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Positive health

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Positive health (positive Gesundheit) ist ein medizinisches Konzept, das gekennzeichnet ist durch die Suche nach einem Gesundheitsbegriff, der über die bloße Abwesenheit von Krankheit hinausgeht und der definierbar und messbar ist.[1] Ausgangspunkt war die Gesundheitsdefinition der WHO von 1948, die über die Jahre verschiedentlich diskutiert wurde, auch 2009 auf einer Konferenz in den Niederlanden. Hier sowie in sich anschließenden Studien wurde das Konzept positive health entwickelt. Anstelle eines auf die Krankheit bezogenen, "negativen", defizitorientierten, rein kurativen Ansatzes wird ein ganzheitliches, positives Verständnis von Gesundheit gesucht, das einen Schwerpunkt in Resilienz und Selbstmanagement der Patientinnen und Patienten hat und Gesundheit als einen dynamischen Prozess versteht,[2] der sich in einem Kontinuum zwischen Gesundheit und Krankheit abspielt.[3] Es werden Gesundheitsfaktoren (health assets) aufgesucht, die ein gesundes Leben ermöglichen, Gesundheit fördern und Krankheitsrisiko und Gesundheitskosten senken.[4] Positive Gesundheit konzentriert sich auf die Fähigkeit, sich an soziale, körperliche und emotionale Herausforderungen anzupassen und diese selbst zu bewältigen.[5] Eine Pionierin von Positive health und Gründerin des Instituts für positive health ist die Ärztin Machteld Huber, die zusammen mit anderen 2011 das Konzept darstellte.[6]

Das niederländische Gesundheitssystem verwendet in zunehmendem Umfang das Konzept positive health.[7] Eine weitere Innovation des niederländischen Gesundheitssystem, die oft im Zusammenhang mit positive health genannt wird, ist das System häuslicher Pflege Buurtzorg, welches in der Entstehung aber keine direkten Verbindungen mit positive health hat. Es kam allerdings in letzter Zeit zu Zusammenarbeit beider Ansätze.

Die Provinz Limburg der Niederlande hat als Ziel, das Konzept als Region umzusetzen.[8][9]

Der Begriff positive health wurde auch zuvor oder anderweitig vorgeschlagen oder genutzt, z.B. von Julius Seeman[10], oder Kathleen Prendergast[11]. Ähnliche Begrifflichkeiten sind die schon länger bestehende positive Psychologie[12] oder positive Sexualität[13].

Geschichte

Die heute gemeinhin verwendete Definition von Gesundheit ist die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1946 formulierte: „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Das Erreichen des höchstmöglichen Gesundheitsniveaus ist eines der Grundrechte jedes Menschen, ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit [original: „race“], der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.“[14] Zu ihrer Zeit war diese Formulierung aufgrund ihres Umfangs und ihres Anspruchs bahnbrechend. Sie überwand die negative Definition von Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit und schloss körperliche, geistige und soziale Aspekte ein. Obwohl es zu verschiedentlicher Kritik an dieser Definition in den letzten 60 Jahren kam, erfolgte keine Anpassung.[6] Als Ergebnis einer Konferenz zum Gesundheitsbegriff, die 2009 in den Niederlanden stattfand, einberufen von den beiden führenden niederländischen Regierungsorganisationen, die wissenschaftliche Beratung zu Gesundheit und Gesundheitsforschung anbieten, dem Gesundheitsrat der Niederlande (GR-Gezondheidsraad) und der Niederländischen Organisation für Gesundheit Forschung und Entwicklung (ZonMw)[15], schlugen Machteld Huber et al. angesichts zunehmender chronischer Erkrankungen 2011 eine Charakterisierung mit geändertem Schwerpunkt vor. Diese umfasste neben dem Endpunkt vollständiger Gesundheit auch ein Kontinuum unterschiedlicher Gesundheitszustände und legte den Fokus auf Tätigkeit des Menschen: "Gesundheit als Fähigkeit zur Anpassung und zum Selbstmanagement, im Angesicht von sozialen, physischen und emotionalen Herausforderungen" [Health as the ability to adapt and to self manage, in the face of social, physical and emotional challenges][6].

In der Folge wurde eine Studie durchgeführt, um dieses Gesundheitskonzept nach verschiedenen Richtungen zu evaluieren und operationalisieren.[16] Die Studie umfasste qualitative und quantitative Ansätze. Es wurden sieben unterschiedliche Interessengruppen mit Bezug zu Gesundheit identifiziert. Das neue Konzept wurde allgemein begrüßt, da es den Menschen als mehr als nur seine Krankheit betrachtet und sich auf die Stärken und nicht auf die Schwächen konzentriert. In der qualitativen Studie wurden 556 Gesundheitsindikatoren ermittelt, die in sechs Dimensionen eingeteilt wurden: Körperfunktionen, psychische Funktionen und Wahrnehmung, spirituelle/existentielle Dimension, Lebensqualität, soziale und gesellschaftliche Teilhabe und Alltagsfunktionalität, mit 32 zugrunde liegenden Aspekten. In der quantitativen Studie zeigte sich, dass alle Stakeholder-Gruppen Körperfunktionen als Ausdruck von Gesundheit ansehen, während es bei anderen Dimensionen erhebliche Unterschiede zwischen den Gruppen gab. Die Patienten hielten alle sechs Dimensionen für fast gleich wichtig und bevorzugten somit ein breites Gesundheitskonzept, während die Ärzte Gesundheit enger und biomedizinischer beurteilten. In der qualitativen Studie sahen 78% der Befragten ihre Gesundheitsindikatoren als repräsentativ für das Konzept an.[16]

Das Konzept wurde positive health benannt in Anlehnung an bestehende Begrifflichkeiten.

Aus den Gesundheitsdimensionen wurde ein Spinnennetzdiagramm erstellt, in dem Patient:innen ihre Selbsteinschätzung von Gesundheit zu mehreren Zeitpunkten eintragen könnnen. Huber schlägt das Instrument zur Verlaufskontrolle vor und zur Selbstevaluation von Patienten und als Diskussionsgrundlage für das ärztliche Gespräch.

Dimensionen der Gesundheit

Positive health Diagramm, deutsche Übersetzung nach Franzowiak[3].

Positive health beschreibt sechs Dimensionen:[17][3]

  • Körperliche Funktionsfähigkeit (bodily functions),
  • Mentale Funktionsfähigkeit und Wahrnehmung (mental functions & perceptions),
  • Spirituelle/existenzielle Dimension (spiritual dimension),
  • Lebensqualität (quality of life),
  • Soziale und gesellschaftliche Teilhabe (social & societal participation),
  • Alltägliche Funktionsfähigkeit (daily functioning).

Diese Dimensionen ergaben sich als Systematisierung aus einer Sammlung unterschiedlicher Gesundheit bestimmender Faktoren.[16] Diese sind im Einzelnen:

Körperliche Funktionsfähigkeit (bodily functions)

  • Medizinische Fakten (Medical facts)
  • Medizinische Beobachtungen (Medical observations)
  • Körperliche Funktionsfähigkeit (Physical functioning)
  • Beschwerden und Schmerzen (Complaints and pain)
  • Energie (Energy)[9]

Mentale Funktionsfähigkeit und Wahrnehmung (mental functions & perceptions)

  • Kognitive Funktionsfähigkeit (Cognitive functioning)
  • Emotionaler Zustand (Emotional state)
  • Selbstwertgefühl/Selbstachtung (Esteem/self respect)
  • Kontrolle/Handhabbarkeit (In control/manageability)
  • Selbstmanagement (Self-management)
  • Resilienz & "Kohärenzgefühl (Resilience & ‘sense of coherence’)[9]

Spirituelle/existenzielle Dimension (spiritual dimension)

  • Sinn und Zweck, Sinnhaftigkeit (Meaning/purpose meaningfulness)
  • Streben nach Zielen/Idealen (Striving for aims/ideals)
  • Zukunftsperspektiven (Future prospects)
  • Akzeptanz (Acceptation)[9]

Lebensqualität (quality of life)

  • Lebensqualität/Wohlbefinden (Quality of life/well being)
  • Glücklichsein (Happiness)
  • Vergnügen (Enjoyment)
  • Wahrgenommene Gesundheit (Perceived health)
  • Bühendes Leben (Flourishing)
  • Lebensfreude (Zest for life)
  • Ausgeglichenheit (Balance)[9]

Soziale und gesellschaftliche Teilhabe (social & societal participation)

  • Soziale und kommunikative Fähigkeiten (Social and communicative skills)
  • Soziale Kontakte (Social contacts)
  • Bedeutungsvolle Beziehungen (Meaningful relationships)
  • Akzeptiert werden (Being accepted)
  • Einbindung in die Gemeinschaft (Community involvement)
  • Sinnvolle Arbeit (Meaningful work)[9]

Alltägliche Funktionsfähigkeit (daily functioning)

  • Grundlegende ADL (Aktivitäten des täglichen Lebens) (Basis ADL (Activities of Daily Living))
  • Instrumentelle ADL (Instrumental ADL)
  • Fähigkeit zu arbeiten (Ability to work)
  • Gesundheitsbildung (Health literacy)[9]

Publikationen

  • Machteld Huber, J Knottnerus, Lawrence Green, Henriëtte Horst, Alejandro Jadad, Daan Kromhout, Brian Leonard, Kate Lorig, Maria Loureiro, Jos Meer, Paul Schnabel, Richard Smith, Chris Weel, Henk Smid: How should we define health? In: BMJ (Clinical research ed.). Band 343, 26. Juli 2011, S. d4163, doi:10.1136/bmj.d4163.
  • M Huber, M van Vliet, M Giezenberg, B Winkens, Y Heerkens, P C Dagnelie, J A Knottnerus: Towards a ‘patient-centred’ operationalisation of the new dynamic concept of health: a mixed methods study. In: BMJ Open. Band 6, Nr. 1, Januar 2016, ISSN 2044-6055, S. e010091, doi:10.1136/bmjopen-2015-010091 (english, bmj.com [abgerufen am 28. August 2022]).

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Martin E.P. Seligman: Positive Health. In: Applied Psychology. Band 57, s1, 2008, ISSN 1464-0597, S. 3–18, doi:10.1111/j.1464-0597.2008.00351.x (english, wiley.com [abgerufen am 21. August 2022]).
  2. Webgespräch mit Machteld Huber: Positive Health. In: BMC e. V. 1. Dezember 2021 (bmcev.de [abgerufen am 21. August 2022]).
  3. 3,0 3,1 3,2 Peter Franzowiak: BZgA-Leitbegriffe: Gesundheits-Krankheits-Kontinuum. In: BZgA. 19. Mai 2022, doi:10.17623/BZGA:224-i026-1.0 (bzga.de [abgerufen am 24. August 2022]).
  4. What is Positive Health? In: positive health research. Abgerufen am 21. August 2022 (english).
  5. T. S. Berkenbosch: Positive health in Dutch public health services possibilities for integration of the concept positive health in work-related activities of professionals at the Dutch Public Health Services (GGD). (info:eu-repo/semantics/masterThesis) 24. August 2016, abgerufen am 22. August 2022 (english).
  6. 6,0 6,1 6,2 Machteld Huber, J Knottnerus, Lawrence Green, Henriëtte Horst, Alejandro Jadad, Daan Kromhout, Brian Leonard, Kate Lorig, Maria Loureiro, Jos Meer, Paul Schnabel, Richard Smith, Chris Weel, Henk Smid: How should we define health? In: BMJ (Clinical research ed.). Band 343, 26. Juli 2011, S. d4163, doi:10.1136/bmj.d4163.
  7. Positive Health: what is it and how do you measure it? In: Leiden University. Abgerufen am 22. August 2022 (english).
  8. Sanneke J. M. Grootjans, M. M. N. Stijnen, M. E. A. L. Kroese, A. J. M. Vermeer, D. Ruwaard, M. W. J. Jansen: Positive Health beyond boundaries in community care: design of a prospective study on the effects and implementation of an integrated community approach. In: BMC Public Health. Band 19, 28. Februar 2019, ISSN 1471-2458, S. 248, doi:10.1186/s12889-019-6551-5, PMC 6396504 (freier Volltext).
  9. 9,0 9,1 9,2 9,3 9,4 9,5 9,6 Machteld Huber: ‘Positive Health’; A new, dynamic concept of health. Maastricht 23. November 2017 (english, euprevent.eu [PDF; abgerufen am 4. Oktober 2022]).
  10. J. Seeman: Toward a model of positive health. In: The American Psychologist. Band 44, Nr. 8, August 1989, ISSN 0003-066X, S. 1099–1109, doi:10.1037//0003-066x.44.8.1099, PMID 2672917 (english).
  11. Kathleen Prendergast: Toward a Framework for Positive Health. Auckland University of Technology, 2016 (english, aut.ac.nz [abgerufen am 4. Oktober 2022]).
  12. Positive Psychology | Psychology Today. Abgerufen am 4. Oktober 2022 (english).
  13. R. M. Anderson: Positive sexuality and its impact on overall well-being. In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz. Band 56, Nr. 2, Februar 2013, ISSN 1437-1588, S. 208–214, doi:10.1007/s00103-012-1607-z, PMID 23361205 (english).
  14. Peter Franzkowiak, Klaus Hurrelmann: Gesundheit (= BZgA-Leitbegriffe). 19. Mai 2022, doi:10.17623/BZGA:224-i023-1.0 (bzga.de [abgerufen am 4. Oktober 2022]).
  15. Welzijn en Sport Ministerie van Volksgezondheid: Invitational Conference 'Is health a state or an ability? Towards a dynamic concept of health' - Advisory report - The Health Council of the Netherlands. (publicatie) 13. Juli 2010, abgerufen am 4. Oktober 2022 (british English).
  16. 16,0 16,1 16,2 M Huber, M van Vliet, M Giezenberg, B Winkens, Y Heerkens, P C Dagnelie, J A Knottnerus: Towards a ‘patient-centred’ operationalisation of the new dynamic concept of health: a mixed methods study. In: BMJ Open. Band 6, Nr. 1, Januar 2016, ISSN 2044-6055, S. e010091, doi:10.1136/bmjopen-2015-010091 (english, bmj.com [abgerufen am 4. Oktober 2022]).
  17. Positive health - ZonMw. In: ZonMw. Abgerufen am 22. August 2022 (english).