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Sozial- und wissenschaftsgeschichtlich betrachtet ist die Alternativmedizin der Gegenwart eine neue und weitere Erscheinungsform der medizinischen Reform- und Erneuerungsbewegungen, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts den [[Geschichte der Medizin#19. Jahrhundert|Aufstieg der (natur-)wissenschaftlichen Medizin]] begleiteten.<ref>Robert Jütte: [http://www.dakomed.ch/app/download/11866446427/Kurzexpertise_R_J%C3%BCtte.pdf ''Medizinhistorische Kurzexpertise zur Einordnung der Komplementärmedizin''], 19. August 2013, S. 6.</ref> In auffälliger Weise wiederholen sich Inhalte und Formen der Auseinandersetzung in zahlreichen Versuchen, eine Alternative zur etablierten Medizin zu schaffen. Dies scheint unabhängig von den zu verschiedenen Zeiten jeweils aktuellen Problemlagen („[[wikipedia:Krise der Medizin|Krisen der Medizin(w)]]“) zu sein. Die Kritiken betreffen die Einstellungen zur [[wikipedia:Natur|Natur(w)]], zu [[wikipedia:Leib-Seele-Problem|Geist und Körper(w)]], zu [[Krankheit|Krankheit]] versus [[Gesundheit|Gesundheit]], zum [[wikipedia:Arzt-Patient-Beziehung|Arzt-Patienten-Verhältnis(w)]] und zur [[wikipedia:Gesundheitsökonomie|Gesundheitsökonomie(w)]].
 
Sozial- und wissenschaftsgeschichtlich betrachtet ist die Alternativmedizin der Gegenwart eine neue und weitere Erscheinungsform der medizinischen Reform- und Erneuerungsbewegungen, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts den [[Geschichte der Medizin#19. Jahrhundert|Aufstieg der (natur-)wissenschaftlichen Medizin]] begleiteten.<ref>Robert Jütte: [http://www.dakomed.ch/app/download/11866446427/Kurzexpertise_R_J%C3%BCtte.pdf ''Medizinhistorische Kurzexpertise zur Einordnung der Komplementärmedizin''], 19. August 2013, S. 6.</ref> In auffälliger Weise wiederholen sich Inhalte und Formen der Auseinandersetzung in zahlreichen Versuchen, eine Alternative zur etablierten Medizin zu schaffen. Dies scheint unabhängig von den zu verschiedenen Zeiten jeweils aktuellen Problemlagen („[[wikipedia:Krise der Medizin|Krisen der Medizin(w)]]“) zu sein. Die Kritiken betreffen die Einstellungen zur [[wikipedia:Natur|Natur(w)]], zu [[wikipedia:Leib-Seele-Problem|Geist und Körper(w)]], zu [[Krankheit|Krankheit]] versus [[Gesundheit|Gesundheit]], zum [[wikipedia:Arzt-Patient-Beziehung|Arzt-Patienten-Verhältnis(w)]] und zur [[wikipedia:Gesundheitsökonomie|Gesundheitsökonomie(w)]].
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Damit verbunden finden sich durchgängig [[wikipedia:Standespolitik|standespolitische(w)]] Konflikte und häufig von persönlichen Angriffen durchzogene erbitterte Auseinandersetzungen.<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin.'' (1996), S.&nbsp;14 ff.</ref> Die Ärzteschaft konkurriert dabei auch mit anderen Berufsgruppen wie [[wikipedia:Hebamme|Hebamme(w)]]n, [[wikipedia:Heilpraktiker|Heilpraktiker(w)]]n, [[wikipedia:Dentist|Dentist(w)]]en sowie [[wikipedia:Psychologe|Psychologe(w)]]n.
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Damit verbunden finden sich durchgängig [[wikipedia:Standespolitik|standespolitische(w)]] Konflikte und häufig von persönlichen Angriffen durchzogene erbitterte Auseinandersetzungen.<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin.'' (1996), S.&nbsp;14 ff.</ref> Die Ärzteschaft konkurriert dabei auch mit anderen Berufsgruppen wie [[wikipedia:Hebamme|Hebamme(w)]]n, n, [[wikipedia:Dentist|Dentist(w)]]en sowie [[wikipedia:Psychologe|Psychologe(w)]]n.
    
===Alternativmedizin im Nationalsozialismus===
 
===Alternativmedizin im Nationalsozialismus===
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===Alternative Heilkultur im Mittelalter===
 
===Alternative Heilkultur im Mittelalter===
Beginnend im 14. Jahrhundert findet sich in [[wikipedia:Schlesien|Schlesien(w)]] eine alternative Heilkultur, die sich gegen die von der [[wikipedia:Scholastische Medizin|scholastischen Medizin(w)]] ausgehende [[wikipedia:Rationalisierung (Psychologie)#Psychologie|Rationalisierung(w)]] und „Mathematisierung“ der [[wikipedia:Medizin des Mittelalters|Heilkunde(w)]] (wie sie sich in einer quantifizierenden Pharmakologie in Montpellier aufzeigen lässt) richtete, und bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts andauerte. Initiator dieser „naturheilkundlichen Welle“ war der in [[wikipedia:Krakau|Krakau(w)]] um 1278 wirkende [[wikipedia:Dominikaner|Dominikaner(w)]]<nowiki/>arzt Nikolaus von Polen ([[wikipedia:Niklas von Mumpelier|Niklas von Mumpelier(w)]]), der bereits einen Strukturwandel forderte, der den Heiler an die Stelle des Mediziners, die Natur an die Stelle der Medizin und die Erfahrung an die Stelle der Wissenschaft setzen sollte. Ein Heilmittel sei gemäß Nikolaus nur aus Erfahrung zu gewinnen und ein Arzneimittel ein ''empiricum''.<ref>Gundolf Keil: ''virtus occulta. Der Begriff des „empiricum“ bei Nikolaus von Polen.'' In: August Buck (Hrsg.): ''Die okulten Wissenschaften in der Renaissance.'' Wiesbaden 1992 (= ''Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceoforschung.'' Band 12), S. 159–196.</ref> In seiner als „Antihippokrates“ bezeichneten Schrift warf er der Hippokratischen Medizin vor, die empirische Heilkunde ausgelöscht zu haben.<ref>Gundolf Keil: ''Medizinische Bildung und Alternativmedizin.'' In: Winfried Böhm, Martin Lindauer (Hrsg.): ''„Nicht Vielwissen sättigt die Seele“. Wissen, Erkennen, Bildung, Ausbildung heute.'' (= ''Drittes Symposium der Universität Würzburg.'') Ernst Klett, Stuttgart 1988, ISBN 3-12-984580-1, S. 245–271, hier: S. 248–252.</ref> Nikolaus war ein erbitterter Gegner der [[wikipedia:Galenos|Galenischen Medizin(w)]]. Er verwarf ihre theoretische Grundlage – die [[wikipedia:Humoralpathologie|Humoralpathologie(w)]] – und verunglimpfte die Ärzte und Apotheker seiner Zeit mit der Absicht, sie durch den Beruf der Naturheilkundigen (lateinisch ''empirici'') zu ersetzen. Statt der {{"|teuren [[wikipedia:Spezerei|Spezerei(w)]]en der [[wikipedia:Pharmazeut|Pharmazeut(w)]]en}} und der [[wikipedia:Heilpflanze|Heilpflanzen(w)]] seiner Zeit favorisierte er die {{"|verabscheuten Vertreter}} der Tiere wie [[wikipedia:Schlangen|Schlangen(w)]], [[wikipedia:Schnecken|Schnecken(w)]], [[wikipedia:Kröten|Kröten(w)]], [[wikipedia:Maulwürfe|Maulwürfe(w)]] und [[wikipedia:Maulwurfsgrillen|Maulwurfsgrillen(w)]] als Heilmittel. Er folgte damit einer Art „negativer [[wikipedia:Signaturenlehre|Signaturenlehre(w)]]“<ref>Peter Mario Kreuter: ''Paracelsus und die deutsche Sprache.'' In: Albrecht Classen (Hrsg.): ''Paracelsus im Kontext der Wissenschaften seiner Zeit: Kultur- und mentalitätsgeschichtliche Annäherungen.'' Walter de Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-021887-9, S. 206.</ref> bzw. einem später auch bei [[wikipedia:Paracelsus|Paracelsus(w)]] wiederzufindenden „Simile-Prinzip“.<ref>Gundolf Keil: ''Medizinische Bildung und Alternativmedizin.'' 1988, S. 250–252.</ref> Die Arzneien waren von den Patienten in ein [[wikipedia:Amulett|Amulett(w)]] verpackt zu tragen.
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Beginnend im 14. Jahrhundert findet sich in [[wikipedia:Schlesien|Schlesien(w)]] eine alternative Heilkultur, die sich gegen die von der [[wikipedia:Scholastische Medizin|scholastischen Medizin(w)]] ausgehende [[wikipedia:Rationalisierung (Psychologie)#Psychologie|Rationalisierung(w)]] und „Mathematisierung“ der [[wikipedia:Medizin des Mittelalters|Heilkunde(w)]] (wie sie sich in einer quantifizierenden Pharmakologie in Montpellier aufzeigen lässt) richtete, und bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts andauerte. Initiator dieser „naturheilkundlichen Welle“ war der in [[wikipedia:Krakau|Krakau(w)]] um 1278 wirkende [[wikipedia:Dominikaner|Dominikaner(w)]]<nowiki/>arzt Nikolaus von Polen ([[wikipedia:Niklas von Mumpelier|Niklas von Mumpelier(w)]]), der bereits einen Strukturwandel forderte, der den Heiler an die Stelle des Mediziners, die Natur an die Stelle der Medizin und die Erfahrung an die Stelle der Wissenschaft setzen sollte. Ein Heilmittel sei gemäß Nikolaus nur aus Erfahrung zu gewinnen und ein Arzneimittel ein ''empiricum''.<ref>Gundolf Keil: ''virtus occulta. Der Begriff des „empiricum“ bei Nikolaus von Polen.'' In: August Buck (Hrsg.): ''Die okulten Wissenschaften in der Renaissance.'' Wiesbaden 1992 (= ''Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceoforschung.'' Band 12), S. 159–196.</ref> In seiner als „Antihippokrates“ bezeichneten Schrift warf er der Hippokratischen Medizin vor, die empirische Heilkunde ausgelöscht zu haben.<ref>Gundolf Keil: ''Medizinische Bildung und Alternativmedizin.'' In: Winfried Böhm, Martin Lindauer (Hrsg.): ''„Nicht Vielwissen sättigt die Seele“. Wissen, Erkennen, Bildung, Ausbildung heute.'' (= ''Drittes Symposium der Universität Würzburg.'') Ernst Klett, Stuttgart 1988, ISBN 3-12-984580-1, S. 245–271, hier: S. 248–252.</ref> Nikolaus war ein erbitterter Gegner der [[Galenos|Galenischen Medizin]]. Er verwarf ihre theoretische Grundlage – die [[wikipedia:Humoralpathologie|Humoralpathologie(w)]] – und verunglimpfte die Ärzte und Apotheker seiner Zeit mit der Absicht, sie durch den Beruf der Naturheilkundigen (lateinisch ''empirici'') zu ersetzen. Statt der {{"|teuren [[wikipedia:Spezerei|Spezerei(w)]]en der [[wikipedia:Pharmazeut|Pharmazeut(w)]]en}} und der [[Heilpflanze|Heilpflanzen]] seiner Zeit favorisierte er die {{"|verabscheuten Vertreter}} der Tiere wie [[wikipedia:Schlangen|Schlangen(w)]], [[wikipedia:Schnecken|Schnecken(w)]], [[wikipedia:Kröten|Kröten(w)]], [[wikipedia:Maulwürfe|Maulwürfe(w)]] und [[wikipedia:Maulwurfsgrillen|Maulwurfsgrillen(w)]] als Heilmittel. Er folgte damit einer Art „negativer [[wikipedia:Signaturenlehre|Signaturenlehre(w)]]“<ref>Peter Mario Kreuter: ''Paracelsus und die deutsche Sprache.'' In: Albrecht Classen (Hrsg.): ''Paracelsus im Kontext der Wissenschaften seiner Zeit: Kultur- und mentalitätsgeschichtliche Annäherungen.'' Walter de Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-021887-9, S. 206.</ref> bzw. einem später auch bei [[Paracelsus|Paracelsus]] wiederzufindenden „Simile-Prinzip“.<ref>Gundolf Keil: ''Medizinische Bildung und Alternativmedizin.'' 1988, S. 250–252.</ref> Die Arzneien waren von den Patienten in ein [[wikipedia:Amulett|Amulett(w)]] verpackt zu tragen.
    
==Verbreitung==
 
==Verbreitung==
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Umfrageergebnisse über die Verbreitung nichtkonventioneller Heilverfahren streuen erheblich. Allgemein ist in Deutschland jedoch in den letzten Jahrzehnten eine erheblich gestiegene Nachfrage nach sogenannten Naturheilverfahren, aber auch nach anderen Formen der Alternativmedizin zu verzeichnen.<ref name="aerzteblatt-7802">{{Literatur |Autor=Dorothee Häußermann |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/7802/Allensbach-Studie-Wachsendes-Vertrauen-in-Naturheilmittel Allensbach-Studie: Wachsendes Vertrauen in Naturheilmittel] |Sammelwerk=[[wikipedia:Deutsches Ärzteblatt|Deutsches Ärzteblatt(w)]] |Band=94 |Nummer=39 |Verlag=[[wikipedia:Deutscher Ärzte-Verlag|Deutscher Ärzte-Verlag(w)]] |Datum=1997-09-26 |Seiten=A-2466 / B-2108 / C-1974}}</ref> Insbesondere Frauen, Befragte mit hohem Bildungsniveau, chronisch Erkrankte und Personen mit einer gesundheitsbewussteren Lebensweise nehmen in besonders starkem Maße alternative Medizin in Anspruch, oft nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur konventionellen Behandlung. Der ''Gesundheitsmonitor 2002''<ref name="Marstedt">{{Internetquelle |url=http://www.forum-gesundheitspolitik.de/dossier/PDF/AlternativmedizinBilanz.pdf |titel=SwissLight |zugriff=2010-09-25 |format=PDF; 62&nbsp;kB}}</ref> zeigte, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung noch gar nicht mit alternativer Medizin in Berührung gekommen war und etwa ein Viertel bislang ausschließlich [[wikipedia:Naturheilkunde|naturheilkundliche(w)]] Substanzen oder Therapieverfahren erprobt hatte. Knapp die Hälfte hatte jedoch auch Erfahrungen mit anderen Methoden wie Homöopathie, Akupunktur usw. Am häufigsten waren alternative Heilmethoden von niedergelassenen Ärzten verordnet worden (bei rund 2/3 der Betroffenen). Nach Angaben der [[wikipedia:Kassenärztliche Bundesvereinigung|Kassenärztlichen Bundesvereinigung(w)]] führten 2004 15.970 Ärzte die [[wikipedia:Ärztliche Weiterbildung|Zusatzbezeichnung(w)]] „Chirotherapie“, 13.502 die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“ und 5.538 Ärzte die Zusatzbezeichnung ''Homöopathie''. Die Anzahl der Ärzte, die Akupunktur anwenden, wird auf 20.000 bis 50.000 geschätzt.<ref name="aerzteblatt-53300">{{Literatur |Autor=Wolfgang Weidenhammer |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/53300/Forschung-zu-Naturheilverfahren-und-Komplementaermedizin-Luxus-oder-Notwendigkeit Forschung zu Naturheilverfahren und Komplementärmedizin: Luxus oder Notwendigkeit?] |Sammelwerk=[[wikipedia:Deutsches Ärzteblatt|Deutsches Ärzteblatt(w)]] |Band=103 |Nummer=44 |Verlag=[[wikipedia:Deutscher Ärzte-Verlag|Deutscher Ärzte-Verlag(w)]] |Datum=2006-11-03 |Seiten=A-2929 / B-2551 / C-2453}}</ref> Vermutlich werden viele nichtkonventionelle Methoden noch häufiger von [[wikipedia:Heilpraktiker|Heilpraktikern(w)]] und im Rahmen der Selbstbehandlung bzw. Laienbehandlung angewandt. Verlässliche Daten dazu sind aber nicht bekannt. In Europa werden komplementärmedizinische Verfahren von mehr als 100 Millionen Menschen in Anspruch genommen.<ref>{{Internetquelle |url=http://derstandard.at/1263706727077/Forschungsgelder-fuer-die-Komplementaermedizin |titel=Forschungsgelder für die Komplementärmedizin |hrsg=derstandard.at |zugriff=2010-09-25}}</ref>
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Umfrageergebnisse über die Verbreitung nichtkonventioneller Heilverfahren streuen erheblich. Allgemein ist in Deutschland jedoch in den letzten Jahrzehnten eine erheblich gestiegene Nachfrage nach sogenannten Naturheilverfahren, aber auch nach anderen Formen der Alternativmedizin zu verzeichnen.<ref name="aerzteblatt-7802">{{Literatur |Autor=Dorothee Häußermann |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/7802/Allensbach-Studie-Wachsendes-Vertrauen-in-Naturheilmittel Allensbach-Studie: Wachsendes Vertrauen in Naturheilmittel] |Sammelwerk=[[wikipedia:Deutsches Ärzteblatt|Deutsches Ärzteblatt(w)]] |Band=94 |Nummer=39 |Verlag=[[wikipedia:Deutscher Ärzte-Verlag|Deutscher Ärzte-Verlag(w)]] |Datum=1997-09-26 |Seiten=A-2466 / B-2108 / C-1974}}</ref> Insbesondere Frauen, Befragte mit hohem Bildungsniveau, chronisch Erkrankte und Personen mit einer gesundheitsbewussteren Lebensweise nehmen in besonders starkem Maße alternative Medizin in Anspruch, oft nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur konventionellen Behandlung. Der ''Gesundheitsmonitor 2002''<ref name="Marstedt">{{Internetquelle |url=http://www.forum-gesundheitspolitik.de/dossier/PDF/AlternativmedizinBilanz.pdf |titel=SwissLight |zugriff=2010-09-25 |format=PDF; 62&nbsp;kB}}</ref> zeigte, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung noch gar nicht mit alternativer Medizin in Berührung gekommen war und etwa ein Viertel bislang ausschließlich [[Naturheilkunde|naturheilkundliche]] Substanzen oder Therapieverfahren erprobt hatte. Knapp die Hälfte hatte jedoch auch Erfahrungen mit anderen Methoden wie Homöopathie, Akupunktur usw. Am häufigsten waren alternative Heilmethoden von niedergelassenen Ärzten verordnet worden (bei rund 2/3 der Betroffenen). Nach Angaben der [[wikipedia:Kassenärztliche Bundesvereinigung|Kassenärztlichen Bundesvereinigung(w)]] führten 2004 15.970 Ärzte die [[Ärztliche Weiterbildung|Zusatzbezeichnung]] „Chirotherapie“, 13.502 die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“ und 5.538 Ärzte die Zusatzbezeichnung ''Homöopathie''. Die Anzahl der Ärzte, die Akupunktur anwenden, wird auf 20.000 bis 50.000 geschätzt.<ref name="aerzteblatt-53300">{{Literatur |Autor=Wolfgang Weidenhammer |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/53300/Forschung-zu-Naturheilverfahren-und-Komplementaermedizin-Luxus-oder-Notwendigkeit Forschung zu Naturheilverfahren und Komplementärmedizin: Luxus oder Notwendigkeit?] |Sammelwerk=[[wikipedia:Deutsches Ärzteblatt|Deutsches Ärzteblatt(w)]] |Band=103 |Nummer=44 |Verlag=[[wikipedia:Deutscher Ärzte-Verlag|Deutscher Ärzte-Verlag(w)]] |Datum=2006-11-03 |Seiten=A-2929 / B-2551 / C-2453}}</ref> Vermutlich werden viele nichtkonventionelle Methoden noch häufiger von [[Heilpraktiker|Heilpraktikern]] und im Rahmen der Selbstbehandlung bzw. Laienbehandlung angewandt. Verlässliche Daten dazu sind aber nicht bekannt. In Europa werden komplementärmedizinische Verfahren von mehr als 100 Millionen Menschen in Anspruch genommen.<ref>{{Internetquelle |url=http://derstandard.at/1263706727077/Forschungsgelder-fuer-die-Komplementaermedizin |titel=Forschungsgelder für die Komplementärmedizin |hrsg=derstandard.at |zugriff=2010-09-25}}</ref>
    
In der [[wikipedia:Europäische Union|EU(w)]] gibt es schätzungsweise 305.000 Anbieter für CAM, davon 160.000 Ärzte. Die Anzahl von Ärzten nach Therapie verteilt sich wie folgt: Akupunktur (80.000), Homöopathie (45.000), Anthroposophische Medizin (4.500) und Neuraltherapie (1.500).<ref>K. von Ammon, M. Frei-Erb, F. Cardini, U. Daig, S. Dragan, G. Hegyi, P. Roberti di Sarsina, J. Sörensen, G. Lewith: ''Complementary and alternative medicine provision in Europe–first results approaching reality in an unclear field of practices.'' In: ''Forschende Komplementärmedizin.'' Band 19, Suppl 2, 2012, S.&nbsp;37–43, [[wikipedia:doi:10.1159/000343129|doi:10.1159/000343129(w)]]. PMID 23883943 (Review).</ref>
 
In der [[wikipedia:Europäische Union|EU(w)]] gibt es schätzungsweise 305.000 Anbieter für CAM, davon 160.000 Ärzte. Die Anzahl von Ärzten nach Therapie verteilt sich wie folgt: Akupunktur (80.000), Homöopathie (45.000), Anthroposophische Medizin (4.500) und Neuraltherapie (1.500).<ref>K. von Ammon, M. Frei-Erb, F. Cardini, U. Daig, S. Dragan, G. Hegyi, P. Roberti di Sarsina, J. Sörensen, G. Lewith: ''Complementary and alternative medicine provision in Europe–first results approaching reality in an unclear field of practices.'' In: ''Forschende Komplementärmedizin.'' Band 19, Suppl 2, 2012, S.&nbsp;37–43, [[wikipedia:doi:10.1159/000343129|doi:10.1159/000343129(w)]]. PMID 23883943 (Review).</ref>
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Eine mögliche Erklärung für die Attraktivität der alternativen Medizin liegt in der häufig negativen Bewertung der konventionellen [[wikipedia:medikament|medikament(w)]]<nowiki/>ösen Therapie. In deutlichem Kontrast hierzu werden nicht-evidenzbasierte Methoden eher mit Schlagworten wie ''sanft'', ''natürlich'' und ''frei von Nebenwirkungen'' besetzt. Teilweise wenden sich im Rahmen eines Nicht-wahrhaben-Wollens ihrer Situation auch onkologisch und palliativmedizinisch betreute, unheilbar Kranke komplementärmedizinischen bzw. alternativmedizinischen Angeboten zu.<ref>Markus Horneber, Gerwin Kaiser, Jutta Hübner, Gerda Hofmann-Wackersreuther: ''Komplementärmedizin in der Onkologie.'' In: Eberhard Aulbert, Friedemann Nauck, [[wikipedia:Lukas Radbruch|Lukas Radbruch(w)]] (Hrsg.): ''Lehrbuch der Palliativmedizin.'' Mit einem Geleitwort von Heinz Pichlmaier. 3., aktualisierte Auflage. Schattauer, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-7945-2666-6, S. 691–709, hier insbesondere: S. 694 f.</ref> Viele Patienten erfahren darüber hinaus bei alternativen Therapeuten ein höheres Maß an Zuwendung und Kommunikation, so dass hier auch ein niederschwelliges Psychotherapie- oder Beratungsangebot wahrgenommen wird. Die Erfahrung eines Mangels an ''[[wikipedia:Sprechende Medizin|sprechender Medizin(w)]]'' ist hier Motor der steigenden Nachfrage.<ref name="Marstedt" /> Die [[wikipedia:Anthropologie|anthropologische(w)]], auf einem in den 1920er Jahren entstandenen Konzept des Mediziners [[wikipedia:Viktor von Weizsäcker|Viktor von Weizsäcker(w)]]<ref>Josef N. Neumann: ''Medizintheorie.'' In: [[wikipedia:Werner E. Gerabek|Werner E. Gerabek(w)]], Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' de Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 957–962, hier: S. 960 (''Anthropologische Medizin'').</ref> beruhend, und [[wikipedia:Psychosomatik|psychosomatische(w)]] Medizin versuchen dieser Nachfrage im Rahmen der wissenschaftlichen Medizin gerecht zu werden.
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Eine mögliche Erklärung für die Attraktivität der alternativen Medizin liegt in der häufig negativen Bewertung der konventionellen [[wikipedia:medikament|medikament(w)]]<nowiki/>ösen Therapie. In deutlichem Kontrast hierzu werden nicht-evidenzbasierte Methoden eher mit Schlagworten wie ''sanft'', ''natürlich'' und ''frei von Nebenwirkungen'' besetzt. Teilweise wenden sich im Rahmen eines Nicht-wahrhaben-Wollens ihrer Situation auch onkologisch und palliativmedizinisch betreute, unheilbar Kranke komplementärmedizinischen bzw. alternativmedizinischen Angeboten zu.<ref>Markus Horneber, Gerwin Kaiser, Jutta Hübner, Gerda Hofmann-Wackersreuther: ''Komplementärmedizin in der Onkologie.'' In: Eberhard Aulbert, Friedemann Nauck, [[wikipedia:Lukas Radbruch|Lukas Radbruch(w)]] (Hrsg.): ''Lehrbuch der Palliativmedizin.'' Mit einem Geleitwort von Heinz Pichlmaier. 3., aktualisierte Auflage. Schattauer, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-7945-2666-6, S. 691–709, hier insbesondere: S. 694 f.</ref> Viele Patienten erfahren darüber hinaus bei alternativen Therapeuten ein höheres Maß an Zuwendung und Kommunikation, so dass hier auch ein niederschwelliges Psychotherapie- oder Beratungsangebot wahrgenommen wird. Die Erfahrung eines Mangels an ''[[wikipedia:Sprechende Medizin|sprechender Medizin(w)]]'' ist hier Motor der steigenden Nachfrage.<ref name="Marstedt" /> Die [[wikipedia:Anthropologie|anthropologische(w)]], auf einem in den 1920er Jahren entstandenen Konzept des Mediziners [[wikipedia:Viktor von Weizsäcker|Viktor von Weizsäcker(w)]]<ref>Josef N. Neumann: ''Medizintheorie.'' In: [[Werner E. Gerabek|Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' de Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 957–962, hier: S. 960 (''Anthropologische Medizin'').</ref> beruhend, und [[wikipedia:Psychosomatik|psychosomatische(w)]] Medizin versuchen dieser Nachfrage im Rahmen der wissenschaftlichen Medizin gerecht zu werden.
    
==Ökonomische Bedeutung==
 
==Ökonomische Bedeutung==
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Die Debatte um die Durchführung alternativmedizinischer Behandlungsmethoden oder Verordnung entsprechender Arzneimittel zu Lasten der Solidargemeinschaft führte immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten.<ref>Urteile von Sozialgerichten: [http://www.kostenlose-urteile.de/newsview4491A.htm S 7 KR 283/06 (SG Speyer)], {{Webarchiv | url=http://www.arzneimittel-und-recht.de/04_rechtsprechung/s8kr321-04_1.03.2005.htm | wayback=20090210194732 | text=S 8 KR 321/04 (SG Düsseldorf)}}, [http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=58858 S 18 KR 534/05 (SG Dresden)]; [http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=2900 Revisionsantrag zum Urteil des SG Dresden zurückgezogen]; Urteile des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts: [http://lexetius.com/2005,1297 B 1 A 1/03 R], [http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=ps&Datum=2008&nr=10499&pos=1&anz=35 B 1 KR 5/08 R], [http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=ps&Datum=2008-2&nr=10266&linked=ps B 1 KR 16/07 R], [http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20051206_1bvr034798.html 1 BvR 347/98]</ref> Am 1. Dezember 2011 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) beschlossen.<ref>{{Toter Link |date= 2017-10-20| url=http://www.bundesrat.de/cln_235/SharedDocs/Drucksachen/2011/0701-800/785-11,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/785-11.pdf }} Bundesrat Drucksache 785/11 vom 2. Dezember 2011, Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages. GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) (PDF; 684&nbsp;kB)</ref> Darin aufgenommen ist eine Klarstellung im Leistungsrecht, dass Versicherte mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, eine noch nicht allgemein anerkannte Leistung beanspruchen können, wenn Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht<ref>{{Webarchiv | url=http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/Laufende_Verfahren/V/10_06_11_Referentenentwurf_Versorgunsgesetz.pdf | wayback=20111226185832 | text=Referentenentwurf – Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung}} (PDF; 484&nbsp;kB)</ref> (Klarstellung des Geltungsumfangs des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005, BvR 347/98<ref>[http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20051206_1bvr034798.html Beschluss des Ersten Senats vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 -]</ref>).
 
Die Debatte um die Durchführung alternativmedizinischer Behandlungsmethoden oder Verordnung entsprechender Arzneimittel zu Lasten der Solidargemeinschaft führte immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten.<ref>Urteile von Sozialgerichten: [http://www.kostenlose-urteile.de/newsview4491A.htm S 7 KR 283/06 (SG Speyer)], {{Webarchiv | url=http://www.arzneimittel-und-recht.de/04_rechtsprechung/s8kr321-04_1.03.2005.htm | wayback=20090210194732 | text=S 8 KR 321/04 (SG Düsseldorf)}}, [http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=58858 S 18 KR 534/05 (SG Dresden)]; [http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=2900 Revisionsantrag zum Urteil des SG Dresden zurückgezogen]; Urteile des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts: [http://lexetius.com/2005,1297 B 1 A 1/03 R], [http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=ps&Datum=2008&nr=10499&pos=1&anz=35 B 1 KR 5/08 R], [http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=ps&Datum=2008-2&nr=10266&linked=ps B 1 KR 16/07 R], [http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20051206_1bvr034798.html 1 BvR 347/98]</ref> Am 1. Dezember 2011 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) beschlossen.<ref>{{Toter Link |date= 2017-10-20| url=http://www.bundesrat.de/cln_235/SharedDocs/Drucksachen/2011/0701-800/785-11,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/785-11.pdf }} Bundesrat Drucksache 785/11 vom 2. Dezember 2011, Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages. GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) (PDF; 684&nbsp;kB)</ref> Darin aufgenommen ist eine Klarstellung im Leistungsrecht, dass Versicherte mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, eine noch nicht allgemein anerkannte Leistung beanspruchen können, wenn Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht<ref>{{Webarchiv | url=http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/Laufende_Verfahren/V/10_06_11_Referentenentwurf_Versorgunsgesetz.pdf | wayback=20111226185832 | text=Referentenentwurf – Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung}} (PDF; 484&nbsp;kB)</ref> (Klarstellung des Geltungsumfangs des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005, BvR 347/98<ref>[http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20051206_1bvr034798.html Beschluss des Ersten Senats vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 -]</ref>).
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[[wikipedia:Homöopathisches Arzneimittel|Homöopathische Zubereitungen(w)]] mit einem Verdünnungsgrad von mindestens 1:10.000 und ohne spezifische Heilanzeige, sowie sogenannte „[[wikipedia:traditionelle pflanzliche Arzneimittel|traditionelle pflanzliche Arzneimittel(w)]]“ sind in der [[wikipedia:Europäische Union|EU(w)]] gemäß [[wikipedia:Richtlinie 2001/83/EG|Richtlinie 2001/83/EG(w)]] vom [[wikipedia:Arzneimittelzulassung|Arzneimittelzulassung(w)]]<nowiki/>sverfahren befreit. Solche [[wikipedia:Präsentationsarzneimittel|Präparate(w)]] können nach einem vereinfachten Registrierungsverfahren in Verkehr gebracht werden. Für die Registrierung müssen lediglich die pharmazeutische Qualität und Unbedenklichkeit, nicht jedoch die [[wikipedia:therapeutische Wirksamkeit|therapeutische Wirksamkeit(w)]] nachgewiesen werden; eine [[wikipedia:Indikation|Indikation(w)]] darf nicht angegeben werden. Die weitergehende Zulassung wird von Land zu Land verschieden gehandhabt: Nach dem [[wikipedia:Arzneimittelgesetz (Deutschland)|deutschen Arzneimittelgesetz(w)]] sind bei der Zulassung von Arzneimitteln der Therapierichtungen [[wikipedia:Homöopathie|Homöopathie(w)]], [[wikipedia:anthroposophische Medizin|anthroposophische Medizin(w)]] und [[wikipedia:Phytotherapie|Phytotherapie(w)]] die Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen zu berücksichtigen. Dazu ist, anders als bei [[wikipedia:Funktionsarzneimittel|Funktionsarzneimittel(w)]]n, in die Zulassungsentscheidung die Beurteilung durch eine eigens für die jeweilige Therapierichtung einberufene Zulassungskommission einzubeziehen ([[wikipedia:Binnenkonsens|Binnenkonsens(w)]]). Diese besteht aus Experten der jeweiligen Therapierichtung, die über entsprechende Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen im Anwendungsgebiet gesammelt haben.<ref>{{§|25|amg_1976|juris}} [[wikipedia:Arzneimittelgesetz (Deutschland)|Arzneimittelgesetz(w)]] (AMG).</ref>
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[[wikipedia:Homöopathisches Arzneimittel|Homöopathische Zubereitungen(w)]] mit einem Verdünnungsgrad von mindestens 1:10.000 und ohne spezifische Heilanzeige, sowie sogenannte „[[wikipedia:traditionelle pflanzliche Arzneimittel|traditionelle pflanzliche Arzneimittel(w)]]“ sind in der [[wikipedia:Europäische Union|EU(w)]] gemäß [[wikipedia:Richtlinie 2001/83/EG|Richtlinie 2001/83/EG(w)]] vom [[wikipedia:Arzneimittelzulassung|Arzneimittelzulassung(w)]]<nowiki/>sverfahren befreit. Solche [[wikipedia:Präsentationsarzneimittel|Präparate(w)]] können nach einem vereinfachten Registrierungsverfahren in Verkehr gebracht werden. Für die Registrierung müssen lediglich die pharmazeutische Qualität und Unbedenklichkeit, nicht jedoch die [[therapeutische Wirksamkeit|therapeutische Wirksamkeit]] nachgewiesen werden; eine [[wikipedia:Indikation|Indikation(w)]] darf nicht angegeben werden. Die weitergehende Zulassung wird von Land zu Land verschieden gehandhabt: Nach dem [[wikipedia:Arzneimittelgesetz (Deutschland)|deutschen Arzneimittelgesetz(w)]] sind bei der Zulassung von Arzneimitteln der Therapierichtungen [[Homöopathie|Homöopathie]], [[anthroposophische Medizin|anthroposophische Medizin]] und [[Phytotherapie|Phytotherapie]] die Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen zu berücksichtigen. Dazu ist, anders als bei [[wikipedia:Funktionsarzneimittel|Funktionsarzneimittel(w)]]n, in die Zulassungsentscheidung die Beurteilung durch eine eigens für die jeweilige Therapierichtung einberufene Zulassungskommission einzubeziehen ([[wikipedia:Binnenkonsens|Binnenkonsens(w)]]). Diese besteht aus Experten der jeweiligen Therapierichtung, die über entsprechende Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen im Anwendungsgebiet gesammelt haben.<ref>{{§|25|amg_1976|juris}} [[wikipedia:Arzneimittelgesetz (Deutschland)|Arzneimittelgesetz(w)]] (AMG).</ref>
    
Die [[wikipedia:Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft|Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft(w)]] urteilte 1998, die nicht wissenschaftlich fundierten Therapierichtungen machten „in der Regel Besonderheiten geltend, um sich der wissenschaftlichen Prüfung ihrer Hypothesen zu entziehen“. Dies gelte für die im Arzneimittelgesetz explizit erwähnten Formen wie „Homöopathie“, anthroposophisch begründete Heilverfahren und traditionellen Phytopharmaka ebenso wie für die Vielzahl heterogener Methoden von Ayurveda bis Bach-Blüten-Therapie. Die Kommission sieht eine „seitens der Politik eingeräumte Sonderstellung“ für die „besonderen Therapierichtungen“ (Homöopathie, Anthroposophie, Phytotherapie) und kritisiert, dass diese Stellung nicht nur jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehre, sondern auch bedeute, dass Wirksamkeit mit zweierlei Maß gemessen werde. Sie transferiere Konzepte des individuell oder staatlich praktizierten Wertepluralismus fälschlicherweise in die Bewertung der von wissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten bestimmten modernen Arzneitherapie.<ref name="AKdÄ">Knut-Olaf Haustein, Dietrich Höffler, Rainer Lasek, Bruno Müller-Oerlinghausen (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft): {{Webarchiv | url=http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Alternativpdf.pdf | wayback=20071023140017 | text=''Außerhalb der wissenschaftlichen Medizin stehende Methoden der Arzneitherapie''}} In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' 95, Heft 14, 1998, S. A-800–805.</ref>
 
Die [[wikipedia:Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft|Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft(w)]] urteilte 1998, die nicht wissenschaftlich fundierten Therapierichtungen machten „in der Regel Besonderheiten geltend, um sich der wissenschaftlichen Prüfung ihrer Hypothesen zu entziehen“. Dies gelte für die im Arzneimittelgesetz explizit erwähnten Formen wie „Homöopathie“, anthroposophisch begründete Heilverfahren und traditionellen Phytopharmaka ebenso wie für die Vielzahl heterogener Methoden von Ayurveda bis Bach-Blüten-Therapie. Die Kommission sieht eine „seitens der Politik eingeräumte Sonderstellung“ für die „besonderen Therapierichtungen“ (Homöopathie, Anthroposophie, Phytotherapie) und kritisiert, dass diese Stellung nicht nur jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehre, sondern auch bedeute, dass Wirksamkeit mit zweierlei Maß gemessen werde. Sie transferiere Konzepte des individuell oder staatlich praktizierten Wertepluralismus fälschlicherweise in die Bewertung der von wissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten bestimmten modernen Arzneitherapie.<ref name="AKdÄ">Knut-Olaf Haustein, Dietrich Höffler, Rainer Lasek, Bruno Müller-Oerlinghausen (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft): {{Webarchiv | url=http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Alternativpdf.pdf | wayback=20071023140017 | text=''Außerhalb der wissenschaftlichen Medizin stehende Methoden der Arzneitherapie''}} In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' 95, Heft 14, 1998, S. A-800–805.</ref>
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==Gesundheitsrisiken==
 
==Gesundheitsrisiken==
Die Datenlage zu den Risiken alternativ- und komplementärmedizinischer Verfahren wurde 2008 als unzureichend bewertet. Als gravierende direkte Risiken wurden zum Beispiel Verletzungen, Immunreaktionen und Arzneimittel-Interaktionen dokumentiert. Indirekte Gesundheitsrisiken liegen im Versäumen notwendiger medizinischer Diagnostik und Therapie.<ref name="Burkhard">Barbara Burkhard: ''Risikofreie Komplementär- und Alternativmedizin?'' In: ''[[wikipedia:Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen|Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen(w)]]'' 2008, Jahrgang 102, Ausgabe 9; S. 568–573. {{doi|10.1016/j.zefq.2008.09.019}}.</ref> Dies betrifft besonders lebensbedrohliche Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs.<ref>{{Literatur |Autor=Skyler B. Johnson et al. |Titel=Use of Alternative Medicine for Cancer and Its Impact on Survival |Hrsg= |Sammelwerk=JNCI: Journal of the National Cancer Institute |Band=110 |Nummer=1 |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2018-01-01 |ISBN= |DOI=10.1093/jnci/djx145 |Seiten=121–124}}</ref><ref>[http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/studie-wie-alternativmedizin-krebspatienten-gefaehrdet-a-1219406.html Nina Weber: ''Wie Alternativmedizin Krebspatienten gefährdet.''] [[wikipedia:SPIEGEL Online|SPIEGEL Online(w)]]. Abgerufen am 17. September 2018.</ref><ref>{{Internetquelle |autor=mdr.de |url=https://www.mdr.de/investigativ/video-182300_zc-f80c8d3a_zs-0fdb427d.html |titel=Dubiose Krebsbehandlung mit Homöopathie {{!}} MDR.DE |zugriff=2018-09-30 |sprache=de-DE}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Skyler B. Johnson et al. |Titel=Complementary Medicine, Refusal of Conventional Cancer Therapy, and Survival Among Patients With Curable Cancers |Hrsg= |Sammelwerk=JAMA Oncology |Band=4 |Nummer=10 |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2018-10-01 |ISBN= |DOI=10.1001/jamaoncol.2018.2487 |Seiten=1375–1381}}</ref> [[wikipedia:Edzard Ernst|Edzard Ernst(w)]] kritisiert [[wikipedia:Arzt|Ärzte(w)]] und [[wikipedia:Heilpraktiker|Heilpraktiker(w)]], die alternative Medizin anbieten: {{"|Viele Alternativbehandlungen sind harmlos. Aber leider sind die Behandler nicht immer harmlos. Diese Leute erkennen die eigenen Grenzen nicht.}}<ref name="SZ">[https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/naturheilkunde-glauben-mit-nebenwirkungen-1.2594935 Christina Berndt: ''Wenn Eltern ihre Kinder gefährden.''] [[wikipedia:Süddeutsche Zeitung|Süddeutsche Zeitung(w)]]. Abgerufen am 17. September 2018.</ref> Die Ablehnung von Impfungen kann auch zu einer kollektiven Gefährdung führen. Als Risiken alternativmedizinischer Konzepte und Methoden sind auch Todesfälle von Patienten dokumentiert.<ref name="Burkhard" /><ref name="SZ" />
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Die Datenlage zu den Risiken alternativ- und komplementärmedizinischer Verfahren wurde 2008 als unzureichend bewertet. Als gravierende direkte Risiken wurden zum Beispiel Verletzungen, Immunreaktionen und Arzneimittel-Interaktionen dokumentiert. Indirekte Gesundheitsrisiken liegen im Versäumen notwendiger medizinischer Diagnostik und Therapie.<ref name="Burkhard">Barbara Burkhard: ''Risikofreie Komplementär- und Alternativmedizin?'' In: ''[[wikipedia:Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen|Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen(w)]]'' 2008, Jahrgang 102, Ausgabe 9; S. 568–573. {{doi|10.1016/j.zefq.2008.09.019}}.</ref> Dies betrifft besonders lebensbedrohliche Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs.<ref>{{Literatur |Autor=Skyler B. Johnson et al. |Titel=Use of Alternative Medicine for Cancer and Its Impact on Survival |Hrsg= |Sammelwerk=JNCI: Journal of the National Cancer Institute |Band=110 |Nummer=1 |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2018-01-01 |ISBN= |DOI=10.1093/jnci/djx145 |Seiten=121–124}}</ref><ref>[http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/studie-wie-alternativmedizin-krebspatienten-gefaehrdet-a-1219406.html Nina Weber: ''Wie Alternativmedizin Krebspatienten gefährdet.''] [[wikipedia:SPIEGEL Online|SPIEGEL Online(w)]]. Abgerufen am 17. September 2018.</ref><ref>{{Internetquelle |autor=mdr.de |url=https://www.mdr.de/investigativ/video-182300_zc-f80c8d3a_zs-0fdb427d.html |titel=Dubiose Krebsbehandlung mit Homöopathie {{!}} MDR.DE |zugriff=2018-09-30 |sprache=de-DE}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Skyler B. Johnson et al. |Titel=Complementary Medicine, Refusal of Conventional Cancer Therapy, and Survival Among Patients With Curable Cancers |Hrsg= |Sammelwerk=JAMA Oncology |Band=4 |Nummer=10 |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2018-10-01 |ISBN= |DOI=10.1001/jamaoncol.2018.2487 |Seiten=1375–1381}}</ref> [[wikipedia:Edzard Ernst|Edzard Ernst(w)]] kritisiert [[Arzt|Ärzte]] und [[Heilpraktiker|Heilpraktiker]], die alternative Medizin anbieten: {{"|Viele Alternativbehandlungen sind harmlos. Aber leider sind die Behandler nicht immer harmlos. Diese Leute erkennen die eigenen Grenzen nicht.}}<ref name="SZ">[https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/naturheilkunde-glauben-mit-nebenwirkungen-1.2594935 Christina Berndt: ''Wenn Eltern ihre Kinder gefährden.''] [[wikipedia:Süddeutsche Zeitung|Süddeutsche Zeitung(w)]]. Abgerufen am 17. September 2018.</ref> Die Ablehnung von Impfungen kann auch zu einer kollektiven Gefährdung führen. Als Risiken alternativmedizinischer Konzepte und Methoden sind auch Todesfälle von Patienten dokumentiert.<ref name="Burkhard" /><ref name="SZ" />
    
==Siehe auch==
 
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