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→‎2. Vortrag, Dornach 22. März 1920: Hervorhebung der Zusammenfassungen als Blockzitat
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===1. Vortrag, Dornach 21. März 1920===
 
===1. Vortrag, Dornach 21. März 1920===
 
====Zielsetzungen dieser Vorträge====
 
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Rudolf Steiner verweist auf eine Notwendigkeit einer Reform des medizinischen Studiums. Vier Ziele dieser Vortragsreihe wären:  
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Rudolf Steiner verweist auf eine Notwendigkeit einer Reform des medizinischen Studiums. Vier Ziele dieser Vortragsreihe wären:</blockquote>
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#Hinweise auf Hindernisse im Krankheitsverständnis durch das heutige Studium.
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#<blockquote>Hinweise auf Hindernisse im Krankheitsverständnis durch das heutige Studium.</blockquote>
#Hinweise auf eine Betrachtungsweise des Menschen, die eine wirkliche Grundlage für das medizinische Arbeiten geben kann.
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#<blockquote>Hinweise auf eine Betrachtungsweise des Menschen, die eine wirkliche Grundlage für das medizinische Arbeiten geben kann.</blockquote>
#Die Möglichkeit eines rationellen Heilwesens durch die Erkenntnis der Beziehungen des Menschen zur übrigen Welt.
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#<blockquote>Die Möglichkeit eines rationellen Heilwesens durch die Erkenntnis der Beziehungen des Menschen zur übrigen Welt.</blockquote>
#Wünsche der Teilnehmer.
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#<blockquote>Wünsche der Teilnehmer.</blockquote>
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<blockquote>Es soll hier zusammengetragen werden, was aus geisteswissenschaftlichen Betrachtungen für Ärzte gegeben werden kann.</blockquote>
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Es soll hier zusammengetragen werden, was aus geisteswissenschaftlichen Betrachtungen für Ärzte gegeben werden kann.
   
====Was ist Krankheit ?====
 
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Es wird die Frage aufgeworfen, was [[Krankheit]] sei. Die verbreitete Antwort sei, daß es sich um eine Abweichung vom "normalen" Lebensprozeß handeln würde, daß "gewisse Tatsachen" auf den Menschen wirkten, für die er zunächst nicht angepasst sei und dies Veränderungen hervorrufe im normalen Lebensprozeß und in der Organisation. Krankheit sei verbunden mit den dadurch entstehenden funktionellen Beeinträchtigungen der Körperteile. Dies sei aber lediglich eine negative Bestimmung des Begriffs der Krankheit, die praktisch wenig hilfreich sei. Zur Hilfe bei der Klärung des Begriffes sei ein medizinhistorischer Exkurs hilfreich.  
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Es wird die Frage aufgeworfen, was [[Krankheit]] sei. Die verbreitete Antwort sei, daß es sich um eine Abweichung vom "normalen" Lebensprozeß handeln würde, daß "gewisse Tatsachen" auf den Menschen wirkten, für die er zunächst nicht angepasst sei und dies Veränderungen hervorrufe im normalen Lebensprozeß und in der Organisation. Krankheit sei verbunden mit den dadurch entstehenden funktionellen Beeinträchtigungen der Körperteile. Dies sei aber lediglich eine negative Bestimmung des Begriffs der Krankheit, die praktisch wenig hilfreich sei. Zur Hilfe bei der Klärung des Begriffes sei ein medizinhistorischer Exkurs hilfreich.</blockquote>
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====Medizinhistorische Betrachtung====
 
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Gewöhnlich verweise man zur Entstehung der modernen Medizin auf Wurzeln bei [[Wikipedia:Hippokrates von Kos|Hippokrates]] und ihrer Fortsetzung in der [[Humoralpathologie]], die bis ins 19. Jahrhundert eine Rolle gespielt hätte und bis zu [[Wikipedia:Carl von Rokitansky|Rokitansky]] reichten. Hier liege aber ein erster Fundamentalirrtum vor, der an einer unbefangenen Anschauung des Krankheitswesens hindere. Es handele sich vor allem um einen "letzten filtrierten Rest" uralter medizinischer Anschauungen, die nicht auf den Wegen der Anatomie gewonnen worden wären, sondern ehemals durch altes atavistisches Schauen.  
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Gewöhnlich verweise man zur Entstehung der modernen Medizin auf Wurzeln bei [[Wikipedia:Hippokrates von Kos|Hippokrates]] und ihrer Fortsetzung in der [[Humoralpathologie]], die bis ins 19. Jahrhundert eine Rolle gespielt hätte und bis zu [[Wikipedia:Carl von Rokitansky|Rokitansky]] reichten. Hier liege aber ein erster Fundamentalirrtum vor, der an einer unbefangenen Anschauung des Krankheitswesens hindere. Es handele sich vor allem um einen "letzten filtrierten Rest" uralter medizinischer Anschauungen, die nicht auf den Wegen der Anatomie gewonnen worden wären, sondern ehemals durch altes atavistisches Schauen.</blockquote>
 
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|schwarze Galle
 
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Äußerlich könne man sagen, die Hippokraten suchten alles Kranksein in einer nicht gehörigen Mischung der im menschlichen [[Organismus]] zusammenwirkenden Flüssigkeitskörper. Krasis sei die richtige, Dyskrasis die unrichtige Mischung. Die vier alles Sein konstituierenden Elemente waren Erde, Wasser, Luft und Feuer(=Wärme) und im menschlichen (und tierischen) Organismus spezialisiert in schwarzer Galle, gelber Galle, Schleim und Blut. Es sei ein Irrtum, die vier Elemente durch eine mehr oder weniger hohe Chemie zu betrachten. Nur für die schwarze Galle hätte man sich die gewöhnlichen chemischen Eigenschaften gedacht.  
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<blockquote>Äußerlich könne man sagen, die Hippokraten suchten alles Kranksein in einer nicht gehörigen Mischung der im menschlichen [[Organismus]] zusammenwirkenden Flüssigkeitskörper. Krasis sei die richtige, Dyskrasis die unrichtige Mischung. Die vier alles Sein konstituierenden Elemente waren Erde, Wasser, Luft und Feuer(=Wärme) und im menschlichen (und tierischen) Organismus spezialisiert in schwarzer Galle, gelber Galle, Schleim und Blut. Es sei ein Irrtum, die vier Elemente durch eine mehr oder weniger hohe Chemie zu betrachten. Nur für die schwarze Galle hätte man sich die gewöhnlichen chemischen Eigenschaften gedacht.</blockquote>
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=====Irdische und kosmische Kräfte, Paracelsus=====
 
=====Irdische und kosmische Kräfte, Paracelsus=====
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Die Elemente Wasser, Luft und Feuer, sowie ihre Entsprechung im menschlichen Organismus<ref>der tierische wird im Weiteren nicht betrachtet</ref> gelber Galle, Schleim und Blut seien mit Kräften assoziiert worden, deren Quelle außerhalb des irdischen Bereichs lägen. Eine Betrachtung solcher Kräfte von außerhalb der Erde sei innerhalb der Entwicklung der abendländischen Wissenschaft ganz verloren gegangen, so daß es dem modernen Wissenschaftler geradezu kurios erscheine, eine Wirksamkeit [[Kosmische Richtungskräfte|kosmischer Kräfte]] z.B. im Wasser anzunehmen. Nach der Ansicht der Alten lägen also im menschlichen Organismus Kräftewirkungen vor, die aus dem Kosmos selbst stammten. Diese seien im Laufe der Zeit nicht mehr berücksichtigt worden. Dennoch hätte man auf das alte medizinische Denken aufgebaut bis ins fünfzehnte Jahrhundert hinein. Daher sei es aus der heutigen Perspektive so schwierig, alte Schriften zu verstehen, die vor dieser Zeit entstanden seien. Die meisten der Menschen, die da geschrieben hätten, hätten schon selbst nicht mehr ordentlich verstanden, was sie geschrieben hätten. Die Quelle dieses alten Wissens sei eigentlich schon mit Hippokrates untergegangen und was durch [[Wikipedia:Galenos|Galen]] entstanden sei, sei ein Zusammenstellen zunehmend unverständlicher gewordener Erbschaften. Es hätte einzelne Ausnahmen gegeben wie unter anderem [[Paracelsus]] oder [[Wikipedia:Johan Baptista van Helmont|van Helmont]], die auf etwas hindeuteten, was sich nicht im Irdischen erschöpft und dadurch einen neuen Zug ins medizinische Denken gebracht hätten. Worauf sie hinwiesen sei eigentlich nur "wenn man etwas [[Hellsehen|hellseherisch]] war" zu erfassen, was beide "entschieden" gewesen seien. Paracelsus hat den [[Archäus]] formuliert als Grundlage des Wirkens der Flüssigkeiten im Organismus. Dies entspreche in etwa dem anthroposophischen Verständnis des [[Ätherleib|Ätherleibes]]. Der Mensch habe einen physischen Organismus, der im wesentlichen aus den Kräften konstitutiert sei, die aus dem Irdischen wirken und er habe einen ätherischen Organismus, der im wesentlichen aus den aus dem Umkreis des Kosmos wirkenden Kräften konstituiert sei. Der physische Organismus sei gewissermaßen ein Ausschnitt der Erde. Ätherleib und Archäus seien ein Ausschnitt von dem, was nicht zur Erde gehört. Das Erfassen kosmischer Wirksamkeit sei mit der hippokratischen Medizin untergegangen. Es wurde von Paracelsus zusammengefasst in seiner Anschauung eines ätherischen Organismus, der dem physischen zugrunde liegt. Er hätte dann im Einzelnen nicht weiter untersucht - nur angedeutet - mit welchen außerirdischen Kräften die Wirksamkeiten im Archäus zusammenhingen.
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Die Elemente Wasser, Luft und Feuer, sowie ihre Entsprechung im menschlichen Organismus<ref>der tierische wird im Weiteren nicht betrachtet</ref> gelber Galle, Schleim und Blut seien mit Kräften assoziiert worden, deren Quelle außerhalb des irdischen Bereichs lägen. Eine Betrachtung solcher Kräfte von außerhalb der Erde sei innerhalb der Entwicklung der abendländischen Wissenschaft ganz verloren gegangen, so daß es dem modernen Wissenschaftler geradezu kurios erscheine, eine Wirksamkeit [[Kosmische Richtungskräfte|kosmischer Kräfte]] z.B. im Wasser anzunehmen. Nach der Ansicht der Alten lägen also im menschlichen Organismus Kräftewirkungen vor, die aus dem Kosmos selbst stammten. Diese seien im Laufe der Zeit nicht mehr berücksichtigt worden. Dennoch hätte man auf das alte medizinische Denken aufgebaut bis ins fünfzehnte Jahrhundert hinein. Daher sei es aus der heutigen Perspektive so schwierig, alte Schriften zu verstehen, die vor dieser Zeit entstanden seien. Die meisten der Menschen, die da geschrieben hätten, hätten schon selbst nicht mehr ordentlich verstanden, was sie geschrieben hätten. Die Quelle dieses alten Wissens sei eigentlich schon mit Hippokrates untergegangen und was durch [[Wikipedia:Galenos|Galen]] entstanden sei, sei ein Zusammenstellen zunehmend unverständlicher gewordener Erbschaften. Es hätte einzelne Ausnahmen gegeben wie unter anderem [[Paracelsus]] oder [[Wikipedia:Johan Baptista van Helmont|van Helmont]], die auf etwas hindeuteten, was sich nicht im Irdischen erschöpft und dadurch einen neuen Zug ins medizinische Denken gebracht hätten. Worauf sie hinwiesen sei eigentlich nur "wenn man etwas [[Hellsehen|hellseherisch]] war" zu erfassen, was beide "entschieden" gewesen seien. Paracelsus hat den [[Archäus]] formuliert als Grundlage des Wirkens der Flüssigkeiten im Organismus. Dies entspreche in etwa dem anthroposophischen Verständnis des [[Ätherleib|Ätherleibes]]. Der Mensch habe einen physischen Organismus, der im wesentlichen aus den Kräften konstitutiert sei, die aus dem Irdischen wirken und er habe einen ätherischen Organismus, der im wesentlichen aus den aus dem Umkreis des Kosmos wirkenden Kräften konstituiert sei. Der physische Organismus sei gewissermaßen ein Ausschnitt der Erde. Ätherleib und Archäus seien ein Ausschnitt von dem, was nicht zur Erde gehört. Das Erfassen kosmischer Wirksamkeit sei mit der hippokratischen Medizin untergegangen. Es wurde von Paracelsus zusammengefasst in seiner Anschauung eines ätherischen Organismus, der dem physischen zugrunde liegt. Er hätte dann im Einzelnen nicht weiter untersucht - nur angedeutet - mit welchen außerirdischen Kräften die Wirksamkeiten im Archäus zusammenhingen.</blockquote>
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=====17./18. Jahrhundert, Stahlsche Medizin und Vitalismus=====
 
=====17./18. Jahrhundert, Stahlsche Medizin und Vitalismus=====
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Weitergehender Verlust eines Verständnisses kosmischer Kräfte. Die [[Wikipedia:Georg Ernst Stahl|Stahlsche]] Medizin verstehe nichts mehr vom Hereinwirken des Kosmischen ins Terrestrische. Paracelsus und van Helmont hätten etwas zwischen Körper und Geistig-Seelischem beschrieben, Stahl und seine Anhänger hingegen beschrieben Wirkungen, als ob das Bewußt-Seelische in anderer Form in die Strukturgebungen des menschlichen Leibes hineinspiele. Ihre Begriffe wie Lebensgeister oder Lebenskraft schwebten rein in der Luft. So ein "hypothetischer [[Vitalismus]]" führe zu einer willkürlichen Aufstellung. Dies hätte besonders im 19. Jahrhundert Kritik hervorgerufen. Nur so große Geister wie [[Wikipedia:Johannes Müller (Biologe)|Johannes Müller]], der Lehrer von [[Wikipedia:Ernst Haeckel|Ernst Haeckel]], seien einigermaßen über diese Schädlichkeiten herausgekommen, daß man von seelischen Kräften wie von Lebenskräften gesprochen hätte, von denen unklar war, wie sie im Organismus konkret wirken sollten. Nach diesen Betrachtungen einer auslaufenden Strömung trat im 18. Jahrhundert eine neue auf.
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Weitergehender Verlust eines Verständnisses kosmischer Kräfte. Die [[Wikipedia:Georg Ernst Stahl|Stahlsche]] Medizin verstehe nichts mehr vom Hereinwirken des Kosmischen ins Terrestrische. Paracelsus und van Helmont hätten etwas zwischen Körper und Geistig-Seelischem beschrieben, Stahl und seine Anhänger hingegen beschrieben Wirkungen, als ob das Bewußt-Seelische in anderer Form in die Strukturgebungen des menschlichen Leibes hineinspiele. Ihre Begriffe wie Lebensgeister oder Lebenskraft schwebten rein in der Luft. So ein "hypothetischer [[Vitalismus]]" führe zu einer willkürlichen Aufstellung. Dies hätte besonders im 19. Jahrhundert Kritik hervorgerufen. Nur so große Geister wie [[Wikipedia:Johannes Müller (Biologe)|Johannes Müller]], der Lehrer von [[Wikipedia:Ernst Haeckel|Ernst Haeckel]], seien einigermaßen über diese Schädlichkeiten herausgekommen, daß man von seelischen Kräften wie von Lebenskräften gesprochen hätte, von denen unklar war, wie sie im Organismus konkret wirken sollten. Nach diesen Betrachtungen einer auslaufenden Strömung trat im 18. Jahrhundert eine neue auf.</blockquote>
    
=====Die atomistisch-materialistische Strömung=====
 
=====Die atomistisch-materialistische Strömung=====
 
======pathologische Anatomie======
 
======pathologische Anatomie======
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<blockquote>{{G|312|21}}
Ausschlaggebend für die medizinische Begriffsbildung namentlich des 19. Jahrhunderts wurde der Leichenbefund und die [[Wikipedia:Pathologische Anatomie|pathologische Anatomie]], begründet durch [[Wikipedia:Giovanni Battista Morgagni|Morgagnis]] Werk "De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis"<ref>{{Literatur|Autor = Giovanni Battista Morgagni|Titel = De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis|Herausgeber = |Sammelwerk = |Band = |Nummer = |Auflage = |Verlag = |Ort = |Jahr = 1761|Seiten = |ISBN = |Online = https://archive.org/details/desedibusetcaus06adelgoog|Originalsprache = la|OCLC=562184155}}</ref> von 1761, durch das im Wesentlichen der [[Materialismus|materialistische]] Zug der Medizin mit eingeleitet worden sei. Das Werk behandelt die Hinlenkung des Blickes auf die Folgen des Krankseins im menschlichen Organismus. Man kann eigentlich erst ab dieser Zeit sagen, daß der Leichenbefund ausschlaggebend wurde und die pathologische Anatomie begann, während alles Frühere in der Medizin noch auf einem gewissen Fortwirken des hellseherischen Elementes beruhte.
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Ausschlaggebend für die medizinische Begriffsbildung namentlich des 19. Jahrhunderts wurde der Leichenbefund und die [[Wikipedia:Pathologische Anatomie|pathologische Anatomie]], begründet durch [[Wikipedia:Giovanni Battista Morgagni|Morgagnis]] Werk "De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis"<ref>{{Literatur|Autor = Giovanni Battista Morgagni|Titel = De sedibus et causis morborum per anatomen indagatis|Herausgeber = |Sammelwerk = |Band = |Nummer = |Auflage = |Verlag = |Ort = |Jahr = 1761|Seiten = |ISBN = |Online = https://archive.org/details/desedibusetcaus06adelgoog|Originalsprache = la|OCLC=562184155}}</ref> von 1761, durch das im Wesentlichen der [[Materialismus|materialistische]] Zug der Medizin mit eingeleitet worden sei. Das Werk behandelt die Hinlenkung des Blickes auf die Folgen des Krankseins im menschlichen Organismus. Man kann eigentlich erst ab dieser Zeit sagen, daß der Leichenbefund ausschlaggebend wurde und die pathologische Anatomie begann, während alles Frühere in der Medizin noch auf einem gewissen Fortwirken des hellseherischen Elementes beruhte.</blockquote>
    
======Zellularpathologie======
 
======Zellularpathologie======
{{G|312|23}}
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<blockquote>{{G|312|23}}
Es sei interessant, den endgültige Ruck im Umschwung von den alten Erbschaften zur materialistisch-[[Atomismus|atomistischen]] [[Weltanschauung]] im modernen Medizinwesen zu betrachten, der geradezu in zwei Jahrzehnten stattgefunden hätte. In Rokitanskys 1842 erschienener "Pathologische Anatomie"<ref>{{Literatur|Autor = Rokitansky, Carl|Titel = Handbuch der pathologischen Anatomie|Herausgeber = |Sammelwerk = |Band = |Nummer = |Auflage = |Verlag = Braunmüller u. Seidel|Ort = Wien|Jahr = 1842-1846|Seiten = |OCLC = 715653679|Kommentar = 3 Bände|Online = http://de.wikiversity.org/wiki/Rokitansky_%281842_-_46%29; Bild auf Wikiversity}}</ref> seien immer noch Reste der alten Humoralpathologie erhalten, die dieser sehr geistreich mit den im Leichenbefund erhobenen Beobachtungen der Veränderungen der Organe verarbeitet hätte. Bei deren Beschreibung wies er jeweils auf den Einfluß einer abnormen Säftemischung hin. Dies sei ein letztes Erbe der Humoralpathologie. Wie sich in diese untergehende Strömung umfassendere Krankheitsvorstellungen wie beispielsweise die von [[Wikipedia:Samuel Hahnemann|Hahnemann]] hineinstellten, solle in einem späteren Vortrag beschrieben werden.
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Es sei interessant, den endgültige Ruck im Umschwung von den alten Erbschaften zur materialistisch-[[Atomismus|atomistischen]] [[Weltanschauung]] im modernen Medizinwesen zu betrachten, der geradezu in zwei Jahrzehnten stattgefunden hätte. In Rokitanskys 1842 erschienener "Pathologische Anatomie"<ref>{{Literatur|Autor = Rokitansky, Carl|Titel = Handbuch der pathologischen Anatomie|Herausgeber = |Sammelwerk = |Band = |Nummer = |Auflage = |Verlag = Braunmüller u. Seidel|Ort = Wien|Jahr = 1842-1846|Seiten = |OCLC = 715653679|Kommentar = 3 Bände|Online = http://de.wikiversity.org/wiki/Rokitansky_%281842_-_46%29; Bild auf Wikiversity}}</ref> seien immer noch Reste der alten Humoralpathologie erhalten, die dieser sehr geistreich mit den im Leichenbefund erhobenen Beobachtungen der Veränderungen der Organe verarbeitet hätte. Bei deren Beschreibung wies er jeweils auf den Einfluß einer abnormen Säftemischung hin. Dies sei ein letztes Erbe der Humoralpathologie. Wie sich in diese untergehende Strömung umfassendere Krankheitsvorstellungen wie beispielsweise die von [[Wikipedia:Samuel Hahnemann|Hahnemann]] hineinstellten, solle in einem späteren Vortrag beschrieben werden.</blockquote><blockquote>[[Wikipedia:Theodor Schwann|Schwann]], der Entdecker der [[Zelle (Biologie)|Pflanzenzelle]] hatte noch die Ansicht, daß sich [[Wikipedia:Zellkern|Zellkern]] und umgebendes [[Wikipedia:Protoplasma|Protoplasma]] aus einem umgebenden Flüssigen, das er als [[Wikipedia:Blastem|Blastem]] bezeichnete, verdichten. Interessant ist, zu verfolgen, wie diese Anschauung, daß das Zellige aus einem Flüssigen entsteht, nach und nach ersetzt wird durch die Anschauung, daß sich der menschliche [[Organismus]] aus Zellen aufbaut, was heute die verbreitete Auffassung ist. Die Zellen seien Elementarorganismen aus denen sich der menschliche Organismus aufbaue.</blockquote><blockquote>Die Schwann'sche Anschauung sei im Grunde der letzte Rest alten medizinischen Wesens, das das Atomistische - das Zellenwesen - als hervorgehend aus einem Flüssigen betrachte, welches man, wenn man es ordentlich betrachte, niemals atomistisch auffassen könne. Dieses Flüssige habe Kräfte in sich und würde das Atomistische erst aus sich heraus differenzieren.</blockquote><blockquote>In den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts gehe die alte, universellere Anschauung ihrem letzten Ende entgegen und die atomistisch-medizinische Anschauung dämmert auf. Sie sei voll da mit der 1858 erschienenen "Zellularpathologie"<ref>{{Literatur|Autor=Rudolf Virchow|Titel=Die Cellularpathologie|TitelErg=in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre"|Jahr=1858|Ort=Berlin|OCLC=257103687|Online={{DTAW|virchow_cellularpathologie_1858}}}}</ref> von [[Wikipedia:Rudolf Virchow|Virchow]].</blockquote><blockquote>Zwischen den beiden Werken "Pathologische Anatomie" 1842 von Rokitansky und der "Zellularpathologie" 1858 von Virchow "muß man eigentlich einen ungeheuer sprunghaften Umschwung in dem neueren medizinischen Denken sehen". Durch diese [[Wikipedia:Zellularpathologie|Zellularpathologie]] werd im Grunde genommen alles, was auftritt im Menschen, abgeleitet von Veränderungen der Zellenwirkungen, was Ideal der offiziellen Anschauungsweise sei. Aus dem Studium der Veränderungen der Zellen im Gewebe eines Organs wolle man die Krankheit begreifen. Diese atomistische Betrachtungsweise sei naheliegend und führe zu einer leichten Begreifbarkeit der Dinge. Auf diese ziele die neuere Naturwissenschaft hin und lasse außer acht, daß das Natur- und Weltenwesen etwas äußerst Kompliziertes sei.</blockquote><blockquote>Man nehme beispielsweise eine [[Wikipedia:Amöbe|Amöbe]] und studiere, wie sich ihr Verhalten unter Erwärmung der umgebenden Flüssigkeit ändere oder wie sich die Gestalt ändere bei Einleiten eines elektrischen Stroms und sie letztlich platze. Man studiere so eine einzelne Zelle unter Veränderung der Umgebungsbedingungen und könne so nach und nach eine Theorie bilden, wie durch Veränderungen des Zellwesens sich nach und nach das Krankheitswesen aufbaue.</blockquote>
 
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[[Wikipedia:Theodor Schwann|Schwann]], der Entdecker der [[Zelle (Biologie)|Pflanzenzelle]] hatte noch die Ansicht, daß sich [[Wikipedia:Zellkern|Zellkern]] und umgebendes [[Wikipedia:Protoplasma|Protoplasma]] aus einem umgebenden Flüssigen, das er als [[Wikipedia:Blastem|Blastem]] bezeichnete, verdichten. Interessant ist, zu verfolgen, wie diese Anschauung, daß das Zellige aus einem Flüssigen entsteht, nach und nach ersetzt wird durch die Anschauung, daß sich der menschliche [[Organismus]] aus Zellen aufbaut, was heute die verbreitete Auffassung ist. Die Zellen seien Elementarorganismen aus denen sich der menschliche Organismus aufbaue.
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Die Schwann'sche Anschauung sei im Grunde der letzte Rest alten medizinischen Wesens, das das Atomistische - das Zellenwesen - als hervorgehend aus einem Flüssigen betrachte, welches man, wenn man es ordentlich betrachte, niemals atomistisch auffassen könne. Dieses Flüssige habe Kräfte in sich und würde das Atomistische erst aus sich heraus differenzieren.
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In den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts gehe die alte, universellere Anschauung ihrem letzten Ende entgegen und die atomistisch-medizinische Anschauung dämmert auf. Sie sei voll da mit der 1858 erschienenen "Zellularpathologie"<ref>{{Literatur|Autor=Rudolf Virchow|Titel=Die Cellularpathologie|TitelErg=in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre"|Jahr=1858|Ort=Berlin|OCLC=257103687|Online={{DTAW|virchow_cellularpathologie_1858}}}}</ref> von [[Wikipedia:Rudolf Virchow|Virchow]].
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Zwischen den beiden Werken "Pathologische Anatomie" 1842 von Rokitansky und der "Zellularpathologie" 1858 von Virchow "muß man eigentlich einen ungeheuer sprunghaften Umschwung in dem neueren medizinischen Denken sehen". Durch diese [[Wikipedia:Zellularpathologie|Zellularpathologie]] werd im Grunde genommen alles, was auftritt im Menschen, abgeleitet von Veränderungen der Zellenwirkungen, was Ideal der offiziellen Anschauungsweise sei. Aus dem Studium der Veränderungen der Zellen im Gewebe eines Organs wolle man die Krankheit begreifen. Diese atomistische Betrachtungsweise sei naheliegend und führe zu einer leichten Begreifbarkeit der Dinge. Auf diese ziele die neuere Naturwissenschaft hin und lasse außer acht, daß das Natur- und Weltenwesen etwas äußerst Kompliziertes sei.
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Man nehme beispielsweise eine [[Wikipedia:Amöbe|Amöbe]] und studiere, wie sich ihr Verhalten unter Erwärmung der umgebenden Flüssigkeit ändere oder wie sich die Gestalt ändere bei Einleiten eines elektrischen Stroms und sie letztlich platze. Man studiere so eine einzelne Zelle unter Veränderung der Umgebungsbedingungen und könne so nach und nach eine Theorie bilden, wie durch Veränderungen des Zellwesens sich nach und nach das Krankheitswesen aufbaue.
      
===2. Vortrag, Dornach 22. März 1920===
 
===2. Vortrag, Dornach 22. März 1920===
 
====Die Tätigkeit des Herzens====
 
====Die Tätigkeit des Herzens====
{{G|312|35}}
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<blockquote>{{G|312|35}}
Bei der Anschauung des Herzens sei zu berücksichtigen, daß die Herztätigkeit keine Ursache, sondern eine Folge sei. Ins Auge zu fassen sei die Polarität und Wechselwirkung zwischen den Tätigkeiten der Nahrungsaufnahme und -verarbeitung im unteren Organismus, sowie der Atmung als untere Stufe des oberen Organismus. Das Ineinanderspielen dieser Kräfte staue sich im Herzen, welches so Stauorgan sei. Die Herztätigkeit müsse als Folge dieser Wechselwirkung betrachtet werden. Ein Anfang, die mechanische Tätigkeit des Herzens ins Auge zu fassen sei gemacht vom österreichischen Arzt Dr. Karl Schmidt.<ref>Karl Schmidt, Über Herzstoß und Pulskurven, Wiener medizinische Wochenschrift, 1892, Nr. 15-17</ref>. Dieser beschreibe die Herztätigkeit im Sinne eines [[Wikipedia:Hydraulischer Widder|hydraulischen Widders]], was treffend sei. Eine wichtige weitere Funktion liege aber in der Herztätigkeit als [[Sinnesorgan]], mitels derer der [[Oberer Mensch|obere Mensch]] die Tätigkeiten des [[Unterer Mensch|unteren Menschen]] wahrnehme.
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Bei der Anschauung des Herzens sei zu berücksichtigen, daß die Herztätigkeit keine Ursache, sondern eine Folge sei. Ins Auge zu fassen sei die Polarität und Wechselwirkung zwischen den Tätigkeiten der Nahrungsaufnahme und -verarbeitung im unteren Organismus, sowie der Atmung als untere Stufe des oberen Organismus. Das Ineinanderspielen dieser Kräfte staue sich im Herzen, welches so Stauorgan sei. Die Herztätigkeit müsse als Folge dieser Wechselwirkung betrachtet werden. Ein Anfang, die mechanische Tätigkeit des Herzens ins Auge zu fassen sei gemacht vom österreichischen Arzt Dr. Karl Schmidt.<ref>Karl Schmidt, Über Herzstoß und Pulskurven, Wiener medizinische Wochenschrift, 1892, Nr. 15-17</ref>. Dieser beschreibe die Herztätigkeit im Sinne eines [[Wikipedia:Hydraulischer Widder|hydraulischen Widders]], was treffend sei. Eine wichtige weitere Funktion liege aber in der Herztätigkeit als [[Sinnesorgan]], mitels derer der [[Oberer Mensch|obere Mensch]] die Tätigkeiten des [[Unterer Mensch|unteren Menschen]] wahrnehme.</blockquote>Diese Angaben zur Herztätigkeit sind von mehreren Ärzten aufgegriffen und untersucht worden. Zuletzt erschien 2014 von Branko Fürst "The Heart and Circulation - an integrative model"<ref group="Herz">{{Literatur|Autor=Branko Fürst|Titel=The Heart and Circulation|Jahr=2014|Verlag=Springer|ISBN=978-1-4471-5277-4|Sprache=en|OCLC=868250054}}</ref>. Eine frühere Arbeit, an der er mitbeteiligt war, ist online verfügbar.<ref group="Herz" name="Marinelli">Marinelli, R., Fuerst, B., et al. [http://www.rsarchive.org/RelArtic/Marinelli/ "The Heart is not a Pump: A refutation of the pressure propulsion premise of heart function"], ''Frontier Perspectives'' 5(1), Fall-Winter 1995</ref>
 
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Diese Angaben zur Herztätigkeit sind von mehreren Ärzten aufgegriffen und untersucht worden. Zuletzt erschien 2014 von Branko Fürst "The Heart and Circulation - an integrative model"<ref group="Herz">{{Literatur|Autor=Branko Fürst|Titel=The Heart and Circulation|Jahr=2014|Verlag=Springer|ISBN=978-1-4471-5277-4|Sprache=en|OCLC=868250054}}</ref>. Eine frühere Arbeit, an der er mitbeteiligt war, ist online verfügbar.<ref group="Herz" name="Marinelli">Marinelli, R., Fuerst, B., et al. [http://www.rsarchive.org/RelArtic/Marinelli/ "The Heart is not a Pump: A refutation of the pressure propulsion premise of heart function"], ''Frontier Perspectives'' 5(1), Fall-Winter 1995</ref>
      
[[Datei:Flowform Vortex Garten Darmstadt.jpg|thumb|Kette von Flowforms in Darmstadt]]
 
[[Datei:Flowform Vortex Garten Darmstadt.jpg|thumb|Kette von Flowforms in Darmstadt]]
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