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Goetheanistische Pflanzenbetrachtung

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Goetheanistische Pflanzenbetrachtung fasst im Bereich von Goetheanismus und Anthroposophischer Medizin vorhandene unterschiedliche Herangehensweisen, Methoden und Anschauungen zu Pflanzen zusammen.

Blattmetamorphose

Bodennahe Blätter. Mit den folgenden Bildern ist eine Blattreihe von Leonurus cardiaca gezeigt als Beispiel für die Blattmetamorphose innerhalb der Laubblätter einer Pflanze.
Etwas weiter vom Boden entfernte Blätter
Weiter blütenwärtige Blätter
Blütenstandnahe Blätter

Es gibt eine Blattmetamorphose innerhalb der einzelnen Pflanze und auch über verschiedene Pflanzen hinweg betrachtet Metamorphosen der Ausprägung der Gestalt der Blätter.

Blattmetamorphose innerhalb einer Pflanze

Die grüne Pflanze betreibt vegetativen Stoffwechsel, es wird Blatt für Blatt gebildet. Die Blattmetamorphosen innerhalb der Bildung einer einzelnen Pflanze geschehen nacheinander. Es bilden sich zunächst die Keimblätter, dann kommt es zu einer Zunahme der Laubblätter an Größe und Differenzierung, darauf folgt eine erneute Abnahme der Größe der Blätter, und eine zunehmende Differenzierung - die Blätter werden filigraner und feiner.

Wenn das Wachstum stoppt, tritt in der Blüte alles gleichzeitig aus einem Punkt auf: Kelchblatt, Kronblatt, Staubblatt, Fruchtblatt (später Fruchtknoten und dann Frucht). Die Blüte wird farbig, sie duftet und produziert Nektar. Sie richtet sich damit an die Seelenwelt der Tiere (Tiere haben Sinnestätigkeit, um Farbe, Gestalt und Duft wahrzunehmen). Die Blüte spricht das Begehren des Tieres an bis dahin, dass sie sogar Sexualduftstoffe (pheromonproduzierende Orchideen, die eine bestimmte Hummelart anlocken) aussondern. Die Grünpflanze, im Bereich der Laubblätter, dient ihrem eigenen Stoffwechsel, in der Blüte und in der Frucht dient sie der Tierwelt.

Diesen Gestaltwandel beschrieb Goethe in seinem Gedicht Die Metamorphose der Pflanzen.

Die Metamorphose der Pflanzen (Gedicht Goethe)

In dem Gedicht Die Metamorphose der Pflanzen findet sich eine künstlerische Darstellung der Blattmetamorphose.

Dich verwirret, Geliebte, die tausendfältige Mischung

    Dieses Blumengewühls über dem Garten umher;

Viele Namen hörest du an, und immer verdränget

    Mit barbarischem Klang einer den andern im Ohr.

Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet der andern;

    Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz,

Auf ein heiliges Rätsel. O könnt ich dir, liebliche Freundin,

    Überliefern sogleich glücklich das lösende Wort! –

Werdend betrachte sie nun, wie nach und nach sich die Pflanze,

    Stufenweise geführt, bildet zu Blüten und Frucht.

Aus dem Samen entwickelt sie sich, sobald ihn der Erde

    Stille befruchtender Schoß hold in das Leben entläßt

Und dem Reize des Lichts, des heiligen, ewig bewegten,

    Gleich den zartesten Bau keimender Blätter empfiehlt.

Einfach schlief in dem Samen die Kraft; ein beginnendes Vorbild

    Lag, verschlossen in sich, unter die Hülle gebeugt,

Blatt und Wurzel und Keim, nur halb geformet und farblos;

    Trocken erhält so der Kern ruhiges Leben bewahrt,

Quillet strebend empor, sich milder Feuchte vertrauend,

    Und erhebt sich sogleich aus der umgebenden Nacht.

Aber einfach bleibt die Gestalt, der ersten Erscheinung,

    Und so bezeichnet sich auch unter den Pflanzen das Kind.

Gleich darauf ein folgender Trieb, sich erhebend, erneuere

    Knoten auf Knoten getürmt, immer das erste Gebild.

Zwar nicht immer das gleiche; denn mannigfaltig erzeugt sich,

    Ausgebildet, du siehsts, immer das folgende Blatt,

Ausgedehnter, gekerbter, getrennter in Spitzen und Teile,

    Die verwachsen vorher ruhten im untern Organ.

Und so erreicht es zuerst die höchst bestimmte Vollendung,

    Die bei manchem Geschlecht dich zum Erstaunen bewegt.

Viel gerippt und gezackt, auf mastig strotzender Fläche,

    Scheinet die Fülle des Triebs frei und unendlich zu sein.

Doch hier hält die Natur, mit mächtigen Händen, die Bildung

    An und lenket sie sanft in das Vollkommnere hin.

Mäßiger leitet sie nun den Saft, verengt die Gefäße,

    Und gleich zeigt die Gestalt zärtere Wirkungen an.

Stille zieht sich der Trieb der strebenden Ränder zurücke,

    Und die Rippe des Stiels bildet sich völliger aus.

Blattlos aber und schnell erhebt sich der zärtere Stengel,

    Und ein Wundergebild zieht den Betrachtenden an.

Rings im Kreise stellet sich nun, gezählet und ohne

    Zahl, das kleinere Blatt neben dem ähnlichen hin.

Um die Achse gedrängt, entscheidet der bergende Kelch sich,

    Der zur höchsten Gestalt farbige Kronen entläßt.

Also prangt die Natur in hoher, voller Erscheinung,

    Und sie zeiget, gereiht, Glieder an Glieder gestuft.

Immer staunst du aufs neue, sobald sich am Stengel die Blume

    Über dem schlanken Gerüst wechselnder Blätter bewegt.

Aber die Herrlichkeit wird des neuen Schaffens Verkündung.

    Ja, das farbige Blatt fühlet die göttliche Hand;

Und zusammen zieht es sich schnell; die zartesten Formen,

    Zwiefach streben sie vor, sich zu vereinen bestimmt.

Traulich stehen sie nun, die holden Paare, beisammen,

    Zahlreich ordnen sie sich um den geweihten Altar.

Hymen schwebet herbei, und herrliche Düfte, gewaltig,

    Strömen süßen Geruch, alles belebend, umher.

Nun vereinzelt schwellen sogleich unzählige Keime,

    Hold in den Mutterschoß schwellender Früchte gehüllt.

Und hier schließt die Natur den Ring der ewigen Kräfte;

    Doch ein neuer sogleich fasset den vorigen an,

Daß die Kette sich fort durch alle Zeiten verlänge,

    Und das Ganze belebt, so wie das Einzelne, sei.

Wende nun, o Geliebte, den Blick zum bunten Gewimmel,

    Das verwirrend nicht mehr sich vor dem Geiste bewegt.

Jede Pflanze verkündet dir nun die ewgen Gesetze,

    Jede Blume, sie spricht lauter und lauter mit dir.

Aber entzifferst du hier der Göttin heilige Lettern,

    Überall siehst du sie dann, auch in verändertem Zug.

Kriechend zaudre die Raupe, der Schmetterling eile geschäftig,

    Bildsam ändre der Mensch selbst die bestimmte Gestalt.

O, gedenke denn auch, wie aus dem Keim der Bekanntschaft

    Nach und nach in uns holde Gewohnheit entsproß,

Freundschaft sich mit Macht aus unserm Innern enthüllte,

    Und wie Amor zuletzt Blüten und Früchte gezeugt.

Denke, wie mannigfach bald die, bald jene Gestalten,

    Still entfaltend, Natur unsern Gefühlen geliehn!

Freue dich auch des heutigen Tags! Die heilige Liebe

    Strebt zu der höchsten Frucht gleicher Gesinnungen auf,

Gleicher Ansicht der Dinge, damit in harmonischem Anschaun

    Sich verbinde das Paar, finde die höhere Welt.[1]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Johann Wolfgang von Goethe: Die Metamorphose der Pflanzen. In: Projekt Gutenberg. Abgerufen am 1. November 2021.