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Vitalismus: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Vitalismus''' (von [[lateinisch]] ''vitalis'', ‚Lebenskraft gebend/habend‘, von ''vita'' „Leben“) ist eine Sammelbezeichnung für Lehren, die als Grundlage alles [[Leben]]digen eine [[Lebenskraft]] (''vis vitalis'')<ref>Brigitte Lohff: ''Lebenskraft.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 832.</ref> oder einen besonderen „Lebensstoff“<ref>[[Rudolf Eisler (Philosoph)|Rudolf Eisler]]: ''Handwörterbuch der Philosophie.'' Berlin 1913, S. 364.</ref> als eigenständiges Prinzip, annehmen (Bei [[Georg Ernst Stahl]] stellt die [[Seele]] Lebenskraft und Lebensprinzip dar). Damit wird ein Wesensunterschied zwischen Organischem und Anorganischem behauptet.
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'''Vitalismus''' (von [[Wikipedia:lateinisch|lateinisch]] ''vitalis'', ‚Lebenskraft gebend/habend‘, von ''vita'' „Leben“) ist eine Sammelbezeichnung für Lehren, die als Grundlage alles [[Leben]]digen eine [[Wikipedia:Lebenskraft|Lebenskraft]] (''vis vitalis'')<ref>Brigitte Lohff: ''Lebenskraft.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 832.</ref> oder einen besonderen „Lebensstoff“<ref>[[Wikipedia:Rudolf Eisler (Philosoph)|Rudolf Eisler]]: ''Handwörterbuch der Philosophie.'' Berlin 1913, S. 364.</ref> als eigenständiges Prinzip, annehmen (Bei [[Wikipedia:Georg Ernst Stahl|Georg Ernst Stahl]] stellt die [[Seele]] Lebenskraft und Lebensprinzip dar). Damit wird ein Wesensunterschied zwischen Organischem und Anorganischem behauptet.
  
 
== Begrifflichkeit ==
 
== Begrifflichkeit ==
Die Bezeichnung Vitalismus ist ein Kampfbegriff aus dem 19. Jahrhundert. <!-- nämlich: ... ... ... ??  -->    Ein Gegenentwurf ist der [[Mechanizismus]]. Vitalismus  und Mechanizismus werden als überholte Anschauungen bezeichnet; statt ihrer bevorzugt die Wissenschaft im 20. und 21. Jahrhundert, beide Entwürfe im [[Systemismus]] zusammenzuführen.
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Die Bezeichnung Vitalismus ist ein Kampfbegriff aus dem 19. Jahrhundert. <!-- nämlich: ... ... ... ??  -->    Ein Gegenentwurf ist der [[Mechanizismus]]. Vitalismus  und Mechanizismus werden als überholte Anschauungen bezeichnet; statt ihrer bevorzugt die Wissenschaft im 20. und 21. Jahrhundert, beide Entwürfe im [[Wikipedia:Systemismus|Systemismus]] zusammenzuführen.
 
<!-- Wie hängen Vitalismus und Idealismus zusammen? Wie hängen Mechanizismus und Materialismus zusammen?  -->
 
<!-- Wie hängen Vitalismus und Idealismus zusammen? Wie hängen Mechanizismus und Materialismus zusammen?  -->
  
 
== Vertreter und Zeiten ==
 
== Vertreter und Zeiten ==
 
=== Antike ===
 
=== Antike ===
Die Vertreter des Vitalismus werden als ''Vitalisten'' bezeichnet. Als ein Vorläufer des Vitalismus kann [[Aristoteles]] gelten, der das Lebendige als durch ein Lebensprinzip ermöglicht betrachtete, welches er [[Entelechie]] nannte. Allerdings kann seine [[Metaphysik]] auch funktionalistisch-materialistisch gedeutet werden. Weitere Begriffe, die die belebte im Unterschied zur unbelebten Natur kennzeichnen, waren ''calor innatus'' („eingepflanzte Wärme“, als gespeichert im [[Herz#Forschungsgeschichte|Herzen]] gedacht<ref>[[Jutta Kollesch]], [[Diethard Nickel]]: ''Antike Heilkunst. Ausgewählte Texte aus dem medizinischen Schrifttum der Griechen und Römer.'' Philipp Reclam jun., Leipzig 1979 (= ''Reclams Universal-Bibliothek.'' Band 771); 6. Auflage ebenda 1989, ISBN 3-379-00411-1, S. 183 f.</ref>), ''succus nervosus'', ''spiritus animalis'', ''Archäus'', ''Lebenstonus'', ''anima'', ''Principe vital'' oder ''Lebenkraft''.<ref>Brigitte Lohff: ''Vitalismus.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1449–1451, hier: S. 1449 f.</ref>
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Die Vertreter des Vitalismus werden als ''Vitalisten'' bezeichnet. Als ein Vorläufer des Vitalismus kann [[Wikipedia:Aristoteles|Aristoteles]] gelten, der das Lebendige als durch ein Lebensprinzip ermöglicht betrachtete, welches er [[Wikipedia:Entelechie|Entelechie]] nannte. Allerdings kann seine [[Wikipedia:Metaphysik|Metaphysik]] auch funktionalistisch-materialistisch gedeutet werden. Weitere Begriffe, die die belebte im Unterschied zur unbelebten Natur kennzeichnen, waren ''calor innatus'' („eingepflanzte Wärme“, als gespeichert im [[Herz#Forschungsgeschichte|Herzen]] gedacht<ref>[[Wikipedia:Jutta Kollesch|Jutta Kollesch]], [[Wikipedia:Diethard Nickel|Diethard Nickel]]: ''Antike Heilkunst. Ausgewählte Texte aus dem medizinischen Schrifttum der Griechen und Römer.'' Philipp Reclam jun., Leipzig 1979 (= ''Reclams Universal-Bibliothek.'' Band 771); 6. Auflage ebenda 1989, ISBN 3-379-00411-1, S. 183 f.</ref>), ''succus nervosus'', ''spiritus animalis'', ''Archäus'', ''Lebenstonus'', ''anima'', ''Principe vital'' oder ''Lebenkraft''.<ref>Brigitte Lohff: ''Vitalismus.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1449–1451, hier: S. 1449 f.</ref>
  
 
=== Neuzeit ===
 
=== Neuzeit ===
Bedeutende Vertreter des Vitalismus im engeren Sinne waren [[Johan Baptista van Helmont|Jan Baptist van Helmont]] (1577–1644), Georg Ernst Stahl (1659–1734), [[Albrecht von Haller]] (1708–1777), [[Théophile de Bordeu]] (1722–1776) und [[Johann Friedrich Blumenbach]] (1752–1840). Die [[Schule von Montpellier]] vertritt im ausgehenden 18.&nbsp;und beginnenden 19.&nbsp;Jahrhundert eine eigene Art des Vitalismus, die sich von Stahls [[Animismus (Psychosomatik)|Animismus]] abhebt. Im 19.&nbsp;und frühen 20.&nbsp;Jahrhundert vertraten auch die Denker der [[Lebensphilosophie]] Positionen des Vitalismus. Der letzte bedeutende Biologe, der eine vitalistische Position vertrat (Neovitalismus), war [[Hans Driesch]] (1867–1941). Er griff dabei den aristotelischen Begriff der [[Entelechie]] auf.
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Bedeutende Vertreter des Vitalismus im engeren Sinne waren [[Wikipedia:Johan Baptista van Helmont|Jan Baptist van Helmont]] (1577–1644), Georg Ernst Stahl (1659–1734), [[Wikipedia:Albrecht von Haller|Albrecht von Haller]] (1708–1777), [[Wikipedia:Théophile de Bordeu|Théophile de Bordeu]] (1722–1776) und [[Wikipedia:Johann Friedrich Blumenbach|Johann Friedrich Blumenbach]] (1752–1840). Die [[Wikipedia:Schule von Montpellier|Schule von Montpellier]] vertritt im ausgehenden 18.&nbsp;und beginnenden 19.&nbsp;Jahrhundert eine eigene Art des Vitalismus, die sich von Stahls [[Wikipedia:Animismus (Psychosomatik)|Animismus]] abhebt. Im 19.&nbsp;und frühen 20.&nbsp;Jahrhundert vertraten auch die Denker der [[Wikipedia:Lebensphilosophie|Lebensphilosophie]] Positionen des Vitalismus. Der letzte bedeutende Biologe, der eine vitalistische Position vertrat (Neovitalismus), war [[Wikipedia:Hans Driesch|Hans Driesch]] (1867–1941). Er griff dabei den aristotelischen Begriff der [[Wikipedia:Entelechie|Entelechie]] auf.
  
 
=== Moderne ===
 
=== Moderne ===
Seither, besonders seit der Synthese von [[Harnstoff]] im Jahr 1828 durch [[Friedrich Wöhler]] und erst recht seit der spontanen Entstehung von Aminosäuren in den Versuchen von [[Stanley Miller]] und [[Harold C. Urey]] 1959, gilt der vitalistische Ansatz in der Biologie als überholt. Es wird dort geschlossen, dass Lebenskraft bzw. Lebensenergien zur Herstellung organischer Substanzen nicht notwendig sind. Von Vitalisten wird hierzu allerdings darauf hingewiesen, dass die manipulierte oder spontane  Entstehung von einzelnen Lebensbausteinen keineswegs mit der Entstehung belebter Substanz gleichzusetzen sei.
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Seither, besonders seit der Synthese von [[Wikipedia:Harnstoff|Harnstoff]] im Jahr 1828 durch [[Wikipedia:Friedrich Wöhler|Friedrich Wöhler]] und erst recht seit der spontanen Entstehung von Aminosäuren in den Versuchen von [[Wikipedia:Stanley Miller|Stanley Miller]] und [[Wikipedia:Harold C. Urey|Harold C. Urey]] 1959, gilt der vitalistische Ansatz in der Biologie als überholt. Es wird dort geschlossen, dass Lebenskraft bzw. Lebensenergien zur Herstellung organischer Substanzen nicht notwendig sind. Von Vitalisten wird hierzu allerdings darauf hingewiesen, dass die manipulierte oder spontane  Entstehung von einzelnen Lebensbausteinen keineswegs mit der Entstehung belebter Substanz gleichzusetzen sei.
  
Merkmale oder Elemente einer vitalistischen Deutung finden sich auch in den Arbeiten von [[Franz Anton Mesmer]] („animalischer Magnetismus“), [[Karl von Reichenbach]] („Od“), [[Alfred Russel Wallace]] („a new power ''vitality''“), [[Henri Bergson]] („[[élan vital]]“), [[Alfred North Whitehead]] („creativity“), [[Pierre Teilhard de Chardin]] („Radiale Energie“), [[Wilhelm Reich]] („[[Orgon]]“), [[Adolf Portmann]] („Selbstdarstellung“), [[Arthur Koestler]] („The Ghost in the Machine“), [[Ken Wilber]] („holon“), [[Ervin László]] („[[Akasha|Akashic]] field“) und [[Rupert Sheldrake]] („[[Morphogenetisches Feld]]“), sowie in der fernöstlichen Vorstellung einer Lebenskraft [[Prana]] oder [[Qi]], die auch von der modernen westlichen Esoterik aufgegriffen wurde.
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Merkmale oder Elemente einer vitalistischen Deutung finden sich auch in den Arbeiten von [[Wikipedia:Franz Anton Mesmer|Franz Anton Mesmer]] („animalischer Magnetismus“), [[Wikipedia:Karl von Reichenbach|Karl von Reichenbach]] („Od“), [[Wikipedia:Alfred Russel Wallace|Alfred Russel Wallace]] („a new power ''vitality''“), [[Wikipedia:Henri Bergson|Henri Bergson]] („[[Wikipedia:élan vital|élan vital]]“), [[Wikipedia:Alfred North Whitehead|Alfred North Whitehead]] („creativity“), [[Wikipedia:Pierre Teilhard de Chardin|Pierre Teilhard de Chardin]] („Radiale Energie“), [[Wikipedia:Wilhelm Reich|Wilhelm Reich]] („[[Wikipedia:Orgon|Orgon]]“), [[Wikipedia:Adolf Portmann|Adolf Portmann]] („Selbstdarstellung“), [[Wikipedia:Arthur Koestler|Arthur Koestler]] („The Ghost in the Machine“), [[Wikipedia:Ken Wilber|Ken Wilber]] („holon“), [[Wikipedia:Ervin László|Ervin László]] („[[Wikipedia:Akasha|Akashic]] field“) und [[Wikipedia:Rupert Sheldrake|Rupert Sheldrake]] („[[Wikipedia:Morphogenetisches Feld|Morphogenetisches Feld]]“), sowie in der fernöstlichen Vorstellung einer Lebenskraft [[Prana]] oder [[Wikipedia:Qi|Qi]], die auch von der modernen westlichen Esoterik aufgegriffen wurde.
  
In neuerer Zeit griffen einige Zellbiologen diese Bezeichnung in einem übertragenen Sinn wieder auf als „molekularen Vitalismus“.<ref>{{Literatur |Autor=M. Kirschner, J. Gerhart, T. Mitchison |Jahr=2000 |Titel=Molecular vitalism |Sammelwerk=[[Cell (Zeitschrift)|Cell]] |Nummer=100 |Seiten=79–88}}</ref>
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In neuerer Zeit griffen einige Zellbiologen diese Bezeichnung in einem übertragenen Sinn wieder auf als „molekularen Vitalismus“.<ref>{{Literatur |Autor=M. Kirschner, J. Gerhart, T. Mitchison |Jahr=2000 |Titel=Molecular vitalism |Sammelwerk=[[Wikipedia:Cell (Zeitschrift)|Cell]] |Nummer=100 |Seiten=79–88}}</ref>
  
 
== Literatur ==
 
== Literatur ==
* {{Literatur |Autor=[[Otto Bütschli]] |Titel=Mechanismus und Vitalismus |Verlag=W. Engelmann |Ort=Leipzig |Jahr=1901 |Online=[https://archive.org/details/mechanismusundvi00buts Digitalisat]}}
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* {{Literatur |Autor=[[Wikipedia:Otto Bütschli|Otto Bütschli]] |Titel=Mechanismus und Vitalismus |Verlag=W. Engelmann |Ort=Leipzig |Jahr=1901 |Online=[https://archive.org/details/mechanismusundvi00buts Digitalisat]}}
* {{Literatur |Autor=[[Eve-Marie Engels]] |Titel=Die Teleologie des Lebendigen: Kritische Überlegungen zur Neuformulierung des Teleologieproblems in der angloamerikanischen Wissenschaftstheorie |Verlag=Duncker und Humblot |Ort=Berlin |Jahr=1982 |ISBN=3-4280-5150-5}}
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* {{Literatur |Autor=[[Wikipedia:Eve-Marie Engels|Eve-Marie Engels]] |Titel=Die Teleologie des Lebendigen: Kritische Überlegungen zur Neuformulierung des Teleologieproblems in der angloamerikanischen Wissenschaftstheorie |Verlag=Duncker und Humblot |Ort=Berlin |Jahr=1982 |ISBN=3-4280-5150-5}}
* {{Literatur |Autor=[[Philipp Sarasin]] |Titel=Reizbare Maschinen: Eine Geschichte des Körpers 1765-1914 |Verlag=Suhrkamp Verlag |Ort=Frankfurt am Main |Jahr=2001 |ISBN=3-5182-9124-6}}
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* {{Literatur |Autor=[[Wikipedia:Philipp Sarasin|Philipp Sarasin]] |Titel=Reizbare Maschinen: Eine Geschichte des Körpers 1765-1914 |Verlag=Suhrkamp Verlag |Ort=Frankfurt am Main |Jahr=2001 |ISBN=3-5182-9124-6}}
  
 
== Weblinks ==
 
== Weblinks ==

Version vom 8. September 2021, 06:48 Uhr

Vitalismus (von lateinisch vitalis, ‚Lebenskraft gebend/habend‘, von vita „Leben“) ist eine Sammelbezeichnung für Lehren, die als Grundlage alles Lebendigen eine Lebenskraft (vis vitalis)[1] oder einen besonderen „Lebensstoff“[2] als eigenständiges Prinzip, annehmen (Bei Georg Ernst Stahl stellt die Seele Lebenskraft und Lebensprinzip dar). Damit wird ein Wesensunterschied zwischen Organischem und Anorganischem behauptet.

Begrifflichkeit

Die Bezeichnung Vitalismus ist ein Kampfbegriff aus dem 19. Jahrhundert. Ein Gegenentwurf ist der Mechanizismus. Vitalismus und Mechanizismus werden als überholte Anschauungen bezeichnet; statt ihrer bevorzugt die Wissenschaft im 20. und 21. Jahrhundert, beide Entwürfe im Systemismus zusammenzuführen.

Vertreter und Zeiten

Antike

Die Vertreter des Vitalismus werden als Vitalisten bezeichnet. Als ein Vorläufer des Vitalismus kann Aristoteles gelten, der das Lebendige als durch ein Lebensprinzip ermöglicht betrachtete, welches er Entelechie nannte. Allerdings kann seine Metaphysik auch funktionalistisch-materialistisch gedeutet werden. Weitere Begriffe, die die belebte im Unterschied zur unbelebten Natur kennzeichnen, waren calor innatus („eingepflanzte Wärme“, als gespeichert im Herzen gedacht[3]), succus nervosus, spiritus animalis, Archäus, Lebenstonus, anima, Principe vital oder Lebenkraft.[4]

Neuzeit

Bedeutende Vertreter des Vitalismus im engeren Sinne waren Jan Baptist van Helmont (1577–1644), Georg Ernst Stahl (1659–1734), Albrecht von Haller (1708–1777), Théophile de Bordeu (1722–1776) und Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840). Die Schule von Montpellier vertritt im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert eine eigene Art des Vitalismus, die sich von Stahls Animismus abhebt. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert vertraten auch die Denker der Lebensphilosophie Positionen des Vitalismus. Der letzte bedeutende Biologe, der eine vitalistische Position vertrat (Neovitalismus), war Hans Driesch (1867–1941). Er griff dabei den aristotelischen Begriff der Entelechie auf.

Moderne

Seither, besonders seit der Synthese von Harnstoff im Jahr 1828 durch Friedrich Wöhler und erst recht seit der spontanen Entstehung von Aminosäuren in den Versuchen von Stanley Miller und Harold C. Urey 1959, gilt der vitalistische Ansatz in der Biologie als überholt. Es wird dort geschlossen, dass Lebenskraft bzw. Lebensenergien zur Herstellung organischer Substanzen nicht notwendig sind. Von Vitalisten wird hierzu allerdings darauf hingewiesen, dass die manipulierte oder spontane Entstehung von einzelnen Lebensbausteinen keineswegs mit der Entstehung belebter Substanz gleichzusetzen sei.

Merkmale oder Elemente einer vitalistischen Deutung finden sich auch in den Arbeiten von Franz Anton Mesmer („animalischer Magnetismus“), Karl von Reichenbach („Od“), Alfred Russel Wallace („a new power vitality“), Henri Bergson („élan vital“), Alfred North Whitehead („creativity“), Pierre Teilhard de Chardin („Radiale Energie“), Wilhelm Reich („Orgon“), Adolf Portmann („Selbstdarstellung“), Arthur Koestler („The Ghost in the Machine“), Ken Wilber („holon“), Ervin László („Akashic field“) und Rupert Sheldrake („Morphogenetisches Feld“), sowie in der fernöstlichen Vorstellung einer Lebenskraft Prana oder Qi, die auch von der modernen westlichen Esoterik aufgegriffen wurde.

In neuerer Zeit griffen einige Zellbiologen diese Bezeichnung in einem übertragenen Sinn wieder auf als „molekularen Vitalismus“.[5]

Literatur

  • Otto Bütschli: Mechanismus und Vitalismus. W. Engelmann, Leipzig 1901 (Digitalisat).
  • Eve-Marie Engels: Die Teleologie des Lebendigen: Kritische Überlegungen zur Neuformulierung des Teleologieproblems in der angloamerikanischen Wissenschaftstheorie. Duncker und Humblot, Berlin 1982, ISBN  3-428-05150-5.
  • Philipp Sarasin: Reizbare Maschinen: Eine Geschichte des Körpers 1765-1914. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001, ISBN  3-518-29124-6.

Weblinks

Wiktionary: Vitalismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Brigitte Lohff: Lebenskraft. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 832.
  2. Rudolf Eisler: Handwörterbuch der Philosophie. Berlin 1913, S. 364.
  3. Jutta Kollesch, Diethard Nickel: Antike Heilkunst. Ausgewählte Texte aus dem medizinischen Schrifttum der Griechen und Römer. Philipp Reclam jun., Leipzig 1979 (= Reclams Universal-Bibliothek. Band 771); 6. Auflage ebenda 1989, ISBN 3-379-00411-1, S. 183 f.
  4. Brigitte Lohff: Vitalismus. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1449–1451, hier: S. 1449 f.
  5. M. Kirschner, J. Gerhart, T. Mitchison: Molecular vitalism. In: Cell. Nr. 100, 2000, S. 79–88.
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