Nicht angemeldeter Benutzer - Bearbeiten von Seiten ist nur als angemeldeter Benutzer möglich.

Änderungen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
1.212 Bytes hinzugefügt ,  03:08, 19. Apr. 2022
K
Interwikilinks anpassen
Zeile 1: Zeile 1:  
[[Datei:Nur eine Hand.jpg|mini|Ertasten einer Betonstruktur]]
 
[[Datei:Nur eine Hand.jpg|mini|Ertasten einer Betonstruktur]]
[[Datei:Steiniger Weg Park der Sinne.JPG|mini|Haptischer Pfad zur Förderung der Sinneswahrnehmung, [[Park der Sinne (Laatzen)|Park der Sinne]], Laatzen bei Hannover]]
+
[[Datei:Steiniger Weg Park der Sinne.JPG|mini|Haptischer Pfad zur Förderung der Sinneswahrnehmung, [[Wikipedia:Park der Sinne (Laatzen)|Park der Sinne]], Laatzen bei Hannover]]
Als '''haptische Wahrnehmung''' ([[Griechische Sprache|griech.]]: ἁπτός ''haptόs'' „fühlbar“, ἁπτικός ''haptikόs'' „zum Berühren geeignet“) bezeichnet man das tastende „Begreifen“ im Wortsinne, also die [[Wahrnehmung]] durch aktive Erkundung im Unterschied zur passiven [[Taktile Wahrnehmung|''taktilen Wahrnehmung'']].<ref>E. H. Weber: ''Die Lehre vom Tastsinne und Gemeingefühle auf Versuche gegründet''. Friedrich Vieweg und Sohn, 1851.</ref> Der Begriff ''Haptik'' geht auf den deutschen Psychologen [[Max Dessoir]] zurück, der 1892 empfahl, die wissenschaftliche Lehre über das Tastsinnessystem in Anlehnung an „Akustik“ und „Optik“ zu benennen.<ref>M. Dessoir: ''Über den Hautsinn.'' In: ''Arch. f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt.'' 1892, S. 175–339.</ref><ref>M. Grunwald, M. John: ''German pioneers of research into human haptic perception.'' In: M. Grunwald (Hrsg.): ''Human Haptic Perception.'' Birkhäuser, Basel/ Boston/ Berlin 2008, S. 15–39.</ref>
+
Als '''haptische Wahrnehmung''' ([[Wikipedia:Griechische Sprache|griech.]]: ἁπτός ''haptόs'' „fühlbar“, ἁπτικός ''haptikόs'' „zum Berühren geeignet“) bezeichnet man das tastende „Begreifen“ im Wortsinne, also die [[Wahrnehmung]] durch aktive Erkundung im Unterschied zur passiven [[Wikipedia:Taktile Wahrnehmung|''taktilen Wahrnehmung'']].<ref>E. H. Weber: ''Die Lehre vom Tastsinne und Gemeingefühle auf Versuche gegründet''. Friedrich Vieweg und Sohn, 1851.</ref> Der Begriff ''Haptik'' geht auf den deutschen Psychologen [[Wikipedia:Max Dessoir|Max Dessoir]] zurück, der 1892 empfahl, die wissenschaftliche Lehre über das Tastsinnessystem in Anlehnung an „Akustik“ und „Optik“ zu benennen.<ref>M. Dessoir: ''Über den Hautsinn.'' In: ''Arch. f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt.'' 1892, S. 175–339.</ref><ref>M. Grunwald, M. John: ''German pioneers of research into human haptic perception.'' In: M. Grunwald (Hrsg.): ''Human Haptic Perception.'' Birkhäuser, Basel/ Boston/ Berlin 2008, S. 15–39.</ref>
    
== Teilgebiete ==
 
== Teilgebiete ==
Der Oberbegriff der ''Haptik'' umfasst sowohl die [[Interozeption]] als auch die [[Exterozeption]], wobei zwischen [[Oberflächensensibilität|taktiler]] und haptischer Wahrnehmung unterschieden wird.<ref name="grun01" />
+
Der Oberbegriff der ''Haptik'' umfasst sowohl die [[Wikipedia:Interozeption|Interozeption]] als auch die [[Wikipedia:Exterozeption|Exterozeption]], wobei zwischen [[Wikipedia:Oberflächensensibilität|taktiler]] und haptischer Wahrnehmung unterschieden wird.<ref name="grun01" />
Die biophysiologische Grundlage der taktilen und haptischen Wahrnehmung wird durch das somatosensorische System ([[Sensibilität (Neurowissenschaft)|Somatosensorik]], sensorische Information) und das sensomotorische System ([[Sensomotorik]], sensorische und motorische Information) gebildet.<ref name="grun01" />
+
Die biophysiologische Grundlage der taktilen und haptischen Wahrnehmung wird durch das somatosensorische System ([[Wikipedia:Sensibilität (Neurowissenschaft)|Somatosensorik]], sensorische Information) und das sensomotorische System ([[Wikipedia:Sensomotorik|Sensomotorik]], sensorische und motorische Information) gebildet.<ref name="grun01" />
    
Die haptische Wahrnehmung umfasst folgende Wahrnehmungsaspekte:
 
Die haptische Wahrnehmung umfasst folgende Wahrnehmungsaspekte:
* haptische Sensitivität (Bestandteil der [[Oberflächensensibilität]], Wahrnehmung mechanischer Reize in Form von Druck, Vibration und Gewebsdehnung)
+
* haptische Sensitivität (Bestandteil der [[Wikipedia:Oberflächensensibilität|Oberflächensensibilität]], Wahrnehmung mechanischer Reize in Form von Druck, Vibration und Gewebsdehnung)
 
* Propriozeption ([[Tiefensensibilität]], Fähigkeit die Stellung und Bewegung der Gliedmaßen und des eigenen Körpers im Raum wahrzunehmen; Bewegungswahrnehmung wird gelegentlich auch als Kinästhesie<ref>https://flexikon.doccheck.com/de/Kin%C3%A4sthesie?utm_source=www.doccheck.flexikon&utm_medium=web&utm_campaign=DC%2BSearch.</ref> bezeichnet),
 
* Propriozeption ([[Tiefensensibilität]], Fähigkeit die Stellung und Bewegung der Gliedmaßen und des eigenen Körpers im Raum wahrzunehmen; Bewegungswahrnehmung wird gelegentlich auch als Kinästhesie<ref>https://flexikon.doccheck.com/de/Kin%C3%A4sthesie?utm_source=www.doccheck.flexikon&utm_medium=web&utm_campaign=DC%2BSearch.</ref> bezeichnet),
* [[Viszerozeption]] (Wahrnehmung der Informationen über Organtätigkeiten)
+
* [[Wikipedia:Viszerozeption|Viszerozeption]] (Wahrnehmung der Informationen über Organtätigkeiten)
* Schmerzwahrnehmung ([[Nozizeptor|Nozizeption]]),
+
* Schmerzwahrnehmung ([[Wikipedia:Nozizeptor|Nozizeption]]),
 
* Temperaturwahrnehmung ([[Thermorezeption]])
 
* Temperaturwahrnehmung ([[Thermorezeption]])
    
== Wahrnehmungsprozesse ==
 
== Wahrnehmungsprozesse ==
 
=== Reizaufnahme durch Mechanorezeptoren ===
 
=== Reizaufnahme durch Mechanorezeptoren ===
An haptischen Wahrnehmungsprozessen sind eine Vielzahl unterschiedlicher Rezeptoren beteiligt. Neben den Informationen der [[Mechanorezeptoren der Haut]] werden ebenfalls die Informationen der Dehnungs-, Druck-, und Vibrationsrezeptoren der [[Gelenk]]e, [[Sehne (Anatomie)|Sehnen]] und [[Muskulatur]] zu einem haptischen Perzept integriert.
+
An haptischen Wahrnehmungsprozessen sind eine Vielzahl unterschiedlicher Rezeptoren beteiligt. Neben den Informationen der [[Wikipedia:Mechanorezeptoren der Haut|Mechanorezeptoren der Haut]] werden ebenfalls die Informationen der Dehnungs-, Druck-, und Vibrationsrezeptoren der [[Wikipedia:Gelenk|Gelenk]]e, [[Wikipedia:Sehne (Anatomie)|Sehnen]] und [[Wikipedia:Muskulatur|Muskulatur]] zu einem haptischen Perzept integriert.
   −
Allein die Zahl der Rezeptoren in den verschiedenen Hautschichten wird auf zwischen 300 und 600 Millionen geschätzt.<ref name="grun11" /> Zu den am häufigsten vorkommenden Rezeptoren gehören [[Vater-Pacini-Körperchen]] (höchste Empfindlichkeit bei Vibrationsreizen im Bereich zwischen 40 und 300 Hz), [[Meissner-Körperchen]] (registrieren Druckveränderungen von bis zu 1 µm), [[Merkel-Zelle]]n (registrieren anhaltende, senkrechte Druckreize) und [[Ruffini-Körperchen]] (Gewebsdehnung).<ref>Z. Halata, K. I. Baumann: ''Anatomy of receptors.'' In: M. Grunwald (Hrsg.): ''Human Haptic Perception.'' Birkhäuser, Basel/ Boston/ Berlin 2008, S. 85–92.</ref> Vor allem Pacini- und Ruffini-Körperchen sind nicht nur in der Haut, sondern vielfach im [[Bindegewebe]], Gelenken, der Muskulatur und den [[Inneres Organ|inneren Organen]] zu finden. Hinzu kommen [[Golgi-Sehnenorgan]]e und [[Muskelspindel]]n.
+
Allein die Zahl der Rezeptoren in den verschiedenen Hautschichten wird auf zwischen 300 und 600 Millionen geschätzt.<ref name="grun11" /> Zu den am häufigsten vorkommenden Rezeptoren gehören [[Wikipedia:Vater-Pacini-Körperchen|Vater-Pacini-Körperchen]] (höchste Empfindlichkeit bei Vibrationsreizen im Bereich zwischen 40 und 300 Hz), [[Wikipedia:Meissner-Körperchen|Meissner-Körperchen]] (registrieren Druckveränderungen von bis zu 1 µm), [[Wikipedia:Merkel-Zelle|Merkel-Zelle]]n (registrieren anhaltende, senkrechte Druckreize) und [[Wikipedia:Ruffini-Körperchen|Ruffini-Körperchen]] (Gewebsdehnung).<ref>Z. Halata, K. I. Baumann: ''Anatomy of receptors.'' In: M. Grunwald (Hrsg.): ''Human Haptic Perception.'' Birkhäuser, Basel/ Boston/ Berlin 2008, S. 85–92.</ref> Vor allem Pacini- und Ruffini-Körperchen sind nicht nur in der Haut, sondern vielfach im [[Wikipedia:Bindegewebe|Bindegewebe]], Gelenken, der Muskulatur und den [[Wikipedia:Inneres Organ|inneren Organen]] zu finden. Hinzu kommen [[Wikipedia:Golgi-Sehnenorgan|Golgi-Sehnenorgan]]e und [[Wikipedia:Muskelspindel|Muskelspindel]]n.
   −
Außerdem ist jedes einzelne der etwa 5 Mio. [[Körperbehaarung|Körperhaare]] des Menschen mit etwa 50 Berührungssensoren bestückt, die jede geringste Verformung des jeweiligen Haares registrieren. Hinzu kommen die berührungssensiblen freien Nervenendigungen in der [[Epidermis (Wirbeltiere)|Oberhaut]], die neben mechanischen Reizen vor allem Temperatur- und Schmerzreize registrieren. Bei überschlägig einer freien Nervenendigung pro µm² Hautfläche ergibt sich eine Gesamtanzahl von rund 2×10<sup>12</sup> beim erwachsenen Menschen.<ref name="grun11" /> Im Gegensatz zu anderen Sinneswahrnehmungen ist demnach für die haptische Wahrnehmung die Integration multipler Informationen aus unterschiedlichen Körperregionen und verschiedenen Rezeptorsystemen erforderlich.
+
Außerdem ist jedes einzelne der etwa 5 Mio. [[Wikipedia:Körperbehaarung|Körperhaare]] des Menschen mit etwa 50 Berührungssensoren bestückt, die jede geringste Verformung des jeweiligen Haares registrieren. Hinzu kommen die berührungssensiblen freien Nervenendigungen in der [[Wikipedia:Epidermis (Wirbeltiere)|Oberhaut]], die neben mechanischen Reizen vor allem Temperatur- und Schmerzreize registrieren. Bei überschlägig einer freien Nervenendigung pro µm² Hautfläche ergibt sich eine Gesamtanzahl von rund 2×10<sup>12</sup> beim erwachsenen Menschen.<ref name="grun11" /> Im Gegensatz zu anderen Sinneswahrnehmungen ist demnach für die haptische Wahrnehmung die Integration multipler Informationen aus unterschiedlichen Körperregionen und verschiedenen Rezeptorsystemen erforderlich.
    
=== Kortikale Verarbeitung ===
 
=== Kortikale Verarbeitung ===
Alle Informationen der Mechano- und Propriorezeptoren der Muskeln, Gelenke und der Haut werden über die langen [[afferent]]en sensorischen Bahnen des [[Rückenmark]]s via [[Thalamus]] zur [[Großhirnrinde]] (''Cortex cerebri'', Kortex) [[Projektion (Nervensystem)|projiziert]]. Im Thalamus werden die haptischen Informationen vor allem im [[Nucleus ventralis posterior]] verschaltet.<ref name="hsiao" /> Dortige Neurone projizieren direkt in einen Teil des sekundären (SII) und alle primären somatosensorischen (SI; [[Gyrus postcentralis]]) Anteile der [[kontralateral]]en Großhirnrindenhälfte. Zur weiteren kortikalen Verarbeitung gehen Afferenzen vom SI zum [[Parietallappen|Parietalkortex]] (v. a. posteriore Regionen; [[Brodmann-Areal]]e BA 5 und 7) sowie zu sekundären [[Somatosensorischer Cortex|somatosensorischen Regionen]] (SII) und von dort zu weiter temporal gelegenen parietalen Arealen (BA 22, 37, 39, 40), zur [[Inselrinde|Insula]], den frontalen und temporalen Assoziationskortizes (vertiefend siehe:<ref name="kolb" />).
+
Alle Informationen der Mechano- und Propriorezeptoren der Muskeln, Gelenke und der Haut werden über die langen [[Wikipedia:afferent|afferent]]en sensorischen Bahnen des [[Wikipedia:Rückenmark|Rückenmark]]s via [[Wikipedia:Thalamus|Thalamus]] zur [[Wikipedia:Großhirnrinde|Großhirnrinde]] (''Cortex cerebri'', Kortex) [[Wikipedia:Projektion (Nervensystem)|projiziert]]. Im Thalamus werden die haptischen Informationen vor allem im [[Wikipedia:Nucleus ventralis posterior|Nucleus ventralis posterior]] verschaltet.<ref name="hsiao" /> Dortige Neurone projizieren direkt in einen Teil des sekundären (SII) und alle primären somatosensorischen (SI; [[Wikipedia:Gyrus postcentralis|Gyrus postcentralis]]) Anteile der [[Wikipedia:kontralateral|kontralateral]]en Großhirnrindenhälfte. Zur weiteren kortikalen Verarbeitung gehen Afferenzen vom SI zum [[Wikipedia:Parietallappen|Parietalkortex]] (v. a. posteriore Regionen; [[Wikipedia:Brodmann-Areal|Brodmann-Areal]]e BA 5 und 7) sowie zu sekundären [[Wikipedia:Somatosensorischer Cortex|somatosensorischen Regionen]] (SII) und von dort zu weiter temporal gelegenen parietalen Arealen (BA 22, 37, 39, 40), zur [[Wikipedia:Inselrinde|Insula]], den frontalen und temporalen Assoziationskortizes (vertiefend siehe:<ref name="kolb" />).
    
Die Neurone des posterioren Parietalkortex sind an der multisensorischen Integration (u. a. visuelle mit somatospatialen sowie somatosensorische mit propriozeptiven Informationen), der dafür nötigen Kurzzeitspeicherung und Aufmerksamkeit sowie motorischen Kontrolle beteiligt. Sie sind entscheidend für die Körperwahrnehmung im Raum und bilden die Grundlage für kognitive Prozesse die auf Wahrnehmungen basieren.<ref name="kolb" />
 
Die Neurone des posterioren Parietalkortex sind an der multisensorischen Integration (u. a. visuelle mit somatospatialen sowie somatosensorische mit propriozeptiven Informationen), der dafür nötigen Kurzzeitspeicherung und Aufmerksamkeit sowie motorischen Kontrolle beteiligt. Sie sind entscheidend für die Körperwahrnehmung im Raum und bilden die Grundlage für kognitive Prozesse die auf Wahrnehmungen basieren.<ref name="kolb" />
   −
Über die komplexen höheren Funktionen der Verbindungen des SII ist bisher relativ wenig bekannt. Verbindungen zur Insula spielen wahrscheinlich bei der Verarbeitung von Forminformationen und affektiven Komponenten eine Rolle. Das [[Frontalhirn]] ist wahrscheinlich an haptischen Entscheidungsprozessen beteiligt. Die Verbindungen zum [[Temporallappen]] dienen den relevanten Gedächtnisprozessen.<ref name="hsiao" />
+
Über die komplexen höheren Funktionen der Verbindungen des SII ist bisher relativ wenig bekannt. Verbindungen zur Insula spielen wahrscheinlich bei der Verarbeitung von Forminformationen und affektiven Komponenten eine Rolle. Das [[Wikipedia:Frontalhirn|Frontalhirn]] ist wahrscheinlich an haptischen Entscheidungsprozessen beteiligt. Die Verbindungen zum [[Wikipedia:Temporallappen|Temporallappen]] dienen den relevanten Gedächtnisprozessen.<ref name="hsiao" />
   −
[[Efferent]]e Signale erreichen den [[Parietallappen]] über neuronale Verbindungen mit diversen [[subkortikal]]en und kortikalen Gebieten; unter anderem den [[Basalganglien]] und dem [[Gyrus cinguli]].
+
[[Wikipedia:Efferent|Efferent]]e Signale erreichen den [[Wikipedia:Parietallappen|Parietallappen]] über neuronale Verbindungen mit diversen [[Wikipedia:subkortikal|subkortikal]]en und kortikalen Gebieten; unter anderem den [[Wikipedia:Basalganglien|Basalganglien]] und dem [[Wikipedia:Gyrus cinguli|Gyrus cinguli]].
    
=== Unterschiede der neuronalen Erregung bei taktiler und haptischer Reizung ===
 
=== Unterschiede der neuronalen Erregung bei taktiler und haptischer Reizung ===
Bei der haptischen Wahrnehmung ist der [[Motorcortex|Motorkortex]] immer aktiv; sie steht damit im Gegensatz zur Wahrnehmung passiver Reizeinwirkungen, wie berührt zu werden. Im primären und sekundären [[Somatosensorischer Cortex|somatosensorischen Kortex]] von Affen fand man [[Neuron]]en, die
+
Bei der haptischen Wahrnehmung ist der [[Wikipedia:Motorcortex|Motorkortex]] immer aktiv; sie steht damit im Gegensatz zur Wahrnehmung passiver Reizeinwirkungen, wie berührt zu werden. Im primären und sekundären [[Wikipedia:Somatosensorischer Cortex|somatosensorischen Kortex]] von Affen fand man [[Wikipedia:Neuron|Neuron]]en, die
* [[Aktionspotential|feuern]], wenn der Affe etwas berührt, aber nicht, wenn derselbe Affe an derselben Stelle mit demselben Objekt berührt wird;
+
* [[Wikipedia:Aktionspotential|feuern]], wenn der Affe etwas berührt, aber nicht, wenn derselbe Affe an derselben Stelle mit demselben Objekt berührt wird;
 
* feuern, wenn der Affe beim Ertasten aufmerksam ist, aber nicht, wenn er dabei abgelenkt ist;
 
* feuern, wenn der Affe beim Ertasten aufmerksam ist, aber nicht, wenn er dabei abgelenkt ist;
 
* feuern, wenn der Affe etwas Eckiges ergreift, aber nicht, wenn er etwas Rundes ergreift.
 
* feuern, wenn der Affe etwas Eckiges ergreift, aber nicht, wenn er etwas Rundes ergreift.
Zeile 51: Zeile 51:  
Der [[Tastsinn]], in Form von (unspezifischen) Reaktionen auf Berührungen, ist der erste Sinn der sich beim Fetus entwickelt.<ref>A. Montagu: ''Touching – The human significance of the skin.'' 2. Auflage. Harper & Row, New York 1978.</ref><ref>P. G. Hepper: ''Haptic perception in the human foetus.'' In: M. Grunwald (Hrsg.): ''Human haptic perception.'' Birkhäuser, Basel/ Boston/ Berlin 2008, S. 149–154.</ref> Schon 6 Wochen nach der Befruchtung sind bei extrauterinen (überlebenden) Feten durch Hautberührung ausgelöst Reaktionen sichtbar.<ref>D. Hooker: ''Fetal reflexes and instinctual processes.'' In: ''Psychosomatic Medicine.'' 4, 1942, S. 199–205.</ref><ref>K. Vilmar, K.-D. Bachmann: ''Pränatale und perinatale Schmerzempfindung – Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer.'' 1991, S. 99. [https://www.aerzteblatt.de/pdf/88/47/a4157.pdf (aerzteblatt.de)]</ref>
 
Der [[Tastsinn]], in Form von (unspezifischen) Reaktionen auf Berührungen, ist der erste Sinn der sich beim Fetus entwickelt.<ref>A. Montagu: ''Touching – The human significance of the skin.'' 2. Auflage. Harper & Row, New York 1978.</ref><ref>P. G. Hepper: ''Haptic perception in the human foetus.'' In: M. Grunwald (Hrsg.): ''Human haptic perception.'' Birkhäuser, Basel/ Boston/ Berlin 2008, S. 149–154.</ref> Schon 6 Wochen nach der Befruchtung sind bei extrauterinen (überlebenden) Feten durch Hautberührung ausgelöst Reaktionen sichtbar.<ref>D. Hooker: ''Fetal reflexes and instinctual processes.'' In: ''Psychosomatic Medicine.'' 4, 1942, S. 199–205.</ref><ref>K. Vilmar, K.-D. Bachmann: ''Pränatale und perinatale Schmerzempfindung – Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer.'' 1991, S. 99. [https://www.aerzteblatt.de/pdf/88/47/a4157.pdf (aerzteblatt.de)]</ref>
   −
Die haptische Wahrnehmungsschwelle ([[Reizschwelle]]) liegt beim aktiv explorierenden, gesunden erwachsenen Menschen bei rund 1 µm (1 mm = 1000 µm). Experimentelle Untersuchungen konnten zeigen, dass eine einzelne Erhebung dieser Größenordnung auf einer hochglatten Oberfläche noch wahrgenommen werden kann.<ref>S. Louw, A. M. L. Kappers, J. J. Koenderink: ''Haptic detection thresholds of Gaussian profiles over the whole range of spatial scales.'' In: ''Experimental Brain Research.'' 132, 2000, S. 369–374.</ref> Damit ist die Auflösungskapazität der haptischen Wahrnehmung um ein Vielfaches größer als die der [[Taktile Wahrnehmung|taktilen Wahrnehmung]]. Die Wahrnehmungsgrenzen beim unbewegten Subjekt (taktile Wahrnehmung) liegen an den sensibelsten Körperstellen (Fingerspitzen und Lippen) im Bereich um einen Millimeter.<ref>K. O. Johnson, J. R. Phillips: ''Tactile Spatial-Resolution. I. Two-Point Discrimination, Gap Detection, Grating Resolution, and Letter Recognition.'' in ''Journal of Neurophysiology.'' 46, 1981, S. 1177–1191.</ref>
+
Die haptische Wahrnehmungsschwelle ([[Wikipedia:Reizschwelle|Reizschwelle]]) liegt beim aktiv explorierenden, gesunden erwachsenen Menschen bei rund 1 µm (1 mm = 1000 µm). Experimentelle Untersuchungen konnten zeigen, dass eine einzelne Erhebung dieser Größenordnung auf einer hochglatten Oberfläche noch wahrgenommen werden kann.<ref>S. Louw, A. M. L. Kappers, J. J. Koenderink: ''Haptic detection thresholds of Gaussian profiles over the whole range of spatial scales.'' In: ''Experimental Brain Research.'' 132, 2000, S. 369–374.</ref> Damit ist die Auflösungskapazität der haptischen Wahrnehmung um ein Vielfaches größer als die der [[Wikipedia:Taktile Wahrnehmung|taktilen Wahrnehmung]]. Die Wahrnehmungsgrenzen beim unbewegten Subjekt (taktile Wahrnehmung) liegen an den sensibelsten Körperstellen (Fingerspitzen und Lippen) im Bereich um einen Millimeter.<ref>K. O. Johnson, J. R. Phillips: ''Tactile Spatial-Resolution. I. Two-Point Discrimination, Gap Detection, Grating Resolution, and Letter Recognition.'' in ''Journal of Neurophysiology.'' 46, 1981, S. 1177–1191.</ref>
    
== Störungen der haptischen Sensitivität ==
 
== Störungen der haptischen Sensitivität ==
Eine Vielzahl von Erkrankungen und Störungen kann die haptische Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigen. Neben Verletzungen der [[Haut]] (Schnittwunden, Verbrennungen etc.) sind vor allem Nervenläsionen (z.&nbsp;B. durch Verletzungen oder Durchblutungsstörungen) als Ursachen zu nennen. Zudem können [[metabolisch]]e, [[toxisch]]e und [[Immunsystem|immunologische]] Ursachen [[Neuropathie]]n hervorrufen, die zu sensiblen Ausfällen führen können. Einige Erkrankungen die zu sensibel betonten Neuropathien führen sind: [[Diabetes mellitus]], chronische [[Niereninsuffizienz]], Schilddrüsenstörungen (Hyper- und [[Hypothyreose]]) sowie [[Hepatitis|Hepatitiden]], [[Leberzirrhose]] und [[Alkoholabhängigkeit]].
+
Eine Vielzahl von Erkrankungen und Störungen kann die haptische Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigen. Neben Verletzungen der [[Haut]] (Schnittwunden, Verbrennungen etc.) sind vor allem Nervenläsionen (z.&nbsp;B. durch Verletzungen oder Durchblutungsstörungen) als Ursachen zu nennen. Zudem können [[Wikipedia:metabolisch|metabolisch]]e, [[Wikipedia:toxisch|toxisch]]e und [[Immunsystem|immunologische]] Ursachen [[Wikipedia:Neuropathie|Neuropathie]]n hervorrufen, die zu sensiblen Ausfällen führen können. Einige Erkrankungen die zu sensibel betonten Neuropathien führen sind: [[Wikipedia:Diabetes mellitus|Diabetes mellitus]], chronische [[Wikipedia:Niereninsuffizienz|Niereninsuffizienz]], Schilddrüsenstörungen (Hyper- und [[Wikipedia:Hypothyreose|Hypothyreose]]) sowie [[Wikipedia:Hepatitis|Hepatitiden]], [[Wikipedia:Leberzirrhose|Leberzirrhose]] und [[Wikipedia:Alkoholabhängigkeit|Alkoholabhängigkeit]].
    
== Siehe auch ==
 
== Siehe auch ==
Cookies helfen uns bei der Bereitstellung von imedwiki. Durch die Nutzung von imedwiki erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies speichern.

Navigationsmenü