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Gesundheitssystem

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Grün: Länder mit universeller Gesundheitsfürsorge

Das Gesundheitssystem oder Gesundheitswesen umfasst alle Personen, Organisationen, Einrichtungen, Regelungen und Prozesse, deren Aufgabe die Förderung und Erhaltung der Gesundheit sowie deren Sicherung durch Prävention und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen ist. Der Begriff Gesundheitswesen dient der Beschreibung des äußerst komplexen Gesundheitssystems zur Krankenversorgung und Gesunderhaltung, wogegen die Gesundheitswirtschaft als ganze neben der stationären und ambulanten Versorgung Kranker und der Vorbeugung gegen Krankheiten bei Gesunden unter anderem auch die Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, den Gesundheitstourismus, die Wellness- sowie die Fitnessbranche umfasst.[1]

In Österreich wird hierfür auch der Begriff Sanitätswesen verwendet, dieser Begriff ist sonst aber speziell für den notfallmedizinischen Dienst und Erste Hilfe, den militärischen Sektor, Katastrophen-/Zivilschutz, und diverse öffentliche Aufgaben wie Hygiene üblich.

Ziele

In der wissenschaftlichen Literatur findet man folgende Ziele für ein Gesundheitswesen:[2][3]

  • Bedarfsgerechtigkeit (Problem der Beeinflussung der Nachfrage durch die Anbieter)
  • Chancengleichheit (Zugang zu Gesundheitsleistungen unabhängig von Einkommen und Status)
  • Finanzierbarkeit (Preisbildung und Inanspruchnahme von Leistungen)
  • Leistungsfähigkeit (schnelle und wirksame Behandlung)
  • Wirtschaftlichkeit (Verhältnis von Kosten und Nutzen)

Im Jahr 2000 legte die Weltgesundheitsorganisation WHO Ziele fest, an denen sie nationale Gesundheitssysteme misst:[4]

  • das Eingehen auf Bedürfnisse der Bevölkerung in allgemeineren Fragen wie Würde, Selbstbestimmung, Datenschutz und Kundenorientierung,
  • die gerechte Verteilung der finanziellen Lasten sowie
  • das Gesundheitsniveau der Bevölkerung.

2001 definierte auch die EU-Kommission Ziele für Gesundheitswesen und Altenpflege:[5]

  • langfristige Finanzierbarkeit,
  • hohe Qualität und
  • Zugang für alle.

Die Frage der Finanzierung ist verbunden mit der Frage, welche Kranke wie schnell welche Behandlung bekommen.[6] In den Arztpraxen hat das Sparen – speziell bei niedergelassenen Ärzten am Ende eines Quartals, wenn die „Punkte“ der Praxis aufgebraucht sind – längst zu einer heimlichen Rationierung geführt.[7] Schweden praktiziert ein System, das Kosten-Nutzen-Überlegungen in die ärztlichen Entscheidungen einfließen lässt.[8]

Beteiligte

Die Beteiligten an einem Gesundheitssystem sind

Finanzierungsmodelle

Ein charakteristisches Merkmal eines Gesundheitssystems ist die Art seiner Finanzierung. Es werden grundsätzlich drei Klassen unterschieden:[2]

  • Nationaler Gesundheitsdienst: Finanzierung aus Steuermitteln (z. B. Großbritannien, Italien, Irland, Dänemark, Portugal)
  • Privatversicherungsmodell: Finanzierung über freiwillige Krankenversicherung (z. B. USA)
  • Sozialversicherungsmodell: Finanzierung über gesetzliche Pflichtversicherung (z. B. Deutschland, Frankreich, Benelux).

Hinzu kommt das Holländische Modell, bestehend aus Gesundheitsprämie und einkommensentsprechendem Beitrag.[10]

Internationale Vergleiche

Gesundheitsausgaben

Anstieg der Kosten im Gesundheitssystem im Zeitraum von 1970 bis 2007 in verschiedenen Ländern (in USD/Kopf der Bev., Quelle: OECD)

Die rechte Tabelle zeigt die Länder mit den höchsten relativen Ausgaben im Gesundheitswesen als Anteil des Bruttoinlandsprodukts bzw. die Länder mit den höchsten absoluten Ausgaben als kaufkraftbereinigte US-Dollar pro Kopf im Jahr 2008.[11]

Im Durchschnitt der OECD-Mitgliedsländer wachsen die Gesundheitsausgaben stärker als die Wirtschaftskraft. Die Pro-Kopf-Ausgaben stiegen von 1990 bis 2005 um über 80 %, während die Bruttoinlandsprodukte (BIP) pro Kopf nur um 37 % wuchsen. Lagen die Gesundheitsausgaben 1970 durchschnittlich noch bei 5 % des BIP, war der Anteil 1990 auf 7 % angewachsen und stieg bis zum Jahr 2005 weiter auf 9 %. In Deutschland lagen die Gesundheitsausgaben im Jahr 2010 bei 287,3 Milliarden Euro, dies entspricht 11,6 % des BIP.[12]

Gesundheitsausgaben
Land Anteil am
Bruttoinlandsprodukt
im Jahr 2013
kaufkraftbereinigte
US-Dollar
pro Kopf
USA 16,4 % 8.713
Schweiz 11,1 % 6.325
Frankreich 10,9 % 4.124
Deutschland 11 % 4.819
Belgien 10,2 % 4.256
Österreich 10,1 % 4.553
Kanada 10,2 % 4.351
Dänemark 9,7 % 4.553
Niederlande 11,1 % 5.131
Neuseeland 9,5 % 3.328
Schweden 11 % 4.904
OECD-Durchschnitt 8,9 % 3.453
WHO-Rangordnung der Gesundheitssysteme nach "Attainment of Goals" (Erfüllung der WHO-Kriterien)
Rang Land Rang Land
1 Japan 11 Italien
2 Schweiz 12 Australien
3 Norwegen[13] 13 Belgien
4 Schweden 14 Deutschland
5 Luxemburg 15 USA
6 Frankreich 16 Island
7 Kanada 17 Kuba
8 Niederlande 18 Polen
9 Großbritannien 132 China
10 Österreich 191 Sierra Leone
WHO-Rangordnung der Gesundheitssysteme nach Performance*
Rang Land Rang Land
1 Frankreich 16 Luxemburg
2 Italien 17 Niederlande
3 San Marino 18 Großbritannien
4 Andorra 20 Schweiz
5 Malta 25 Deutschland
6 Singapur 37 USA
7 Spanien 39 Kuba
8 Oman 50 Polen
9 Österreich 144 China
10 Japan 191 Sierra Leone

* Erfüllung der WHO-Kriterien verglichen zu den verwendeten Ressourcen

Qualität

Die Qualität von Gesundheitssystemen zu beurteilen ist schwierig. So muss beispielsweise ein hoher Anteil an Kranken in der Bevölkerung nicht unbedingt auf eine schlechte medizinische Versorgung hindeuten. Im Gegenteil wird ein Diabetiker in einem Land mit schlechter medizinischer Versorgung bald sterben und damit aus der Krankenstatistik herausfallen. In einem Land mit guter medizinischer Versorgung hingegen kann er noch lange weiterleben, wird in der Statistik aber als Kranker geführt. Ein hoher Anteil kranker Menschen an der Bevölkerung ist allerdings ein Indiz dafür, dass die medizinische Versorgung sich mehr um die Behandlung von Symptomen kümmert als um die Beseitigung der Ursachen. Der Diabetiker erhält beispielsweise Insulin, um mit seiner Erkrankung weiterleben zu können, die konkreten Ursachen der Funktionsstörung werden aber nicht fest- und gegebenenfalls abgestellt. Ähnlich sieht es bei einer Reihe weiterer, im Wesentlichen durch Ernährung und Lebensstil bedingter Erkrankungen aus, die für einen großen Teil der Pflegefälle verantwortlich sind.[14][15]

Die Weltgesundheitsorganisation hat eine Rangordnung der Gesundheitssysteme ihrer 191 Mitgliedsländer aufgestellt.[4] Verglichen wurde anhand der oben genannten Ziele – Gesundheitsniveau, Bedürfnisorientierung und Finanzierungsgerechtigkeit – auf der Grundlage von Daten aus dem Jahr 1997. Die Studie ergab folgende Platzierungen in der oben stehenden Tabelle.

Nach einer internationalen Studie unter Leitung der University of Washington hat sich die Gesundheit von 1990 auf 2015 in 167 von 195 Ländern verbessert. Die beste Bewertung von Zugang und Qualität der Gesundheitsversorgung erhielt 2015 Andorra, gefolgt von Island und der Schweiz; Österreich erreichte den 13. und Deutschland den 20. Rang.[16]

Im Deutschen Ärzteblatt wird der Studie allerdings eine zu geringe und unseriös gewählte Datenbasis und eine politische Färbung vorgeworfen. Außerdem wird darin kritisiert, dass sich die Rankings in den einzelnen Kategorien der Studie sehr stark unterscheiden.[17]

Die internationalen Patientensicherheitsziele dienen der weltweiten Qualitätssicherung in der Medizin.

Siehe auch

Literatur

  • Alexander Dietz: Gerechte Gesundheitsreform? Ressourcenvergabe in der Medizin aus ethischer Perspektive. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-593-39511-1
  • Rita Baur, Andreas Heimer, Silvia Wieseler: Gesundheitssysteme und Reformansätze im internationalen Vergleich. In: Jan Böcken, Martin Butzlaff, Andreas Esche (Hrsg.): Reformen im Gesundheitswesen. Ergebnisse der internationalen Recherche. 3. Auflage. Verlag Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh 2001, ISBN 3-89204-515-1.
  • Fritz Beske, Thomas Drabinski, Herbert Zöllner: Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich – Eine Antwort auf die Kritik. Schmidt & Klaunig, Kiel 2004, ISBN 3-88312-290-4.
  • Fritz Beske, Thomas Drabinski: Leistungskatalog des Gesundheitswesens im internationalen Vergleich. Eine Analyse von 14 Ländern. Schmidt & Klaunig, Kiel 2005. Bd. I: Struktur, Finanzierung und Gesundheitsleistungen. ISBN 3-88312-330-7. Bd: II: Geldleistungen. ISBN 3-88312-331-5.
  • Dartmouth Medical School. Center for the Evaluative Clinical Sciences: Dartmouth Atlas of Health Care. Regional Differences in Costs and Care. 2007, ISBN 1-55648-171-3. (Homepage).
  • Fritz Dross, Wolfgang Woelk et al.: Gesundheitswesen, öffentliches. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 487–492.
  • Wolfgang Uwe Eckart, Robert Jütte: Das europäische Gesundheitswesen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede in historischer Perspektive. UTB, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8252-2903-0.
  • Kurt Fleischhauer: Aufbringung und Verteilung von Mitteln für das Gesundheitswesen. Regelungen und Probleme in Deutschland, Großbritannien und den USA. Alber, Freiburg 2007 (DRZE-Sachstandsberichte, Bd. 6).
  • Maria M. Hofmarcher: Das österreichische Gesundheitssystem. Akteure, Daten, Analysen. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2013. ISBN 978-3-95466-052-0.
  • Rolf Rosenbrock, Thomas Gerlinger: Gesundheitspolitik. Eine systematische Einführung. 2. Auflage. Hans Huber, Bern 2006, ISBN 3-456-84225-2.

Weblinks

 Commons: Gesundheitsfürsorge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Gesundheitssystem – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. A. J. W. Goldschmidt, J. Hilbert: Von der Last zur Chance – Der Paradigmenwechsel vom Gesundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft. In: A. J. W. Goldschmidt, J. Hilbert (Hrsg.): Gesundheitswirtschaft in Deutschland. Die Zukunftsbranche. Band 1 der Schriftenreihe: Gesundheitswirtschaft und Management. kma-Reader – Die Bibliothek für Manager. Wikom-Verlag (Thieme), Wegscheid 2009, ISBN 978-3-9812646-0-9, S. 20–40.
  2. 2,0 2,1 Willy Oggier: Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: @1@2Vorlage:Toter Link/www.bsv.admin.chVorteile einer Einheitskasse. (PDF; 473 kB) Schlussbericht im Auftrag des Bundesamtes für Sozialversicherung, 2001.
  3. Markus Grabka: Alternative Finanzierungsmodelle einer sozialen Krankenversicherung in Deutschland – Methodische Grundlagen und exemplarische Durchführung einer Mikrosimulationsstudie. Dissertation, TU Berlin, 2004, S. 60.
  4. 4,0 4,1 WHO World Health Report 2000 (englisch)
  5. EU-Presseerklärung IP/01/1747 vom 5. Dezember 2001.
  6. Harro Abrecht: Gesundheitsversorgung: Medizin am Limit. In: Die Zeit, Nr. 51/2009.
  7. Martin Spiewak: Gesundheitsversorgung: Feilschen ums Rezept. In: Die Zeit, Nr. 51/2009.
  8. Harro Albrecht: Gesundheitsversorgung: Frisch gewichtet. In: Die Zeit, Nr. 51/2009.
  9. Deutscher Ärztetag Beschluss V 58 des 113. Deutschen Ärztetags 2010 in Dresden: „Der Deutsche Ärztetag möge erneut beschließen, dass die Ärzteschaft die Vokabel „Leistungserbringer“ nicht mehr verwendet. Der Begriff ist mit der Würde der ärztlichen Heilkunst von Ärzten und Ärztinnen in Klinik und Praxis nicht vereinbar. Die Vokabel wird von interessierter Seite benutzt, um die Deprofessionalisierung des Arztberufes voranzutreiben“.
  10. Gesundheitsreform: Von Holländern lernen. In: Spiegel Online. 29. März 2006, abgerufen am 27. Dezember 2014.
  11. OECD Gesundheitsdaten 2010.
  12. Aktuelle Zahl für Deutschland des Statistischen Bundesamtes (Memento des Originals vom 14. November 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.destatis.de
  13. siehe auch: Norwegisches Zentralamt für das Gesundheitswesen
  14. Peter Schauder: Ernährungsmedizin. Elsevier, 2006.
  15. H. K. Biesalski: Ernährungsmedizin. Thieme, 2010, ISBN  978-3-13-154384-4.
  16. Weltweiter Vergleich: Deutschlands Gesundheitssystem landet auf Platz 20. In: Spiegel Online. 19. Mai 2017, abgerufen am 19. Mai 2017.
  17. Hans-Joachim Maes: Deutsches Ärzteblatt: „World Health Report“: Mixtur von harten und weichen Daten. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 97, Nr. 36. Deutscher Ärzte-Verlag, 8. September 2000, S. A-2289 / B-1953 / C-1837.
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