechanismus zum Erlernen chronischer Schmerzen dar. Ketamin entfaltet seine analgetische Wirkung vor allem durch Blockade des NMDA-Rezeptors.

Schmerzhemmung durch absteigende Bahnen

Die gerade beschriebene Übertragung von Schmerzreizen im Rückenmark wird durch absteigende Bahnen aus dem Gehirn moduliert, zwei schmerzhemmende Bahnen sollen hier vertieft werden: Von zentralen Höhlengrau projizieren opioiderge Neurone zu den Raphe-Kerne, von wo aus serotoninerge Fasern im Rückenmark absteigen. Zu den Schaltstellen der Schmerzübertragung ziehen außerdem noradrenerge Fasern, die ihren Ausgangspunkt im Locus caeruleus haben. Die Transmitter Serotonin bzw. Noradrenalin erregen spinale Interneurone, die über GABA, Glycin und körpereigene Opioide (Peptide mit der charakteristischen N-terminalen Sequenz Tyr-Gly-Gly-Phe-Met/Leu) hemmend auf das erste und zweite Neuron der Schmerzbahn einwirken.[29]

Über Opioidrezeptoren an den präsynaptischen Endigungen der Schmerzfasern wird die Freisetzung der erregenden Transmitter gehemmt. Die Aktivierung postsynaptischer Rezeptoren für GABA, Glycin und endogene Opioide erzeugt an den zweiten Neuronen inhibitorische Potentiale. Im Gehirn finden sich Opioidrezeptoren an vielen weiteren Orten, unter anderem wird die affektive Komponente der Schmerzempfindung gehemmt. Als Schmerzmittel eingesetzte Opioide sind hochwirksam, weil sie trotz chemisch stark abweichender Struktur ebenfalls an Opioidrezeptor binden. Die schmerzlindernde Wirkung mancher Antidepressiva wird auf die (ursprünglich im Gehirn beabsichtigte) Konzentrationserhöhung von Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt zurückgeführt.

Verarbeitung im Gehirn

In der Großhirnrinde wird aus der Nozizeption Schmerz, der nun bewusst wird und im limbischen System emotional bewertet wird. Die bewusste Schmerzwahrnehmung und genaue Lokalisation eines Schmerzes ist ein Lernprozess. Im sensiblen Cortex, genauer im Gyrus postcentralis, gibt es für jedes Hautareal repräsentative und zuständige Areale (sogenannter sensibler Homunculus); durch Erfahrungen wird ein Stich in den kleinen linken Finger auch sofort als ein solcher bewusst.

Schmerzmodulierung

Schmerz ist eine subjektive Wahrnehmung, die nicht alleine von den neuronalen Signalen aus den Schmerznervenfasern an das Gehirn bestimmt wird. Vielmehr sorgen z. B. Filterprozesse unseres Zentralnervensystems dafür, dass eine körperliche Schädigung nicht zwangsläufig zu Schmerz führt (Stressanalgesie; z. B. werden Verletzungen während eines Verkehrsunfalls, Wettkampfes, im Gefecht oder beim Geschlechtsverkehr oft nicht bemerkt) und umgekehrt Schmerzen auch ohne körperliche Schädigung bestehen können (z. B. Phantomschmerz). Darüber hinaus ist die subjektive Schmerzwahrnehmung, und dies insbesondere bei chronischen Schmerzzuständen, stets von kognitiven[30][31] und motivationalen[32][33] Einflüssen geprägt.

Schmerzzustände sind für den Körper erlernbar. Wiederholt auftretende Schmerzen führen dabei zu intensiverem und längerem Schmerzempfinden, einem so genannten Schmerzgedächtnis, da dabei die Schmerzschwelle herabgesetzt wird. Deshalb ist eine frühzeitige und ausreichende Schmerzbekämpfung mit Medikamenten oder durch andere geeignete Verfahren wichtig. So konnte gezeigt werden, dass das nozizeptive System im Menschen einer neuronalen Plastizität unterliegt, die sich durch gezielte Elektrostimulation beeinflussen lässt.[34] Untersuchungen haben ergeben, dass in Deutschland gegenüber anderen Ländern Schmerzen oft unzureichend therapiert werden.[35][36] Dies gilt nicht nur für Patienten mit Schmerzen bei Krebserkrankungen und nach operativen Eingriffen.[37] Dies geht wahrscheinlich auf die tief verwurzelte und oft unbegründete Furcht vor Abhängigkeit von Schmerzmedikamenten, v. a. beim Einsatz von Opioiden beim Nicht-Tumorschmerz[38], zurück. Ein umfassendes, interdisziplinäres Schmerzmanagement ist entscheidend.

Schmerzbeschreibung

Qualität

Das Schmerzempfinden ist immer subjektiv. Schmerzbeschreibungen lassen sich in affektive (ein Gefühl ausdrückend, z. B. quälend, marternd, lähmend, schrecklich, heftig) und sensorische (die Sinnesqualität betreffend: stechend, ziehend, zwickend, drückend, krampfartig, brennend) Aspekte unterteilen. Der affektive Aspekt kann weiterhin in eine unmittelbare emotionale Komponente und eine emotionale Langzeitkomponente aufgeteilt werden. Der Arzt fragt diese im Patientengespräch ab und erhält so Hinweise auf Art und Ursache des Schmerzes.

Diese drei Qualitäten werden lokalisationstheoretisch verschiedenen Hirnarealen der sogenannten Schmerzmatrix[39] zugeschrieben:

Insbesondere bei chronischen Schmerzzuständen müssen darüber hinaus strukturelle Veränderungen im ZNS[40] ebenso berücksichtigt werden wie Veränderungen in den sogenannten Ruhenetzwerken,[41] z. B. dem Default Mode Network.[42][43][44]

Schmerzarten

Der Pschyrembel (Medizinisches Wörterbuch)[45] unterteilt den Schmerz nach seiner Ätiologie in drei Formen: 1. Nozizeptorenschmerz, 2. neuropathische Schmerzen, 3. Schmerzen infolge funktioneller Störungen. Psychosomatische Schmerzen gehören zur 3. Gruppe. Daneben gibt es noch verschiedene weitere Ein- und Unterteilungen von Schmerzen.

Mischform (Mixed Pain)

Hierbei treten sowohl ein Nozizeptor- sowie ein neuropathischer Schmerz gleichzeitig in unterschiedlichen Ausprägungen auf.[46][47]

Beispiele sind:

  • Lumbalgie (Schmerzen in der Lendenwirbelsäule)
  • Lumboischialgie (Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, die in ein Bein ausstrahlen)
  • Schmerzen nach einer Bandscheibenoperation
  • Tumorschmerzen

Akuter und chronischer Schmerz

Bezüglich der Dauer kann Schmerz grundsätzlich in akut und chronisch kategorisiert werden.

Akuter Schmerz ist ein zeitlich limitierter Schmerz, der als Reaktion auf die oben erläuterte Schmerzentstehung und Schmerzweiterleitung wahrgenommen wird. Er hat den Charakter eines Warn- und Leitsignals, das auch wegweisend zur Diagnose der Ursache sein kann. Nebst einer allgemein wirksamen analgetischen Therapie ist die aus der Diagnose folgende Kausaltherapie entscheidend sowohl zur Behandlung der auslösenden Ursache als auch zur Schmerztherapie.

Eine Form des akuten Schmerzes ist der so genannte Durchbruchschmerz, eine innerhalb von Minuten auftretende Schmerzzunahme bei Patienten, die an einem ansonsten ausreichend (etwa durch eine Dauermedikation bzw. Basismedikation mit Opioiden) kontrollierten (chronischen) Dauerschmerz leiden.[48]

Chronischer Schmerz ist ein zeitlich länger andauernder Schmerz, wobei der genaue Zeitrahmen unterschiedlich definiert wurde, typischerweise drei bis zwölf Monate. Länger dauernde Schmerzen können sich in eine chronische Schmerzkrankheit (eigener Krankheitswert) entwickeln. Die Schmerzen haben dann ihre Leit- und Warnfunktion verloren. Diese Schmerzkrankheit ist neben den organischen auch durch die daraus folgenden psychosozialen Veränderungen definiert, die in die integrative Schmerzbehandlung einfließen müssen.

Chronische Schmerzen haben – im Gegensatz zu akuten – fast nie nur eine einzige auslösende oder unterhaltende Ursache, sie sind multikausal. Das schmerztherapeutische Behandlungskonzept orientiert sich folgerichtig am bio-psycho-sozialen Modell, womit allein schon deutlich wird, dass die einseitige Behandlung mit Analgetika alleine dem chronischen Schmerzpatienten nicht gerecht wird.

Als Beispiele seien bestimmte Kopf- und Rückenschmerzen (auch nach mehreren Operationen), Stumpf- und Phantomschmerzen, postzosterische Neuralgien, Trigeminusneuralgie, Krebsschmerzen, sympathisch unterhaltene, postoperative und posttraumatische Schmerzen genannt. Aus psychosomatischer wie neurobiologischer Sicht können chronische nichtmaligne Schmerzen auch Ausdruck psychischer Störungen oder bestimmter Lebens- bzw. Kindheitserfahrungen sein,[49][50] welche sich auch auf neurobiologischer Ebene abbilden.[51][52][53]

Primär chronische Schmerzen sind beispielsweise Migräne, Cluster-Kopfschmerz, Trigeminusneuralgie, Stumpf- und Phantomschmerzen, Thalamusschmerz und Krebsschmerz. Gerade bei solchen Schmerzen und bei den Akutschmerzen, die nicht nach der zu erwartenden Zeit zu beseitigen sind, müssen Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden, die präventiv wirken, also der Entwicklung der Schmerzkrankheit entgegenwirken können.

Seelischer/psychischer/sozialer Schmerz

Verschiedene Studien zeigen, dass starke Emotionen (z. B. bei Trauer, Beziehungskrisen oder Trennung vom Partner) ähnliche Hirnareale aktivieren wie körperliche Schmerzen.[54]

Sozialer Schmerz, z. B. infolge von Verlusterfahrungen oder Zurückweisungen,[55] zeigt hinsichtlich seiner affektiven Prozessierung mehr neurale Überlappungen mit physischem Schmerz denn Unterschiede.[56] Ähnliche Befunde lassen sich aufgrund neuerer Bildgebungsuntersuchungen erheben, wenn wir – ohne selbst Schmerz zu empfinden – den Schmerz Anderer in schmerzauslösenden Situationen wahrnehmen, z. B. (menschliche) Schmerzlaute hören oder visuell präsentiert bekommen (sog. Schmerzempathie).[57][58]

Begutachtung chronischer Schmerzen

Am 31. Mai 2012 und am 7. November 2017 wurde die Leitlinie der AWMF zur Ärztlichen Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen[59] aktualisiert. Die Begutachtung von Schmerzen ist eine interdisziplinäre ärztliche Aufgabe. Sie dient der Vereinheitlichung und Qualitätssicherung der Begutachtung bei Antragstellern einer Rente oder Entschädigung, die als Leitsymptom Schmerzen beklagen.

In der gutachtlichen Situation sind vereinfacht drei Kategorien von Schmerzen zu unterscheiden:

  • Schmerz als Begleitsymptom einer körperlichen Störung mit den Untergruppen
    • „Übliche Schmerzen“ als Begleitsymptom einer körperlich fassbaren Erkrankung bzw. einer Nervenschädigung.
    • „Außergewöhnliche Schmerzen“ z. B. bei Stumpf- und Phantomschmerzen oder
    • im Rahmen eines „komplexen regionalen Schmerzsyndroms“ (CRPS).
  • Körperlich zum Teil erklärbare Schmerzen mit psychischer Komorbidität als zahlenmäßig größte zur Begutachtung kommende Gruppe.
  • Schmerz als Ausdruck einer primären psychischen Erkrankung insbesondere im Rahmen depressiver Störungen

Die gutachtliche Beurteilung beruht im Wesentlichen auf der Beantwortung von zwei Fragen:

  • Sind die geklagten Schmerzen und die damit verbundenen Funktionsstörungen „ohne vernünftigen Zweifel“ nachweisbar („Konsistenzprüfung“)?
  • Sind die nachgewiesenen Funktionsstörungen durch „zumutbare Willensanspannung“ wenigstens zum Teil überwindbar („Prüfung der willentlichen Steuerbarkeit“)?

Sind schmerzbedingte Funktionsstörungen nachgewiesen, hat der Sachverständige diese im Allgemeinen auch zu quantifizieren. Entsprechend den Kategorien chronischer Schmerzsyndrome ergeben sich dabei folgende Unterschiede:

  • Schmerz als Begleitsymptom einer Gewebeschädigung oder -erkrankung.
  • Schmerz bei Gewebeschädigung/-erkrankung mit psychischer Komorbidität.
  • Schmerz als Leitsymptom einer psychischen Erkrankung.

Siehe auch Tübinger Bogen zur Erfassung von Schmerzverhalten

Schmerzerzeugung

Durch Folter werden Schmerzen oder andere Leiden gezielt und gewaltsam Folteropfern zugefügt. Folter ist weltweit geächtet, wird aber praktiziert.[60] Durch Folter können chronische Schmerzen ausgelöst werden.[61][62][63]

Schmerztheorien

Historische Schmerztheorien

In der Antike sah Aristoteles das Zentrum der Sinne im Herzen und dementsprechend lokalisierte er dort auch das Zentrum der Schmerzempfindung. Diese Theorie blieb durch die Rezeption von Aristoteles im Mittelalter über die Antike hinaus wirksam. Bei Hippokrates von Kos dagegen galt entsprechend der Humoralpathologie ein Ungleichgewicht von „Körpersäften“ (z. B. Blut, Lymphe, schwarze und gelbe Galle, Wasser) als Ursache von Schmerzen. Daneben gab es auch aus anatomischen Untersuchungen von Strafgefangenen sich herleitende Befunde.[64]

Man findet die antiken Schmerztheorien in ihren Hauptpositionen versammelt in Ciceros Schrift Tusculanae disputationes.[65] Dort definiert Cicero den Schmerz als „rauhe Bewegung im Körper, die von den Sinnen abgelehnt wird“ (motus asper in corpore, alienus a sensoribus; Tusc. disp. II, 35), wonach der Schmerz kein seelischer Zustand ist. Eingehend kritisiert Cicero in den Büchern III und IV gemäß seiner Unterteilung von körperlichem Schmerz (dolor) und der spezifischen Emotion des Kummers (aegritudo) besonders die Lust- bzw. Schmerzlehre Epikurs wie auch die Schmerztheorie der Stoiker, weil beide Philosophenschulen nur kognitive Bewusstseinstechniken anempfehlen und deshalb den falschen Ansatzpunkt wählen. Kulturhistorisch bemerkenswert ist Ciceros Katalog (Tusc. disp. II, 34–41) von Personen, denen seiner Meinung nach tatsächlich ein Ertragen von Schmerzen gelingt: Spartaner, römische Soldaten, Jäger, Sportler, Gladiatoren.

Illustration zu Descartes’ De homine

Im 17. und 18. Jahrhundert bestimmten mechanistische Erklärungen das Verständnis des Schmerzes. So erklärte Descartes in seinem Essay De homine die Schmerzleitung, indem er die Nerven mit einem Seil verglich, an dem eine Glocke hängt. Der Schmerzreiz (A) verursacht einen Zug am Nervenende (B), der über den Nerven-Seilzug (C) in das Gehirn (F) geleitet wird, wo der Zug als Schmerzsignal registriert wird. Er gab auch dem Auftreten von Phantomschmerzen erstmals eine physiologische Erklärung. Ihm zufolge entstünden diese, indem die am Amputationsstumpf endenden Nerven weiterhin funktionieren, als ob die Gliedmaßen noch intakt seien. Trotz solcher immerhin wissenschaftlicher Ansätze blieben bei der konkreten Behandlung von Schmerzen geradezu quacksalberische Methoden im Schwange, wie zum Beispiel das „Herausziehen“ von Schmerzen mit den von dem amerikanischen Arzt Elisha Perkins erfundenen und patentierten sogenannten „Perkins-Traktoren“.[64]

Im 19. Jahrhundert wurden in der Forschung neue Theorien zur Entstehung des Schmerzes formuliert. So stellte Moritz Schiff 1856 die sogenannte „Spezifitätstheorie“ auf. Demnach ist Schmerz eine spezifische Sinneserfahrung, die über spezifische Nervenbahnen weitergeleitet wird. Dazu demonstrierte er 1858, dass Tastsinn und Schmerz auf verschiedenen Bahnen im Rückenmark verlaufen. Als Gegentheorie dazu entwickelte Wilhelm Heinrich Erb 1874 die „Summationstheorie“ (Intensitätstheorie), die besagt, dass jeder Reiz als Schmerz empfunden werden kann, sofern er nur entsprechend intensiv ist.[64] Darin hatte er 1794 in Erasmus Darwin einen Vorläufer. Die Summationstheorie wurde 1889 durch Experimente von Bernhard Naunyn gestützt, die auch bewirkten, dass Alfred Goldscheider von der Spezifizitätstheorie zur Summationstheorie wechselte. Anfang der 1890er Jahre vertraten vor allem Physiologen wie Maximilian von Frey und klinische Ärzte die Spezifizitätstheorie – von Frey meinte 1896 spezifische Schmerzpunkte in der Haut (die er mit freien Nervenenden identifizierte) gefunden zu haben, unabhängig von Sensoren für Hitze, Kälte oder Tastsinn. Die Intensitätstheorie wurde vor allem von Psychologen vertreten. Nach den Experimenten von Max von Frey und Henry Head wurde am Ende des 19. Jahrhunderts die Spezifitätstheorie dominierend, auch wenn in theoretischen Arbeiten auch im 20. Jahrhundert nach wie vor immer wieder die Summationstheorie vertreten wurde, zum Beispiel in der Mustertheorie. Eine Synthese beider Standpunkt erfolgte in der Gate-Control-Theory (1965), die eine Umwälzung auf theoretischem Gebiet bewirkte, auch wenn sie in Details korrigiert wurde.

Das Verhältnis zum Schmerz unterliegt dem gesellschaftlichen Rollenverständnis. Schmerz wird in verschiedenen Situationen und je nach Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen unterschiedlich erduldet. Eine kulturelle Vorstellung erklärt freiwillig ertragenen Schmerz zu einem Erlösung bringenden Leid. Je nach mythologischem Hintergrund wird dafür z. B. der verlustreiche Auszug der Ursippe ins verheißene Land zitiert, der das kulturelle oder physische Überleben des Volkes rettete und Vorbildfunktion hat.

Bei der Initiation, einem Aufnahmeritual traditioneller Gesellschaften, ist das Ertragen von zugefügtem Schmerz unverzichtbar und hat etwas Befreiendes, da es den Initianden in die Gruppe der Eingeweihten aufnimmt.[66] Die Hamar in Südäthiopien sind ein Volk, das sich durch kollektives Zufügen von Schmerzen seiner kulturellen Identität versichert.[67]

Neben körperlichem Schmerz gibt es auch seelischen Schmerz. Die jüdische Kultur kennt z. B. den Begriff des Tzar Gidul Banim, der den Schmerz und die Anspannung bezeichnet, von der Eltern, die Kinder aufziehen, alltäglich begleitet werden, etwa über Krankheiten, den Tod oder die Insubordination dieser Kinder.[68]

Moderne Schmerztheorien

  • Mustertheorie (D. C. Sinclair, G. Weddell 1955, Vorläufer J. P. Nafe 1929), eine Variante der Intensitätstheorie. Danach sind alle sensorischen Nervenendungen in der Haut (außer an den Haarzellen) fähig Schmerz zu erzeugen, falls der Stimulus intensiv genug ist. Die Theorie ignorierte viele der zuvor für die Spezifitätstheorie gesammelten Befunde. Art des Sinneseindrucks und Intensität und damit auch Schmerz wird durch die Art des raum-zeitlichen Musters des „Feuerns“ der Nervenfasern dargestellt.[69]
  • Neurotheorie (Hedway, 1961)
  • Gate-Control-Theory (Ronald Melzack, Patrick David Wall, 1965, Vorläufer Willem Noordenbos). Sie revolutionierte die Schmerztheorie und vereinigte die scheinbar widersprechenden Erkenntnisse von Spezifitätstheorie und Intensitätstheorie (Mustertheorie).
  • Primärtheorie (Arthur Janov befasst sich in seinem Gesamtwerk sowohl mit neurologischen als auch mit psychologischen Aspekten der Schmerzverarbeitung.)

Schmerz und Leid in der Religion

Innerhalb der christlichen Traditionen wird der Schmerz in den Zusammenhang mit Sünde und Schuld gestellt, da der ursprüngliche Schöpfungsplan Gottes keinen Ort für Schmerz vorsieht. Nach Lehre der christlichen Theologie besaßen die Menschen im Paradies übernatürliche Gaben der vollen Unversehrtheit und Gesundheit (dona integritatis, im Einzelnen das donum immortalitatis, impassibilitatis, scientiae, perfecti dominii), z. B. auch eine Freiheit von Leiden des Leibes und vom äußeren Unglück (donum impassibilitatis; vgl. Augustinus, De civitate dei XIV 10,26; Thomas von Aquin, Summa theologiae I, qu. 97, art. 2). Erst durch den vom Menschen begangenen Sündenfall tritt der Schmerz bzw. die Schmerzempfänglichkeit in die Welt des Menschen ein. Im Christentum verweist man zum Verständnis und zur Bewältigung des Schmerzes, dem auch immer ein Moment des Unverstehbaren anhaftet, auf die Leiden Christi, das Leiden der Gottesmutter Maria (vgl. bes. die Sequenz Stabat mater dolorosa), auf biblische Vorbilder (besonders Hiob) sowie auf das Vorbild der Heiligen und Märtyrer. Eine christliche Sonderausformung ist die Leidensmystik.

Der römisch-katholische Papst Johannes Paul II., der selber zum Lebensende hin schwer erkrankte, verfasste 1984 das Apostolische SchreibenSalvifici doloris. Über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens“ als theologische Meditation, die heilbringende Kraft des Leidens erklärend.[70]

Siehe auch

Literatur

  • Ralf Baron: Diagnostik und Therapie neuropathischer Schmerzen. In: Deutsches Ärzteblatt. 103, Ausgabe 41 vom 13. Oktober 2006, S. A-2720 (aerzteblatt.de).
  • Thomas Flöter (Hrsg.): Grundlagen der Schmerztherapie. In: Medizin & Wissen. München 1998.
  • Thomas Flöter, Manfred Zimmermann (Hrsg.): Der multimorbide Schmerzpatient. Thieme, Stuttgart 2003, ISBN 3-13-133071-6.
  • Uwe Junker, Thomas Nolte (Hrsg.): Grundlagen der Speziellen Schmerztherapie. Curriculum Spezielle Schmerztherapie der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e. V. nach dem Kursbuch der Bundesärztekammer. Urban & Vogel, München 2005, ISBN 3-89935-218-1.
  • Birgit Kröner-Herwig, Regine Klinger, Jule Fretlöh, Paul Nilges (Hrsg.): Schmerzpsychotherapie. Grundlagen – Diagnostik – Krankheitsbilder – Behandlung. 7., vollständig aktualisierte und überarbeitete Auflage. Springer, Berlin 2011, ISBN 978-3-642-12782-3.
  • Raoul Relouzat, Jean-Pierre Thiollet: Combattre la douleur. Anagramme, Paris 2002, ISBN 2-914571-16-X.
  • Robert F. Schmidt: Die Physiologie des Schmerzes. In: Pharmazie in unserer Zeit, Band 31, Nr. 1, 2002, S. 23–30, ISSN 0048-3664.
  • H.-P. Schmiedebach: Der Schmerz – Kulturphänomen und Krankheit. In: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, Band 45, Nr. 5, 2002, S. 419–424, ISSN 1436-9990.
  • Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung Baden-Württemberg, Stuttgart und Landesärztekammer BW (Hrsg.): Schmerztherapie für Tumorkranke. Ein Leitfaden. Gemeinsame Empf. der Tumorzentren, Kassenärztl. Vereinig., Landesärztekammer. In: Gesundheitspolitik. 13. 3., unverä. Auflage.

Leitlinien

Schmerzarten

  • H. W. Striebel: Therapie chronischer Schmerzen – Ein praktischer Leitfaden. Schattauer, Stuttgart 2002, ISBN 3-7945-2146-3, S. 9–11 (online in der Google-Buchsuche).
  • Franz-Josef Kretz, Jürgen Schäffer u. a.: Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie. 4. Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-25698-9, S. 398 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Kulturgeschichtlich

  • Eugen Blume, Annemarie Hürlimann, Thomas Schnalke, Daniel Tyradellis (Hrsg.): Schmerz. Kunst + Wissenschaft. Begleitbuch zur Ausstellung Schmerz, 5. April – 5. August 2007 in der Nationalgalerie Hamburger Hauptbahnhof und dem Medizinhistorischen Museum der Charieté. Dumont, Köln 2007, ISBN 978-3-8321-7766-9.
  • Johannes Flügge, Matthias Kroß, Nikola Grahek: Schmerz. I. Antike bis frühe Neuzeit; II. Neuzeit; III. Naturwissenschaft und Medizin. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 8 (1992), Sp. 1314f., 1315–1323, 1323–1330.
  • Iris Hermann: Schmerzarten. Prolegomena einer Ästhetik des Schmerzes in Literatur, Musik und Psychoanalyse. Carl Winter, Heidelberg 2006, ISBN 3-8253-5255-2 (literaturwissenschaftlich).
  • Bernhard Koch: Philosophie als Medizin für die Seele. Untersuchungen zu Ciceros Tusculanae Disputationes (= Palingenesia. 90). Steiner, Stuttgart 2006, ISBN 3-515-08951-9, S. 151–164.
  • Franz-Josef Kuhlen: Historisches zum Thema Schmerz und Schmerztherapie. In: Pharmazie in unserer Zeit, 31(1) (2002), S. 13–22, ISSN 0048-3664.
  • Matthias Laarmann: Schmerz. In: Lexikon des Mittelalters. 7 (1995), Sp. 1502 f. (zu Medizin, Philosophie und Theologie des Mittelalters).
  • David Le Breton: Schmerz – Eine Kulturgeschichte. Diaphanes Verlag, Zürich / Berlin 2003, ISBN 3-935300-20-4.
  • David B. Morris: Geschichte des Schmerzes. Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-458-16615-7 (kulturhistorisch).
  • Hans-Jochen Schiewer u. a. (Hrsg.): Schmerz in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-89971-771-6.
  • Monika Specht-Tomann, Andreas Sandner-Kiesling: Schmerz. Wie können wir damit umgehen? Düsseldorf 2005, ISBN 3-530-40171-4.

Weblinks

 Commons: Schmerz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Schmerz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikiquote: Schmerz – Zitate

Einzelnachweise

  1. Bernard Rollin: The Unheeded Cry: Animal Consciousness, Animal Pain, and Science. Oxford University Press, 1989, xii, S. 117–118.
  2. K. M. D. Rutherford: Assessing pain in animals. In: Animal Welfare. Band 11, Nr. 1, 2002, S. 31–53.
  3. G. T. Whiteside, A. Adedoyin, L. Leventhal: Predictive validity of animal pain models? A comparison of the pharmacokinetic-pharmacodynamic relationship for pain drugs in rats and humans. In: Neuropharmacology. Band 54, Nummer 5, April 2008, S. 767–775, ISSN 0028-3908, doi:10.1016/j.neuropharm.2008.01.001, PMID 18289614 (Review).
  4. Q. Hogan: Animal pain models. In: Regional anesthesia and pain medicine. Band 27, Nummer 4, 2002 Jul-Aug, S. 385–401, ISSN 1098-7339, PMID 12132063 (Review).
  5. S. M. Schappert: National Ambulatory Medical Care Survey: 1992 summary. In: Adv. Data. Band 235, 1994, S. 1–20, PMID 10172117.
  6. M. B. Max, W. F. Steward: The molecular epidemiology of pain: a new discipline for drug discovery. In: Nat Rev Drug Discov. Band 7, Nr. 8, 2008, S. 647–658, PMID 18587382.
  7. Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Aufl., hrsg. von Walther Mitzka. De Gruyter, Berlin/ New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 663 f.
  8. Vorlage:Deutsches Wörterbuch
  9. Vorlage:Deutsches Wörterbuch
  10. Vgl. auch Francine Mawet: Recherches sur les oppositions fonctionelles dans le vocabulaire homérique de la douleur (autour de ‚perma‘ – ‚algos‘). Brüssel 1979 (= Académie royale de Belgique, Mémoires de la classe des lettres, 2e série T. LVIII, Fascicule 4 et dernile).
  11. Classification of Chronic Pain. Second Edition, Part III: Pain Terms, A Current List with Definitions and Notes on Usage, (PDF) S. 209–214. IASP Task Force on Taxonomy, edited by H. Merskey and N. Bogduk, IASP Press, Seattle 1994.
  12. D. D. Price: Psychological and neural mechanisms of the affective dimension of pain. In: Science. Band 288, Nummer 5472, Juni 2000, S. 1769–1772, ISSN 0036-8075, PMID 10846154 (Review).
  13. Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl (Hrsg.): Physiologie. 7. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2014, ISBN  978-3-13-796007-2, S. 701.
  14. Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl (Hrsg.): Physiologie. 7. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2014, ISBN  978-3-13-796007-2, S. 702.
  15. Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl (Hrsg.): Physiologie. 7. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2014, ISBN  978-3-13-796007-2, S. 713.
  16. Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl (Hrsg.): Physiologie. 7. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2014, ISBN  978-3-13-796007-2, S. 714.
  17. Mathias Bähr, Michael Frotscher: Neurologisch-topische Diagnostik. 10. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2014, ISBN  978-3-13-535810-9, S. 61.
  18. Mathias Bähr, Michael Frotscher: Neurologisch-topische Diagnostik. 10. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2014, ISBN  978-3-13-535810-9, S. 40.
  19. Robert Franz Schmidt, Florian Lang, Manfred Heckmann (Hrsg.): Physiologie des Menschen. 31. Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2010, ISBN  978-3-642-01650-9, S. 307.
  20. Robert Franz Schmidt, Florian Lang, Manfred Heckmann (Hrsg.): Physiologie des Menschen. 31. Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2010, ISBN  978-3-642-01650-9, S. 291.
  21. Robert Franz Schmidt, Florian Lang, Manfred Heckmann (Hrsg.): Physiologie des Menschen. 31. Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2010, ISBN  978-3-642-01650-9, S. 299.
  22. Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl (Hrsg.): Physiologie. 7. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2014, ISBN  978-3-13-796007-2, S. 713–714.
  23. Robert Franz Schmidt, Florian Lang, Manfred Heckmann (Hrsg.): Physiologie des Menschen. 31. Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2010, ISBN  978-3-642-01650-9, S. 291.
  24. Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl (Hrsg.): Physiologie. 7. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2014, ISBN  978-3-13-796007-2, S. 713–714.
  25. Robert Franz Schmidt, Florian Lang, Manfred Heckmann (Hrsg.): Physiologie des Menschen. 31. Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2010, ISBN  978-3-642-01650-9, S. 303.
  26. Robert Franz Schmidt, Florian Lang, Manfred Heckmann (Hrsg.): Physiologie des Menschen. 31. Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2010, ISBN  978-3-642-01650-9, S. 304.
  27. Robert Franz Schmidt, Florian Lang, Manfred Heckmann (Hrsg.): Physiologie des Menschen. 31. Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2010, ISBN  978-3-642-01650-9, S. 304.
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  29. Robert Franz Schmidt, Florian Lang, Manfred Heckmann (Hrsg.): Physiologie des Menschen. 31. Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2010, ISBN  978-3-642-01650-9, S. 305–308.
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  46. Uwe Junker: Chronische Schmerzen: Das „mixed pain concept“ als neue Rationale. Deutsches Ärzteblatt, 2004, S. 33, abgerufen am 14. Oktober 2015.
  47. Sebastian Stuckrad-Barre, Wolfgang Jost: Neuropathische Schmerzen – Wie geht man am besten vor? (Nicht mehr online verfügbar.) Springer Medizin, 31. Oktober 2011, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 14. Oktober 2015.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.springermedizin.at
  48. Russell K. Portenoy, Neil A. Hagen: Breakthrough pain: definition, prevalence and characteristics. In: Pain. Band 41, Nr. 3, (Juni) 1990, S. 273–281.
  49. M. Noll-Hussong, H. Gündel, M. Sack: Die Schatten der Vergangenheit - Chronischer Schmerz bei einer Vorgeschichte von frühkindlicher sexueller Gewalt aus neurobiologischer Sicht. In: Trauma und Gewalt. Band 5, Nr. 1, 2011, S. 68–72.
  50. M. Noll-Hussong, A. Otti u. a.: Aftermath of sexual abuse history on adult patients suffering from chronic functional pain syndromes: an fMRI pilot study. In: Journal of psychosomatic research. Band 68, Nummer 5, Mai 2010, S. 483–487, ISSN 1879-1360, doi:10.1016/j.jpsychores.2010.01.020, PMID 20403508.
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