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Kategorie Medizintheorie gesetzt
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Aktuelle medizintheoretische Diskussionen und Veröffentlichungen beschränken sich fast ausschließlich auf die sogenannte ''westliche Medizin'', sowie ihre Tradition, Pluralität und Weiterentwicklung.
 
Aktuelle medizintheoretische Diskussionen und Veröffentlichungen beschränken sich fast ausschließlich auf die sogenannte ''westliche Medizin'', sowie ihre Tradition, Pluralität und Weiterentwicklung.
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== Medizin und Philosophie ==
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==Medizin und Philosophie==
 
{{Zitat|Die Philosophie ist die Schwester der Medizin (''medicina soror philosophiae'')|[[Tertullian]]|De Anima}}
 
{{Zitat|Die Philosophie ist die Schwester der Medizin (''medicina soror philosophiae'')|[[Tertullian]]|De Anima}}
 
Die Medizintheorie thematisiert in mehrfacher Hinsicht die Sonderstellung der Medizin. So kann die medizinische Praxis als [[Idiosynkrasie|idiosynkratische]] (den Einzelfall betreffende) Heilkunst oder als nomologische (gesetzmäßige) Wissenschaft beschrieben werden. Zwar können allgemeine Gesetze und Regeln gebildet werden, aber die praktische Anwendung bezieht sich immer auf einen spezifischen Einzelfall. Weiterhin gehört die Humanmedizin zu den [[Anthropologie|anthropologischen]] Wissenschaften, in denen der Mensch gleichzeitig [[Subjekt (Philosophie)|Subjekt]] und [[Objekt (Philosophie)|Objekt]] der Betrachtung ist. Somit werden neben dem naturwissenschaftlichen Paradigma auch subjektivistische Erkenntnisweisen und Methoden in der Medizintheorie diskutiert. Da zur Humanmedizin viele existentielle Lebenserscheinungen wie Geburt, Krankheit, Leiden und [[Tod]] gehören, waren auch Wert-, Sinn- und Ethikfragen schon immer Inhalt jeder philosophischen Reflexion zur Medizin. Im Sinne des [[Positivismus|positivistischen]] [[Drei-Stadien-Gesetz]]es wurden ab dem 19. Jahrhundert allerdings viele weltanschaulichen Fragestellungen verdrängt.<ref>Dietrich von Engelhardt, Heinrich Schipperges: ''Die innere Verbindung zwischen Philosophie und Medizin im 20. Jahrhundert.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980, S. 19.</ref> Zu weiteren Themenfeldern, die sowohl Gegenstand der Medizin als auch der Philosophie sind, gehören das [[Bewusstsein]], das Verhältnis von Körper und Psyche, [[Wahrnehmung]] und [[Sprache]].
 
Die Medizintheorie thematisiert in mehrfacher Hinsicht die Sonderstellung der Medizin. So kann die medizinische Praxis als [[Idiosynkrasie|idiosynkratische]] (den Einzelfall betreffende) Heilkunst oder als nomologische (gesetzmäßige) Wissenschaft beschrieben werden. Zwar können allgemeine Gesetze und Regeln gebildet werden, aber die praktische Anwendung bezieht sich immer auf einen spezifischen Einzelfall. Weiterhin gehört die Humanmedizin zu den [[Anthropologie|anthropologischen]] Wissenschaften, in denen der Mensch gleichzeitig [[Subjekt (Philosophie)|Subjekt]] und [[Objekt (Philosophie)|Objekt]] der Betrachtung ist. Somit werden neben dem naturwissenschaftlichen Paradigma auch subjektivistische Erkenntnisweisen und Methoden in der Medizintheorie diskutiert. Da zur Humanmedizin viele existentielle Lebenserscheinungen wie Geburt, Krankheit, Leiden und [[Tod]] gehören, waren auch Wert-, Sinn- und Ethikfragen schon immer Inhalt jeder philosophischen Reflexion zur Medizin. Im Sinne des [[Positivismus|positivistischen]] [[Drei-Stadien-Gesetz]]es wurden ab dem 19. Jahrhundert allerdings viele weltanschaulichen Fragestellungen verdrängt.<ref>Dietrich von Engelhardt, Heinrich Schipperges: ''Die innere Verbindung zwischen Philosophie und Medizin im 20. Jahrhundert.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980, S. 19.</ref> Zu weiteren Themenfeldern, die sowohl Gegenstand der Medizin als auch der Philosophie sind, gehören das [[Bewusstsein]], das Verhältnis von Körper und Psyche, [[Wahrnehmung]] und [[Sprache]].
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Große Themenbereiche, die sich zwischen der Philosophie und Medizin überschneiden, können auch unter dem [[Philosophie des Geistes|Leib-Seele-Problem]] oder dem [[Naturphilosophie|Naturbegriff]] diskutiert werden. Beispielsweise stimmen Vertreter eines [[Dualismus (Ontologie)|substanzdualistischen]] Ansatzes (Materie und Geist existieren selbstständig) Lebensverlängerungen nicht um jeden Preis zu oder sie versuchen eine körperliche Krankheit mit rein geistig-seelischen Therapieformen zu heilen. Im 19. und 20. Jahrhundert hat sich in der westlichen Welt sowohl in der Philosophie als auch in der Medizin weitgehend der materialistische [[Monismus]] durchgesetzt. Damit sind aber mehrere ungelöste Probleme verbunden, wie die Frage nach der Naturalisierung [[Intentionalität|intentionaler]] und [[Qualia|phänomenaler]] Zustände.
 
Große Themenbereiche, die sich zwischen der Philosophie und Medizin überschneiden, können auch unter dem [[Philosophie des Geistes|Leib-Seele-Problem]] oder dem [[Naturphilosophie|Naturbegriff]] diskutiert werden. Beispielsweise stimmen Vertreter eines [[Dualismus (Ontologie)|substanzdualistischen]] Ansatzes (Materie und Geist existieren selbstständig) Lebensverlängerungen nicht um jeden Preis zu oder sie versuchen eine körperliche Krankheit mit rein geistig-seelischen Therapieformen zu heilen. Im 19. und 20. Jahrhundert hat sich in der westlichen Welt sowohl in der Philosophie als auch in der Medizin weitgehend der materialistische [[Monismus]] durchgesetzt. Damit sind aber mehrere ungelöste Probleme verbunden, wie die Frage nach der Naturalisierung [[Intentionalität|intentionaler]] und [[Qualia|phänomenaler]] Zustände.
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=== Philosophie der Medizin ===
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===Philosophie der Medizin===
 
Welche Rolle die Philosophie der Medizin genau im akademischen Bereich einnehmen soll, ist Teil der Diskussionen in der Medizintheorie. Am verbreitetsten ist eine Definition, die sich schon in den 1980er Jahren etabliert hat, wonach die Philosophie Methoden bereitstellen soll, um philosophische Themen in der Medizin zu artikulieren, zu klären und kritisch zu hinterfragen (E. D. Pellegrino, D. Thomasma, 1981)<ref>James A. Marcum: ''An Indroductory Philosophy of Medicine.'' Springer, 2008, S. 3.</ref> Dagegen verneint [[Arthur Caplan]] Anfang der 1990er Jahre die eigenständige Existenz eines solchen Fachgebietes wegen einer noch fehlenden Verbundenheit zu anderen Fachgebieten und einem ebenso fehlenden festen Themenkern aus Standardwerken und Aufgabenstellungen. Ein Streitthema ist die Frage, ob die Philosophie der Medizin thematisch eng oder weit gefasst werden soll. So sieht [[Edmund D. Pellegrino]] die Gefahr, dass das Fachgebiet mit einer weiten Definition seine Identität verliert, und plädiert für eine Medizintheorie, die als Hilfswissenschaft der etablierten Medizin und ihrer Methoden fungiert. Dagegen fordert [[Kenneth Schaffner]] die Einbeziehung aller philosophischen Themen, die eine Beziehung zur Medizin haben, wobei sowohl naturwissenschaftliche als auch [[humanwissenschaft]]liche Themen behandelt werden sollen.
 
Welche Rolle die Philosophie der Medizin genau im akademischen Bereich einnehmen soll, ist Teil der Diskussionen in der Medizintheorie. Am verbreitetsten ist eine Definition, die sich schon in den 1980er Jahren etabliert hat, wonach die Philosophie Methoden bereitstellen soll, um philosophische Themen in der Medizin zu artikulieren, zu klären und kritisch zu hinterfragen (E. D. Pellegrino, D. Thomasma, 1981)<ref>James A. Marcum: ''An Indroductory Philosophy of Medicine.'' Springer, 2008, S. 3.</ref> Dagegen verneint [[Arthur Caplan]] Anfang der 1990er Jahre die eigenständige Existenz eines solchen Fachgebietes wegen einer noch fehlenden Verbundenheit zu anderen Fachgebieten und einem ebenso fehlenden festen Themenkern aus Standardwerken und Aufgabenstellungen. Ein Streitthema ist die Frage, ob die Philosophie der Medizin thematisch eng oder weit gefasst werden soll. So sieht [[Edmund D. Pellegrino]] die Gefahr, dass das Fachgebiet mit einer weiten Definition seine Identität verliert, und plädiert für eine Medizintheorie, die als Hilfswissenschaft der etablierten Medizin und ihrer Methoden fungiert. Dagegen fordert [[Kenneth Schaffner]] die Einbeziehung aller philosophischen Themen, die eine Beziehung zur Medizin haben, wobei sowohl naturwissenschaftliche als auch [[humanwissenschaft]]liche Themen behandelt werden sollen.
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=== Medizinische Philosophie ===
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===Medizinische Philosophie===
 
Vereinzelt wird auch eine [[medizinische Philosophie]] (oder „klinische Philosophie“ bei [[Karl Hermann Spitzy]]) als ärztliche Praxis vorgeschlagen. Grundlage dabei ist im Wesentlichen eine [[Diätetik]], eine Lehre über eine Lebensführung, die zur Gesunderhaltung und zur Heilung beiträgt. In der griechischen Antike umfasste eine diätetische Lebensführung Regeln sowohl für eine körperlich als auch für eine seelisch gesunde Lebensweise. Neben der Ernährung und (sportlichen) Bewegung wurde auch eine sittliche Lebensführung vorgeschrieben. [[Arthur Schopenhauer]] griff diese diätetischen Elemente wieder auf. Die [[Mäßigung]] aller Leidenschaften soll nach seiner Auffassung – neben körperlichen Übungen – die Leiden und Schmerzen im Leben reduzieren. [[Friedrich Nietzsche]] stellt dagegen die „große Gesundheit“ in den Mittelpunkt seiner medizinischen Philosophie. Wer demnach die Krankheit als natürlichen Teil des Lebens annehmen kann und den Sinn darin erkennt, der erlebe gesteigerte Vitalität, Heilungskräfte und Lebensfreude. Dagegen sieht Nietzsche keinen Grund und keine Möglichkeit Krankheit genauer zu definieren und zu bekämpfen, sowie Gesundheit zu erstreben. Allen Ansätzen einer „medizinischen Philosophie“ gemeinsam ist die Forderung nach Selbsterkenntnis und Selbstverantwortung.
 
Vereinzelt wird auch eine [[medizinische Philosophie]] (oder „klinische Philosophie“ bei [[Karl Hermann Spitzy]]) als ärztliche Praxis vorgeschlagen. Grundlage dabei ist im Wesentlichen eine [[Diätetik]], eine Lehre über eine Lebensführung, die zur Gesunderhaltung und zur Heilung beiträgt. In der griechischen Antike umfasste eine diätetische Lebensführung Regeln sowohl für eine körperlich als auch für eine seelisch gesunde Lebensweise. Neben der Ernährung und (sportlichen) Bewegung wurde auch eine sittliche Lebensführung vorgeschrieben. [[Arthur Schopenhauer]] griff diese diätetischen Elemente wieder auf. Die [[Mäßigung]] aller Leidenschaften soll nach seiner Auffassung – neben körperlichen Übungen – die Leiden und Schmerzen im Leben reduzieren. [[Friedrich Nietzsche]] stellt dagegen die „große Gesundheit“ in den Mittelpunkt seiner medizinischen Philosophie. Wer demnach die Krankheit als natürlichen Teil des Lebens annehmen kann und den Sinn darin erkennt, der erlebe gesteigerte Vitalität, Heilungskräfte und Lebensfreude. Dagegen sieht Nietzsche keinen Grund und keine Möglichkeit Krankheit genauer zu definieren und zu bekämpfen, sowie Gesundheit zu erstreben. Allen Ansätzen einer „medizinischen Philosophie“ gemeinsam ist die Forderung nach Selbsterkenntnis und Selbstverantwortung.
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=== Der wissenschaftstheoretische Status der Medizin ===
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===Der wissenschaftstheoretische Status der Medizin===
 
[[Datei:Josef Dietl Litho.jpg|mini|Joseph Dietl (1844)]]
 
[[Datei:Josef Dietl Litho.jpg|mini|Joseph Dietl (1844)]]
 
Die fehlende allgemeine und verbindliche Definition eines [[Wissenschaft]]sbegriffes macht sich besonders in der Bewertung der vielfältigen medizinischen Theorie und Praxis bemerkbar. Schon in der Antike wurde gestritten, ob die Medizin eine Wissenschaft oder Kunst ist. Im Laufe des 19. Jahrhunderts gelangten vermehrt Erkenntnisse und Methoden aus den Naturwissenschaften in die ärztliche Praxis.
 
Die fehlende allgemeine und verbindliche Definition eines [[Wissenschaft]]sbegriffes macht sich besonders in der Bewertung der vielfältigen medizinischen Theorie und Praxis bemerkbar. Schon in der Antike wurde gestritten, ob die Medizin eine Wissenschaft oder Kunst ist. Im Laufe des 19. Jahrhunderts gelangten vermehrt Erkenntnisse und Methoden aus den Naturwissenschaften in die ärztliche Praxis.
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{{Zitat|Medicine is an art based on science.}}
 
{{Zitat|Medicine is an art based on science.}}
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== Geschichte ==
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==Geschichte==
 
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Medizingeschichte in einer positivistischen Geschichtsschreibung als zwingender wissenschaftlicher Fortschritt verstanden. Ereignisse, Prozesse und Personen, die nicht in dieses Bild passten, wurden als Irrweg bezeichnet. In den letzten Jahrzehnten werden dagegen [[Sozialkonstruktivismus|sozialkonstruktivistische]] und [[Realismus (Philosophie)|anti-realistische]] Deutungen breiter diskutiert.<ref>Axel W. Bauer: ''Axiome der Medizin.'' In: Walter Pieringer, Franz Eibner (Hrsg.): ''Zur Philosophie der Medizin.'' Springer, Wien/ New York 2000, S. 16.</ref>
 
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Medizingeschichte in einer positivistischen Geschichtsschreibung als zwingender wissenschaftlicher Fortschritt verstanden. Ereignisse, Prozesse und Personen, die nicht in dieses Bild passten, wurden als Irrweg bezeichnet. In den letzten Jahrzehnten werden dagegen [[Sozialkonstruktivismus|sozialkonstruktivistische]] und [[Realismus (Philosophie)|anti-realistische]] Deutungen breiter diskutiert.<ref>Axel W. Bauer: ''Axiome der Medizin.'' In: Walter Pieringer, Franz Eibner (Hrsg.): ''Zur Philosophie der Medizin.'' Springer, Wien/ New York 2000, S. 16.</ref>
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=== Frühzeit ===
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===Frühzeit===
 
In der Anfangszeit der Menschheitsgeschichte wurden magisch-mystische Kräfte sowie Geister, Götter und Dämonen für Gesundheitsstörungen verantwortlich gemacht. Krankheiten besaßen eine soziale Dimension und betrafen immer auch die Gemeinschaft. Eine Heilung konnte nur mithilfe einer Kontaktaufnahme zum Übersinnlichen erfolgreich sein. Dazu dienten Methoden wie eine [[Veränderter Bewusstseinszustand|Bewusstseinsveränderung]] des Heilers oder die [[Astrologie]]. Die eigentliche Therapie konnte aber viele verschiedene Elemente wie [[Beschwörung]]en, [[Buße (Religion)|Buße]] und [[Trepanation]] beinhalten.<ref>Dietrich von Engelhardt: ''Krankheit, Schmerz und Lebenskunst. Eine Kulturgeschichte der Körpererfahrung.'' Beck, München 1999, S. 19f.</ref> Der [[Asklepios]]-Heilkult, der seit dem späten 6. Jahrhundert v. Chr. in Griechenland auftritt, wird dagegen als ein [[Theurgische Medizin|theurgisches Medizinkonzept]] betrachtet. In einigen Hochkulturen wie in Ägypten, Indien, China und Tibet kam es in dieser Zeit auch zur Herausbildung eines spezialisierten Arztberufes. Charakteristisch ist dort ein Nebeneinander von empirisch-rationalen und magisch-religiösen Heilpraktiken.
 
In der Anfangszeit der Menschheitsgeschichte wurden magisch-mystische Kräfte sowie Geister, Götter und Dämonen für Gesundheitsstörungen verantwortlich gemacht. Krankheiten besaßen eine soziale Dimension und betrafen immer auch die Gemeinschaft. Eine Heilung konnte nur mithilfe einer Kontaktaufnahme zum Übersinnlichen erfolgreich sein. Dazu dienten Methoden wie eine [[Veränderter Bewusstseinszustand|Bewusstseinsveränderung]] des Heilers oder die [[Astrologie]]. Die eigentliche Therapie konnte aber viele verschiedene Elemente wie [[Beschwörung]]en, [[Buße (Religion)|Buße]] und [[Trepanation]] beinhalten.<ref>Dietrich von Engelhardt: ''Krankheit, Schmerz und Lebenskunst. Eine Kulturgeschichte der Körpererfahrung.'' Beck, München 1999, S. 19f.</ref> Der [[Asklepios]]-Heilkult, der seit dem späten 6. Jahrhundert v. Chr. in Griechenland auftritt, wird dagegen als ein [[Theurgische Medizin|theurgisches Medizinkonzept]] betrachtet. In einigen Hochkulturen wie in Ägypten, Indien, China und Tibet kam es in dieser Zeit auch zur Herausbildung eines spezialisierten Arztberufes. Charakteristisch ist dort ein Nebeneinander von empirisch-rationalen und magisch-religiösen Heilpraktiken.
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=== Griechische Antike ===
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===Griechische Antike===
 
[[Datei:Hippokrates.jpg|mini|Hippokrates von Kos]]
 
[[Datei:Hippokrates.jpg|mini|Hippokrates von Kos]]
 
Die [[Sokrates|vorsokratische]] griechische Antike entwickelte ein ganzheitliches, [[Kosmologie|kosmologisch]]-anthropologisches Verständnis von Krankheit und Gesundheit. Die gesamte Lebensführung des Menschen steht dabei in Beziehung zu Krankheit und Gesundheit, aber auch zur Natur als Ganzes. In der Schule der [[Pythagoreer]] steht die Harmonielehre im Mittelpunkt; Gesundheit wurde als die Wiederherstellung eines Gleichgewichtes zwischen Mensch, Gesellschaft und Welt verstanden. Zur gleichen Zeit entstanden vermutlich auch die ersten Qualitätenpathologien wie beispielsweise die [[Humoralpathologie]].(Viersäftelehre)<ref>[[Wolfgang U. Eckart]]: ''Geschichte, Theorie und Geschichte.'' Springer, Berlin 2013, S. 8–10.</ref>
 
Die [[Sokrates|vorsokratische]] griechische Antike entwickelte ein ganzheitliches, [[Kosmologie|kosmologisch]]-anthropologisches Verständnis von Krankheit und Gesundheit. Die gesamte Lebensführung des Menschen steht dabei in Beziehung zu Krankheit und Gesundheit, aber auch zur Natur als Ganzes. In der Schule der [[Pythagoreer]] steht die Harmonielehre im Mittelpunkt; Gesundheit wurde als die Wiederherstellung eines Gleichgewichtes zwischen Mensch, Gesellschaft und Welt verstanden. Zur gleichen Zeit entstanden vermutlich auch die ersten Qualitätenpathologien wie beispielsweise die [[Humoralpathologie]].(Viersäftelehre)<ref>[[Wolfgang U. Eckart]]: ''Geschichte, Theorie und Geschichte.'' Springer, Berlin 2013, S. 8–10.</ref>
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Aus heutiger Sicht mangelte es der hippokratischen Medizin aber an einer fundierten theoretischen Grundlage und insbesondere einer systematischen Einteilung von Krankheiten und Krankheitsursachen ([[Nosologie]]). Der römische Arzt [[Galenos von Pergamon]] fügte wenig Neues zum hippokratischen Krankheitsverständnis hinzu. Seine Bedeutung liegt in der Schematisierung der Behandlung und in dem Versuch eine systematische, wissenschaftliche Basis seiner Lehre zu erstellen.
 
Aus heutiger Sicht mangelte es der hippokratischen Medizin aber an einer fundierten theoretischen Grundlage und insbesondere einer systematischen Einteilung von Krankheiten und Krankheitsursachen ([[Nosologie]]). Der römische Arzt [[Galenos von Pergamon]] fügte wenig Neues zum hippokratischen Krankheitsverständnis hinzu. Seine Bedeutung liegt in der Schematisierung der Behandlung und in dem Versuch eine systematische, wissenschaftliche Basis seiner Lehre zu erstellen.
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=== Die Medizin des islamischen Mittelalters ===
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===Die Medizin des islamischen Mittelalters===
 
{{Hauptartikel|Medizin in der mittelalterlichen islamischen Welt}}
 
{{Hauptartikel|Medizin in der mittelalterlichen islamischen Welt}}
 
Die Medizin in der mittelalterlichen islamischen Welt übernahm griechisch-römische Medizinkonzepte über das [[Byzantinische Medizin|Byzantinische Reich]]. Mit dem ''[[Canon medicinae]]'' des persischen Arztes [[Avicenna]] und durch den Arzt und Philosophen [[Isaak ben Salomon Israeli]] entstehen richtungsweisende Werke zur Theorie der Medizin. Bedeutende Fortschritte machte die persisch-arabische Heilkunde besonders in der Arzneimittellehre und [[Chirurgie]].
 
Die Medizin in der mittelalterlichen islamischen Welt übernahm griechisch-römische Medizinkonzepte über das [[Byzantinische Medizin|Byzantinische Reich]]. Mit dem ''[[Canon medicinae]]'' des persischen Arztes [[Avicenna]] und durch den Arzt und Philosophen [[Isaak ben Salomon Israeli]] entstehen richtungsweisende Werke zur Theorie der Medizin. Bedeutende Fortschritte machte die persisch-arabische Heilkunde besonders in der Arzneimittellehre und [[Chirurgie]].
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=== Christliches Mittelalter ===
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===Christliches Mittelalter===
 
{{Hauptartikel|Klostermedizin}}
 
{{Hauptartikel|Klostermedizin}}
 
[[Datei:Abtei Murbach Klostergarten.jpg|mini|links|Garten des [[Kloster Murbach|Klosters Murbach]]]]
 
[[Datei:Abtei Murbach Klostergarten.jpg|mini|links|Garten des [[Kloster Murbach|Klosters Murbach]]]]
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In der frühmittelalterlichen sogenannten [[Klostermedizin]] übernahmen die christlichen Klöster mit ihren Hospitälern die Rolle der Heilkundigen. Besondere Bedeutung erlangte die Therapie mit Hilfe von Heilkräutern. Die Klöster stellten neben der ärztlichen Versorgung auch die Sammlung, Übersetzung und Überlieferung antiker medizinischer Schriften sicher.<ref>Wolfgang U. Eckart: ''Geschichte, Theorie und Geschichte.'' Springer, Berlin 2013, S. 50–53.</ref> Ab dem 12. Jahrhundert wurde auf mehreren [[Konzil]]ien beschlossen, die Klöster von den ärztlichen Aufgaben zu trennen. So wurde in der Folge die Gründung von Medizinschulen und Universitäten in ganz Europa befördert.
 
In der frühmittelalterlichen sogenannten [[Klostermedizin]] übernahmen die christlichen Klöster mit ihren Hospitälern die Rolle der Heilkundigen. Besondere Bedeutung erlangte die Therapie mit Hilfe von Heilkräutern. Die Klöster stellten neben der ärztlichen Versorgung auch die Sammlung, Übersetzung und Überlieferung antiker medizinischer Schriften sicher.<ref>Wolfgang U. Eckart: ''Geschichte, Theorie und Geschichte.'' Springer, Berlin 2013, S. 50–53.</ref> Ab dem 12. Jahrhundert wurde auf mehreren [[Konzil]]ien beschlossen, die Klöster von den ärztlichen Aufgaben zu trennen. So wurde in der Folge die Gründung von Medizinschulen und Universitäten in ganz Europa befördert.
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=== Säkulare Neuzeit ===
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===Säkulare Neuzeit===
 
Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert gab es eine beträchtliche Auswahl an Medizinkonzepten, Therapiemöglichkeiten und Heilkundigen für die Bevölkerung. Vorherrschende Medizinkonzepte lösten sich oftmals innerhalb von wenigen Jahrzehnten ab.<ref>[[Robert Jütte]]: ''Pluralismus in der Medizin aus historischer Perspektive.'' In: Susanne Michl, Thomas Potthast, Urban Wiesing (Hrsg.): ''Pluralität in der Medizin.'' Karl Alber, München 2008, S. 381ff.</ref>
 
Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert gab es eine beträchtliche Auswahl an Medizinkonzepten, Therapiemöglichkeiten und Heilkundigen für die Bevölkerung. Vorherrschende Medizinkonzepte lösten sich oftmals innerhalb von wenigen Jahrzehnten ab.<ref>[[Robert Jütte]]: ''Pluralismus in der Medizin aus historischer Perspektive.'' In: Susanne Michl, Thomas Potthast, Urban Wiesing (Hrsg.): ''Pluralität in der Medizin.'' Karl Alber, München 2008, S. 381ff.</ref>
; Renaissance
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;Renaissance
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Für die Medizin bedeutete die [[Renaissance]] eine Hinwendung zu den römischen und griechischen Klassikern wie Galen, Hippokrates und [[Aulus Cornelius Celsus]]. Mit der [[Anatomie]] kam aber auch eine eigene Forschungspraxis auf. Man vertraute nicht mehr uneingeschränkt den alten Schriften, sondern nutzte [[Obduktion|Autopsien]] zur Prüfung und zur Erweiterung des Wissens. Neuartige Krankheiten wie der [[Englischer Schweiß|englische Schweiß]] und die [[Syphilis]] verstärkten die Suche nach Krankheitsursachen und neuartigen Krankheitsmodellen. Erste Medizinalordnungen waren die Reaktion auf ein immer differenzierteres Gesundheitssystem.
 
Für die Medizin bedeutete die [[Renaissance]] eine Hinwendung zu den römischen und griechischen Klassikern wie Galen, Hippokrates und [[Aulus Cornelius Celsus]]. Mit der [[Anatomie]] kam aber auch eine eigene Forschungspraxis auf. Man vertraute nicht mehr uneingeschränkt den alten Schriften, sondern nutzte [[Obduktion|Autopsien]] zur Prüfung und zur Erweiterung des Wissens. Neuartige Krankheiten wie der [[Englischer Schweiß|englische Schweiß]] und die [[Syphilis]] verstärkten die Suche nach Krankheitsursachen und neuartigen Krankheitsmodellen. Erste Medizinalordnungen waren die Reaktion auf ein immer differenzierteres Gesundheitssystem.
 
[[Datei:Paracelsus.jpg|mini|Paracelsus]]
 
[[Datei:Paracelsus.jpg|mini|Paracelsus]]
 
[[Datei:Sulfur-t07-67a.jpg|links|mini|Schwefelkristalle]]
 
[[Datei:Sulfur-t07-67a.jpg|links|mini|Schwefelkristalle]]
; Paracelsus
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;Paracelsus
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In diesem Übergang der Denkstile schuf [[Paracelsus]] ein bemerkenswert [[ganzheitlich]]es medizinisches System, indem er kosmologische, anthropologische und transzendente Elemente kombinierte. Die Krankheitsursachen können demnach sehr vielfältig sein und aus allen fünf „Seinsebenen“ stammen, sie äußern sich in einem Ungleichgewicht der alchemistischen Prinzipien [[Schwefel]], [[Quecksilber]] und [[Speisesalz|Salz]].<ref>Dietrich von Engelhardt: ''Krankheit, Schmerz und Lebenskunst. Eine Kulturgeschichte der Körpererfahrung.'' Beck, München 1999, S. 47ff.</ref> Paracelsus ersetzte die humoralpathologische Medizinvorstellung durch eine [[Iatrochemie|iatrochemische]]. Die medizingeschichtliche Bedeutung Paracelsus ist umstritten; er begründete keine Schule oder einflussreiche Fachrichtung. Unstrittig ist seine Bedeutung durch die Abkehr von der autoritätengläubigen, [[Scholastik|scholastisch]] geprägten Medizin. Wie viele andere Ärzte seiner Zeit lehnte er diese ab und forderte eine Medizin, die selbst Naturforschung betreibt.
 
In diesem Übergang der Denkstile schuf [[Paracelsus]] ein bemerkenswert [[ganzheitlich]]es medizinisches System, indem er kosmologische, anthropologische und transzendente Elemente kombinierte. Die Krankheitsursachen können demnach sehr vielfältig sein und aus allen fünf „Seinsebenen“ stammen, sie äußern sich in einem Ungleichgewicht der alchemistischen Prinzipien [[Schwefel]], [[Quecksilber]] und [[Speisesalz|Salz]].<ref>Dietrich von Engelhardt: ''Krankheit, Schmerz und Lebenskunst. Eine Kulturgeschichte der Körpererfahrung.'' Beck, München 1999, S. 47ff.</ref> Paracelsus ersetzte die humoralpathologische Medizinvorstellung durch eine [[Iatrochemie|iatrochemische]]. Die medizingeschichtliche Bedeutung Paracelsus ist umstritten; er begründete keine Schule oder einflussreiche Fachrichtung. Unstrittig ist seine Bedeutung durch die Abkehr von der autoritätengläubigen, [[Scholastik|scholastisch]] geprägten Medizin. Wie viele andere Ärzte seiner Zeit lehnte er diese ab und forderte eine Medizin, die selbst Naturforschung betreibt.
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; 17. Jahrhundert und Zeitalter der Aufklärung
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;17. Jahrhundert und Zeitalter der Aufklärung
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Im 17. Jahrhundert wurden in Europa gleich mehrere Medizinkonzepte formuliert. Neben der Iatrochemie (der empirisch-iatrochemische Ansatz des 17. Jahrhunderts hatte allerdings nicht mehr viel mit der Iatrochemie bei Paracelsus zu tun) entstand in Anlehnung an die ersten etablierten naturwissenschaftlichen Theorien eine [[Iatrophysik]]. Die Abkehr von Jenseitsvorstellungen lenkte auch das Ziel der Medizin auf die Steigerung der individuellen Fähigkeiten. Krankheiten werden zu Störungen des Organismus. Die „heilsame Dimension“ der Krankheit als Chance und Bewährung bleibt in den folgenden Jahrhunderten noch in der Kunst und Theologie erhalten. Die Trennung von Geist („res cogitans“) und Körper („res extensa“) bei [[Descartes]] lieferte die Möglichkeit Krankheit und Gesundheit als technische Mechanismen frei von der theologischen Überlieferung zu betrachten. Das technisch-mechanische Medizinmodell ermöglichte in der Folge die Anwendung der physikalisch-chemischen Entdeckungen zur Beherrschung des menschlichen Körpers und seiner Funktionen. Konzepte und Kontroversen in der Medizintheorie stehen seitdem meist im Zeichen dieser Auffassung. Im Zeitalter der [[Aufklärung]] rückte die soziale Komponente von Krankheiten wieder stärker in den Mittelpunkt. Man erkannte die Bedeutung einer staatlichen Gesundheitspolitik; die ersten Krankenhäuser und Pflegeheime entstanden. Der mit den Möglichkeiten steigende Wunsch zur Naturbeherrschung schlägt sich auch in einer allgemeinen [[Gesundheitspolitik]] nieder. Aber auch [[Vitalismus|vitalistische]] Medizinkonzepte wie die [[Psychodynamik]] von [[Georg Ernst Stahl]] haben ihren Ausgangspunkt im Zeitalter der Aufklärung.
 
Im 17. Jahrhundert wurden in Europa gleich mehrere Medizinkonzepte formuliert. Neben der Iatrochemie (der empirisch-iatrochemische Ansatz des 17. Jahrhunderts hatte allerdings nicht mehr viel mit der Iatrochemie bei Paracelsus zu tun) entstand in Anlehnung an die ersten etablierten naturwissenschaftlichen Theorien eine [[Iatrophysik]]. Die Abkehr von Jenseitsvorstellungen lenkte auch das Ziel der Medizin auf die Steigerung der individuellen Fähigkeiten. Krankheiten werden zu Störungen des Organismus. Die „heilsame Dimension“ der Krankheit als Chance und Bewährung bleibt in den folgenden Jahrhunderten noch in der Kunst und Theologie erhalten. Die Trennung von Geist („res cogitans“) und Körper („res extensa“) bei [[Descartes]] lieferte die Möglichkeit Krankheit und Gesundheit als technische Mechanismen frei von der theologischen Überlieferung zu betrachten. Das technisch-mechanische Medizinmodell ermöglichte in der Folge die Anwendung der physikalisch-chemischen Entdeckungen zur Beherrschung des menschlichen Körpers und seiner Funktionen. Konzepte und Kontroversen in der Medizintheorie stehen seitdem meist im Zeichen dieser Auffassung. Im Zeitalter der [[Aufklärung]] rückte die soziale Komponente von Krankheiten wieder stärker in den Mittelpunkt. Man erkannte die Bedeutung einer staatlichen Gesundheitspolitik; die ersten Krankenhäuser und Pflegeheime entstanden. Der mit den Möglichkeiten steigende Wunsch zur Naturbeherrschung schlägt sich auch in einer allgemeinen [[Gesundheitspolitik]] nieder. Aber auch [[Vitalismus|vitalistische]] Medizinkonzepte wie die [[Psychodynamik]] von [[Georg Ernst Stahl]] haben ihren Ausgangspunkt im Zeitalter der Aufklärung.
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; Naturphilosophie der Romantik
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;Naturphilosophie der Romantik
 
{{Hauptartikel|Romantische Medizin}}
 
{{Hauptartikel|Romantische Medizin}}
 
Die radikale Zuwendung zu einer mechanistischen Krankheitsauffassung führte um das Jahr 1800 zu einer heftigen, aber nur wenige Jahrzehnte andauernden Gegenbewegung. Unter dem Einfluss von Literatur und Philosophie wird dem [[Mechanistisches Weltbild|Mechanizismus]] ein Vitalismus und der Kausalität die [[Teleologie]] entgegen gestellt. Die Einheit von Körper und Geist sowie von Mensch und Natur, Physik und Metaphysik, Individualität und Allgemeinheit wurde für breite Gesellschaftsschichten in Zentraleuropa zum Leitmotiv – auch für die Medizin. Mit seiner Lehre der inneren und äußeren Reize traf der [[Brownianismus]] das Lebensgefühl der (deutschen) [[Romantik]].
 
Die radikale Zuwendung zu einer mechanistischen Krankheitsauffassung führte um das Jahr 1800 zu einer heftigen, aber nur wenige Jahrzehnte andauernden Gegenbewegung. Unter dem Einfluss von Literatur und Philosophie wird dem [[Mechanistisches Weltbild|Mechanizismus]] ein Vitalismus und der Kausalität die [[Teleologie]] entgegen gestellt. Die Einheit von Körper und Geist sowie von Mensch und Natur, Physik und Metaphysik, Individualität und Allgemeinheit wurde für breite Gesellschaftsschichten in Zentraleuropa zum Leitmotiv – auch für die Medizin. Mit seiner Lehre der inneren und äußeren Reize traf der [[Brownianismus]] das Lebensgefühl der (deutschen) [[Romantik]].
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; 19. und 20. Jahrhundert
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;19. und 20. Jahrhundert
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Im Laufe des 19. Jahrhunderts gewinnt das empirisch-analytische Paradigma der Medizin mithilfe der Weiterentwicklungen in der Physik und Chemie stark an Bedeutung in Europa und Nordamerika. Die individuelle Leistungsfähigkeit wird zum Maßstab für Gesundheit und Lebensqualität. Die Medizin kann darin sowie in der Lebensverlängerung viele beeindruckende Erfolge erzielen.
 
Im Laufe des 19. Jahrhunderts gewinnt das empirisch-analytische Paradigma der Medizin mithilfe der Weiterentwicklungen in der Physik und Chemie stark an Bedeutung in Europa und Nordamerika. Die individuelle Leistungsfähigkeit wird zum Maßstab für Gesundheit und Lebensqualität. Die Medizin kann darin sowie in der Lebensverlängerung viele beeindruckende Erfolge erzielen.
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Nachdem die ersten [[Krankenhaus|Krankenhäuser]] heutiger Ausprägung schon Ende des 18. Jahrhunderts errichtet worden waren, stand das Gesundheitswesen in den folgenden Jahrzehnten immer stärker unter staatlichem Einfluss. Aufgaben wie die [[Seuchen]]bekämpfung und das [[Impfwesen]] kamen von regionalen und lokalen Verwaltungen in die Hände des Staates. Die Trennung von Ärzten und Chirurgen ([[Wundarzt|Wundärzte]]) wurde aufgehoben und die Festanstellung mit Leitungsfunktion in Krankenhäusern die Regel.<ref>Claudia Huerkamp: ''Der Aufstieg der Ärzte im 19. Jahrhundert. Vom gelehrten Stand zum professionellen Experten.'' Göttingen 1985, S. 58–61.</ref>
 
Nachdem die ersten [[Krankenhaus|Krankenhäuser]] heutiger Ausprägung schon Ende des 18. Jahrhunderts errichtet worden waren, stand das Gesundheitswesen in den folgenden Jahrzehnten immer stärker unter staatlichem Einfluss. Aufgaben wie die [[Seuchen]]bekämpfung und das [[Impfwesen]] kamen von regionalen und lokalen Verwaltungen in die Hände des Staates. Die Trennung von Ärzten und Chirurgen ([[Wundarzt|Wundärzte]]) wurde aufgehoben und die Festanstellung mit Leitungsfunktion in Krankenhäusern die Regel.<ref>Claudia Huerkamp: ''Der Aufstieg der Ärzte im 19. Jahrhundert. Vom gelehrten Stand zum professionellen Experten.'' Göttingen 1985, S. 58–61.</ref>
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== Metaphysik und Ontologie ==
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==Metaphysik und Ontologie==
 
Medizinmodelle gehen von vielfältigen philosophischen Vorüberlegungen aus. Diese sind unter anderem Vorstellungen über die grundlegenden Elemente der Wirklichkeit, ihre Struktur und Wechselwirkung. In der Philosophie der Medizin besteht die Auffassung, dass Festlegungen an dieser Stelle entscheidende Auswirkungen auf die Theoriebildung und Forschungsmethodik der Medizin haben.
 
Medizinmodelle gehen von vielfältigen philosophischen Vorüberlegungen aus. Diese sind unter anderem Vorstellungen über die grundlegenden Elemente der Wirklichkeit, ihre Struktur und Wechselwirkung. In der Philosophie der Medizin besteht die Auffassung, dass Festlegungen an dieser Stelle entscheidende Auswirkungen auf die Theoriebildung und Forschungsmethodik der Medizin haben.
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=== Philosophie des Geistes ===
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===Philosophie des Geistes===
 
Das biomechanische Modell der modernen Medizin basiert auf der Annahme eines mechanistischen, materialistischen Monismus. Ein Element dieser Sicht ist die Überzeugung, dass [[Materie]] die einzige Substanz ist. Dies hat unter anderem zur Folge, dass die Medizin für alle psychischen Erkrankungen letztlich eine körperliche Ursache vermutet. Die zweite Annahme des [[Mechanistisches Weltbild|mechanischen Weltbildes]] beschreibt die Anordnung und Funktion der materiellen Substanz. Für das biomedizinische Modell bedeutet dies, dass der Mensch als Ansammlung von Teilen (Organsystemen, Organe, Zellen usw.) betrachtet wird, die wie eine Maschine zusammenwirken.<ref>James A. Marcum: ''An Introductory Philosophy of Medicine.'' London, Springer 2008, S. 19.</ref> In der modernen Medizintheorie wird die Frage diskutiert, inwieweit das biomechanische Modell überhaupt eine Möglichkeit bietet, auch subjektive, psychische, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte abzubilden.<ref>Dies schließt nicht aus, dass Mediziner individuell bemüht sind, diese Aspekte in ihre Arbeit mit aufzunehmen. Dies wäre dann aber Privatsache des Arztes und steht außerhalb einer wissenschaftlichen Modellbildung, Verantwortung und Reflexion.</ref> Eine Art einer humanwissenschaftlichen Erweiterung des biomechanischen Modells stützt sich auf einen Dualismus. Neben dem Körperlichen ist demnach auch das Geistige (Bewusstsein, Seele, Psyche, Subjektivität) ein wesenhafter Teil des Menschen und der Natur. Subjektive und psychische Aspekte in der medizinischen Praxis sollen damit zu zentralen und gleichberechtigten Elementen in der wissenschaftlichen Modellbildung werden. Verschiedene Ansichten existieren über die Art der gegenseitigen Beeinflussung zwischen Körper und Geist. Weiterhin gibt es auch [[Holismus|holistische]] Ansätze. Diese betrachten nicht nur das materielle und psychische als eigenständige [[Entität]]en, sondern beispielsweise auch gesellschaftliche und kulturelle Phänomene.
 
Das biomechanische Modell der modernen Medizin basiert auf der Annahme eines mechanistischen, materialistischen Monismus. Ein Element dieser Sicht ist die Überzeugung, dass [[Materie]] die einzige Substanz ist. Dies hat unter anderem zur Folge, dass die Medizin für alle psychischen Erkrankungen letztlich eine körperliche Ursache vermutet. Die zweite Annahme des [[Mechanistisches Weltbild|mechanischen Weltbildes]] beschreibt die Anordnung und Funktion der materiellen Substanz. Für das biomedizinische Modell bedeutet dies, dass der Mensch als Ansammlung von Teilen (Organsystemen, Organe, Zellen usw.) betrachtet wird, die wie eine Maschine zusammenwirken.<ref>James A. Marcum: ''An Introductory Philosophy of Medicine.'' London, Springer 2008, S. 19.</ref> In der modernen Medizintheorie wird die Frage diskutiert, inwieweit das biomechanische Modell überhaupt eine Möglichkeit bietet, auch subjektive, psychische, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte abzubilden.<ref>Dies schließt nicht aus, dass Mediziner individuell bemüht sind, diese Aspekte in ihre Arbeit mit aufzunehmen. Dies wäre dann aber Privatsache des Arztes und steht außerhalb einer wissenschaftlichen Modellbildung, Verantwortung und Reflexion.</ref> Eine Art einer humanwissenschaftlichen Erweiterung des biomechanischen Modells stützt sich auf einen Dualismus. Neben dem Körperlichen ist demnach auch das Geistige (Bewusstsein, Seele, Psyche, Subjektivität) ein wesenhafter Teil des Menschen und der Natur. Subjektive und psychische Aspekte in der medizinischen Praxis sollen damit zu zentralen und gleichberechtigten Elementen in der wissenschaftlichen Modellbildung werden. Verschiedene Ansichten existieren über die Art der gegenseitigen Beeinflussung zwischen Körper und Geist. Weiterhin gibt es auch [[Holismus|holistische]] Ansätze. Diese betrachten nicht nur das materielle und psychische als eigenständige [[Entität]]en, sondern beispielsweise auch gesellschaftliche und kulturelle Phänomene.
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=== Reduktionismus und Emergenz ===
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===Reduktionismus und Emergenz===
 
In einem konsistenten Modell müssen alle Phänomene und Erfahrungen auf dessen grundlegende Elemente zurückgeführt werden können. Eine der wichtigsten Fragestellungen ist dabei, das Zustandekommen und Zusammenwirken von subjektiven, psychischen und sozialen Phänomene zu beschreiben und zu erklären. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten, die in der Philosophie der Medizin diskutiert werden. Zum einen gibt es [[Reduktionismus|reduktionistische]] Ansätze, die alle Phänomene aus einem materialistisch-mechanistischen Wirken beschreiben und erklären. Um reduktionistische Ansätze besser zu beschreiben, wird zwischen einem ontologischen, einem erkenntnistheoretischen und einem methodologischen Reduktionismus unterschieden. Alternativ zu reduktionistischen Ansätzen sind seit der Mitte des 20. Jahrhunderts auch [[Emergenz]]-Theorien verbreitet. Beispielsweise lassen sich so psychische Eigenschaften zwar beschreiben, aber nicht direkt auf die Eigenschaften des Gehirns zurückführen. Dieser nicht-reduktive Materialismus versteht sich auch als Mittelweg zwischen einem [[Vitalismus]] und einem biomechanischen Modell.<ref>James A. Marcum: ''An Introductory Philosophy of Medicine.'' Springer, London 2008, S. 22–27.</ref>
 
In einem konsistenten Modell müssen alle Phänomene und Erfahrungen auf dessen grundlegende Elemente zurückgeführt werden können. Eine der wichtigsten Fragestellungen ist dabei, das Zustandekommen und Zusammenwirken von subjektiven, psychischen und sozialen Phänomene zu beschreiben und zu erklären. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten, die in der Philosophie der Medizin diskutiert werden. Zum einen gibt es [[Reduktionismus|reduktionistische]] Ansätze, die alle Phänomene aus einem materialistisch-mechanistischen Wirken beschreiben und erklären. Um reduktionistische Ansätze besser zu beschreiben, wird zwischen einem ontologischen, einem erkenntnistheoretischen und einem methodologischen Reduktionismus unterschieden. Alternativ zu reduktionistischen Ansätzen sind seit der Mitte des 20. Jahrhunderts auch [[Emergenz]]-Theorien verbreitet. Beispielsweise lassen sich so psychische Eigenschaften zwar beschreiben, aber nicht direkt auf die Eigenschaften des Gehirns zurückführen. Dieser nicht-reduktive Materialismus versteht sich auch als Mittelweg zwischen einem [[Vitalismus]] und einem biomechanischen Modell.<ref>James A. Marcum: ''An Introductory Philosophy of Medicine.'' Springer, London 2008, S. 22–27.</ref>
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=== Physikalismus und Organizismus ===
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===Physikalismus und Organizismus===
 
Eine weitere Unterscheidung betrifft die Modellierung von [[Lebewesen]]. In einem [[Physikalismus (Ontologie)|physikalistischen]] Modell ist die mathematische und technische Formulierung in der [[Physik]] und [[Chemie]] auch ausreichend, um biologische Sachverhalte vollständig darzustellen. Dagegen geht ein [[Organizismus|organizistisches]] Modell davon aus, dass physikalische und chemische Gesetze für biologische und [[Ökologie|ökologische]] Beschreibungen stark an Bedeutung verlieren. Stattdessen wird die Organisation und Struktur des Organismus selbst hervorgehoben.
 
Eine weitere Unterscheidung betrifft die Modellierung von [[Lebewesen]]. In einem [[Physikalismus (Ontologie)|physikalistischen]] Modell ist die mathematische und technische Formulierung in der [[Physik]] und [[Chemie]] auch ausreichend, um biologische Sachverhalte vollständig darzustellen. Dagegen geht ein [[Organizismus|organizistisches]] Modell davon aus, dass physikalische und chemische Gesetze für biologische und [[Ökologie|ökologische]] Beschreibungen stark an Bedeutung verlieren. Stattdessen wird die Organisation und Struktur des Organismus selbst hervorgehoben.
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=== Realismus ===
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===Realismus===
 
Für die Formulierung von Krankheitsmodellen ist die Frage zentral, welchen Status Krankheiten einnehmen. Sind sie selbständige Objekte, die unabhängig von konkreten Krankheitszuständen existieren ([[Realismus (Philosophie)|Realismus]]), oder sind es Abstraktionen über konkrete Krankheitsbilder? Andauernde Diskussionen drehen sich um die Frage, ob manche Krankheiten [[Sozialkonstruktivismus|sozial konstruiert]] oder „wirklich“ sind. Eine antirealistische Position sieht Krankheitsmodelle als hilfreiche [[Instrumentalismus (Wissenschaftstheorie)|Instrumente]] der Wissenschaft, ohne dass damit reale Objekte postuliert werden. Eine wichtige realistische Position in der Medizintheorie wird durch den [[Wissenschaftlicher Realismus|wissenschaftlichen Realismus]] eingenommen. [[Entität]]en wie Zellen und Viren, Zustände und Prozesse existieren genau dann unabhängig vom Beobachter, wenn korrekte wissenschaftliche Theorien diese beschreiben.<ref>[[Ian Hacking]]: ''Representing and Intervening: Indroductory Topics in the Philosophie of Natural Science.'' Cambridge University Press, Cambridge 1983, S. 21.</ref> Die Frage nach der Realität von Krankheiten, aber auch von Prozessen und pharmakologischen Wirkstoffen<ref>Die Realität der pharmakologischen Wirkstoffe wird auch unter dem Begriff des „''Medical Realism''“ diskutiert.</ref> hat großen Einfluss auf Diagnose- und Therapiegestaltung insbesondere in der Neurologie und Psychiatrie. So ist diese Diskussion grundlegend für viele weitere Fragen in der Philosophie der Medizin.
 
Für die Formulierung von Krankheitsmodellen ist die Frage zentral, welchen Status Krankheiten einnehmen. Sind sie selbständige Objekte, die unabhängig von konkreten Krankheitszuständen existieren ([[Realismus (Philosophie)|Realismus]]), oder sind es Abstraktionen über konkrete Krankheitsbilder? Andauernde Diskussionen drehen sich um die Frage, ob manche Krankheiten [[Sozialkonstruktivismus|sozial konstruiert]] oder „wirklich“ sind. Eine antirealistische Position sieht Krankheitsmodelle als hilfreiche [[Instrumentalismus (Wissenschaftstheorie)|Instrumente]] der Wissenschaft, ohne dass damit reale Objekte postuliert werden. Eine wichtige realistische Position in der Medizintheorie wird durch den [[Wissenschaftlicher Realismus|wissenschaftlichen Realismus]] eingenommen. [[Entität]]en wie Zellen und Viren, Zustände und Prozesse existieren genau dann unabhängig vom Beobachter, wenn korrekte wissenschaftliche Theorien diese beschreiben.<ref>[[Ian Hacking]]: ''Representing and Intervening: Indroductory Topics in the Philosophie of Natural Science.'' Cambridge University Press, Cambridge 1983, S. 21.</ref> Die Frage nach der Realität von Krankheiten, aber auch von Prozessen und pharmakologischen Wirkstoffen<ref>Die Realität der pharmakologischen Wirkstoffe wird auch unter dem Begriff des „''Medical Realism''“ diskutiert.</ref> hat großen Einfluss auf Diagnose- und Therapiegestaltung insbesondere in der Neurologie und Psychiatrie. So ist diese Diskussion grundlegend für viele weitere Fragen in der Philosophie der Medizin.
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=== Kausalität ===
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===Kausalität===
 
Die Diskussionen um den [[Kausalität]]sbegriff sind seit der griechischen Antike sehr vielfältig. Während [[Aristoteles]] noch vier verschiedene Arten von Ursachen aufzählte, wurde zu Beginn der neuzeitlichen Physik nur noch eine in Betracht gezogen. Die sogenannte „[[Causa materialis|materielle Verursachung]]“ legte den Grundstein für das mechanistische Weltbild, worin die bewegte [[Materie]] letztlich alles verursachte. Spätestens mit den Erkenntnissen in der Physik des 20. Jahrhunderts änderte sich auch die Sicht auf die Kausalität. In der Folge konnten auch Kräfte oder Ereignisse als Ursache angesehen werden. Diese Kausalitätsart nannte Aristoteles dagegen „[[Causa efficiens|Wirkursache]]“. In der Philosophie ist die Diskussion um den Kausalitätsbegriff deshalb noch immer aktuell, in der biomedizinischen Wissenschaft geht man – wie in den Naturwissenschaften – eher pragmatisch damit um, indem als Ursachen Vorgänge und Zustände gleichermaßen anerkannt werden.
 
Die Diskussionen um den [[Kausalität]]sbegriff sind seit der griechischen Antike sehr vielfältig. Während [[Aristoteles]] noch vier verschiedene Arten von Ursachen aufzählte, wurde zu Beginn der neuzeitlichen Physik nur noch eine in Betracht gezogen. Die sogenannte „[[Causa materialis|materielle Verursachung]]“ legte den Grundstein für das mechanistische Weltbild, worin die bewegte [[Materie]] letztlich alles verursachte. Spätestens mit den Erkenntnissen in der Physik des 20. Jahrhunderts änderte sich auch die Sicht auf die Kausalität. In der Folge konnten auch Kräfte oder Ereignisse als Ursache angesehen werden. Diese Kausalitätsart nannte Aristoteles dagegen „[[Causa efficiens|Wirkursache]]“. In der Philosophie ist die Diskussion um den Kausalitätsbegriff deshalb noch immer aktuell, in der biomedizinischen Wissenschaft geht man – wie in den Naturwissenschaften – eher pragmatisch damit um, indem als Ursachen Vorgänge und Zustände gleichermaßen anerkannt werden.
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Ursachen in den medizinischen Praxis sind selten [[Determinismus|deterministisch]] und monokausal, aber oft [[Wahrscheinlichkeitstheorie|probabilistisch]] und multikausal.<ref>James A. Marcum: ''An Indroductory Philosophy of Medicine.'' Springer, 2008, S. 36.</ref> Insbesondere in der [[Epidemiologie]] können Krankheitsursachen nur schwer eingegrenzt und benannt werden. [[Austin Bradford Hill|Austin Hill]] hat dazu 1965 neun „Aspekte“ wie „Plausibilität des vermuteten Mechanismus“ oder „die Stärke der Abhängigkeit zwischen zwei Phänomenen“ zusammengetragen. Diese wurden als [[Hill-Kriterien]] bekannt und dienen heute zur Bestimmung von Krankheitsursachen in der Epidemiologie. Seit den 1980er Jahren versucht die [[evolutionäre Medizin]] aus dem Ablauf der Evolution Antworten zu geben, ''warum'' Menschen erkranken. [[George C. Williams]] und [[Randolph M. Nesse|Randolph Nesse]] erstellten dazu 1996 sechs Kategorien von evolutionär verursachten Krankheitsgründen. Ähnlich wie die Hill-Kriterien können diese ebenso hilfreich für die Suche nach physiologischen Ursachen einer Krankheit sein, wodurch diese der biomedizinischen Forschung und Behandlung leichter zugänglich sind. Eher humanwissenschaftlich orientierte Mediziner und Philosophen wie [[Eric Cassell]] und [[Stephen Toulmin]] sehen psychologische und soziale Gründe als ebenso wichtig zur Erklärung von Krankheitsursachen an.
 
Ursachen in den medizinischen Praxis sind selten [[Determinismus|deterministisch]] und monokausal, aber oft [[Wahrscheinlichkeitstheorie|probabilistisch]] und multikausal.<ref>James A. Marcum: ''An Indroductory Philosophy of Medicine.'' Springer, 2008, S. 36.</ref> Insbesondere in der [[Epidemiologie]] können Krankheitsursachen nur schwer eingegrenzt und benannt werden. [[Austin Bradford Hill|Austin Hill]] hat dazu 1965 neun „Aspekte“ wie „Plausibilität des vermuteten Mechanismus“ oder „die Stärke der Abhängigkeit zwischen zwei Phänomenen“ zusammengetragen. Diese wurden als [[Hill-Kriterien]] bekannt und dienen heute zur Bestimmung von Krankheitsursachen in der Epidemiologie. Seit den 1980er Jahren versucht die [[evolutionäre Medizin]] aus dem Ablauf der Evolution Antworten zu geben, ''warum'' Menschen erkranken. [[George C. Williams]] und [[Randolph M. Nesse|Randolph Nesse]] erstellten dazu 1996 sechs Kategorien von evolutionär verursachten Krankheitsgründen. Ähnlich wie die Hill-Kriterien können diese ebenso hilfreich für die Suche nach physiologischen Ursachen einer Krankheit sein, wodurch diese der biomedizinischen Forschung und Behandlung leichter zugänglich sind. Eher humanwissenschaftlich orientierte Mediziner und Philosophen wie [[Eric Cassell]] und [[Stephen Toulmin]] sehen psychologische und soziale Gründe als ebenso wichtig zur Erklärung von Krankheitsursachen an.
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=== Körper und Leib ===
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===Körper und Leib===
 
Anthropologen, [[Phänomenologie|Phänomenologen]] und Vertreter des [[Pragmatismus]] stellen oft den [[Leib]] in den Mittelpunkt einer medizintheoretischen Diskussion. Für [[Max Scheler]] ist der Leib keine Zuordnung von außen, sondern „eine psychophysisch indifferente phänomenale Gegebenheit, ohne die den Begriff der Empfindung eine Absurdität wäre.“<ref>Dietrich von Engelhardt, Heinrich Schipperges: ''Die innere Verbindung zwischen Philosophie und Medizin im 20. Jahrhundert.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980, S. 36.</ref> Der Welterfahrung des Leibes kommt so der Vorrang vor jedem Denken und Wissen zu. Friedrich Nietzsche interpretiert die Weltgeschichte der „Entdeckung des Geistes“ als „Verdeckung des Leibes“ – ein scheinbar empirischer Befund wird so zum Phänomen einer Erscheinung. Dem leibhaftigen Existieren komme dagegen eine fundamentale Bedeutung zu. Für [[Hermann Schmitz (Philosoph)|Hermann Schmitz]] bedeutet der Leib das ''Spürbare'' und im Gegensatz dazu der Körper das ''Wahrnehmbare'' (und die daraus abgeleitete Vorstellung vom Körper).<ref>Hermann Schmitz: ''der Leib.'' De Gruyter, Berlin/ Boston 2011, S. 5.</ref> Die abendländische Kultur hat sich nach seiner Auffassung auf den Körper konzentriert und das Leibliche als Organempfindung oder [[Zoenästhesie]] bezeichnet. Für Schmitz ist aber das Spürbare das (primär) Wirkliche. Beispielsweise sei ein sogenannter [[Phantomschmerz]] eine Leibesempfindung wie jede andere, das Phantomhafte ergebe sich erst in der Reflexion. Über Empfindungen und Bewegungen lasse sich Einfluss auf Schmerzen, Ängste und körperliche Beschwerden nehmen.<ref>Hermann Schmitz: ''der Leib.'' De Gruyter, Berlin/ Boston 2011, S. 15ff.</ref> Die Leibphilosophie von Hermann Schmitz vermeidet mit der Betrachtung der Leibempfindung und Leibbewegung jede Trennung in Körper, Seele und Geist.
 
Anthropologen, [[Phänomenologie|Phänomenologen]] und Vertreter des [[Pragmatismus]] stellen oft den [[Leib]] in den Mittelpunkt einer medizintheoretischen Diskussion. Für [[Max Scheler]] ist der Leib keine Zuordnung von außen, sondern „eine psychophysisch indifferente phänomenale Gegebenheit, ohne die den Begriff der Empfindung eine Absurdität wäre.“<ref>Dietrich von Engelhardt, Heinrich Schipperges: ''Die innere Verbindung zwischen Philosophie und Medizin im 20. Jahrhundert.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980, S. 36.</ref> Der Welterfahrung des Leibes kommt so der Vorrang vor jedem Denken und Wissen zu. Friedrich Nietzsche interpretiert die Weltgeschichte der „Entdeckung des Geistes“ als „Verdeckung des Leibes“ – ein scheinbar empirischer Befund wird so zum Phänomen einer Erscheinung. Dem leibhaftigen Existieren komme dagegen eine fundamentale Bedeutung zu. Für [[Hermann Schmitz (Philosoph)|Hermann Schmitz]] bedeutet der Leib das ''Spürbare'' und im Gegensatz dazu der Körper das ''Wahrnehmbare'' (und die daraus abgeleitete Vorstellung vom Körper).<ref>Hermann Schmitz: ''der Leib.'' De Gruyter, Berlin/ Boston 2011, S. 5.</ref> Die abendländische Kultur hat sich nach seiner Auffassung auf den Körper konzentriert und das Leibliche als Organempfindung oder [[Zoenästhesie]] bezeichnet. Für Schmitz ist aber das Spürbare das (primär) Wirkliche. Beispielsweise sei ein sogenannter [[Phantomschmerz]] eine Leibesempfindung wie jede andere, das Phantomhafte ergebe sich erst in der Reflexion. Über Empfindungen und Bewegungen lasse sich Einfluss auf Schmerzen, Ängste und körperliche Beschwerden nehmen.<ref>Hermann Schmitz: ''der Leib.'' De Gruyter, Berlin/ Boston 2011, S. 15ff.</ref> Die Leibphilosophie von Hermann Schmitz vermeidet mit der Betrachtung der Leibempfindung und Leibbewegung jede Trennung in Körper, Seele und Geist.
    
In einem naturwissenschaftlich orientierten Medizinkonzept spielt der Leib-Aspekt hingegen keine Rolle mehr. So wird im [[Pschyrembel (Medizinisches Wörterbuch)|Pschyrembel]] und in anderen medizinischen Wörterbüchern nicht zwischen Leib und Körper unterschieden.
 
In einem naturwissenschaftlich orientierten Medizinkonzept spielt der Leib-Aspekt hingegen keine Rolle mehr. So wird im [[Pschyrembel (Medizinisches Wörterbuch)|Pschyrembel]] und in anderen medizinischen Wörterbüchern nicht zwischen Leib und Körper unterschieden.
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== Epistemologie und Methodologie ==
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==Epistemologie und Methodologie==
 
Zur Entstehung und Darstellung medizinischen Wissens gibt es in der medizinischen Forschung vielfältige Ansätze, Methoden und Technologien. Die wichtigste [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretische]] Frage in der medizintheoretischen Debatte dreht sich um die [[Validität]], Rechtfertigung und Sicherheit von [[Diagnose|diagnostischem]] und therapeutischem Wissen. Schon in der griechischen Antike bildeten sich zwei grundlegende Methoden zur Gewinnung und Überprüfung von Wissen heraus, der [[Rationalismus]] und der [[Empirismus]].<ref>Eine dritte weniger bedeutende Richtung war die sogenannte [[Methodische Schule der Medizin]], die die Suche nach Ursachen und ihre theoretisches Verständnis als überflüssig ablehnte. Allein der gesunde Menschenverstand und die genaue Beobachtung der Krankheitssymptome führe demnach zur Heilung.</ref> Rationalistische Positionen stellen die Vernunft in den Mittelpunkt. Durch Logik und vernünftiges Denken allein könne Wissen erlangt und geprüft werden, die Sinne und die Erfahrung können dagegen trügen. Die Empiriker behaupten dagegen, dass auch alle logischen Regeln und Erkenntnisse erst über die Sinneserfahrungen ermöglicht und gebildet würden.
 
Zur Entstehung und Darstellung medizinischen Wissens gibt es in der medizinischen Forschung vielfältige Ansätze, Methoden und Technologien. Die wichtigste [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretische]] Frage in der medizintheoretischen Debatte dreht sich um die [[Validität]], Rechtfertigung und Sicherheit von [[Diagnose|diagnostischem]] und therapeutischem Wissen. Schon in der griechischen Antike bildeten sich zwei grundlegende Methoden zur Gewinnung und Überprüfung von Wissen heraus, der [[Rationalismus]] und der [[Empirismus]].<ref>Eine dritte weniger bedeutende Richtung war die sogenannte [[Methodische Schule der Medizin]], die die Suche nach Ursachen und ihre theoretisches Verständnis als überflüssig ablehnte. Allein der gesunde Menschenverstand und die genaue Beobachtung der Krankheitssymptome führe demnach zur Heilung.</ref> Rationalistische Positionen stellen die Vernunft in den Mittelpunkt. Durch Logik und vernünftiges Denken allein könne Wissen erlangt und geprüft werden, die Sinne und die Erfahrung können dagegen trügen. Die Empiriker behaupten dagegen, dass auch alle logischen Regeln und Erkenntnisse erst über die Sinneserfahrungen ermöglicht und gebildet würden.
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=== Rationalismus und Empirismus ===
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===Rationalismus und Empirismus===
 
In der heutigen biomedizinischen Praxis ist sowohl die rationalistische Theoriebildung, als auch die empirische Beobachtung oder das Experiment ein wichtiger Bestandteil der Forschung und Praxis. Als Nachteil der rationalen Methode hat sich erwiesen, dass die konkreten Sachverhalte in der Medizin sehr komplex sind. Dadurch können Theorien nicht alle relevanten Elemente umfassen und deshalb nur schwer oder gar nicht bewertet und überprüft werden. In Folge dessen wurden in den letzten Jahrzehnten empirische Methoden wichtiger. In der klinischen Medizin gilt heute als sogenannter [[Goldstandard (Verfahren)|Goldstandard]] eine [[Randomisierte kontrollierte Studie|randomisierte placebo-kontrollierte]] [[Blindstudie|Doppel-Blindstudie]]. Im Idealfall liefern diese empirischen Studien wiederum Ansätze für Theorien, wobei Rationalisten aber betonen, dass eine empirisch nachgewiesene Wirksamkeit eines Medikamentes noch kein [[Wissen]] darüber bedeutet. Jedes empirische Ergebnis muss demnach in einem Theoriezusammenhang gedeutet werden, um als allgemeines Wissen wiederum für Therapien zur Verfügung zu stehen.
 
In der heutigen biomedizinischen Praxis ist sowohl die rationalistische Theoriebildung, als auch die empirische Beobachtung oder das Experiment ein wichtiger Bestandteil der Forschung und Praxis. Als Nachteil der rationalen Methode hat sich erwiesen, dass die konkreten Sachverhalte in der Medizin sehr komplex sind. Dadurch können Theorien nicht alle relevanten Elemente umfassen und deshalb nur schwer oder gar nicht bewertet und überprüft werden. In Folge dessen wurden in den letzten Jahrzehnten empirische Methoden wichtiger. In der klinischen Medizin gilt heute als sogenannter [[Goldstandard (Verfahren)|Goldstandard]] eine [[Randomisierte kontrollierte Studie|randomisierte placebo-kontrollierte]] [[Blindstudie|Doppel-Blindstudie]]. Im Idealfall liefern diese empirischen Studien wiederum Ansätze für Theorien, wobei Rationalisten aber betonen, dass eine empirisch nachgewiesene Wirksamkeit eines Medikamentes noch kein [[Wissen]] darüber bedeutet. Jedes empirische Ergebnis muss demnach in einem Theoriezusammenhang gedeutet werden, um als allgemeines Wissen wiederum für Therapien zur Verfügung zu stehen.
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Der Gegenstandsbereich, die Methoden und Theorien der Medizin werden heute mehr und mehr von den verwendeten Technologien bestimmt. Standen im Laufe des 19. Jahrhunderts zunächst die Organe, dann das [[Histologie|Gewebe]] und die Zellen im Mittelpunkt, ging der Fokus im 20. Jahrhundert auf die [[Molekül]]e und [[Gen]]e über. Der Gegenstandsbereich der [[Humangenetik|medizinischen Genetik]] erfordert nicht nur neue Methoden und Hypothesen. Mit neuen Technologien erzeugt die biomedizinische Forschung auch selbst wieder neue Gegenstandsbereiche und entwickelt sich so zu einer technologie- und datengetriebenen Forschung.<ref>[[Norbert W. Paul]]: ''Medizintheoretische Aspekte medizinischer Forschung.'' In: Stefan Schulz, Klaus Steigleder, Heiner Fangerau: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Suhrkamp, 2013, S. 275.</ref>
 
Der Gegenstandsbereich, die Methoden und Theorien der Medizin werden heute mehr und mehr von den verwendeten Technologien bestimmt. Standen im Laufe des 19. Jahrhunderts zunächst die Organe, dann das [[Histologie|Gewebe]] und die Zellen im Mittelpunkt, ging der Fokus im 20. Jahrhundert auf die [[Molekül]]e und [[Gen]]e über. Der Gegenstandsbereich der [[Humangenetik|medizinischen Genetik]] erfordert nicht nur neue Methoden und Hypothesen. Mit neuen Technologien erzeugt die biomedizinische Forschung auch selbst wieder neue Gegenstandsbereiche und entwickelt sich so zu einer technologie- und datengetriebenen Forschung.<ref>[[Norbert W. Paul]]: ''Medizintheoretische Aspekte medizinischer Forschung.'' In: Stefan Schulz, Klaus Steigleder, Heiner Fangerau: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Suhrkamp, 2013, S. 275.</ref>
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=== Logik und Begründung ===
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===Logik und Begründung===
 
Das Experiment ist heute die dominierende Methode der biomedizinischen Forschung. Diese empirische Praxis ist eingebettet in vielfältige rationale Vorgehensweisen. So müssen Ergebnisse von Experimenten interpretiert werden, neue Hypothesen werden gebildet und überprüft und schließlich wieder neue Experimente entworfen werden. Ebenso wie die medizinische Forschung und Praxis Experiment und Theorie benötigt, genauso sind [[Induktion (Philosophie)|induktive]] und [[Deduktion|deduktive]] Erkenntnismethoden notwendig.
 
Das Experiment ist heute die dominierende Methode der biomedizinischen Forschung. Diese empirische Praxis ist eingebettet in vielfältige rationale Vorgehensweisen. So müssen Ergebnisse von Experimenten interpretiert werden, neue Hypothesen werden gebildet und überprüft und schließlich wieder neue Experimente entworfen werden. Ebenso wie die medizinische Forschung und Praxis Experiment und Theorie benötigt, genauso sind [[Induktion (Philosophie)|induktive]] und [[Deduktion|deduktive]] Erkenntnismethoden notwendig.
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[[Paul E. Meehl]] veröffentlichte 1954 eine Analyse über die Güte von Therapieentscheidungen als Vergleich zwischen einer rein statistischen und einer individuell-intuitiven Entscheidungsfindung. Sein Ergebnis wird weithin als Überlegenheit eines statistisch-mathematischen Modells gegenüber einem Expertenurteil dargestellt.<ref>[http://library.mpib-berlin.mpg.de/ft/kk/KK_From_2008.pdf library.mpib-berlin.mpg.de]</ref> Das führt einerseits zur Frage, welche statistischen Methoden zur Entscheidungsfindung im klinischen Alltag am besten geeignet sind. Dafür stehen heute mit einfachen linearen Methoden, [[Regressionsanalyse]]n und [[Heuristik]]en viele verschiedene Modelle zur Verfügung. Andererseits stellt sich die Frage, wie für Entscheidungen qualitative Merkmale des Patienten berücksichtigt werden können.
 
[[Paul E. Meehl]] veröffentlichte 1954 eine Analyse über die Güte von Therapieentscheidungen als Vergleich zwischen einer rein statistischen und einer individuell-intuitiven Entscheidungsfindung. Sein Ergebnis wird weithin als Überlegenheit eines statistisch-mathematischen Modells gegenüber einem Expertenurteil dargestellt.<ref>[http://library.mpib-berlin.mpg.de/ft/kk/KK_From_2008.pdf library.mpib-berlin.mpg.de]</ref> Das führt einerseits zur Frage, welche statistischen Methoden zur Entscheidungsfindung im klinischen Alltag am besten geeignet sind. Dafür stehen heute mit einfachen linearen Methoden, [[Regressionsanalyse]]n und [[Heuristik]]en viele verschiedene Modelle zur Verfügung. Andererseits stellt sich die Frage, wie für Entscheidungen qualitative Merkmale des Patienten berücksichtigt werden können.
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==== Subjektive Erkenntnisweisen ====
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====Subjektive Erkenntnisweisen====
 
In den letzten Jahrzehnten wird in der Philosophie der Medizin vermehrt das Thema diskutiert, wie subjektive Erkenntnisweisen wieder stärker der medizinischen Praxis zugutekommen können. Während der objektive, empirisch-analytische Ansatz des biomechanischem Modells das Subjekt aus den Erkenntnismethoden weitgehend ausklammert, gibt es medizintheoretische Ansätze, die moralischen und ästhetischen Werturteile des Kranken mit einzubeziehen. Dabei wird auch zwischen der ''Krankheit'' und dem ''Kranksein'' als subjektiver Dimension unterschieden.<ref>Im englischen Sprachraum wird diese Diskussion mit dem Gegensatzpaar ''disease'' (Krankheit) und ''illness'' (subjektives Kranksein) geführt. Als dritter Begriff tritt manchmal auch ''sickness'' hinzu, der Krankheit in einem sozialen Kontext beschreibt.</ref> So soll der Umgang eines kranken Menschen mit seiner Krankheit, aber auch mit der eingeleiteten Therapie in umfassenden theoretischen Ansätzen berücksichtigt werden. Für [[Alfred I. Tauber]] ist dagegen eine Trennung in einen objektiven und einen subjektiven Krankheitsbegriff unhaltbar, da jede Erkenntnis subjektiv interpretiert werden müsse. [[Laurence Foss]] führt beide Seiten unter einem sogenannten „infomedical“ Modell in einem [[Neuropsychologie|neuropsychologischen]] Ansatz zusammen. Körper und Person (Geist) sind dabei über Information verbunden.<ref>Laurence Foss: ''The End of Modern Medicine: Biomedical Science Under a Microscope.'' SUNY Press, Albany, NY 2002, S. 68ff.</ref> In eher humanwissenschaftlich orientierten Modellen sollen unter anderem die [[Intuition]] und die Werturteile der beteiligten Personen integriert werden. Ein weiterer Ansatz, insbesondere von [[Linda Trinkaus Zagzebski|Linda Zagzebski]] und [[John Greco (Philosoph)|John Greco]] ist die [[Tugendepistemologie]]. Dabei sollen Aussagen über das Wissen des Mediziners auch mithilfe seiner persönlichen Eigenschaften getroffen werden. Individuelle Tugenden wie Offenheit, Vorurteilsfreiheit und Verlässlichkeit beeinflussen in diesem Modellansatz somit auch die Güte des transportieren Wissens. Zur Anwendung kommen dabei unter anderem Überlegungen und Methoden aus den Bereichen [[Kybernetik]], [[Systemtheorie]] und [[Informationstheorie]].
 
In den letzten Jahrzehnten wird in der Philosophie der Medizin vermehrt das Thema diskutiert, wie subjektive Erkenntnisweisen wieder stärker der medizinischen Praxis zugutekommen können. Während der objektive, empirisch-analytische Ansatz des biomechanischem Modells das Subjekt aus den Erkenntnismethoden weitgehend ausklammert, gibt es medizintheoretische Ansätze, die moralischen und ästhetischen Werturteile des Kranken mit einzubeziehen. Dabei wird auch zwischen der ''Krankheit'' und dem ''Kranksein'' als subjektiver Dimension unterschieden.<ref>Im englischen Sprachraum wird diese Diskussion mit dem Gegensatzpaar ''disease'' (Krankheit) und ''illness'' (subjektives Kranksein) geführt. Als dritter Begriff tritt manchmal auch ''sickness'' hinzu, der Krankheit in einem sozialen Kontext beschreibt.</ref> So soll der Umgang eines kranken Menschen mit seiner Krankheit, aber auch mit der eingeleiteten Therapie in umfassenden theoretischen Ansätzen berücksichtigt werden. Für [[Alfred I. Tauber]] ist dagegen eine Trennung in einen objektiven und einen subjektiven Krankheitsbegriff unhaltbar, da jede Erkenntnis subjektiv interpretiert werden müsse. [[Laurence Foss]] führt beide Seiten unter einem sogenannten „infomedical“ Modell in einem [[Neuropsychologie|neuropsychologischen]] Ansatz zusammen. Körper und Person (Geist) sind dabei über Information verbunden.<ref>Laurence Foss: ''The End of Modern Medicine: Biomedical Science Under a Microscope.'' SUNY Press, Albany, NY 2002, S. 68ff.</ref> In eher humanwissenschaftlich orientierten Modellen sollen unter anderem die [[Intuition]] und die Werturteile der beteiligten Personen integriert werden. Ein weiterer Ansatz, insbesondere von [[Linda Trinkaus Zagzebski|Linda Zagzebski]] und [[John Greco (Philosoph)|John Greco]] ist die [[Tugendepistemologie]]. Dabei sollen Aussagen über das Wissen des Mediziners auch mithilfe seiner persönlichen Eigenschaften getroffen werden. Individuelle Tugenden wie Offenheit, Vorurteilsfreiheit und Verlässlichkeit beeinflussen in diesem Modellansatz somit auch die Güte des transportieren Wissens. Zur Anwendung kommen dabei unter anderem Überlegungen und Methoden aus den Bereichen [[Kybernetik]], [[Systemtheorie]] und [[Informationstheorie]].
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==== Konzepte der Medizin ====
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====Konzepte der Medizin====
 
In seinem medizinhistorischen Standardwerk „''Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart''“ (1978) unterscheidet [[Karl Eduard Rothschuh]] zwölf grundlegend verschiedene Vorstellungen über Ursachen und Heilungsmöglichkeiten von Gesundheitsbeeinträchtigungen. Ein Medizinkonzept benötigt danach ein [[Menschenbild]] und eine Lehre von Krankheit und Heilung. Diese lassen sich nach verschiedenen Aspekten ordnen und klassifizieren. Sie können entweder eher an der Erfahrung oder eher am rationalen Denken orientiert sein. Ihre Rechtfertigung und Glaubwürdigkeit erhalten sie durch ihre Nähe zu allgemeinen religiösen, gesellschaftlichen, philosophischen und wissenschaftlichen Auffassungen in der Gesellschaft.<ref>Karl Eduard Rothschuh: ''Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart.'' Hippokrates Verlag, Stuttgart 1978, S. XIV.</ref> Besonders die abendländische Kultur habe ein reiches Spektrum an unterschiedlichen Medizinkonzepten hervorgebracht.
 
In seinem medizinhistorischen Standardwerk „''Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart''“ (1978) unterscheidet [[Karl Eduard Rothschuh]] zwölf grundlegend verschiedene Vorstellungen über Ursachen und Heilungsmöglichkeiten von Gesundheitsbeeinträchtigungen. Ein Medizinkonzept benötigt danach ein [[Menschenbild]] und eine Lehre von Krankheit und Heilung. Diese lassen sich nach verschiedenen Aspekten ordnen und klassifizieren. Sie können entweder eher an der Erfahrung oder eher am rationalen Denken orientiert sein. Ihre Rechtfertigung und Glaubwürdigkeit erhalten sie durch ihre Nähe zu allgemeinen religiösen, gesellschaftlichen, philosophischen und wissenschaftlichen Auffassungen in der Gesellschaft.<ref>Karl Eduard Rothschuh: ''Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart.'' Hippokrates Verlag, Stuttgart 1978, S. XIV.</ref> Besonders die abendländische Kultur habe ein reiches Spektrum an unterschiedlichen Medizinkonzepten hervorgebracht.
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! width="200"| Konzept
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! Kurzbeschreibung
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!Kurzbeschreibung
! Gruppierung
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!Gruppierung
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| [[Iatrodämonologie]]
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|[[Iatrodämonologie]]
| Animistisches Konzept, in dem Krankheit durch böse, unsichtbare Geister und Dämonen verursacht wird
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|Animistisches Konzept, in dem Krankheit durch böse, unsichtbare Geister und Dämonen verursacht wird
| supranaturalistisch
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|supranaturalistisch
| weltweit verbreitet; in Europa in der [[Volksmedizin]] mit einem Höhepunkt im [[Hexe]]nglauben
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|weltweit verbreitet; in Europa in der [[Volksmedizin]] mit einem Höhepunkt im [[Hexe]]nglauben
 
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| [[Iatrotheologie]]
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|[[Iatrotheologie]]
| Die Medizin steht systematisch in einem Mensch-Gott-Verhältnis; Krankheit ist eine göttliche Fügung oder [[Sünde]].
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|Die Medizin steht systematisch in einem Mensch-Gott-Verhältnis; Krankheit ist eine göttliche Fügung oder [[Sünde]].
| supranaturalistisch
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|supranaturalistisch
| besonders in [[Monotheismus|monotheistischen]], aber auch in [[Polytheismus|polytheistischen]] Religionen
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|besonders in [[Monotheismus|monotheistischen]], aber auch in [[Polytheismus|polytheistischen]] Religionen
 
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| [[Iatroastrologie]]
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|[[Iatroastrologie]]
| Krankheits- und Heilungsfaktoren sind durch astrologischen Konstellationen bestimmt.
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|Krankheits- und Heilungsfaktoren sind durch astrologischen Konstellationen bestimmt.
| supranaturalistisch
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|supranaturalistisch
| in den Hochkulturen Babylon, Äqypten, Indien und China
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|in den Hochkulturen Babylon, Äqypten, Indien und China
 
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| [[Iatromagie]]
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|[[Iatromagie]]
| [[Magie|Magisches]] Denken und Handeln zur Heilung und Stärkung
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|[[Magie|Magisches]] Denken und Handeln zur Heilung und Stärkung
| supranaturalistisch
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|supranaturalistisch
| in archaischen Kulturen und antiken Hochkulturen
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|in archaischen Kulturen und antiken Hochkulturen
 
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| [[Empirische Medizin]]
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|[[Empirische Medizin]]
| Erfahrungsmedizin mit einer theorielosen Heilpraxis, Heilung mithilfe von [[Intuition]] und Beobachtungsgabe
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|Erfahrungsmedizin mit einer theorielosen Heilpraxis, Heilung mithilfe von [[Intuition]] und Beobachtungsgabe
| theorielos
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|theorielos
| die griechischen [[Empiriker (Ärzteschule)|Empirikerschule]] und die Britischen Empiriker des 17. Jahrhunderts ([[John Locke]], Thomas Sydenham)
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|die griechischen [[Empiriker (Ärzteschule)|Empirikerschule]] und die Britischen Empiriker des 17. Jahrhunderts ([[John Locke]], Thomas Sydenham)
 
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| [[Humoralpathologie]]
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|[[Humoralpathologie]]
| Gesundheitsbeeinträchtigungen entstehen durch eine Störung der Körpersäfte; die Heilung durch deren Harmonisierung.
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|Gesundheitsbeeinträchtigungen entstehen durch eine Störung der Körpersäfte; die Heilung durch deren Harmonisierung.
| naturalistisch
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|naturalistisch
| Galens Medizinkonzept, Avicenna
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|Galens Medizinkonzept, Avicenna
 
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| [[Iatrophysik]], [[Iatromechanik]], [[Iatromathematik und Iatroastrologie|Iatromathematik]]
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|[[Iatrophysik]], [[Iatromechanik]], [[Iatromathematik und Iatroastrologie|Iatromathematik]]
| Krankheit und Gesundheit hängen von mess- und berechenbaren mechanischen und physikalischen Funktionen ab.
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|Krankheit und Gesundheit hängen von mess- und berechenbaren mechanischen und physikalischen Funktionen ab.
| naturalistisch
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|naturalistisch
| griechische [[Atomismus|Atomistik]], Körpermechanik bei [[William Harvey]]
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|griechische [[Atomismus|Atomistik]], Körpermechanik bei [[William Harvey]]
 
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| [[Iatrochemie]]
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|[[Iatrochemie]]
| Die stoffliche Zusammensetzung, Eigenschaften, Umwandlung und Wechselwirkung im Körper beeinflussen Krankheit und Gesundheit.
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|Die stoffliche Zusammensetzung, Eigenschaften, Umwandlung und Wechselwirkung im Körper beeinflussen Krankheit und Gesundheit.
| naturalistisch
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|naturalistisch
| Paracelsus, [[Franciscus Sylvius]], [[Thomas Willis]]
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|Paracelsus, [[Franciscus Sylvius]], [[Thomas Willis]]
 
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| [[Iatrodynamik]]
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|[[Iatrodynamik]]
| Psychische Kräfte, Seelen- oder Lebenskräfte bestimmen Krankheit und Gesundheit.
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|Psychische Kräfte, Seelen- oder Lebenskräfte bestimmen Krankheit und Gesundheit.
| naturalistisch oder<br />psychosozial
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|naturalistisch oder<br />psychosozial
| [[Animismus (Psychosomatik)|Animismus]] von [[Georg Ernst Stahl]]; [[Mesmerismus]]; [[Psychosomatik]]; [[Homöopathie]]
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|[[Animismus (Psychosomatik)|Animismus]] von [[Georg Ernst Stahl]]; [[Mesmerismus]]; [[Psychosomatik]]; [[Homöopathie]]
 
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| [[Iatromorphologie]]
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|[[Iatromorphologie]]
| Die [[Morphologie (Biologie)|Morphologie]] (oder [[Anatomie]]) bestimmt Krankheit und Gesundheit.
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|Die [[Morphologie (Biologie)|Morphologie]] (oder [[Anatomie]]) bestimmt Krankheit und Gesundheit.
| naturalistisch
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|naturalistisch
| [[Histologie]] nach [[Xavier Bichat]]
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|[[Histologie]] nach [[Xavier Bichat]]
 
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| [[Naturphilosophie]] der [[Romantik]]
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|[[Naturphilosophie]] der [[Romantik]]
| Aus wenigen spekulativen Vernunftsprinzipien wird die gesamte Natur und Medizin erklärt.
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|Aus wenigen spekulativen Vernunftsprinzipien wird die gesamte Natur und Medizin erklärt.
| naturalistisch oder<br />psychosozial
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|naturalistisch oder<br />psychosozial
| „Romantische Medizin“ von ca. 1800 bis 1830 in Mitteleuropa
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|„Romantische Medizin“ von ca. 1800 bis 1830 in Mitteleuropa
 
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| [[Iatrotechnik]]
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|[[Iatrotechnik]]
| Die Beherrschung von physikalischen und chemischen Prozessen bestimmt die Heilung. Der technomorphen Krankheitsauffassung (defekte Maschine) entspricht das technomorphe Arzt-Patienten-Verhältnis (Techniker-Maschine).
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|Die Beherrschung von physikalischen und chemischen Prozessen bestimmt die Heilung. Der technomorphen Krankheitsauffassung (defekte Maschine) entspricht das technomorphe Arzt-Patienten-Verhältnis (Techniker-Maschine).
| naturalistisch
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|naturalistisch
| ab ca. 1840 in Europa und Nordamerika
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|ab ca. 1840 in Europa und Nordamerika
 
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Die Unterscheidung in die Gruppen ''naturalistisch'' und ''supranaturalistisch'' wird aus heutiger wissenschaftstheoretischer Sicht getroffen, vor 1850 war sie weitgehend unbekannt.<ref>[[Robert Jütte]]: ''Pluralismus in der Medizin aus historischer Perspektive.'' In: Susanne Michl, Thomas Potthast, Urban Wiesing (Hrsg.): ''Pluralität in der Medizin.'' Karl Alber, München 2008, S. 391.</ref>
 
Die Unterscheidung in die Gruppen ''naturalistisch'' und ''supranaturalistisch'' wird aus heutiger wissenschaftstheoretischer Sicht getroffen, vor 1850 war sie weitgehend unbekannt.<ref>[[Robert Jütte]]: ''Pluralismus in der Medizin aus historischer Perspektive.'' In: Susanne Michl, Thomas Potthast, Urban Wiesing (Hrsg.): ''Pluralität in der Medizin.'' Karl Alber, München 2008, S. 391.</ref>
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==== Erkenntnismethoden ====
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====Erkenntnismethoden====
 
[[Axel W. Bauer]] unterscheidet für die Medizin vier grundlegende Methoden des Erkenntnisgewinnes.<ref>Axel W. Bauer: ''Axiome der Medizin.'' In: Walter Pieringer, Franz Eibner (Hrsg.): ''Zur Philosophie der Medizin.'' Springer, Wien/ New York 2000, S. 18ff.</ref>
 
[[Axel W. Bauer]] unterscheidet für die Medizin vier grundlegende Methoden des Erkenntnisgewinnes.<ref>Axel W. Bauer: ''Axiome der Medizin.'' In: Walter Pieringer, Franz Eibner (Hrsg.): ''Zur Philosophie der Medizin.'' Springer, Wien/ New York 2000, S. 18ff.</ref>
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; Das Axiom der Existenz von übernatürlichen Personen und Kräften
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;Das Axiom der Existenz von übernatürlichen Personen und Kräften
: Der Glaube an die Wirkung supranaturaler Kräfte beschränkt sich nicht auf Vorstellungen in den Religionen. In subjektiven Krankheitstheorien kann das Axiom große Bedeutung für den Patienten haben. Dieses Paradigma besitzt praktisch keinen prognostischen Wert, aber eine sehr hohe retrospektive Erklärungskraft.
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:Der Glaube an die Wirkung supranaturaler Kräfte beschränkt sich nicht auf Vorstellungen in den Religionen. In subjektiven Krankheitstheorien kann das Axiom große Bedeutung für den Patienten haben. Dieses Paradigma besitzt praktisch keinen prognostischen Wert, aber eine sehr hohe retrospektive Erklärungskraft.
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; Das Axiom der semiotischen Korrespondenz von Phänomenen
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;Das Axiom der semiotischen Korrespondenz von Phänomenen
: Symbolische Assoziationen und Analogien beschreiben hier kosmologische und anthropologische Gesetzmäßigkeiten. Diese werden zur Erklärung von Krankheiten und für die Therapie benutzt. Bekannte Beispiele sind die "[[Yin und Yang]]"-Lehre, die Astrologie und die Homöopathie.
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:Symbolische Assoziationen und Analogien beschreiben hier kosmologische und anthropologische Gesetzmäßigkeiten. Diese werden zur Erklärung von Krankheiten und für die Therapie benutzt. Bekannte Beispiele sind die "[[Yin und Yang]]"-Lehre, die Astrologie und die Homöopathie.
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; Das Axiom des kausalgesetzlichen, mechanisch-deterministischen Ablaufs von Prozessen in der Natur
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;Das Axiom des kausalgesetzlichen, mechanisch-deterministischen Ablaufs von Prozessen in der Natur
: Dieses Axiom stellt im Wesentlichen das Paradigma der Naturwissenschaften dar, dem sich die Medizin im 19. Jahrhundert in vielen Bereichen angeschlossen hat.
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:Dieses Axiom stellt im Wesentlichen das Paradigma der Naturwissenschaften dar, dem sich die Medizin im 19. Jahrhundert in vielen Bereichen angeschlossen hat.
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; Das Axiom der Möglichkeit des intersubjektiven Verstehens von menschlichen Lebensäußerungen durch [[Hermeneutik|hermeneutische]] Interpretation verbaler und nonverbaler Zeichen.
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;Das Axiom der Möglichkeit des intersubjektiven Verstehens von menschlichen Lebensäußerungen durch [[Hermeneutik|hermeneutische]] Interpretation verbaler und nonverbaler Zeichen.
: Bei diesem Axiom steht das Subjekt im Mittelpunkt. Es ist Teil der Grundlagen in der [[Psychoanalyse]], der [[Psychosomatik]] und der [[Psychiatrie]].
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:Bei diesem Axiom steht das Subjekt im Mittelpunkt. Es ist Teil der Grundlagen in der [[Psychoanalyse]], der [[Psychosomatik]] und der [[Psychiatrie]].
    
Diese Axiome sind nach Bauer nicht beweisbar, nicht [[Falsifikation|widerlegbar]], entziehen sich einer [[Letztbegründung]] und sind nicht miteinander kompatibel.
 
Diese Axiome sind nach Bauer nicht beweisbar, nicht [[Falsifikation|widerlegbar]], entziehen sich einer [[Letztbegründung]] und sind nicht miteinander kompatibel.
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; Erkenntnismethoden der wissenschaftlichen Heilkunde
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;Erkenntnismethoden der wissenschaftlichen Heilkunde
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Aus diesen Axiomen können wiederum vier basale Erkenntnismethoden der wissenschaftlichen Heilkunde gewonnen (Seiffert, 1969; Hahn, 1988):
 
Aus diesen Axiomen können wiederum vier basale Erkenntnismethoden der wissenschaftlichen Heilkunde gewonnen (Seiffert, 1969; Hahn, 1988):
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# die [[Phänomenologie|phänomenologischen]] Methoden
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#die [[Phänomenologie|phänomenologischen]] Methoden
# die empirisch-analytischen Methoden
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#die empirisch-analytischen Methoden
# die [[Hermeneutik|hermeneutischen]] Methoden
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#die [[Hermeneutik|hermeneutischen]] Methoden
# die [[Dialektik|dialektischen Methoden]].
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#die [[Dialektik|dialektischen Methoden]].
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Diese Erkenntnismethoden sollen in einem sogenannten ''Methodenkreis'' in der ärztlichen Praxis gleichermaßen zum Einsatz kommen.<ref>Peter Hahn: ''Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit in der Humanmedizin.'' In: Walter Pieringer, Franz Eibner (Hrsg.): ''Zur Philosophie der Medizin.'' Springer, Wien/ New York 2000, S. 35ff.</ref>
 
Diese Erkenntnismethoden sollen in einem sogenannten ''Methodenkreis'' in der ärztlichen Praxis gleichermaßen zum Einsatz kommen.<ref>Peter Hahn: ''Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit in der Humanmedizin.'' In: Walter Pieringer, Franz Eibner (Hrsg.): ''Zur Philosophie der Medizin.'' Springer, Wien/ New York 2000, S. 35ff.</ref>
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=== Entscheidungen und Urteile ===
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===Entscheidungen und Urteile===
 
[[Datei:Entscheidungsbaum in der medizinischen Diagnostik - Beispiel Arthrose.jpg|mini|Entscheidungsbaum in der medizinischen Diagnostik – Beispiel Arthrose]]
 
[[Datei:Entscheidungsbaum in der medizinischen Diagnostik - Beispiel Arthrose.jpg|mini|Entscheidungsbaum in der medizinischen Diagnostik – Beispiel Arthrose]]
 
Entscheidungen für oder gegen Therapien in der Medizin werden in der Regel mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten gefällt. Die Grundlage fundierter Therapieentscheidungen bildet zunächst die Analyse der medizinischen Untersuchungsverfahren. Aus diesen lassen sich mit weiteren mathematischen Verfahren die Wahrscheinlichkeiten für bestehende Krankheiten beim Patienten ermitteln. Diese wiederum können als [[Entscheidungsbaum]] dargestellt werden mit Endpunkten (engl. ''outcome'') wie Tod, Lebenserwartung, Überlebenswahrscheinlichkeit oder Zufriedenheit. Insbesondere Vertreter der [[Evidenzbasierte Medizin|evidenzbasierten Medizin]] erhoffen sich aus der Analyse qualitativ hochwertiger Studien ebendiese Daten zu Diagnoseverfahren zu gewinnen. In der Medizintheorie wird aber auch die Meinung vertreten, dass diese Art quantitativer Daten und Berechnungen nicht ausreicht, um Therapieentscheidungen zu treffen.<ref>Hugo Tristram Engelhardt: ''Indroduction.'' In: ''Clinical Judgement: A critical Appraisal.'' D. Reidel Publishing Company, 1979, S. xi ff.</ref><ref>{{Literatur |Autor=Wiesing, Urban |Hrsg= |Titel=Indikation Theoretische Grundlagen und Konsequenzen für die ärztliche Praxis. |Verlag=Kohlhammer Verlag |Ort=Stuttgart |Datum= |ISBN=}}</ref> Die Vorteile einer Entscheidungsanalyse mittels eines Entscheidungsbaumes sind dagegen die Reproduzierbarkeit und Transparenz der Entscheidungsschritte, sowie die Möglichkeit mehrere Therapiemöglichkeiten quantitativ zu vergleichen.
 
Entscheidungen für oder gegen Therapien in der Medizin werden in der Regel mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten gefällt. Die Grundlage fundierter Therapieentscheidungen bildet zunächst die Analyse der medizinischen Untersuchungsverfahren. Aus diesen lassen sich mit weiteren mathematischen Verfahren die Wahrscheinlichkeiten für bestehende Krankheiten beim Patienten ermitteln. Diese wiederum können als [[Entscheidungsbaum]] dargestellt werden mit Endpunkten (engl. ''outcome'') wie Tod, Lebenserwartung, Überlebenswahrscheinlichkeit oder Zufriedenheit. Insbesondere Vertreter der [[Evidenzbasierte Medizin|evidenzbasierten Medizin]] erhoffen sich aus der Analyse qualitativ hochwertiger Studien ebendiese Daten zu Diagnoseverfahren zu gewinnen. In der Medizintheorie wird aber auch die Meinung vertreten, dass diese Art quantitativer Daten und Berechnungen nicht ausreicht, um Therapieentscheidungen zu treffen.<ref>Hugo Tristram Engelhardt: ''Indroduction.'' In: ''Clinical Judgement: A critical Appraisal.'' D. Reidel Publishing Company, 1979, S. xi ff.</ref><ref>{{Literatur |Autor=Wiesing, Urban |Hrsg= |Titel=Indikation Theoretische Grundlagen und Konsequenzen für die ärztliche Praxis. |Verlag=Kohlhammer Verlag |Ort=Stuttgart |Datum= |ISBN=}}</ref> Die Vorteile einer Entscheidungsanalyse mittels eines Entscheidungsbaumes sind dagegen die Reproduzierbarkeit und Transparenz der Entscheidungsschritte, sowie die Möglichkeit mehrere Therapiemöglichkeiten quantitativ zu vergleichen.
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Daneben werden eine Reihe weiterer Einflussgrößen auf die Therapieentscheidung genannt. Auf der gesellschaftlichen Ebene sind es Patientenvereinigungen, die Pharmalobby oder Akteure im Gesundheitssystem wie die Krankenkassen. In einer konkreten Entscheidungssituation können ebenso Patientenbelange und viele weitere relevante Faktoren dazukommen. Da aber nicht alle Einflüsse in einem Entscheidungsbaum abgebildet werden können, sei dieser gefährlich unvollständig.<ref>D. F. Ransohoff, Alvan R. Feinstein: ''Is decision analyse useful in clinical medicine?'' In: ''Yale Journal of Biology and Medicine.'' 49, 1976, S. 165–168.</ref>
 
Daneben werden eine Reihe weiterer Einflussgrößen auf die Therapieentscheidung genannt. Auf der gesellschaftlichen Ebene sind es Patientenvereinigungen, die Pharmalobby oder Akteure im Gesundheitssystem wie die Krankenkassen. In einer konkreten Entscheidungssituation können ebenso Patientenbelange und viele weitere relevante Faktoren dazukommen. Da aber nicht alle Einflüsse in einem Entscheidungsbaum abgebildet werden können, sei dieser gefährlich unvollständig.<ref>D. F. Ransohoff, Alvan R. Feinstein: ''Is decision analyse useful in clinical medicine?'' In: ''Yale Journal of Biology and Medicine.'' 49, 1976, S. 165–168.</ref>
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=== Medizinische Erklärungen ===
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===Medizinische Erklärungen===
 
[[Erklärung]]en geben eine Antwort auf die Fragen nach dem „Warum“. Das Erklärte wird dadurch nachvollziehbar. Können Phänomene oder Vorgänge mit Hilfe von allgemeinen Naturgesetzen und wissenschaftlichen Theorien logisch und technisch erklärt werden, dann sind sie auch beherrschbar. Mit dem [[Deduktiv-nomologisches Modell|deduktiv-nomologisches Erklärungsmodell]] von [[Carl Gustav Hempel]] und [[Paul Oppenheim]] wurden ebendiese Forderungen in den 1940er Jahren ausformuliert. Allerdings ist es an allgemeinen, deterministischen Gesetzen ausgerichtet, wie sie sich eher in den Naturwissenschaften finden, aber nur selten in der Medizin. Dort herrschen statistische Aussagen und Gesetzmäßigkeiten vor. Trotz einiger philosophischer Schwierigkeiten bei der Modellierung von Kausalität sind kausale Erklärungsmodelle in der Medizin die wichtigsten.<ref>James A. Marcum: ''An Indroductory Philosophy of Medicine.'' Springer, 2008, S. 138.</ref> [[Wesley C. Salmon]] hat ein kausal-mechanisches Erklärungsmodell entworfen, um die ungelöste Frage nach dem Wesen der Kausalität zu umgehen. Kausalität wird dabei nicht als allgemeines Gesetz verstanden, sondern jedem Phänomen der natürlichen Welt zugerechnet. Medizinisches Wissen wird heute weitgehend in diesem kausal-mechanischen Erklärungsmodell formuliert. Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob Kausalität immer in einem mechanistischen Wirkungszusammenhang steht und was genau ein kausaler Mechanismus, der so weit interpretiert wird, ist.
 
[[Erklärung]]en geben eine Antwort auf die Fragen nach dem „Warum“. Das Erklärte wird dadurch nachvollziehbar. Können Phänomene oder Vorgänge mit Hilfe von allgemeinen Naturgesetzen und wissenschaftlichen Theorien logisch und technisch erklärt werden, dann sind sie auch beherrschbar. Mit dem [[Deduktiv-nomologisches Modell|deduktiv-nomologisches Erklärungsmodell]] von [[Carl Gustav Hempel]] und [[Paul Oppenheim]] wurden ebendiese Forderungen in den 1940er Jahren ausformuliert. Allerdings ist es an allgemeinen, deterministischen Gesetzen ausgerichtet, wie sie sich eher in den Naturwissenschaften finden, aber nur selten in der Medizin. Dort herrschen statistische Aussagen und Gesetzmäßigkeiten vor. Trotz einiger philosophischer Schwierigkeiten bei der Modellierung von Kausalität sind kausale Erklärungsmodelle in der Medizin die wichtigsten.<ref>James A. Marcum: ''An Indroductory Philosophy of Medicine.'' Springer, 2008, S. 138.</ref> [[Wesley C. Salmon]] hat ein kausal-mechanisches Erklärungsmodell entworfen, um die ungelöste Frage nach dem Wesen der Kausalität zu umgehen. Kausalität wird dabei nicht als allgemeines Gesetz verstanden, sondern jedem Phänomen der natürlichen Welt zugerechnet. Medizinisches Wissen wird heute weitgehend in diesem kausal-mechanischen Erklärungsmodell formuliert. Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob Kausalität immer in einem mechanistischen Wirkungszusammenhang steht und was genau ein kausaler Mechanismus, der so weit interpretiert wird, ist.
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Jeder Teil eines kausalen Systems kann auch als Mittel für eine Wirkung betrachtet werden. Stellt man die Mittel-Zweck-Relation in den Mittelpunkt der Analyse, dann spricht man von [[Funktionale Erklärung|funktionalen Erklärungen]]. Für [[Ernest Nagel]] ist eine Funktion dabei die Fähigkeit eines Teils, seine kausale Rolle im Ganzen zu erfüllen. Demgegenüber bestreitet Hempel, dass funktionale Erklärungen überhaupt legitim seien. Aus einer [[Naturalismus (Philosophie)|naturalistischen]] Sicht ist es nicht akzeptabel, dass eine Funktion nicht nur die Wirkung, sondern auch die Existenz des Mittels erklärt. Funktionale Erklärungen haben eine hohe intuitive Erklärungskraft und werden auch zunehmend benutzt. Allerdings gibt es weiterhin unterschiedliche Auffassungen über die Fragen, was eine funktionale Erklärung ist und ob sie ohne [[Teleologie|teleologische]] Annahmen formuliert werden kann.
 
Jeder Teil eines kausalen Systems kann auch als Mittel für eine Wirkung betrachtet werden. Stellt man die Mittel-Zweck-Relation in den Mittelpunkt der Analyse, dann spricht man von [[Funktionale Erklärung|funktionalen Erklärungen]]. Für [[Ernest Nagel]] ist eine Funktion dabei die Fähigkeit eines Teils, seine kausale Rolle im Ganzen zu erfüllen. Demgegenüber bestreitet Hempel, dass funktionale Erklärungen überhaupt legitim seien. Aus einer [[Naturalismus (Philosophie)|naturalistischen]] Sicht ist es nicht akzeptabel, dass eine Funktion nicht nur die Wirkung, sondern auch die Existenz des Mittels erklärt. Funktionale Erklärungen haben eine hohe intuitive Erklärungskraft und werden auch zunehmend benutzt. Allerdings gibt es weiterhin unterschiedliche Auffassungen über die Fragen, was eine funktionale Erklärung ist und ob sie ohne [[Teleologie|teleologische]] Annahmen formuliert werden kann.
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=== Diagnose ===
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===Diagnose===
{| style="border:2px solid" | class="wikitable float-right"
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! Medizinische Diagnose
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!Medizinische Diagnose
! Wissenschaftliches Experiment<br />Wissenschaftliche Hypothese
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!Wissenschaftliches Experiment<br />Wissenschaftliche Hypothese
 
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| Subjekt steht im Mittelpunkt
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|Subjekt steht im Mittelpunkt
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|entsubjektiviert
 
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|konditional
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| Individualität
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|Individualität
| Repräsentant
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|Repräsentant
 
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| Ziel ist die Therapie und Gesundheit
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|Ziel ist die Therapie und Gesundheit
| Erkenntnisziel
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|Erkenntnisziel
 
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| zeitbezogen
+
|zeitbezogen
| zeitlos
+
|zeitlos
 
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|-
| nicht korrigierbar
+
|nicht korrigierbar
| korrigierbar
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|korrigierbar
 
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|- style="background:#F9F9FF"
| praktische Aussage
+
|praktische Aussage
| theoretische Aussage
+
|theoretische Aussage
 
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|-
| Singuläraussage
+
|Singuläraussage
| allgemeine Aussage
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Eine Diagnose beginnt in den meisten Fällen mit subjektiven Beschwerden des Patienten. Diese führen den behandelnden Arzt zu medizinischen Untersuchungen und [[Hypothese]]n über die vermutete Krankheit. Der Diagnoseprozess endet in der Regel, wenn alle weiteren Untersuchungen zu keinen neuen und relevanten Ergebnissen mehr führen (würden) und alle Hypothesen bis auf eine ausgeschlossen werden können. Zum Verständnis des Prozesses der Hypothesenbildung existieren einige Vorschläge, aber noch keine einheitliche, allgemein akzeptierte Theorie. Zur Erklärung werden teils [[Kognitionspsychologie|kognitionspsychologische]] Modelle vorgeschlagen.
 
Eine Diagnose beginnt in den meisten Fällen mit subjektiven Beschwerden des Patienten. Diese führen den behandelnden Arzt zu medizinischen Untersuchungen und [[Hypothese]]n über die vermutete Krankheit. Der Diagnoseprozess endet in der Regel, wenn alle weiteren Untersuchungen zu keinen neuen und relevanten Ergebnissen mehr führen (würden) und alle Hypothesen bis auf eine ausgeschlossen werden können. Zum Verständnis des Prozesses der Hypothesenbildung existieren einige Vorschläge, aber noch keine einheitliche, allgemein akzeptierte Theorie. Zur Erklärung werden teils [[Kognitionspsychologie|kognitionspsychologische]] Modelle vorgeschlagen.
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=== Therapie ===
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===Therapie===
 
Aus erkenntnistheoretischen Betrachtungen heraus sind die zwei wichtigsten Eigenschaften einer Therapie die [[Therapeutische Wirksamkeit|medizinische Wirksamkeit]] und die Sicherheit. Um wirksame und sichere Behandlungsmethoden zu entwickeln und bereitzustellen, werden besonders zwei Methoden benutzt: Neben der [[Biotechnologie|biotechnischen Forschung]] [[randomisierte kontrollierte Studie]]n. Ein Ziel – insbesondere von der Evidenz-basierten Medizin formuliert – ist es, zu allen bekannten Verfahren möglichst viele und möglichst „hochwertige“ Studien zu produzieren, deren Ergebnisse dann in Meta-Studien ausgewertet werden. Die Wertigkeit einer Studie bestimmt sich danach an mehreren Faktoren und Parametern. Die systematische und erkenntnistheoretische Aufarbeitung dieser Eigenschaften nimmt in der medizintheoretischen Forschung einen breiten Raum ein. Diskutiert werden besonders die Fragen, wie das Studiendesign optimiert und die Aussagekraft der Studien erhöht werden kann.
 
Aus erkenntnistheoretischen Betrachtungen heraus sind die zwei wichtigsten Eigenschaften einer Therapie die [[Therapeutische Wirksamkeit|medizinische Wirksamkeit]] und die Sicherheit. Um wirksame und sichere Behandlungsmethoden zu entwickeln und bereitzustellen, werden besonders zwei Methoden benutzt: Neben der [[Biotechnologie|biotechnischen Forschung]] [[randomisierte kontrollierte Studie]]n. Ein Ziel – insbesondere von der Evidenz-basierten Medizin formuliert – ist es, zu allen bekannten Verfahren möglichst viele und möglichst „hochwertige“ Studien zu produzieren, deren Ergebnisse dann in Meta-Studien ausgewertet werden. Die Wertigkeit einer Studie bestimmt sich danach an mehreren Faktoren und Parametern. Die systematische und erkenntnistheoretische Aufarbeitung dieser Eigenschaften nimmt in der medizintheoretischen Forschung einen breiten Raum ein. Diskutiert werden besonders die Fragen, wie das Studiendesign optimiert und die Aussagekraft der Studien erhöht werden kann.
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=== Sprache und Semiotik ===
+
===Sprache und Semiotik===
 
[[Datei:Semiotisches Dreieck Symptom-Diagnose-Krankheit.jpg|mini|hochkant=1.5|Semiotisches Dreieck: Symptom – Diagnose – Krankheit]]
 
[[Datei:Semiotisches Dreieck Symptom-Diagnose-Krankheit.jpg|mini|hochkant=1.5|Semiotisches Dreieck: Symptom – Diagnose – Krankheit]]
 
Die Sprache der Medizin ist die natürliche Alltagssprache mit Fachbegriffen, aber ohne eigene [[Syntax]] und [[Semantik]]. Im Gegensatz zur Sprache der Naturwissenschaften sind ihre Begriffe nur unzureichend oder gar nicht genauer bestimmt.<ref>Kazem Sadegh-Zadeh: ''Handbook of Analytic Philosophy of Medicine.'' Springer, 2011, S. 29ff insb. S. 49.</ref> Aus Sicht der [[Analytische Philosophie|analytischen Philosophie]] macht sich dies besonders in den nur schlecht oder gar nicht definierten zentralen Begriffen wie „Krankheit“ oder „klinische Forschung“ bemerkbar.
 
Die Sprache der Medizin ist die natürliche Alltagssprache mit Fachbegriffen, aber ohne eigene [[Syntax]] und [[Semantik]]. Im Gegensatz zur Sprache der Naturwissenschaften sind ihre Begriffe nur unzureichend oder gar nicht genauer bestimmt.<ref>Kazem Sadegh-Zadeh: ''Handbook of Analytic Philosophy of Medicine.'' Springer, 2011, S. 29ff insb. S. 49.</ref> Aus Sicht der [[Analytische Philosophie|analytischen Philosophie]] macht sich dies besonders in den nur schlecht oder gar nicht definierten zentralen Begriffen wie „Krankheit“ oder „klinische Forschung“ bemerkbar.
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Alle zugänglichen Informationen wie die [[Anamnese]], körperliche Untersuchungen und Ergebnisse wissenschaftlich-technischer Tests stellen medizinische Zeichen dar. Diese unterscheiden sich in ihrer Validität und Bedeutung. Neuere diagnostische Verfahren können eine bessere Diagnostik ermöglichen (Validität), können aber auch irrelevante Anomalien aufzeigen (Bedeutung). Ohne eine medizinische Semiotik können so klinisch unbedeutende Diagnoseergebnisse trotzdem zu einer großen Belastung für den Patienten oder zu unnötigen und riskanten Therapien führen. Der Arzt ist deshalb immer gefordert, die medizinischen Zeichen im Kontext zu interpretieren.<ref>John F. Burnum: ''Medical diagnosis through semiotics. Giving meaning to the sign.'' In: ''Annals of Internal Medicine.'' 119, 9, 1. Nov 1993, S. 939–943. PMID 7692781.</ref>
 
Alle zugänglichen Informationen wie die [[Anamnese]], körperliche Untersuchungen und Ergebnisse wissenschaftlich-technischer Tests stellen medizinische Zeichen dar. Diese unterscheiden sich in ihrer Validität und Bedeutung. Neuere diagnostische Verfahren können eine bessere Diagnostik ermöglichen (Validität), können aber auch irrelevante Anomalien aufzeigen (Bedeutung). Ohne eine medizinische Semiotik können so klinisch unbedeutende Diagnoseergebnisse trotzdem zu einer großen Belastung für den Patienten oder zu unnötigen und riskanten Therapien führen. Der Arzt ist deshalb immer gefordert, die medizinischen Zeichen im Kontext zu interpretieren.<ref>John F. Burnum: ''Medical diagnosis through semiotics. Giving meaning to the sign.'' In: ''Annals of Internal Medicine.'' 119, 9, 1. Nov 1993, S. 939–943. PMID 7692781.</ref>
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== Krankheit und Gesundheit ==
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==Krankheit und Gesundheit==
 
Die Begriffe [[Krankheit]] und [[Gesundheit]] sind zentral in der Medizin und Heilkunst. Sie geben den Anlass und das Ziel jeder ärztlichen Tätigkeit vor und besitzen auch vielfältige gesellschaftliche und rechtliche Auswirkungen.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Randolph M. Nesse |Hrsg=Thomas Schramme |Titel=Warum es so schwer ist, Krankheit zu definieren |Sammelwerk=Krankheitstheorien |Band= |Nummer= |Verlag=Suhrkamp |Ort=Berlin |Datum=2012 |ISBN=978-3-518-29611-0 |Seiten=173,182-183 |Online=https://d-nb.info/1012169561/04}}</ref> So haben Entscheidungen über Krankheit und Gesundheit nachhaltige Auswirkungen über die Verteilung von Ressourcen in einer Gesellschaft.<ref>Arthur Caplan: ''The Concepts of Health, Illness and Disease.'' In: M. Robert (Hrsg.): ''Medical Ethics.'' Jones&Barlett Publishers, Sudbury 1997, S. 57.</ref> Wichtige Gruppen in der Gesundheitspolitik wie Patienten, Pharmaindustrie und Ärzteschaft haben ein Interesse daran, den Krankheitsbegriff möglichst expansiv zu definieren. Diese Konstellation wird auch als [[Medikalisierung]] bezeichnet und ist Gegenstand der medizintheoretischen Diskussion.
 
Die Begriffe [[Krankheit]] und [[Gesundheit]] sind zentral in der Medizin und Heilkunst. Sie geben den Anlass und das Ziel jeder ärztlichen Tätigkeit vor und besitzen auch vielfältige gesellschaftliche und rechtliche Auswirkungen.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Randolph M. Nesse |Hrsg=Thomas Schramme |Titel=Warum es so schwer ist, Krankheit zu definieren |Sammelwerk=Krankheitstheorien |Band= |Nummer= |Verlag=Suhrkamp |Ort=Berlin |Datum=2012 |ISBN=978-3-518-29611-0 |Seiten=173,182-183 |Online=https://d-nb.info/1012169561/04}}</ref> So haben Entscheidungen über Krankheit und Gesundheit nachhaltige Auswirkungen über die Verteilung von Ressourcen in einer Gesellschaft.<ref>Arthur Caplan: ''The Concepts of Health, Illness and Disease.'' In: M. Robert (Hrsg.): ''Medical Ethics.'' Jones&Barlett Publishers, Sudbury 1997, S. 57.</ref> Wichtige Gruppen in der Gesundheitspolitik wie Patienten, Pharmaindustrie und Ärzteschaft haben ein Interesse daran, den Krankheitsbegriff möglichst expansiv zu definieren. Diese Konstellation wird auch als [[Medikalisierung]] bezeichnet und ist Gegenstand der medizintheoretischen Diskussion.
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Es existiert heute keine allgemeingültige Definition von Krankheit und Gesundheit. Es gibt verschiedene Versuche, beide Begriffen wertfrei beschreibend zu definieren; dabei ist es umstritten, ob dies ohne einen evaluativen (wertenden) und [[normativ]]en Charakter möglich ist. Häufig wird Gesundheit nicht nur als das Gegenteil von Krankheit betrachtet, sondern besitzt noch weitere Qualitäten wie Unabhängigkeit und Lebensfreude. Andererseits wird Krankheit nicht immer nur negativ beurteilt.
 
Es existiert heute keine allgemeingültige Definition von Krankheit und Gesundheit. Es gibt verschiedene Versuche, beide Begriffen wertfrei beschreibend zu definieren; dabei ist es umstritten, ob dies ohne einen evaluativen (wertenden) und [[normativ]]en Charakter möglich ist. Häufig wird Gesundheit nicht nur als das Gegenteil von Krankheit betrachtet, sondern besitzt noch weitere Qualitäten wie Unabhängigkeit und Lebensfreude. Andererseits wird Krankheit nicht immer nur negativ beurteilt.
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=== Die Ontologie der Krankheit ===
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===Die Ontologie der Krankheit===
 
Gegen ein ontologisches Verständnis von Krankheiten wendet sich der Medizintheoretiker Richard Koch. Im Sinne von [[Hans Vaihinger]] beschreibt er Krankheiten als ''[[Fiktion]]en'', die man als „brauchbares Abkürzungsverfahren“ sehen sollte.<ref>Richard Koch: ''Ärztliches Denken. Abhandlungen über die philosophischen Grundlagen der Medizin.'' München 1923, S. 57.</ref>
 
Gegen ein ontologisches Verständnis von Krankheiten wendet sich der Medizintheoretiker Richard Koch. Im Sinne von [[Hans Vaihinger]] beschreibt er Krankheiten als ''[[Fiktion]]en'', die man als „brauchbares Abkürzungsverfahren“ sehen sollte.<ref>Richard Koch: ''Ärztliches Denken. Abhandlungen über die philosophischen Grundlagen der Medizin.'' München 1923, S. 57.</ref>
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Weitere Diskussionen werden in der Medizintheorie zur Konzeption psychischer Krankheiten geführt. Da „geistige Merkmale“ kaum oder gar nicht valide gemessen und operationalisiert werden können, wird die Existenz von psychischen Krankheiten teilweise ganz bestritten. Als Reaktion darauf gibt es Versuche, die Psychiatrie stärker auf die [[Neurologie]] zu beziehen, psychische Krankheiten werden dann Krankheiten des [[Gehirn]]s. Da aber auch die Frage nach gesellschaftlichen Normen und Werten bei der Konzeption von psychischen Krankheiten ein großes Gewicht hat, ist dieses Thema in der Medizintheorie noch stark umstritten.
 
Weitere Diskussionen werden in der Medizintheorie zur Konzeption psychischer Krankheiten geführt. Da „geistige Merkmale“ kaum oder gar nicht valide gemessen und operationalisiert werden können, wird die Existenz von psychischen Krankheiten teilweise ganz bestritten. Als Reaktion darauf gibt es Versuche, die Psychiatrie stärker auf die [[Neurologie]] zu beziehen, psychische Krankheiten werden dann Krankheiten des [[Gehirn]]s. Da aber auch die Frage nach gesellschaftlichen Normen und Werten bei der Konzeption von psychischen Krankheiten ein großes Gewicht hat, ist dieses Thema in der Medizintheorie noch stark umstritten.
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=== Der Krankheitsbegriff ===
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===Der Krankheitsbegriff===
 
Ein allgemein akzeptierter, wissenschaftlicher Krankheitsbegriff existiert nicht.<ref>Dietrich von Engelhardt, Heinrich Schipperges: ''Die innere Verbindung zwischen Philosophie und Medizin im 20. Jahrhundert.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980, S. 64.</ref> Nicht nur zwischen verschiedenen Wissenschaften, sondern auch zwischen verschiedenen Schulen und Fächern der Medizin wird der Begriff unterschiedlich und teils gegensätzlich gefasst. Allgemein ergibt sich eine Konzeption menschlicher Krankheit aus Interpretationen über Erfahrungen und Theorien aller anthropologischen und biologischen Aspekte menschlichen Lebens. Die in der Medizintheorie diskutierte zentrale Frage ist das Verhältnis zwischen naturwissenschaftlich-empirischen, subjektiv-evaluativen und moralisch-normativen Ansätzen und Vorstellungen in der Definition der Begriffe Krankheit und Gesundheit.<ref>{{Literatur |Autor=Thomas Schramme |Titel=Einleitung: Die Begriffe »Gesundheit« und »Krankheit« in der philosophischen Diskussion |Sammelwerk=Krankheitstheorien |Band= |Nummer= |Verlag=Suhrkamp |Ort=Berlin |Datum=2012 |ISBN=978-3-518-29611-0 |Seiten=9–12,14 |Online=https://d-nb.info/1012169561/04}}</ref>
 
Ein allgemein akzeptierter, wissenschaftlicher Krankheitsbegriff existiert nicht.<ref>Dietrich von Engelhardt, Heinrich Schipperges: ''Die innere Verbindung zwischen Philosophie und Medizin im 20. Jahrhundert.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980, S. 64.</ref> Nicht nur zwischen verschiedenen Wissenschaften, sondern auch zwischen verschiedenen Schulen und Fächern der Medizin wird der Begriff unterschiedlich und teils gegensätzlich gefasst. Allgemein ergibt sich eine Konzeption menschlicher Krankheit aus Interpretationen über Erfahrungen und Theorien aller anthropologischen und biologischen Aspekte menschlichen Lebens. Die in der Medizintheorie diskutierte zentrale Frage ist das Verhältnis zwischen naturwissenschaftlich-empirischen, subjektiv-evaluativen und moralisch-normativen Ansätzen und Vorstellungen in der Definition der Begriffe Krankheit und Gesundheit.<ref>{{Literatur |Autor=Thomas Schramme |Titel=Einleitung: Die Begriffe »Gesundheit« und »Krankheit« in der philosophischen Diskussion |Sammelwerk=Krankheitstheorien |Band= |Nummer= |Verlag=Suhrkamp |Ort=Berlin |Datum=2012 |ISBN=978-3-518-29611-0 |Seiten=9–12,14 |Online=https://d-nb.info/1012169561/04}}</ref>
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[[Lennard Nordenfelt]] definitiert Gesundheit als die Möglichkeit einer Person ihre maßgeblichen Ziele zu erreichen, wobei diese Ziele zumindest das „minimale Glück“ der Person gewährleisten sollen.<ref>Lennard Nordenfelt: ''Quality of Life – Health and Happiness.'' Avebury, Aldershot 1993, S. 8.</ref> Infolge der Schwierigkeiten eine theoretische Pathologie<ref>[[Heinrich Schipperges]] (Hrsg.): ''Pathogenese. Grundzüge und Perspektiven einer Theoretischen Pathologie.'' Berlin/Heidelberg/New York/Tokyo 1985.</ref> zu entwickeln, gibt es in der Philosophie der Medizin die Feststellung, dass es vielleicht nicht möglich ist eine einheitliche Definition zu entwickeln. Die einzelnen Krankheitsbilder würden dann in einer Art [[Familienähnlichkeit]] lose zusammengehören.
 
[[Lennard Nordenfelt]] definitiert Gesundheit als die Möglichkeit einer Person ihre maßgeblichen Ziele zu erreichen, wobei diese Ziele zumindest das „minimale Glück“ der Person gewährleisten sollen.<ref>Lennard Nordenfelt: ''Quality of Life – Health and Happiness.'' Avebury, Aldershot 1993, S. 8.</ref> Infolge der Schwierigkeiten eine theoretische Pathologie<ref>[[Heinrich Schipperges]] (Hrsg.): ''Pathogenese. Grundzüge und Perspektiven einer Theoretischen Pathologie.'' Berlin/Heidelberg/New York/Tokyo 1985.</ref> zu entwickeln, gibt es in der Philosophie der Medizin die Feststellung, dass es vielleicht nicht möglich ist eine einheitliche Definition zu entwickeln. Die einzelnen Krankheitsbilder würden dann in einer Art [[Familienähnlichkeit]] lose zusammengehören.
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=== Therapie und Heilung ===
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===Therapie und Heilung===
 
Der Begriff der Heilung besitzt keine objektive Evidenz. Was als Heilung definiert wird, hängt entscheidend von dem verwendeten Paradigma und den Methoden ab. Daraus ergeben sich unter anderem Unterschiede in der Befindlichkeit des Patienten, dem Zeithorizont, der Zieldefinition im Sinne der Definition von Gesundheit.<ref>Urban Wiesing: ''Wer heilt, hat recht. Über Pragmatik und Pluralität in der Medizin.'' Schatthauer, Stuttgart 2004, S. 51ff.</ref> Es gibt zwar zwischen verschiedenen paradigmatischen Ansätzen keine Unterschiede in der Frage, was als Heilung in einem bestimmten Fall anzusehen ist, dennoch kann Heilung je nach zugrundeliegendem Paradigma unterschiedlich gefasst sein. Besonders psychotherapeutische Ansätze können erheblich voneinander abweichen, dagegen sind anatomisch-chirurgische Eingriffe meist unstrittig. Wie Heilung definiert wird, hängt aber ebenso von der Krankheitsdefinition ab. Wenn einzelne Symptome verschwinden, bedeutet es nicht unbedingt, dass die chronische Krankheit, die diese hervorgerufen hat, ebenso geheilt ist.
 
Der Begriff der Heilung besitzt keine objektive Evidenz. Was als Heilung definiert wird, hängt entscheidend von dem verwendeten Paradigma und den Methoden ab. Daraus ergeben sich unter anderem Unterschiede in der Befindlichkeit des Patienten, dem Zeithorizont, der Zieldefinition im Sinne der Definition von Gesundheit.<ref>Urban Wiesing: ''Wer heilt, hat recht. Über Pragmatik und Pluralität in der Medizin.'' Schatthauer, Stuttgart 2004, S. 51ff.</ref> Es gibt zwar zwischen verschiedenen paradigmatischen Ansätzen keine Unterschiede in der Frage, was als Heilung in einem bestimmten Fall anzusehen ist, dennoch kann Heilung je nach zugrundeliegendem Paradigma unterschiedlich gefasst sein. Besonders psychotherapeutische Ansätze können erheblich voneinander abweichen, dagegen sind anatomisch-chirurgische Eingriffe meist unstrittig. Wie Heilung definiert wird, hängt aber ebenso von der Krankheitsdefinition ab. Wenn einzelne Symptome verschwinden, bedeutet es nicht unbedingt, dass die chronische Krankheit, die diese hervorgerufen hat, ebenso geheilt ist.
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=== Krankheitsklassifizierungen ===
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===Krankheitsklassifizierungen===
 
Festlegungen in der Ontologie haben bedeutende Auswirkungen auf die Klassifizierung von Krankheiten. In einer Zellular-Pathologie werden Krankheiten beispielsweise anhand von Zellmerkmalen eingeteilt. Liegt der Fokus dagegen auf dem Kranksein des Individuums selbst, dann ist es schwerer, allgemeine Klassen zu finden. Krankheitsklassifizierungen erfolgen heute anhand von praktischen Erwägungen und wissenschaftlichen Werten, wie der Validität und Verlässlichkeit von Diagnosen und Prognosen.<ref>Thomas Schramme: ''Krankheitstheorien.'' Suhrkamp, Berlin 2012, S. 21ff.</ref> Für einen ontologischen Krankheitsbegriff spricht, dass Krankheitseinteilungen neben der Diagnose und Prognose auch der Therapie dienen und damit auch dem Versuch, die Realität (der Krankheit) zu kontrollieren. Ebenso kann eine Klassifikation ontologischer Krankheitsdefinitionen leichter in eine Klassifikation der Krankheitsursachen und damit auch in einen Therapieansatz überführt werden. Am anschaulichsten ist die Beschreibung von Krankheiten anhand von [[Krankheitserreger]]n wie Bakterien oder Parasiten.
 
Festlegungen in der Ontologie haben bedeutende Auswirkungen auf die Klassifizierung von Krankheiten. In einer Zellular-Pathologie werden Krankheiten beispielsweise anhand von Zellmerkmalen eingeteilt. Liegt der Fokus dagegen auf dem Kranksein des Individuums selbst, dann ist es schwerer, allgemeine Klassen zu finden. Krankheitsklassifizierungen erfolgen heute anhand von praktischen Erwägungen und wissenschaftlichen Werten, wie der Validität und Verlässlichkeit von Diagnosen und Prognosen.<ref>Thomas Schramme: ''Krankheitstheorien.'' Suhrkamp, Berlin 2012, S. 21ff.</ref> Für einen ontologischen Krankheitsbegriff spricht, dass Krankheitseinteilungen neben der Diagnose und Prognose auch der Therapie dienen und damit auch dem Versuch, die Realität (der Krankheit) zu kontrollieren. Ebenso kann eine Klassifikation ontologischer Krankheitsdefinitionen leichter in eine Klassifikation der Krankheitsursachen und damit auch in einen Therapieansatz überführt werden. Am anschaulichsten ist die Beschreibung von Krankheiten anhand von [[Krankheitserreger]]n wie Bakterien oder Parasiten.
    
Andererseits weisen die Vertreter einer physiologischen (symptomatischen, funktionalistischen) Krankheitskonzeption<ref>das Gegensatzpaar ontologisch-physiologisch wurde von Henry Cohen (1961, S. 160) auch als der Gegensatz platonisch, realistisch, rationalistisch zu hippokratisch, nominalistisch, empiristisch bezeichnet</ref> darauf hin, dass sich Krankheiten wesentlich komplexer darstellen können als dies in ontologischen Konzepten zum Ausdruck kommt. Sie sind demnach nicht nur multifaktoriell, sondern auch multidimensional. Genetische, metabolische, individuelle, soziale und psychologische Einflüsse und Auswirkungen könnten allerdings nur schlecht als allgemeine Entität abgebildet werden.<ref>[[H. Tristram Engelhardt, Jr.]]: ''Die Begriffe 'Gesundheit' und 'Krankheit'.'' In: Thomas Schramme: ''Krankheitstheorien.'' Suhrkamp, Berlin 2012, S. 52.</ref>
 
Andererseits weisen die Vertreter einer physiologischen (symptomatischen, funktionalistischen) Krankheitskonzeption<ref>das Gegensatzpaar ontologisch-physiologisch wurde von Henry Cohen (1961, S. 160) auch als der Gegensatz platonisch, realistisch, rationalistisch zu hippokratisch, nominalistisch, empiristisch bezeichnet</ref> darauf hin, dass sich Krankheiten wesentlich komplexer darstellen können als dies in ontologischen Konzepten zum Ausdruck kommt. Sie sind demnach nicht nur multifaktoriell, sondern auch multidimensional. Genetische, metabolische, individuelle, soziale und psychologische Einflüsse und Auswirkungen könnten allerdings nur schlecht als allgemeine Entität abgebildet werden.<ref>[[H. Tristram Engelhardt, Jr.]]: ''Die Begriffe 'Gesundheit' und 'Krankheit'.'' In: Thomas Schramme: ''Krankheitstheorien.'' Suhrkamp, Berlin 2012, S. 52.</ref>
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=== Nosologie ===
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===Nosologie===
 
Der gegenwärtigen Medizin liegen verschiedene Krankheitsbegriffe zugrunde. In Anlehnung an den ontologischen Krankheitsbegriff ist heute ein pragmatisch verwendeter Ordnungs- und Funktionsbegriff vorherrschend. Eine Krankheit ist in diesem Sinn nicht nur eine von anderen getrennte Einheit, es besteht damit die Hoffnung auf diese Weise eine eindeutige, geschlossene und systematische Abdeckung aller möglichen Krankheitsbilder zu erreichen. Nur auf diese Weise ist es sinnvoll von einer [[Nosologie]], einer Systematik der Krankheitseinheiten zu sprechen.<ref>Wolfgang Wieland: ''Diagnose. Überlegungen zur Medizintheorie.'' de Gruyter, Berlin/ New York 1975, S. 100ff. insb. S. 110.</ref> Idealtypisch für diese substantielle Einteilung sind die [[Infektionskrankheit]]en, welche oft leicht durch spezielle Untersuchungen gegeneinander abgrenzbar sind. Die Bezeichnung erfolgt dann in der Regel anhand des Krankheitserregers, der dann vereinfacht als kausale Ursache betrachtet wird. Neben diesem [[Ätiologie (Medizin)|ätiologischen]] Verständnis von Krankheit ist auch ein symptomatisches Verständnis Teil der aktuellen Krankheitseinteilungen. Beispielsweise können [[systemische Erkrankung]]en oder [[funktionelle Syndrome]] oft nur schwer diagnostiziert und trennscharf gegeneinander abgegrenzt werden. Eine Krankheitseinheit ist dann eine funktionale oder fiktionale Entität.
 
Der gegenwärtigen Medizin liegen verschiedene Krankheitsbegriffe zugrunde. In Anlehnung an den ontologischen Krankheitsbegriff ist heute ein pragmatisch verwendeter Ordnungs- und Funktionsbegriff vorherrschend. Eine Krankheit ist in diesem Sinn nicht nur eine von anderen getrennte Einheit, es besteht damit die Hoffnung auf diese Weise eine eindeutige, geschlossene und systematische Abdeckung aller möglichen Krankheitsbilder zu erreichen. Nur auf diese Weise ist es sinnvoll von einer [[Nosologie]], einer Systematik der Krankheitseinheiten zu sprechen.<ref>Wolfgang Wieland: ''Diagnose. Überlegungen zur Medizintheorie.'' de Gruyter, Berlin/ New York 1975, S. 100ff. insb. S. 110.</ref> Idealtypisch für diese substantielle Einteilung sind die [[Infektionskrankheit]]en, welche oft leicht durch spezielle Untersuchungen gegeneinander abgrenzbar sind. Die Bezeichnung erfolgt dann in der Regel anhand des Krankheitserregers, der dann vereinfacht als kausale Ursache betrachtet wird. Neben diesem [[Ätiologie (Medizin)|ätiologischen]] Verständnis von Krankheit ist auch ein symptomatisches Verständnis Teil der aktuellen Krankheitseinteilungen. Beispielsweise können [[systemische Erkrankung]]en oder [[funktionelle Syndrome]] oft nur schwer diagnostiziert und trennscharf gegeneinander abgegrenzt werden. Eine Krankheitseinheit ist dann eine funktionale oder fiktionale Entität.
    
Insgesamt lassen sich für heutige Nosologien fünf Kriterien zur Einteilung von Krankheiten unterscheiden:<ref>Peter Hucklenbroich: ''Die Wissenschaftstheorie des Krankheitsbegriffes.'' In: Thomas Schramme: ''Krankheitstheorien.'' Suhrkamp, Berlin 2012, S. 156ff.</ref>
 
Insgesamt lassen sich für heutige Nosologien fünf Kriterien zur Einteilung von Krankheiten unterscheiden:<ref>Peter Hucklenbroich: ''Die Wissenschaftstheorie des Krankheitsbegriffes.'' In: Thomas Schramme: ''Krankheitstheorien.'' Suhrkamp, Berlin 2012, S. 156ff.</ref>
* ätiologisch nach der Erstursache
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* nach den potentiell betroffenen Patientengruppen (Epidemiologie)
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*ätiologisch nach der Erstursache
* lokalisierte, pathologische (Organ-)Veränderungen, [[Morphologie (Biologie)|morphologische]] oder [[Topographische Anatomie|topographisch-anatomische]] Veränderungen
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*nach den potentiell betroffenen Patientengruppen (Epidemiologie)
* spezifische Pathogenese, die regelhaft zu Syndromen führt; funktionale Veränderungen
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*lokalisierte, pathologische (Organ-)Veränderungen, [[Morphologie (Biologie)|morphologische]] oder [[Topographische Anatomie|topographisch-anatomische]] Veränderungen
* nach der Zeitcharakteristik mit einer typischen Abfolge der Krankheitszeichen.
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*spezifische Pathogenese, die regelhaft zu Syndromen führt; funktionale Veränderungen
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*nach der Zeitcharakteristik mit einer typischen Abfolge der Krankheitszeichen.
    
Die Hoffnung ist dabei, die Krankheits[[entität]]en soweit zu strukturieren, dass ein geschlossenes und einheitliches System entsteht, das sich auch als Erklärungsmodell für Krankheiten eignet. In der Praxis wurden in dieser Hinsicht in vielen Fällen schon Fortschritte erreicht. Dennoch bleiben viele medizintheoretische Fragen offen. Diese betreffen unter anderem den wissenschaftstheoretischen Status der Kriterien oder die Möglichkeit einer naturalistischen Auffassung von Krankheitsklassifikationen. Die Frage ist, ob es eine natürliche Einteilung wie bei den Elementen in der Chemie oder den Arten in der Biologie gibt. Für die Erstellung und Weiterentwicklung von sogenannten [[Diagnoseklassifikationssystem]]en bleibt zu klären, ob es neben den praktischen auch theoretische Modelle gibt. So wird die Aufnahme einer Krankheit in den [[Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme|ICD]] durch Expertenabstimmung bestimmt und nicht anhand von theoretischen Modellen. Es gibt auch Ansätze die Krankheitsdefinitionen mithilfe der [[Fuzzylogik]] zu bestimmen.
 
Die Hoffnung ist dabei, die Krankheits[[entität]]en soweit zu strukturieren, dass ein geschlossenes und einheitliches System entsteht, das sich auch als Erklärungsmodell für Krankheiten eignet. In der Praxis wurden in dieser Hinsicht in vielen Fällen schon Fortschritte erreicht. Dennoch bleiben viele medizintheoretische Fragen offen. Diese betreffen unter anderem den wissenschaftstheoretischen Status der Kriterien oder die Möglichkeit einer naturalistischen Auffassung von Krankheitsklassifikationen. Die Frage ist, ob es eine natürliche Einteilung wie bei den Elementen in der Chemie oder den Arten in der Biologie gibt. Für die Erstellung und Weiterentwicklung von sogenannten [[Diagnoseklassifikationssystem]]en bleibt zu klären, ob es neben den praktischen auch theoretische Modelle gibt. So wird die Aufnahme einer Krankheit in den [[Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme|ICD]] durch Expertenabstimmung bestimmt und nicht anhand von theoretischen Modellen. Es gibt auch Ansätze die Krankheitsdefinitionen mithilfe der [[Fuzzylogik]] zu bestimmen.
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=== Gesundheit ===
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===Gesundheit===
 
Oft zitiert wird die Gesundheitsdefinition der [[Weltgesundheitsorganisation|Weltgesundheitsorganisation (WHO)]]:
 
Oft zitiert wird die Gesundheitsdefinition der [[Weltgesundheitsorganisation|Weltgesundheitsorganisation (WHO)]]:
 
{{Zitat|Ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen}}
 
{{Zitat|Ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen}}
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Diese Definition zeigt eine besondere Hochschätzung der Gesundheit, welche auch kritisiert wird.<ref>[[Dietrich von Engelhardt]]: ''Krankheit, Schmerz und Lebenskunst. Eine Kulturgeschichte der Körpererfahrung.'' Beck, München 1999, S. 88.</ref> Zum einen wird Gesundheit mit Wohlergehen gleichgesetzt, ohne damit einen Mehrwert in der begrifflichen Bestimmung zu erreichen. Die geforderte „Vollständigkeit“ des Wohlergehens sehen Kritiker zudem als ein realitätsfernes Ideal. In der Medizintheorie wird weiterhin der Umstand thematisiert, dass durch diese Definition alle sozialen Probleme und Defizite medizinisch gedeutet werden sollen. Das führe zu einer Überbewertung der Medizin und ihrer Möglichkeiten.<ref>Daniel Callahan: ''Die Gesundheitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation.'' In: Thomas Schramme: ''Krankheitstheorien.'' Suhrkamp, Berlin 2012, S. 191–204.</ref>
 
Diese Definition zeigt eine besondere Hochschätzung der Gesundheit, welche auch kritisiert wird.<ref>[[Dietrich von Engelhardt]]: ''Krankheit, Schmerz und Lebenskunst. Eine Kulturgeschichte der Körpererfahrung.'' Beck, München 1999, S. 88.</ref> Zum einen wird Gesundheit mit Wohlergehen gleichgesetzt, ohne damit einen Mehrwert in der begrifflichen Bestimmung zu erreichen. Die geforderte „Vollständigkeit“ des Wohlergehens sehen Kritiker zudem als ein realitätsfernes Ideal. In der Medizintheorie wird weiterhin der Umstand thematisiert, dass durch diese Definition alle sozialen Probleme und Defizite medizinisch gedeutet werden sollen. Das führe zu einer Überbewertung der Medizin und ihrer Möglichkeiten.<ref>Daniel Callahan: ''Die Gesundheitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation.'' In: Thomas Schramme: ''Krankheitstheorien.'' Suhrkamp, Berlin 2012, S. 191–204.</ref>
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== Medizinethik ==
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==Medizinethik==
 
{{Hauptartikel|Medizinethik}}
 
{{Hauptartikel|Medizinethik}}
 
Die ärztliche Praxis wurde seit der griechischen Antike immer auch von medizinethischen Überlegungen und Anweisungen begleitet und mitbestimmt. So ist ein zentrales Element der medizinischen Ethik in der westlichen Welt bis heute der sogenannte [[Eid des Hippokrates]]. Er umfasst Leitlinien für die Ärzteausbildung, dem [[Patient-Arzt-Beziehung|Arzt-Patienten-Verhältnis]] und den Aspekten ärztlichen Handelns, beschreibt aber andererseits ein rein [[Paternalismus|paternalistisches]] Arzt-Patienten-Verhältnis, welches die [[Patientenautonomie]] nicht berücksichtigt.<ref>Urban Wiesing (Hrsg.): ''Medizinethik.'' Reclam Verlag, Stuttgart 2005, S. 38ff.</ref> Medizinethische Schriften finden sich im christlichen Mittelalter ebenso wie in der Renaissance. Paracelsus formuliert für die Medizinethik eine Zweiteilung in eine Erkenntnisethik und eine Handlungsethik, welche sich bis heute gehalten hat. 1803 veröffentlichte [[Thomas Percival]] seine einflussreichen ''Medical ethics'' die neben dem Arzt-Patienten-Verhältnis das Verhältnis der Ärzteschaft untereinander und auch gegenüber der Öffentlichkeit regelt. Zum ersten Mal werden hier aber auch der Gesellschaft und dem Patienten [[Deontologische Ethik|Pflichten]] auferlegt.
 
Die ärztliche Praxis wurde seit der griechischen Antike immer auch von medizinethischen Überlegungen und Anweisungen begleitet und mitbestimmt. So ist ein zentrales Element der medizinischen Ethik in der westlichen Welt bis heute der sogenannte [[Eid des Hippokrates]]. Er umfasst Leitlinien für die Ärzteausbildung, dem [[Patient-Arzt-Beziehung|Arzt-Patienten-Verhältnis]] und den Aspekten ärztlichen Handelns, beschreibt aber andererseits ein rein [[Paternalismus|paternalistisches]] Arzt-Patienten-Verhältnis, welches die [[Patientenautonomie]] nicht berücksichtigt.<ref>Urban Wiesing (Hrsg.): ''Medizinethik.'' Reclam Verlag, Stuttgart 2005, S. 38ff.</ref> Medizinethische Schriften finden sich im christlichen Mittelalter ebenso wie in der Renaissance. Paracelsus formuliert für die Medizinethik eine Zweiteilung in eine Erkenntnisethik und eine Handlungsethik, welche sich bis heute gehalten hat. 1803 veröffentlichte [[Thomas Percival]] seine einflussreichen ''Medical ethics'' die neben dem Arzt-Patienten-Verhältnis das Verhältnis der Ärzteschaft untereinander und auch gegenüber der Öffentlichkeit regelt. Zum ersten Mal werden hier aber auch der Gesellschaft und dem Patienten [[Deontologische Ethik|Pflichten]] auferlegt.
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Vertreter einer [[Anthropologische Medizin|anthropologischen Medizin]] wie [[Karl Jaspers]], Viktor von Weizsäcker oder [[Viktor Emil von Gebsattel]] bauen eine Medizinethik dagegen auf den Charakteristiken einer zeitgemäßen Arztpersönlichkeit auf.<ref>Dietrich von Engelhardt, Heinrich Schipperges: ''Die inneren Verbindungen zwischen Philosophie und Medizin im 20. Jahrhundert.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980, S. 88.</ref>
 
Vertreter einer [[Anthropologische Medizin|anthropologischen Medizin]] wie [[Karl Jaspers]], Viktor von Weizsäcker oder [[Viktor Emil von Gebsattel]] bauen eine Medizinethik dagegen auf den Charakteristiken einer zeitgemäßen Arztpersönlichkeit auf.<ref>Dietrich von Engelhardt, Heinrich Schipperges: ''Die inneren Verbindungen zwischen Philosophie und Medizin im 20. Jahrhundert.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980, S. 88.</ref>
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== Die Medizintheorie in Wissenschaft und Gesellschaft ==
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==Die Medizintheorie in Wissenschaft und Gesellschaft==
 
Eine ''weltweite'' Philosophie der Medizin ist erst im Entstehen. Beispielsweise wurden die Diskussionen in Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen dem Positivismus und Neovitalismus in den USA kaum beachtet. Umgekehrt ist die amerikanische Medizintheorie heute stärker institutionalisiert als die europäische. Daneben gibt es weltweit erhebliche ethnologische und kulturelle Differenzen in den Inhalten und Methoden der Medizintheorie.
 
Eine ''weltweite'' Philosophie der Medizin ist erst im Entstehen. Beispielsweise wurden die Diskussionen in Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen dem Positivismus und Neovitalismus in den USA kaum beachtet. Umgekehrt ist die amerikanische Medizintheorie heute stärker institutionalisiert als die europäische. Daneben gibt es weltweit erhebliche ethnologische und kulturelle Differenzen in den Inhalten und Methoden der Medizintheorie.
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=== Forschung und Lehre ===
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===Forschung und Lehre===
 
Im damaligen [[Preußen]] wurde 1861 das verbindliche „Tentamen [[Philosophikum]]“ im Medizinstudium durch das „Tentamen [[Physikum]]“ ersetzt. Seit einigen Jahren wird an mehreren bundesdeutschen Hochschulen wieder ein Wahlfach im Rahmen eines Medizinstudiums angeboten.<ref>Zum Beispiel: Bamberg, 2013; Würzburg 2010, Gießen</ref> In den deutschsprachigen Ländern ist seit über 100 Jahren [[Geschichte der Medizin|Medizingeschichte]] als Teil der Medizinerausbildung in Forschung und Lehre etabliert. Das erste medizinhistorische Institut entstand um 1906 in Leipzig.<ref>Stefan Schulz: ''Medizingeschichte(n).'' In: Schulz, Steigleder, Fangerau, Paul: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 2012, S. 46.</ref> Schon zu Beginn der medizinhistorischen Forschung und Lehre stand der Wunsch nach stärkerer Nähe zu den Geisteswissenschaften und insbesondere der Ethik. Zum Wintersemester 2003/2004 wurde in Deutschland das Wahlpflichtfach „Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin“ (GTE) in das Medizinstudium aufgenommen. Seitdem gibt es an vielen deutschen Hochschulen mit medizinischer Fakultät ein gleichnamiges Institut.
 
Im damaligen [[Preußen]] wurde 1861 das verbindliche „Tentamen [[Philosophikum]]“ im Medizinstudium durch das „Tentamen [[Physikum]]“ ersetzt. Seit einigen Jahren wird an mehreren bundesdeutschen Hochschulen wieder ein Wahlfach im Rahmen eines Medizinstudiums angeboten.<ref>Zum Beispiel: Bamberg, 2013; Würzburg 2010, Gießen</ref> In den deutschsprachigen Ländern ist seit über 100 Jahren [[Geschichte der Medizin|Medizingeschichte]] als Teil der Medizinerausbildung in Forschung und Lehre etabliert. Das erste medizinhistorische Institut entstand um 1906 in Leipzig.<ref>Stefan Schulz: ''Medizingeschichte(n).'' In: Schulz, Steigleder, Fangerau, Paul: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 2012, S. 46.</ref> Schon zu Beginn der medizinhistorischen Forschung und Lehre stand der Wunsch nach stärkerer Nähe zu den Geisteswissenschaften und insbesondere der Ethik. Zum Wintersemester 2003/2004 wurde in Deutschland das Wahlpflichtfach „Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin“ (GTE) in das Medizinstudium aufgenommen. Seitdem gibt es an vielen deutschen Hochschulen mit medizinischer Fakultät ein gleichnamiges Institut.
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=== Veröffentlichungen und Konferenzen ===
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===Veröffentlichungen und Konferenzen===
 
Mehrere internationale Zeitschriften zum Thema Philosophie der Medizin werden verlegt, wie das ''[[Journal for Medicine and Philosophy]]'' und ''[[Theoretical Medicine]]''.<ref>Als ''Metamed'' 1977 gegründet, danach in ''Metamedicine'' ungenannt.</ref> 1987 wurde in Holland die ''[[European Society for Philosophy of Medicine and Healthcare]]'' gegründet, von der Konferenzen zum Thema organisiert werden und die Zeitschrift ''[[Medicine, Health Care and Philosophy]]'' herausgegeben wird.
 
Mehrere internationale Zeitschriften zum Thema Philosophie der Medizin werden verlegt, wie das ''[[Journal for Medicine and Philosophy]]'' und ''[[Theoretical Medicine]]''.<ref>Als ''Metamed'' 1977 gegründet, danach in ''Metamedicine'' ungenannt.</ref> 1987 wurde in Holland die ''[[European Society for Philosophy of Medicine and Healthcare]]'' gegründet, von der Konferenzen zum Thema organisiert werden und die Zeitschrift ''[[Medicine, Health Care and Philosophy]]'' herausgegeben wird.
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=== Aktuelle wissenschaftstheoretische Paradigmen in der Medizin ===
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===Aktuelle wissenschaftstheoretische Paradigmen in der Medizin===
 
Wie schon in der gesamten europäischen Medizingeschichte existieren auch heute mehrere Medizinkonzepte parallel. So gibt es unterschiedliche [[Menschenbild]]er und [[Organismus]]modelle. Diese sind wiederum verbunden mit verschiedenen diagnostischen und therapeutischen Ansätzen.<ref>Urban Wiesing: ''Wer heilt, hat Recht?'' Schattauer, Stuttgart 2004, S. 22/33; Urban Wiesing nimmt die [http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/20130628-MWBO_V6.pdf Musterweiterbildungsordnung] der Bundesärztekammer als Beleg der institutionalisierten Pluralität in der bundesdeutschen Medizin.</ref><ref>Robert Jütte (2008, S. 393) verweist für dieselbe Argumentation auf das [[Arzneimittelgesetz (Deutschland)|Arzneimittelgesetz]] von 1976.</ref>
 
Wie schon in der gesamten europäischen Medizingeschichte existieren auch heute mehrere Medizinkonzepte parallel. So gibt es unterschiedliche [[Menschenbild]]er und [[Organismus]]modelle. Diese sind wiederum verbunden mit verschiedenen diagnostischen und therapeutischen Ansätzen.<ref>Urban Wiesing: ''Wer heilt, hat Recht?'' Schattauer, Stuttgart 2004, S. 22/33; Urban Wiesing nimmt die [http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/20130628-MWBO_V6.pdf Musterweiterbildungsordnung] der Bundesärztekammer als Beleg der institutionalisierten Pluralität in der bundesdeutschen Medizin.</ref><ref>Robert Jütte (2008, S. 393) verweist für dieselbe Argumentation auf das [[Arzneimittelgesetz (Deutschland)|Arzneimittelgesetz]] von 1976.</ref>
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==== Naturwissenschaftlich orientierte Medizin ====
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====Naturwissenschaftlich orientierte Medizin====
 
Das in der westlichen Welt entwickelte und heute in fast allen Staaten vorherrschende medizinische Modell ist das biomechanische, das biomedizinische Modell oder das Defekt-Reparatur-Modell. Der Arzt versucht hierbei den kranken Teil des Körpers des Patienten zu identifizieren, zu behandeln und gegebenenfalls zu entfernen oder zu ersetzen. Mit Hilfe vieler Methoden und Technologien aus den Naturwissenschaften und ihrer technischen Anwendungen bestehen heute bedeutende Möglichkeiten der Beherrschung von biologischen Funktionen und der chirurgischen Intervention. Der Arzt verfolgt in der Behandlung das Ideal einer objektiven Sicht („''emotially detached concern''“). Diese Distanzierung als Teil der Arzt-Patienten-Beziehung ist ein zentrales Thema in der Medizintheorie und Ansatzpunkt einer Erweiterung des biomedizinischen Modells um humanwissenschaftliche Elemente. Weiterhin gilt der immer höhere Technikeinsatz und Ressourcenverbrauch als begrenzendes Element des biomechanischen Modells.
 
Das in der westlichen Welt entwickelte und heute in fast allen Staaten vorherrschende medizinische Modell ist das biomechanische, das biomedizinische Modell oder das Defekt-Reparatur-Modell. Der Arzt versucht hierbei den kranken Teil des Körpers des Patienten zu identifizieren, zu behandeln und gegebenenfalls zu entfernen oder zu ersetzen. Mit Hilfe vieler Methoden und Technologien aus den Naturwissenschaften und ihrer technischen Anwendungen bestehen heute bedeutende Möglichkeiten der Beherrschung von biologischen Funktionen und der chirurgischen Intervention. Der Arzt verfolgt in der Behandlung das Ideal einer objektiven Sicht („''emotially detached concern''“). Diese Distanzierung als Teil der Arzt-Patienten-Beziehung ist ein zentrales Thema in der Medizintheorie und Ansatzpunkt einer Erweiterung des biomedizinischen Modells um humanwissenschaftliche Elemente. Weiterhin gilt der immer höhere Technikeinsatz und Ressourcenverbrauch als begrenzendes Element des biomechanischen Modells.
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==== Paradigma der molekularen Medizin ====
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====Paradigma der molekularen Medizin====
 
In den 1960er Jahren hat ein Paradigmenwechsel von der [[Medizinische Mikrobiologie|medizinischen Mikrobiologie]] hin zur molekularen Medizin stattgefunden. [[Gen]]e werden seitdem als die eigentlichen Bausteine des Organismus betrachtet, ihre Erforschung mit den Methoden der [[Molekularbiologie]] und [[Zellbiologie]] soll letztlich helfen alle physiologischen und pathologischen Prozesse und Strukturen zu erkennen.<ref>Norbert W. Paul: ''Medizintheoretische Aspekte medizinischer Forschung.'' In: Stefan Schulz, Klaus Steigleder, Heiner Fangerau: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Suhrkamp, 2013, S. 271.</ref> Krankheiten werden immer öfter als Fehler in den genetischen und informationsverarbeitenden Prozessen beschrieben. In der Medizintheorie stellt sich die Frage, ob dies auch zu einem anderen medizinischen Ansatz führt, denn traditionell beschäftigt sich die Humanmedizin mit dem [[Phänotyp]] (dem Menschen in seiner Erscheinung) und nicht mit dem [[Genotyp]].
 
In den 1960er Jahren hat ein Paradigmenwechsel von der [[Medizinische Mikrobiologie|medizinischen Mikrobiologie]] hin zur molekularen Medizin stattgefunden. [[Gen]]e werden seitdem als die eigentlichen Bausteine des Organismus betrachtet, ihre Erforschung mit den Methoden der [[Molekularbiologie]] und [[Zellbiologie]] soll letztlich helfen alle physiologischen und pathologischen Prozesse und Strukturen zu erkennen.<ref>Norbert W. Paul: ''Medizintheoretische Aspekte medizinischer Forschung.'' In: Stefan Schulz, Klaus Steigleder, Heiner Fangerau: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Suhrkamp, 2013, S. 271.</ref> Krankheiten werden immer öfter als Fehler in den genetischen und informationsverarbeitenden Prozessen beschrieben. In der Medizintheorie stellt sich die Frage, ob dies auch zu einem anderen medizinischen Ansatz führt, denn traditionell beschäftigt sich die Humanmedizin mit dem [[Phänotyp]] (dem Menschen in seiner Erscheinung) und nicht mit dem [[Genotyp]].
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==== Das biopsychosoziale Modell ====
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====Das biopsychosoziale Modell====
 
{{Hauptartikel|Biopsychosoziale Medizin}}
 
{{Hauptartikel|Biopsychosoziale Medizin}}
 
Das [[biopsychosoziale Krankheitsmodell]] wurde Ende der 1970er Jahre von [[George L. Engel]] entwickelt. Es gilt heute als das wichtigste und bekannteste Modell, welches biologische, psychologische und soziale Faktoren in eine strukturierte Modellierung des Krankheitsgeschehen einbezieht. Eine Krankheit stellt sich dann ein, wenn der Organismus die Fähigkeit der Selbstregulierung verliert. In dieser [[Systemtheorie|systemtheoretischen]] Betrachtung gibt im Hinblick auf die Krankheitsursachen keinen Unterschied zwischen Körper und Psyche. Vertreter des biopsychosozialen Krankheitsmodells sehen darin insbesondere eine Abgrenzung zur traditionellen Psychosomatik, die teils körperliche Beschwerden eindeutig auf psychische Ursachen zurückführt. Ausschlaggebend für die Heilung ist es die Selbstregulierung (auf allen Ebenen) wiederherzustellen. Das biopsychosoziale Modell liefert somit eine theoretische Basis, um Krankheit und Gesundheit als dynamisches Zusammenspiel vieler Einflussgrößen zu betrachten. Die Ursprünge des Modells liegen deshalb weniger in der Psychosomatik, sondern neben der Systemtheorie in der Psychiatrie, der [[Medizinsoziologie]] und der [[Neuropsychologie]].<ref>James A. Marcum: ''An Introductory Philosophy of Medicine.'' Springer, London 2008, S. 20.</ref> Auch die psychosomatische Medizin wird heute meist als biopsychosoziale Medizin im Sinne von George L. Engel, Thure von Uexküll und Wolfgang Wesiak verstanden. Einfache Wirkungszusammenhänge zwischen Körper und Geist spielen in der Theorie und Praxis kaum eine Rolle.
 
Das [[biopsychosoziale Krankheitsmodell]] wurde Ende der 1970er Jahre von [[George L. Engel]] entwickelt. Es gilt heute als das wichtigste und bekannteste Modell, welches biologische, psychologische und soziale Faktoren in eine strukturierte Modellierung des Krankheitsgeschehen einbezieht. Eine Krankheit stellt sich dann ein, wenn der Organismus die Fähigkeit der Selbstregulierung verliert. In dieser [[Systemtheorie|systemtheoretischen]] Betrachtung gibt im Hinblick auf die Krankheitsursachen keinen Unterschied zwischen Körper und Psyche. Vertreter des biopsychosozialen Krankheitsmodells sehen darin insbesondere eine Abgrenzung zur traditionellen Psychosomatik, die teils körperliche Beschwerden eindeutig auf psychische Ursachen zurückführt. Ausschlaggebend für die Heilung ist es die Selbstregulierung (auf allen Ebenen) wiederherzustellen. Das biopsychosoziale Modell liefert somit eine theoretische Basis, um Krankheit und Gesundheit als dynamisches Zusammenspiel vieler Einflussgrößen zu betrachten. Die Ursprünge des Modells liegen deshalb weniger in der Psychosomatik, sondern neben der Systemtheorie in der Psychiatrie, der [[Medizinsoziologie]] und der [[Neuropsychologie]].<ref>James A. Marcum: ''An Introductory Philosophy of Medicine.'' Springer, London 2008, S. 20.</ref> Auch die psychosomatische Medizin wird heute meist als biopsychosoziale Medizin im Sinne von George L. Engel, Thure von Uexküll und Wolfgang Wesiak verstanden. Einfache Wirkungszusammenhänge zwischen Körper und Geist spielen in der Theorie und Praxis kaum eine Rolle.
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==== Evidenzbasierte Medizin ====
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====Evidenzbasierte Medizin====
 
Die sogenannte [[Evidenzbasierte Medizin]] (EbM) ist ein Ansatz, der versucht, für eine individuelle medizinische Behandlung die wirksamste Therapie zur Verfügung zu stellen. Dazu sollen einerseits medizinische Forschungsstudien mit einer möglichst hohen [[Evidenzklasse]] für möglichst alle verfügbaren Therapien (und Arzneien) durchgeführt werden. Andererseits sollen diese Studien dann in Metastudien ausgewertet werden, um letztlich Empfehlungen für den klinischen Einsatz abgeben zu können. Aus wissenschaftstheoretischer Sicht gehört eine Überprüfung der Hypothesen und Theorien zu jeder wissenschaftlichen, empirisch-analytischen Forschung. Insofern ist die EbM kein neuer Ansatz. Ihr Aufkommen Ende des 20. Jahrhunderts liegt vielmehr an dem weitgehend erfolglosen Versuch, die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse für viele Erkrankungen in wirksame und vor allem [[rationelle Therapie]]n umzusetzen. Die Stärken und Zielsetzungen der evidenzbasierten Medizin liegen dagegen eher im organisatorischen und wirtschaftlichen Bereich.
 
Die sogenannte [[Evidenzbasierte Medizin]] (EbM) ist ein Ansatz, der versucht, für eine individuelle medizinische Behandlung die wirksamste Therapie zur Verfügung zu stellen. Dazu sollen einerseits medizinische Forschungsstudien mit einer möglichst hohen [[Evidenzklasse]] für möglichst alle verfügbaren Therapien (und Arzneien) durchgeführt werden. Andererseits sollen diese Studien dann in Metastudien ausgewertet werden, um letztlich Empfehlungen für den klinischen Einsatz abgeben zu können. Aus wissenschaftstheoretischer Sicht gehört eine Überprüfung der Hypothesen und Theorien zu jeder wissenschaftlichen, empirisch-analytischen Forschung. Insofern ist die EbM kein neuer Ansatz. Ihr Aufkommen Ende des 20. Jahrhunderts liegt vielmehr an dem weitgehend erfolglosen Versuch, die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse für viele Erkrankungen in wirksame und vor allem [[rationelle Therapie]]n umzusetzen. Die Stärken und Zielsetzungen der evidenzbasierten Medizin liegen dagegen eher im organisatorischen und wirtschaftlichen Bereich.
    
In der Medizintheorie wird dagegen die Fokussierung der EbM auf die Empirie besonders beachtet. Das gesammelte Wissen über die Wirksamkeit von Medikamenten und Therapien ermöglicht zwar eine gute Vergleichbarkeit der Therapien, aber keine Erklärungen über ihre Wirkungsweise. Die den Therapien zugrundeliegenden Modelle und Theorien sind für den Ansatz der EbM somit nachrangig. Vertreter der EbM erkennen ebenso die Pluralität der Medizinkonzepte und der Ziele ärztlichen Handelns (Verbesserung des Gesundheitszustandes, Verkürzung der Krankheitsdauer, Verlängerung der Lebensdauer, Verringerung der Nebenwirkungen, Verbesserung der Lebensqualität) an. Es ist dabei aber umstritten, inwieweit es sinnvoll und rational ist, die erkenntnistheoretischen und methodologischen Maßstäbe der EbM auch auf andere Medizinkonzepte mit anderen methodischen und evaluativen Maßstäben anzuwenden.<ref>Daniel Strech: ''Verdeckter Pluralismus der Werturteile in der medizinischen Nutzen-Evaluation.'' In: Susanne Michl, Thomas Potthast, Urban Wiesing (Hrsg.): ''Pluralität in der Medizin.'' Karl Alber, München 2008, S. 11.</ref> Auch existiert eine Diskrepanz zwischen den retrospektiven Metastudien und dem prospektiven Einzelfall. Die Urteilskraft des Arztes, die sogenannte interne Evidenz, wird durch diesen Umstand noch mehr gefordert. So würde durch die EbM auch bei sehr günstiger Studienlage nicht unbedingt die für den Patienten wirksamste Behandlung, sondern die am besten belegte, vorgeschlagen. Kritik gibt es auch aus medizinethischer Sicht. So wäre es schwer, die psychosoziale Situation eines Patienten mit Therapieempfehlungen aus Studien in Einklang zu bringen. Auch führe der Zwang zum ‚Goldstandard‘ in der Tendenz zu ethisch problematischen Studiendesigns.<ref>Monika Bobbert: ''‚Goldstandard‘ oder Methodenpluralität in der klinischen Forschung am Menschen.'' In: Susanne Michl, Thomas Potthast, Urban Wiesing (Hrsg.): ''Pluralität in der Medizin.'' Karl Alber, München 2008, S. 383.</ref>
 
In der Medizintheorie wird dagegen die Fokussierung der EbM auf die Empirie besonders beachtet. Das gesammelte Wissen über die Wirksamkeit von Medikamenten und Therapien ermöglicht zwar eine gute Vergleichbarkeit der Therapien, aber keine Erklärungen über ihre Wirkungsweise. Die den Therapien zugrundeliegenden Modelle und Theorien sind für den Ansatz der EbM somit nachrangig. Vertreter der EbM erkennen ebenso die Pluralität der Medizinkonzepte und der Ziele ärztlichen Handelns (Verbesserung des Gesundheitszustandes, Verkürzung der Krankheitsdauer, Verlängerung der Lebensdauer, Verringerung der Nebenwirkungen, Verbesserung der Lebensqualität) an. Es ist dabei aber umstritten, inwieweit es sinnvoll und rational ist, die erkenntnistheoretischen und methodologischen Maßstäbe der EbM auch auf andere Medizinkonzepte mit anderen methodischen und evaluativen Maßstäben anzuwenden.<ref>Daniel Strech: ''Verdeckter Pluralismus der Werturteile in der medizinischen Nutzen-Evaluation.'' In: Susanne Michl, Thomas Potthast, Urban Wiesing (Hrsg.): ''Pluralität in der Medizin.'' Karl Alber, München 2008, S. 11.</ref> Auch existiert eine Diskrepanz zwischen den retrospektiven Metastudien und dem prospektiven Einzelfall. Die Urteilskraft des Arztes, die sogenannte interne Evidenz, wird durch diesen Umstand noch mehr gefordert. So würde durch die EbM auch bei sehr günstiger Studienlage nicht unbedingt die für den Patienten wirksamste Behandlung, sondern die am besten belegte, vorgeschlagen. Kritik gibt es auch aus medizinethischer Sicht. So wäre es schwer, die psychosoziale Situation eines Patienten mit Therapieempfehlungen aus Studien in Einklang zu bringen. Auch führe der Zwang zum ‚Goldstandard‘ in der Tendenz zu ethisch problematischen Studiendesigns.<ref>Monika Bobbert: ''‚Goldstandard‘ oder Methodenpluralität in der klinischen Forschung am Menschen.'' In: Susanne Michl, Thomas Potthast, Urban Wiesing (Hrsg.): ''Pluralität in der Medizin.'' Karl Alber, München 2008, S. 383.</ref>
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==== Homöopathie ====
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====Homöopathie====
 
Der zeitgenössischen [[Homöopathie]] liegt ebenfalls kein einheitliches theoretisches Konzept zugrunde. Zum einen gibt es mehrere unterschiedliche Schulen, die teils sehr unterschiedliche Vorstellungen über ihre Theorien und Methoden besitzen, zum anderen ist die ursprüngliche Konzeption von [[Samuel Hahnemann]] nach heutigen wissenschaftstheoretischen Maßstäben nicht immer eindeutig. Ontologisch setzt Hahnemann eine „Lebenskraft“ voraus, über die sich jede Heilung vollzieht. Ob er diese aber eher [[substantialistisch]] oder eher instrumentalistisch deutet, ist umstritten. Die ausführliche [[Anamnese]] in der ''klassischen Homöopathie'' ist ein weiteres zentrales Element. Häufig wird diese Art der Arzt-Patienten-Beziehung auch als Teil des Wirkungszusammenhangs der Homöopathie betrachtet. Eine Besonderheit ist die Konzeption der Arzneimittelwirkung. Diese wird paradigmatisch vorausgesetzt. Die eigentliche Aufgabe des Homöopathen ist dann, die Merkmale des homöopathischen Arzneimittels („Arzneimittelbild“) auf die Merkmale des Patienten abzustimmen. Die abstrakten Krankheitsklassen des biomedizinischen Modells dienen nur als Orientierungshilfe. Die methodischen Grundlagen der Homöopathischen Medizin bestehen aus wesentlichen [[Phänomenologie|phänomenologischen]], [[Hermeneutik|hermeneutischen]]<ref>Heinz Eppenich: ''Die Wissenschaftlichkeit der Homöopathie.'' In: Thomas Genneper, Andreas Wegener: ''Lehrbuch Homöopathie: Grundlagen und Praxis der klassischen Homöopathie.'' Haug, 2010, S. 363.</ref> und dialektischen<ref>Walter Pieringer, Christian Fazekas: ''Grundzüge einer theoretischen Pathologie.'' In: Walter Pieringer, Franz Eibner (Hrsg.): ''Zur Philosophie der Medizin.'' Springer, Wien/ New York 2000, S. 81.</ref> Elementen.
 
Der zeitgenössischen [[Homöopathie]] liegt ebenfalls kein einheitliches theoretisches Konzept zugrunde. Zum einen gibt es mehrere unterschiedliche Schulen, die teils sehr unterschiedliche Vorstellungen über ihre Theorien und Methoden besitzen, zum anderen ist die ursprüngliche Konzeption von [[Samuel Hahnemann]] nach heutigen wissenschaftstheoretischen Maßstäben nicht immer eindeutig. Ontologisch setzt Hahnemann eine „Lebenskraft“ voraus, über die sich jede Heilung vollzieht. Ob er diese aber eher [[substantialistisch]] oder eher instrumentalistisch deutet, ist umstritten. Die ausführliche [[Anamnese]] in der ''klassischen Homöopathie'' ist ein weiteres zentrales Element. Häufig wird diese Art der Arzt-Patienten-Beziehung auch als Teil des Wirkungszusammenhangs der Homöopathie betrachtet. Eine Besonderheit ist die Konzeption der Arzneimittelwirkung. Diese wird paradigmatisch vorausgesetzt. Die eigentliche Aufgabe des Homöopathen ist dann, die Merkmale des homöopathischen Arzneimittels („Arzneimittelbild“) auf die Merkmale des Patienten abzustimmen. Die abstrakten Krankheitsklassen des biomedizinischen Modells dienen nur als Orientierungshilfe. Die methodischen Grundlagen der Homöopathischen Medizin bestehen aus wesentlichen [[Phänomenologie|phänomenologischen]], [[Hermeneutik|hermeneutischen]]<ref>Heinz Eppenich: ''Die Wissenschaftlichkeit der Homöopathie.'' In: Thomas Genneper, Andreas Wegener: ''Lehrbuch Homöopathie: Grundlagen und Praxis der klassischen Homöopathie.'' Haug, 2010, S. 363.</ref> und dialektischen<ref>Walter Pieringer, Christian Fazekas: ''Grundzüge einer theoretischen Pathologie.'' In: Walter Pieringer, Franz Eibner (Hrsg.): ''Zur Philosophie der Medizin.'' Springer, Wien/ New York 2000, S. 81.</ref> Elementen.
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==== Anthroposophie ====
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====Anthroposophie====
 
[[Rudolf Steiner]] legte die theoretisch-methodischen Grundlagen für die [[anthroposophische Medizin]] bereits in seinem philosophischen Frühwerk,<ref name="GA2">Rudolf Steiner: ''Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Berücksichtigung auf Schiller (1896).'' GA 2, 8. Auflage. Dornach 2003, ISBN 3-7274-0020-X. [http://fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=category&id=3:ga-2-grundlinien-einer-erkenntnistheorie-der-goeth&Itemid=2&layout=default (Volltext)]</ref><ref name="GA4">Rudolf Steiner: ''Die [[Philosophie der Freiheit]], Grundzüge einer modernen Weltanschauung, seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode.'' GA 4, 16. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1995, ISBN 3-7274-0040-4. (Taschenbuchausgabe TB 627, ISBN 3-7274-6271-X) [http://fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=category&id=1:ga-4-die-philosophie-der-freiheit&Itemid=2&layout=default (Volltext)]</ref> wobei er an [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] naturwissenschaftliche Forschungsart und die Philosophie des [[Deutscher Idealismus|deutschen Idealismus]] anknüpfte. So begründete er [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretisch]] einen empirischen, ontologisch [[Objektiver Idealismus|objektiven Idealismus]] mit einem [[Wirklichkeit]]sbegriff, der die Seinsbereiche [[Materie]], [[Leben]], [[Seele]] und [[Geist]] in [[Mensch]] und [[Natur]] einerseits voneinander unterscheidet, sie aber andererseits auch in einer Gesamtauffassung miteinander verbindet, ohne sie [[Reduktionismus|reduktionistisch]] aufeinander beziehen zu müssen.<ref name="Heusser2010">[[Peter Heusser]]: ''Anthroposophische Medizin und Wissenschaft. Beiträge zu einer integrativen medizinischen Anthropologie''. Schattauer Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-7945-2807-3 (Habilitationsschrift). Buchbesprechung hier: [[Helmut Kiene]]: ''Anthroposophische Medizin - Blick über den Tellerrand.'' In: ''Dtsch Arztebl.'' 108(48), 2011, S. A-2612/ B-2183/ C-2155 [http://www.aerzteblatt.de/archiv/115596/Anthroposophische-Medizin-Blick-ueber-den-Tellerrand (online)]</ref> Aufbauend auf diesem [[Universalienproblem|universalienrealistisch]] geprägten Wirklichkeitsverständnis entwickelte er die [[Anthroposophie]]<ref name="GA13">Rudolf Steiner: ''Die Geheimwissenschaft im Umriss.'' 1910. GA 13. 30. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach. 1989, ISBN 3-7274-0130-3. [http://www.fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=category&id=13:ga-13-die-geheimwissenschaft-im-umriss&Itemid=2&layout=default (Volltext)]</ref> und zeigte dann gegen Ende seines Lebens, wie diese die Praxis der verschiedensten Lebensfelder beeinflussen kann. So wandte er die Anthroposophie in den Jahren 1920–1925 auch auf die Medizin an.<ref>Vorträge für Ärzte und Medizinstudenten finden sich in den Bänden 312–319 der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe [http://www.fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=section&id=16&Itemid=15 (Volltext)]</ref><ref name="GA27">{{Literatur |Autor=Rudolf Steiner, Ita Wegman |Titel=Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen |Verlag=Rudolf Steiner Verlag |Ort=Dornach |Datum=1991 |JahrEA=1925}} [http://www.fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=category&id=26:ga-27-grundlegendes-fuer-eine-erweiterung-der-heilk&Itemid=2&layout=default (Volltext)]</ref>
 
[[Rudolf Steiner]] legte die theoretisch-methodischen Grundlagen für die [[anthroposophische Medizin]] bereits in seinem philosophischen Frühwerk,<ref name="GA2">Rudolf Steiner: ''Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Berücksichtigung auf Schiller (1896).'' GA 2, 8. Auflage. Dornach 2003, ISBN 3-7274-0020-X. [http://fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=category&id=3:ga-2-grundlinien-einer-erkenntnistheorie-der-goeth&Itemid=2&layout=default (Volltext)]</ref><ref name="GA4">Rudolf Steiner: ''Die [[Philosophie der Freiheit]], Grundzüge einer modernen Weltanschauung, seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode.'' GA 4, 16. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1995, ISBN 3-7274-0040-4. (Taschenbuchausgabe TB 627, ISBN 3-7274-6271-X) [http://fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=category&id=1:ga-4-die-philosophie-der-freiheit&Itemid=2&layout=default (Volltext)]</ref> wobei er an [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethes]] naturwissenschaftliche Forschungsart und die Philosophie des [[Deutscher Idealismus|deutschen Idealismus]] anknüpfte. So begründete er [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretisch]] einen empirischen, ontologisch [[Objektiver Idealismus|objektiven Idealismus]] mit einem [[Wirklichkeit]]sbegriff, der die Seinsbereiche [[Materie]], [[Leben]], [[Seele]] und [[Geist]] in [[Mensch]] und [[Natur]] einerseits voneinander unterscheidet, sie aber andererseits auch in einer Gesamtauffassung miteinander verbindet, ohne sie [[Reduktionismus|reduktionistisch]] aufeinander beziehen zu müssen.<ref name="Heusser2010">[[Peter Heusser]]: ''Anthroposophische Medizin und Wissenschaft. Beiträge zu einer integrativen medizinischen Anthropologie''. Schattauer Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-7945-2807-3 (Habilitationsschrift). Buchbesprechung hier: [[Helmut Kiene]]: ''Anthroposophische Medizin - Blick über den Tellerrand.'' In: ''Dtsch Arztebl.'' 108(48), 2011, S. A-2612/ B-2183/ C-2155 [http://www.aerzteblatt.de/archiv/115596/Anthroposophische-Medizin-Blick-ueber-den-Tellerrand (online)]</ref> Aufbauend auf diesem [[Universalienproblem|universalienrealistisch]] geprägten Wirklichkeitsverständnis entwickelte er die [[Anthroposophie]]<ref name="GA13">Rudolf Steiner: ''Die Geheimwissenschaft im Umriss.'' 1910. GA 13. 30. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach. 1989, ISBN 3-7274-0130-3. [http://www.fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=category&id=13:ga-13-die-geheimwissenschaft-im-umriss&Itemid=2&layout=default (Volltext)]</ref> und zeigte dann gegen Ende seines Lebens, wie diese die Praxis der verschiedensten Lebensfelder beeinflussen kann. So wandte er die Anthroposophie in den Jahren 1920–1925 auch auf die Medizin an.<ref>Vorträge für Ärzte und Medizinstudenten finden sich in den Bänden 312–319 der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe [http://www.fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=section&id=16&Itemid=15 (Volltext)]</ref><ref name="GA27">{{Literatur |Autor=Rudolf Steiner, Ita Wegman |Titel=Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen |Verlag=Rudolf Steiner Verlag |Ort=Dornach |Datum=1991 |JahrEA=1925}} [http://www.fvn-rs.net/index.php?option=com_content&view=category&id=26:ga-27-grundlegendes-fuer-eine-erweiterung-der-heilk&Itemid=2&layout=default (Volltext)]</ref>
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Mit den vier Seinsebenen in dem Menschen (und korrespondierend auch in der Natur) ist in der Anthroposophie gemeint:
 
Mit den vier Seinsebenen in dem Menschen (und korrespondierend auch in der Natur) ist in der Anthroposophie gemeint:
* Der ''physische Leib'', der den Gesetzen der [[Physik]] gehorcht und von der konventionellen [[Wissenschaft]] erforscht werden kann.
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* Der ''[[Ätherleib|ätherische Leib]]'', der –&nbsp;wie bei allen [[Lebewesen]]&nbsp;– als ein über das Physische hinausgehendes Organisationsprinzip besonderen Gesetzmäßigkeiten folgt, die dem Lebendigen („Ätherischen“) eigen sind. Die übersinnliche Erkenntnis dieses Ätherischen wird „Imagination“ genannt.
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*Der ''physische Leib'', der den Gesetzen der [[Physik]] gehorcht und von der konventionellen [[Wissenschaft]] erforscht werden kann.
* Der ''[[Astralleib#Moderne|astralische Leib]]'', der nur bei empfindenden oder beseelten Organismen, also bei [[Tier]]en, nicht aber bei [[Pflanzen]] vorhanden ist. Die zugehörige Erkenntnisstufe heißt „Inspiration“.
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*Der ''[[Ätherleib|ätherische Leib]]'', der –&nbsp;wie bei allen [[Lebewesen]]&nbsp;– als ein über das Physische hinausgehendes Organisationsprinzip besonderen Gesetzmäßigkeiten folgt, die dem Lebendigen („Ätherischen“) eigen sind. Die übersinnliche Erkenntnis dieses Ätherischen wird „Imagination“ genannt.
* Das ''[[Ich#Spiritueller Bereich|Ich]]'', die geistige [[Individualität]], die den Menschen über das Tierreich erhebt. Ein Ich hat jeder Mensch, als solches erkannt wird es jedoch erst durch die höchste Stufe der übersinnlichen Erkenntnis, die „Intuition“ (nicht zu verwechseln mit der herkömmlichen Bedeutung dieses Wortes).
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*Der ''[[Astralleib#Moderne|astralische Leib]]'', der nur bei empfindenden oder beseelten Organismen, also bei [[Tier]]en, nicht aber bei [[Pflanzen]] vorhanden ist. Die zugehörige Erkenntnisstufe heißt „Inspiration“.
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*Das ''[[Ich#Spiritueller Bereich|Ich]]'', die geistige [[Individualität]], die den Menschen über das Tierreich erhebt. Ein Ich hat jeder Mensch, als solches erkannt wird es jedoch erst durch die höchste Stufe der übersinnlichen Erkenntnis, die „Intuition“ (nicht zu verwechseln mit der herkömmlichen Bedeutung dieses Wortes).
    
Die vier von der Anthroposophie postulierten Seinsebenen seien also in ihrer eigentlichen Wesenheit nicht allein durch die [[sinnliche Wahrnehmung]], sondern nur durch eine [[Außersinnliche Wahrnehmung|„übersinnliche“ Wahrnehmung]] erkennbar. Die Fähigkeit hierzu könne durch eine besondere Schulung [[Meditation|meditativer]] Art erlangt werden, deren Methodik Steiner in verschiedenen Werken darlegte (siehe hierzu [[Anthroposophie#Schulungsweg|anthroposophischer Schulungsweg]]), oder im Einzelfall auch durch eine besondere Begabung vorhanden sein. Alle Seinsebenen durchdringen jedoch die sinnliche Welt und bewirken in ihr die naturwissenschaftlich erforschbaren Phänomene.
 
Die vier von der Anthroposophie postulierten Seinsebenen seien also in ihrer eigentlichen Wesenheit nicht allein durch die [[sinnliche Wahrnehmung]], sondern nur durch eine [[Außersinnliche Wahrnehmung|„übersinnliche“ Wahrnehmung]] erkennbar. Die Fähigkeit hierzu könne durch eine besondere Schulung [[Meditation|meditativer]] Art erlangt werden, deren Methodik Steiner in verschiedenen Werken darlegte (siehe hierzu [[Anthroposophie#Schulungsweg|anthroposophischer Schulungsweg]]), oder im Einzelfall auch durch eine besondere Begabung vorhanden sein. Alle Seinsebenen durchdringen jedoch die sinnliche Welt und bewirken in ihr die naturwissenschaftlich erforschbaren Phänomene.
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Von den sogenannten [[alternativmedizin]]ischen Richtungen ist die anthroposophische Medizin die jüngste. Sie geht von anderen ontologischen Grundannahmen aus als die heutige naturwissenschaftliche Medizin. Daher wird sie als unwissenschaftlich oder pseudowissenschaftlich angesehen. Dabei ist sie aber nicht theoretisch isoliert: Von ihren Vertretern werden immer wieder Anknüpfungspunkten hin zu den heute gängigen anthropologischen<ref name="Heusser2010" /> und medizintheoretisch-methodologischen<ref name="Kiene1996">[[Helmut Kiene]]: ''Komplementärmedizin - Schulmedizin. Der Wissenschaftsstreit am Ende des 20. Jahrhunderts.'' Schattauer, Stuttgart 1996, ISBN 3-7945-1734-2.</ref><ref name="Kiene2001">Helmut Kiene: ''Komplementäre Methodenlehre der klinischen Forschung. Cognition-based Medicine''. Springer, Berlin/ Heidelberg 2001, ISBN 3-540-41022-8 [http://www.ifaemm.de/Abstract/PDFs/CBM_Buch.pdf Volltext online]</ref> Konzepten aufgezeigt, die über die gängigen naturwissenschaftlichen [[Paradigma|Paradigmen]] hinausgehen und zu übergeordneten Gesichtspunkten führen. Ein medizintheoretischer Diskurs ist möglich und wird unter anderem im "Dialogforum Pluralismus in der Medizin"<ref>[http://www.dialogforum-pluralismusindermedizin.de/ Dialogforum Pluralismus in der Medizin]</ref> ausgetragen.
 
Von den sogenannten [[alternativmedizin]]ischen Richtungen ist die anthroposophische Medizin die jüngste. Sie geht von anderen ontologischen Grundannahmen aus als die heutige naturwissenschaftliche Medizin. Daher wird sie als unwissenschaftlich oder pseudowissenschaftlich angesehen. Dabei ist sie aber nicht theoretisch isoliert: Von ihren Vertretern werden immer wieder Anknüpfungspunkten hin zu den heute gängigen anthropologischen<ref name="Heusser2010" /> und medizintheoretisch-methodologischen<ref name="Kiene1996">[[Helmut Kiene]]: ''Komplementärmedizin - Schulmedizin. Der Wissenschaftsstreit am Ende des 20. Jahrhunderts.'' Schattauer, Stuttgart 1996, ISBN 3-7945-1734-2.</ref><ref name="Kiene2001">Helmut Kiene: ''Komplementäre Methodenlehre der klinischen Forschung. Cognition-based Medicine''. Springer, Berlin/ Heidelberg 2001, ISBN 3-540-41022-8 [http://www.ifaemm.de/Abstract/PDFs/CBM_Buch.pdf Volltext online]</ref> Konzepten aufgezeigt, die über die gängigen naturwissenschaftlichen [[Paradigma|Paradigmen]] hinausgehen und zu übergeordneten Gesichtspunkten führen. Ein medizintheoretischer Diskurs ist möglich und wird unter anderem im "Dialogforum Pluralismus in der Medizin"<ref>[http://www.dialogforum-pluralismusindermedizin.de/ Dialogforum Pluralismus in der Medizin]</ref> ausgetragen.
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==== Psychoanalyse ====
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====Psychoanalyse====
 
[[Sigmund Freud]] formulierte ein [[Strukturmodell der Psyche]] aus drei Instanzen mit unterschiedlichen Funktionen: dem [[Strukturmodell der Psyche#Das Es|Es]], dem [[Ich#Klassische Psychoanalyse|Ich]] und dem [[Über-Ich]]. Diese Instanzen bilden allerdings kein ontologische Einheit, sondern werden als veränderbare Prozesse und Strukturen betrachtet. Mit diesem Ansatz ist aber neben dem emotionalen und kognitiven auch der lebensgeschichtliche und soziale Kontext einer Person Teil der medizinischen Diagnose und Therapie. Die Psychoanalyse zählt zu den [[Psychotherapie|psychotherapeutischen]] Behandlungsverfahren, die Beziehung Therapeut-Patient nimmt somit eine zentrale Stellung ein. Die theoretischen und methodischen Modelle der Psychoanalyse sind heute sehr vielfältig und teilweise umstritten.
 
[[Sigmund Freud]] formulierte ein [[Strukturmodell der Psyche]] aus drei Instanzen mit unterschiedlichen Funktionen: dem [[Strukturmodell der Psyche#Das Es|Es]], dem [[Ich#Klassische Psychoanalyse|Ich]] und dem [[Über-Ich]]. Diese Instanzen bilden allerdings kein ontologische Einheit, sondern werden als veränderbare Prozesse und Strukturen betrachtet. Mit diesem Ansatz ist aber neben dem emotionalen und kognitiven auch der lebensgeschichtliche und soziale Kontext einer Person Teil der medizinischen Diagnose und Therapie. Die Psychoanalyse zählt zu den [[Psychotherapie|psychotherapeutischen]] Behandlungsverfahren, die Beziehung Therapeut-Patient nimmt somit eine zentrale Stellung ein. Die theoretischen und methodischen Modelle der Psychoanalyse sind heute sehr vielfältig und teilweise umstritten.
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== Literatur ==
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==Literatur==
=== Klassiker ===
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===Klassiker===
* Richard Koch: ''Die ärztliche Diagnose. Beitrag zur Kenntnis des ärztlichen Denkens.'' J.F. Bergmann, Wiesbaden 1920.
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* Karl Eduard Rothschuh: ''Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart.'' Stuttgart 1978, ISBN 3-7773-0442-5.
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*Richard Koch: ''Die ärztliche Diagnose. Beitrag zur Kenntnis des ärztlichen Denkens.'' J.F. Bergmann, Wiesbaden 1920.
* [[Thure von Uexküll]], [[Wolfgang Wesiack]]: ''Theorie der Humanmedizin: Grundlagen ärztlichen Denkens und Handelns.'' Urban & Fischer Verlag, 1998, ISBN 3-541-13503-4.
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*Karl Eduard Rothschuh: ''Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart.'' Stuttgart 1978, ISBN 3-7773-0442-5.
* [[Edmund D. Pellegrino]], David Thomasma: ''A Philosophical Basis of Medical Practice.'' Oxford University Press, Oxford 1981, ISBN 0-19-502789-2.
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*[[Thure von Uexküll]], [[Wolfgang Wesiack]]: ''Theorie der Humanmedizin: Grundlagen ärztlichen Denkens und Handelns.'' Urban & Fischer Verlag, 1998, ISBN 3-541-13503-4.
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*[[Edmund D. Pellegrino]], David Thomasma: ''A Philosophical Basis of Medical Practice.'' Oxford University Press, Oxford 1981, ISBN 0-19-502789-2.
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===Allgemein===
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*[[James A. Marcum]]: ''An Introductory Philosophy of Medicine.'' Springer, London 2008, ISBN 978-1-4020-6796-9.
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*Walter Pieringer; Franz Ebner: ''Zur Philosophie der Medizin.'' 2000, ISBN 3-211-83446-X.
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*[[Dietrich von Engelhardt]]: ''Philosophie und Medizin.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1150–1152.
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*Dietrich von Engelhardt: ''Krankheit, Schmerz und Lebenskunst. Eine Kulturgeschichte der Körpererfahrung.'' C.H. Beck Verlag, München 1999, ISBN 3-406-42098-2.
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*Wolfgang Wieland: ''Diagnose: Überlegungen zur Medizintheorie.'' 2. Auflage. Verlag Hoof, Winterberg 2004, ISBN 3-936345-48-1.
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*Urban Wiesing: ''Wer heilt, hat Recht? Über Pragmatik und Pluralität in der Medizin.'' Schattauer-Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-7945-2304-0.
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*Urban Wiesing: ''Indikation. Theoretische Grundlagen und Konsequenzen für die ärztliche Praxis''. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-17-033010-8
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*Axel Bauer (Hrsg.) ''Theorie der Medizin. Dialog zwischen Grundlagenfächern und Klinik.'' Johann Ambrosius Barth Verlag, Heidelberg/ Leipzig 1995.
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*Kazem Sadegh-Zadeh: ''Handbook of Analytic Philosophy of Medicine.'' Springer, 2011, ISBN 978-94-007-2259-0.
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*Dov M. Gabbay, Paul Thagard, John Woods: ''Philosophy of Medicine – Handbook of Philosophy of Science.'' Volume 16, Elsevier, 2011, ISBN 978-0-444-51787-6.
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*[[Alvan Feinstein]]: ''Clinical Judgement.'' Williams & Wilkins, 1967.
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*Josef N. Neumann: ''Medizintheorie.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 957–962.
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===Lehrbücher===
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=== Allgemein ===
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*Wolfgang U. Eckart: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Springer, Berlin 2013, ISBN 978-3-642-34971-3.
* [[James A. Marcum]]: ''An Introductory Philosophy of Medicine.'' Springer, London 2008, ISBN 978-1-4020-6796-9.
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*Stefan Schulz, Klaus Steigleder, Heiner Fangerau: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Suhrkamp, 2013, ISBN 978-3-518-29391-1.
* Walter Pieringer; Franz Ebner: ''Zur Philosophie der Medizin.'' 2000, ISBN 3-211-83446-X.
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*Ortrun Riha: ''Grundwissen Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin.'' Huber Verlag, Bern 2013, ISBN 978-3-456-85267-6.
* [[Dietrich von Engelhardt]]: ''Philosophie und Medizin.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1150–1152.
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*Thorsten Noack, Heiner Fangerau, Jörg Vögele (Hrsg.): ''Im Querschnitt: Geschichte, Theorie und Ethik in der Medizin.'' Urban & Fischer, München 2007, ISBN 978-3-437-41392-6.
* Dietrich von Engelhardt: ''Krankheit, Schmerz und Lebenskunst. Eine Kulturgeschichte der Körpererfahrung.'' C.H. Beck Verlag, München 1999, ISBN 3-406-42098-2.
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* Wolfgang Wieland: ''Diagnose: Überlegungen zur Medizintheorie.'' 2. Auflage. Verlag Hoof, Winterberg 2004, ISBN 3-936345-48-1.
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* Urban Wiesing: ''Wer heilt, hat Recht? Über Pragmatik und Pluralität in der Medizin.'' Schattauer-Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-7945-2304-0.
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* Urban Wiesing: ''Indikation. Theoretische Grundlagen und Konsequenzen für die ärztliche Praxis''. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-17-033010-8
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* Axel Bauer (Hrsg.) ''Theorie der Medizin. Dialog zwischen Grundlagenfächern und Klinik.'' Johann Ambrosius Barth Verlag, Heidelberg/ Leipzig 1995.
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* Kazem Sadegh-Zadeh: ''Handbook of Analytic Philosophy of Medicine.'' Springer, 2011, ISBN 978-94-007-2259-0.
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* Dov M. Gabbay, Paul Thagard, John Woods: ''Philosophy of Medicine – Handbook of Philosophy of Science.'' Volume 16, Elsevier, 2011, ISBN 978-0-444-51787-6.
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* [[Alvan Feinstein]]: ''Clinical Judgement.'' Williams & Wilkins, 1967.
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* Josef N. Neumann: ''Medizintheorie.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 957–962.
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=== Lehrbücher ===
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===Einzelthemen===
* Wolfgang U. Eckart: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Springer, Berlin 2013, ISBN 978-3-642-34971-3.
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* Stefan Schulz, Klaus Steigleder, Heiner Fangerau: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Suhrkamp, 2013, ISBN 978-3-518-29391-1.
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* Ortrun Riha: ''Grundwissen Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin.'' Huber Verlag, Bern 2013, ISBN 978-3-456-85267-6.
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* Thorsten Noack, Heiner Fangerau, Jörg Vögele (Hrsg.): ''Im Querschnitt: Geschichte, Theorie und Ethik in der Medizin.'' Urban & Fischer, München 2007, ISBN 978-3-437-41392-6.
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=== Einzelthemen ===
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*Jeremy Howick: ''The Philosophy of Evidence-Based Medicine.'' Wiley-Blackwell, Oxford, UK 2011, ISBN 978-1-4051-9667-3.
* Jeremy Howick: ''The Philosophy of Evidence-Based Medicine.'' Wiley-Blackwell, Oxford, UK 2011, ISBN 978-1-4051-9667-3.
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*Hermann Schmitz: ''Der Leib (Grundthemen der Philosophie).'' de Gruyter, Berlin/ Boston 2011, ISBN 978-3-11-025098-5.
* Hermann Schmitz: ''Der Leib (Grundthemen der Philosophie).'' de Gruyter, Berlin/ Boston 2011, ISBN 978-3-11-025098-5.
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*Edmund Murphy: ''The Logic of Medicine.'' Johns Hopkins University Press, Baltimore 1997, ISBN 0-8018-5538-1.
* Edmund Murphy: ''The Logic of Medicine.'' Johns Hopkins University Press, Baltimore 1997, ISBN 0-8018-5538-1.
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*Laurence Foss: ''The End of Modern Medicine: Biomedical Science Under a Microscope.'' NY, SUNY Press, Albany 2002, ISBN 0-7914-5129-1.
* Laurence Foss: ''The End of Modern Medicine: Biomedical Science Under a Microscope.'' NY, SUNY Press, Albany 2002, ISBN 0-7914-5129-1.
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*Wolfram Schmitt: ''Theorie der Gesundheit und „[[Regimen sanitatis]]“ im Mittelalter.'' Medizinische Habilitationsschrift Heidelberg 1973.
* Wolfram Schmitt: ''Theorie der Gesundheit und „[[Regimen sanitatis]]“ im Mittelalter.'' Medizinische Habilitationsschrift Heidelberg 1973.
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== Weblinks ==
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==Weblinks==
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* [http://www.iep.utm.edu/medicine/ Philosophy of Medicine] Artikel in der ''[[Internet Encyclopedia of Philosophy]]''
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*[http://www.iep.utm.edu/medicine/ Philosophy of Medicine] Artikel in der ''[[Internet Encyclopedia of Philosophy]]''
* {{SEP|https://plato.stanford.edu/entries/medicine/|Philosophy of Medicine|Julian Reiss, Rachel A. Ankeny}}
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*{{SEP|https://plato.stanford.edu/entries/medicine/|Philosophy of Medicine|Julian Reiss, Rachel A. Ankeny}}
* [http://www.medizintheorie.de/ Medizintheorie], {{Webarchiv | url=http://www.gtemed.de/ | wayback=20050908045133 | text=Geschichte, Ethik & Theorie der Medizin}}, {{Webarchiv | url=http://www.medizinethik-online.de/ | wayback=20050129140145 | text=Medizinische Ethik und Metaethik}} (Sites wurden betrieben von Kazem Sadegh-Zadeh)
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*[http://www.medizintheorie.de/ Medizintheorie], {{Webarchiv | url=http://www.gtemed.de/ | wayback=20050908045133 | text=Geschichte, Ethik & Theorie der Medizin}}, {{Webarchiv | url=http://www.medizinethik-online.de/ | wayback=20050129140145 | text=Medizinische Ethik und Metaethik}} (Sites wurden betrieben von Kazem Sadegh-Zadeh)
* [http://www.uni-wh.de/gesundheit/lehrstuhl-medizintheorie Lehrstuhl für Medizintheorie an der Universität Witten/Herdecke]
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*[http://www.uni-wh.de/gesundheit/lehrstuhl-medizintheorie Lehrstuhl für Medizintheorie an der Universität Witten/Herdecke]
* [https://archive.org/details/62620800R.nlm.nih.gov Elisha Bertlett ''An essay on the philosophy of medical science'']
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*[https://archive.org/details/62620800R.nlm.nih.gov Elisha Bertlett ''An essay on the philosophy of medical science'']
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== Einzelnachweise und Anmerkungen ==
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==Einzelnachweise und Anmerkungen==
 
<references />
 
<references />
    
[[Kategorie:Medizinethik]]
 
[[Kategorie:Medizinethik]]
[[Kategorie:Philosophie der Einzelwissenschaften]]{{QuelleWikipedia}}
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[[Kategorie:Philosophie der Einzelwissenschaften]]
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{{QuelleWikipedia}}
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[[Kategorie:Medizintheorie]]
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