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Anatomie: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Anatomie''' ist ein Teilgebiet der [[Wikipedia:Morphologie (Biologie)|Morphologie]] und in der [[Medizin]] bzw. [[Wikipedia:Humanbiologie|Humanbiologie]] (Anthropotomie), [[Wikipedia:Zoologie|Zoologie]] ([[Wikipedia:Zootomie|Zootomie]]) und [[Wikipedia:Botanik|Botanik]] ([[Wikipedia:Phytotomie|Phytotomie]]) die Lehre vom inneren Bau der [[Wikipedia:Organismus|Organismen]].
Die '''Anatomie''' (dem Erkenntnisgewinn dienende ‚Zergliederung‘ von tierischen und menschlichen Körpern; aus {{grcS|ἀνά}} ''{{lang|grc-Latn|aná}}'' „auf“ und {{lang|grc|τομή}} ''{{lang|grc-Latn|tomé}}'' „Schnitt“) ist ein Teilgebiet der [[Morphologie (Biologie)|Morphologie]] und in der [[Medizin]] bzw. [[Humanbiologie]] (Anthropotomie), [[Zoologie]] ([[Zootomie]]) und [[Botanik]] ([[Phytotomie]]) die Lehre vom inneren Bau der [[Organismus|Organismen]].
 
 
[[Datei:Lateral head anatomy detail.jpg|mini|Anatomie des menschlichen Kopfes]]
 
[[Datei:Lateral head anatomy detail.jpg|mini|Anatomie des menschlichen Kopfes]]
Es werden Gestalt, Lage und Struktur von Körperteilen, [[Organ (Biologie)|Organen]], [[Gewebe (Biologie)|Geweben]] oder [[Zelle (Biologie)|Zellen]] betrachtet. Die [[Pathologie|pathologische]] Anatomie befasst sich mit krankhaft veränderten Körperteilen. Die [[mikroskopische Anatomie]] befasst sich mit den feineren biologischen Strukturen bis zur molekularen Ebene und knüpft an die [[Molekularbiologie]] an. Die klassische Anatomie verwendet eine standardisierte [[Nomenklatur (Anatomie)|Nomenklatur]], die auf der [[latein]]ischen und der [[Griechische Sprache|griechischen Sprache]] basiert.
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Es werden Gestalt, Lage und Struktur von Körperteilen, [[Organ (Biologie)|Organen]], [[Wikipedia:Gewebe (Biologie)|Geweben]] oder [[Wikipedia:Zelle (Biologie)|Zellen]] betrachtet. Die [[Wikipedia:Pathologie|pathologische]] Anatomie befasst sich mit krankhaft veränderten Körperteilen. Die [[Wikipedia:mikroskopische Anatomie|mikroskopische Anatomie]] befasst sich mit den feineren biologischen Strukturen bis zur molekularen Ebene und knüpft an die [[Wikipedia:Molekularbiologie|Molekularbiologie]] an. Die klassische Anatomie verwendet eine standardisierte [[Wikipedia:Nomenklatur (Anatomie)|Nomenklatur]], die auf der [[latein]]ischen und der [[Wikipedia:Griechische Sprache|griechischen Sprache]] basiert.
  
Der Begriff ''Anatomie'' wird „schon seit früherem 16. Jh. auch allgemeiner und übertragen verwendet in der Bed[eutung] „Zergliederung, Strukturbestimmung, Analyse von konkreten und abstrakten Dingen“, auch „Struktur, (Auf-)bau“, z.&nbsp;B. ''Anatomie des Bodens, der Kunst, der Gedanken, der Gesellschaft''.“<ref>Schulz, Hans; Basler, Otto: Deutsches Fremdwörterbuch, Bd. 1. De Gruyter, 1995.</ref><ref>Vgl. auch den Filmtitel „[[Anatomie eines Mordes (Film)|Anatomie eines Mordes ]]“.</ref>
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Der Begriff ''Anatomie'' wird „schon seit früherem 16. Jh. auch allgemeiner und übertragen verwendet in der Bed[eutung] „Zergliederung, Strukturbestimmung, Analyse von konkreten und abstrakten Dingen“, auch „Struktur, (Auf-)bau“, z.&nbsp;B. ''Anatomie des Bodens, der Kunst, der Gedanken, der Gesellschaft''.“<ref>Schulz, Hans; Basler, Otto: Deutsches Fremdwörterbuch, Bd. 1. De Gruyter, 1995.</ref><ref>Vgl. auch den Filmtitel „[[Wikipedia:Anatomie eines Mordes (Film)|Anatomie eines Mordes ]]“.</ref>
  
 
== Geschichte ==
 
== Geschichte ==
 
[[Datei:Ngv, veracruz, testa con vita e morte, 300-600 dc.jpg|mini|hochkant|Mayabüste]]
 
[[Datei:Ngv, veracruz, testa con vita e morte, 300-600 dc.jpg|mini|hochkant|Mayabüste]]
Die frühesten erhaltenen anatomischen Studien finden sich im ''[[Papyrus Edwin Smith]]'', der auf etwa 1550 v. Chr. datiert wird. Behandelt werden u.&nbsp;a. das Herz und die Herzkranzgefäße, Leber, Milz und Nieren, [[Hypothalamus]], Gebärmutter und Blase sowie die Blutgefäße.<ref>{{cite book| title = The Greatest Benefit to Mankind: A Medical History of Humanity from Antiquity to the Present| last = Porter| first = Roy| year = 1997| publisher = [[HarperCollins]]| isbn = 0-00-215173-1| pages=49–50}}</ref>
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Die frühesten erhaltenen anatomischen Studien finden sich im ''[[Wikipedia:Papyrus Edwin Smith|Papyrus Edwin Smith]]'', der auf etwa 1550 v. Chr. datiert wird. Behandelt werden u.&nbsp;a. das Herz und die Herzkranzgefäße, Leber, Milz und Nieren, [[Wikipedia:Hypothalamus|Hypothalamus]], Gebärmutter und Blase sowie die Blutgefäße.
  
Der ''[[Papyrus Ebers]]'' aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts v. Chr. enthält ein Traktat zum Herzen, in dem auch die Blutgefäße beschrieben werden.<ref>{{cite book|last=Porter|first=Roy|title=The Greatest Benefit to Mankind: A Medical History of Humanity (The Norton History of Science)|date=1999-10-17|publisher=W. W. Norton|isbn=978-0-393-31980-4|pages=49–50}}</ref>
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Der ''[[Wikipedia:Papyrus Ebers|Papyrus Ebers]]'' aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts v. Chr. enthält ein Traktat zum Herzen, in dem auch die Blutgefäße beschrieben werden.
  
Nomenklatur, Methodik und Anwendungen gehen auf die [[Altgriechische Medizin|griechischen Ärzte der Antike]] zurück.<ref>{{cite book|last=Singer|first=Charles|title=A Short History of Anatomy & Physiology from Greeks to Harvey|year=1957|publisher=Dover Publications Inc.|location=NEw York|pages=5}}</ref> Beschreibungen von [[Muskeln]] und Skelett finden sich im ''[[Corpus Hippocraticum]]''<ref>{{cite book |last=Gillispie |first=Charles Coulston|authorlink=Charles Coulston Gillispie|title=Dictionary of Scientific Biography|volume=VI|pages=419–427|year=1972|publisher=Charles Scribner's Sons|location=New York}}</ref> (v.&nbsp;a. ''Über die Knochenbrüche'' und ''Über die Gelenke''), wobei in der [[Hippokrates von Kos|hippokratischen]] Medizin die menschliche [[Physiologie]] eine größere Bedeutung hatte als die Anatomie. [[Aristoteles]] beschrieb anhand der Sektion von Tieren die Anatomie der Wirbeltiere. [[Praxagoras von Kos]] kannte bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. den Unterschied zwischen Arterien und Venen.<ref>Ferdinand Peter Moog: ''Praxagoras von Kos''. In: [[Werner E. Gerabek]] u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte''. Berlin 2004, S. 1182.</ref>
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Nomenklatur, Methodik und Anwendungen gehen auf die [[Wikipedia:Altgriechische Medizin|griechischen Ärzte der Antike]] zurück. Beschreibungen von [[Wikipedia:Muskeln|Muskeln]] und Skelett finden sich im ''[[Wikipedia:Corpus Hippocraticum|Corpus Hippocraticum]]'' (v.&nbsp;a. ''Über die Knochenbrüche'' und ''Über die Gelenke''), wobei in der [[Wikipedia:Hippokrates von Kos|hippokratischen]] Medizin die menschliche [[Wikipedia:Physiologie|Physiologie]] eine größere Bedeutung hatte als die Anatomie. [[Wikipedia:Aristoteles|Aristoteles]] beschrieb anhand der Sektion von Tieren die Anatomie der Wirbeltiere. [[Wikipedia:Praxagoras von Kos|Praxagoras von Kos]] kannte bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. den Unterschied zwischen Arterien und Venen.<ref>Ferdinand Peter Moog: ''Praxagoras von Kos''. In: [[Werner E. Gerabek]] u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte''. Berlin 2004, S. 1182.</ref>
  
Anfänge einer systematischen Anatomie entstanden im alten Babylon.<ref>[[Joachim-Hermann Scharf]]: ''Anfänge von systematischer Anatomie und Teratologie im alten Babylon.'' Berlin 1988 (= ''Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse.'' Band 120, Heft 3).</ref> Eine erste anatomische Schule gab es im 2. Jahrhundert v. Chr. in Alexandria.<ref>{{cite journal|last=Siddiquey|first=Ak Shamsuddin Husain|title=History of Anatomy|journal=Bangladesh Journal of Anatomy|year=2009|volume=7 | issue = 1}}</ref> [[Ptolemaios I.]] erlaubte die Leichenöffnung für anatomische Studien, meist an Exekutierten. [[Herophilos von Chalkedon]] führte die ersten wissenschaftlichen [[Obduktion]]en und auch [[Vivisektion]]en an Mensch und Tier durch. Er soll 600 Strafgefangene lebend seziert haben<ref>{{cite book|last=Roach|first=Mary|title=Stiff: The curious Lives of Human Cadavers|year=2003|publisher=W.W. Norton|location=New York|pages=41}}</ref> und gilt als „Vater der Anatomie“. Er verwarf die Ansicht von Aristoteles, das Herz sei der Sitz des Intellekts und nannte dafür das Gehirn.<ref>{{cite book|last=Singer|first=Charles|title=A Short History of Anatomy & Physiology from Greeks to Harvey|year=1957|publisher=Dover Publications Inc.|location=NEw York|pages=29}}</ref> Weitere Anatomen in Alexandria waren [[Erasistratos]] und [[Eudemos von Alexandria]].<ref>Ludwig Hopf: ''Die Anfänge der Anatomie bei den alten Kulturvölkern''. Рипол Классик, ISBN 978-5-88165-547-1. S. 82.</ref>
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Anfänge einer systematischen Anatomie entstanden im alten Babylon.<ref>[[Wikipedia:Joachim-Hermann Scharf|Joachim-Hermann Scharf]]: ''Anfänge von systematischer Anatomie und Teratologie im alten Babylon.'' Berlin 1988 (= ''Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse.'' Band 120, Heft 3).</ref> Eine erste anatomische Schule gab es im 2. Jahrhundert v. Chr. in Alexandria. [[Wikipedia:Ptolemaios I.|Ptolemaios I.]] erlaubte die Leichenöffnung für anatomische Studien, meist an Exekutierten. [[Wikipedia:Herophilos von Chalkedon|Herophilos von Chalkedon]] führte die ersten wissenschaftlichen [[Wikipedia:Obduktion|Obduktion]]en und auch [[Wikipedia:Vivisektion|Vivisektion]]en an Mensch und Tier durch. Er soll 600 Strafgefangene lebend seziert haben<ref>{{cite book|last=Roach|first=Mary|title=Stiff: The curious Lives of Human Cadavers|year=2003|publisher=W.W. Norton|location=New York|pages=41}}</ref> und gilt als „Vater der Anatomie“. Er verwarf die Ansicht von Aristoteles, das Herz sei der Sitz des Intellekts und nannte dafür das Gehirn.<ref>{{cite book|last=Singer|first=Charles|title=A Short History of Anatomy & Physiology from Greeks to Harvey|year=1957|publisher=Dover Publications Inc.|location=NEw York|pages=29}}</ref> Weitere Anatomen in Alexandria waren [[Wikipedia:Erasistratos|Erasistratos]] und [[Wikipedia:Eudemos von Alexandria|Eudemos von Alexandria]].<ref>Ludwig Hopf: ''Die Anfänge der Anatomie bei den alten Kulturvölkern''. Рипол Классик, ISBN 978-5-88165-547-1. S. 82.</ref>
  
[[Galenos von Pergamon]] fasste im 2. Jahrhundert n. Chr. das medizinische Wissen der antiken Ärzte systematisch zusammen. Als Arzt von Gladiatoren konnte er verschiedenste Arten von Wunden und so auch die Anatomie des Menschen genau studieren. Weitere Studien betrieb er mit Schweinen und Affen. Seine Schriften bildeten die Basis für die Werke des Mittelalters, so auch für den ''[[Kanon der Medizin]]'' von [[Avicenna]].
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[[Wikipedia:Galenos von Pergamon|Galenos von Pergamon]] fasste im 2. Jahrhundert n. Chr. das medizinische Wissen der antiken Ärzte systematisch zusammen. Als Arzt von Gladiatoren konnte er verschiedenste Arten von Wunden und so auch die Anatomie des Menschen genau studieren. Weitere Studien betrieb er mit Schweinen und Affen. Seine Schriften bildeten die Basis für die Werke des Mittelalters, so auch für den ''[[Wikipedia:Kanon der Medizin|Kanon der Medizin]]'' von [[Avicenna]].
  
Seit etwa 1300 wurden, vor allem in Oberitalien, gelegentlich anatomische Lehrsektionen vorgenommen. Derartige Demonstrationen dienten jedoch vor allem dem Zweck, die Lehren der antiken Autoren bzw. Autoritäten zu bestätigen.<ref>[[Axel Karenberg]]: ''Neurologie.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1037–1044; hier: S. 1041.</ref>
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Seit etwa 1300 wurden, vor allem in Oberitalien, gelegentlich anatomische Lehrsektionen vorgenommen. Derartige Demonstrationen dienten jedoch vor allem dem Zweck, die Lehren der antiken Autoren bzw. Autoritäten zu bestätigen.<ref>[[Wikipedia:Axel Karenberg|Axel Karenberg]]: ''Neurologie.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1037–1044; hier: S. 1041.</ref>
  
[[Datei:Anatomie Nicolaes Tulp.jpg|mini|250px|[[Rembrandt van Rijn|Rembrandts]] „Die Anatomie des Dr. Tulp“]]
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[[Datei:Anatomie Nicolaes Tulp.jpg|mini|250px|[[Wikipedia:Rembrandt van Rijn|Rembrandts]] „Die Anatomie des Dr. Tulp“]]
Ab dem 15. Jahrhundert erfuhr die Anatomie, inspiriert durch Ideen des Humanismus und der Renaissance, neue Impulse. Nachdem im Mittelalter die Anatomie keine großen Fortschritte gemacht hatte, korrigierte der flämische Anatom [[Andreas Vesalius]] (1514–1564) die über Jahrhunderte kaum hinterfragten Annahmen bzw. Glaubenssätze, was viele seiner Kollegen empörte. Seine Arbeit machte ihn zum Begründer der modernen Anatomie.<ref>{{cite book|title=The Scientific Renaissance 1450–1630|publisher=Fontana|author=Marie Boas|year=1970 |pages=120, 248|quote=Vesalius, finding Galen full of errors, was quite certain that he had been able to eradicate them.}}</ref> Ausgehend von oberitalienischen Vorbildern erlangte der anatomische Unterricht mittels des Sezierens von menschlichen Leichen im 16. Jahrhundert auch im deutschsprachigen Raum seine Verbreitung. So etwa ab spätestens 1530 in Deutschland, ab 1535 durch Burghard Mithobius (1501–1564) an der [[Philipps-Universität Marburg|Universität Marburg]].<ref>Rolf Heyers: ''Dr. Georg Marius, genannt Mayer von Würzburg (1533-1606).'' (Zahn-)Medizinische Dissertation Würzburg 1957, S. 33 f.</ref>
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Ab dem 15. Jahrhundert erfuhr die Anatomie, inspiriert durch Ideen des Humanismus und der Renaissance, neue Impulse. Nachdem im Mittelalter die Anatomie keine großen Fortschritte gemacht hatte, korrigierte der flämische Anatom [[Wikipedia:Andreas Vesalius|Andreas Vesalius]] (1514–1564) die über Jahrhunderte kaum hinterfragten Annahmen bzw. Glaubenssätze, was viele seiner Kollegen empörte. Seine Arbeit machte ihn zum Begründer der modernen Anatomie.<ref>{{cite book|title=The Scientific Renaissance 1450–1630|publisher=Fontana|author=Marie Boas|year=1970 |pages=120, 248|quote=Vesalius, finding Galen full of errors, was quite certain that he had been able to eradicate them.}}</ref> Ausgehend von oberitalienischen Vorbildern erlangte der anatomische Unterricht mittels des Sezierens von menschlichen Leichen im 16. Jahrhundert auch im deutschsprachigen Raum seine Verbreitung. So etwa ab spätestens 1530 in Deutschland, ab 1535 durch Burghard Mithobius (1501–1564) an der [[Wikipedia:Philipps-Universität Marburg|Universität Marburg]].<ref>Rolf Heyers: ''Dr. Georg Marius, genannt Mayer von Würzburg (1533-1606).'' (Zahn-)Medizinische Dissertation Würzburg 1957, S. 33 f.</ref>
  
[[William Harvey]] gilt als Entdecker des [[Blutkreislauf]]s im Abendland und als Wegbereiter der modernen [[Physiologie]].<ref>{{cite book | title=The Scientific Renaissance 1450–1630 | publisher=Fontana | author=Marie Boas | year=1970 | pages=262|quote=Like any sixteenth-century anatomist too he [Harvey] began with what Galen had taught, and managed to interpret Galen's words to win support for his new doctrine.}}</ref><ref>Gottfried Zirnstein: ''William Harvey.'' (= ''[[Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner]].'' Band 28). Teubner, Leipzig 1977.</ref>
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[[Wikipedia:William Harvey|William Harvey]] gilt als Entdecker des [[Wikipedia:Blutkreislauf|Blutkreislauf]]s im Abendland und als Wegbereiter der modernen [[Wikipedia:Physiologie|Physiologie]].<ref>{{cite book | title=The Scientific Renaissance 1450–1630 | publisher=Fontana | author=Marie Boas | year=1970 | pages=262|quote=Like any sixteenth-century anatomist too he [Harvey] began with what Galen had taught, and managed to interpret Galen's words to win support for his new doctrine.}}</ref><ref>Gottfried Zirnstein: ''William Harvey.'' (= ''[[Wikipedia:Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner|Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner]].'' Band 28). Teubner, Leipzig 1977.</ref>
  
Die Anatomie nahm seitdem einen hohen Stellenwert in den bildenden Künsten ein, Sektionen an Menschen und Tieren gehörten zur Grundausbildung der Studenten. Künstler wie [[Michelangelo]], [[Raffael]], [[Albrecht Dürer|Dürer]] und [[Leonardo da Vinci]] (1452–1519) brachten Jahre mit dem Studium des menschlichen Körpers zu. Da Vincis [[Codex Windsor]] übertraf in seiner wissenschaftlichen Genauigkeit die Arbeiten des 62 Jahre später geborenen Vesalius. Die enge Zusammenarbeit von Künstlern und Anatomen ließ medizinische Schriften von außergewöhnlich hoher Qualität entstehen wie zum Beispiel das Lehrbuch<ref>Philip Verheyn: ''Anatomie oder Zerlegung des menschlichen Leibes […].'' Aus dem Lateinischen übersetzt, Leipzig (Thomas Fritschen) 1708; Neudruck Lindau im Bodensee 1981.</ref> des Flamen Philip Verheyen (1648–1710).<ref>Barbara I. Tshisuaka: ''Verheyen, Philippe.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1440.</ref>
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Die Anatomie nahm seitdem einen hohen Stellenwert in den bildenden Künsten ein, Sektionen an Menschen und Tieren gehörten zur Grundausbildung der Studenten. Künstler wie [[Wikipedia:Michelangelo|Michelangelo]], [[Wikipedia:Raffael|Raffael]], [[Wikipedia:Albrecht Dürer|Dürer]] und [[Wikipedia:Leonardo da Vinci|Leonardo da Vinci]] (1452–1519) brachten Jahre mit dem Studium des menschlichen Körpers zu. Da Vincis [[Wikipedia:Codex Windsor|Codex Windsor]] übertraf in seiner wissenschaftlichen Genauigkeit die Arbeiten des 62 Jahre später geborenen Vesalius. Die enge Zusammenarbeit von Künstlern und Anatomen ließ medizinische Schriften von außergewöhnlich hoher Qualität entstehen wie zum Beispiel das Lehrbuch<ref>Philip Verheyn: ''Anatomie oder Zerlegung des menschlichen Leibes […].'' Aus dem Lateinischen übersetzt, Leipzig (Thomas Fritschen) 1708; Neudruck Lindau im Bodensee 1981.</ref> des Flamen Philip Verheyen (1648–1710).<ref>Barbara I. Tshisuaka: ''Verheyen, Philippe.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1440.</ref>
  
Im Zeitalter der [[Aufklärung]] errichtete man [[Anatomisches Theater|anatomische Theater]], die neben dem wissenschaftlichen Wert einen hohen Schauwert hatten.
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Im Zeitalter der [[Wikipedia:Aufklärung|Aufklärung]] errichtete man [[Wikipedia:Anatomisches Theater|anatomische Theater]], die neben dem wissenschaftlichen Wert einen hohen Schauwert hatten.
  
 
Den ersten populär gewordenen fotografischen Anatomieatlas veröffentlichten 1982/83 [[Johannes W. Rohen]] und Chihiro Yokochi.
 
Den ersten populär gewordenen fotografischen Anatomieatlas veröffentlichten 1982/83 [[Johannes W. Rohen]] und Chihiro Yokochi.
  
 
== Arbeitsgebiete ==
 
== Arbeitsgebiete ==
[[Datei:Govard Bidloo t87.jpg|mini|Illustration des menschlichen Skeletts von [[Gerard de Lairesse]] in [[Govard Bidloo]]s ''Ontleding des menschlyken lichaams'' von 1685. Die [[Vanitas]]-Symbole Sarg und Stundenglas rechtfertigen noch das Sujet.]]
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[[Datei:Govard Bidloo t87.jpg|mini|Illustration des menschlichen Skeletts von [[Wikipedia:Gerard de Lairesse|Gerard de Lairesse]] in [[Wikipedia:Govard Bidloo|Govard Bidloo]]s ''Ontleding des menschlyken lichaams'' von 1685. Die [[Wikipedia:Vanitas|Vanitas]]-Symbole Sarg und Stundenglas rechtfertigen noch das Sujet.]]
  
 
=== Makroskopische Anatomie ===
 
=== Makroskopische Anatomie ===
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Nach der Art der Herangehensweise wird die makroskopische Anatomie unterteilt:
 
Nach der Art der Herangehensweise wird die makroskopische Anatomie unterteilt:
 
* Die '''beschreibende ''' oder '''deskriptive Anatomie''' ist die wohl antiquierteste Art der Vermittlung der Anatomie. Bei ihr werden die einzelnen Strukturen des Körpers lediglich hinsichtlich ihrer äußerlichen Erscheinung vermittelt. Funktionelle, topografische und systematische Aspekte werden nicht berücksichtigt. Bei allen Nachteilen hat aber auch die modern vermittelte Anatomie immer einen deskriptiven Anteil, denn ein Arzt muss in der Lage sein, [[Krankheit|krankhafte]] Veränderungen an einem [[Organ (Biologie)|Organ]] zu erkennen.
 
* Die '''beschreibende ''' oder '''deskriptive Anatomie''' ist die wohl antiquierteste Art der Vermittlung der Anatomie. Bei ihr werden die einzelnen Strukturen des Körpers lediglich hinsichtlich ihrer äußerlichen Erscheinung vermittelt. Funktionelle, topografische und systematische Aspekte werden nicht berücksichtigt. Bei allen Nachteilen hat aber auch die modern vermittelte Anatomie immer einen deskriptiven Anteil, denn ein Arzt muss in der Lage sein, [[Krankheit|krankhafte]] Veränderungen an einem [[Organ (Biologie)|Organ]] zu erkennen.
* Die '''topographische Anatomie''' beschreibt die einzelnen Strukturen des Körpers nach ihren räumlichen Lagebeziehungen zueinander (''topos'': griech. „Ort“). Der große Vorteil liegt sicherlich darin, dass der Arzt/Tierarzt ein sehr anwendungsorientiertes Wissen erwirbt. So ist es z.&nbsp;B. für einen Handchirurgen nicht ausschließlich wichtig, zu welchem größeren Organsystem eine Struktur gehört, er muss besonders wissen, wo [[Nerv]]en, [[Blutgefäß]]e bzw. [[Sehne (Anatomie)|Sehnen]] genau verlaufen. Auch für die Anwendung [[Bildgebendes Verfahren (Medizin)|bildgebender Verfahren]] sind topografisch-anatomische Kenntnisse von großer Bedeutung. Die Topographische Anatomie bedient sich standardisierter [[Anatomische Lage- und Richtungsbezeichnungen|Lage- und Richtungsbezeichnungen]], die von der aktuellen Körperposition unabhängig sind und stattdessen relative Bezugspunkte verwendet. Funktionelle Zusammenhänge können nicht nur aus strukturellen und insbesondere topographischen Eigentümlichkeiten des Aufbaus von körperlicher Gestalt und Organen, sondern insbesondere auch aus der [[Somatotopie|somatotopischen]] Struktur des Nervengewebes erschlossen werden.<ref>[[Alfred Benninghoff]] u.&nbsp;a.: ''Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Dargestellt unter Bevorzugung funktioneller Zusammenhänge.'' 3. Band: Nervensystem, Haut und Sinnesorgane. Urban und Schwarzenberg, München 1964, Seite 112–297.</ref>
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* Die '''topographische Anatomie''' beschreibt die einzelnen Strukturen des Körpers nach ihren räumlichen Lagebeziehungen zueinander (''topos'': griech. „Ort“). Der große Vorteil liegt sicherlich darin, dass der Arzt/Tierarzt ein sehr anwendungsorientiertes Wissen erwirbt. So ist es z.&nbsp;B. für einen Handchirurgen nicht ausschließlich wichtig, zu welchem größeren Organsystem eine Struktur gehört, er muss besonders wissen, wo [[Wikipedia:Nerv|Nerv]]en, [[Wikipedia:Blutgefäß|Blutgefäß]]e bzw. [[Wikipedia:Sehne (Anatomie)|Sehnen]] genau verlaufen. Auch für die Anwendung [[Wikipedia:Bildgebendes Verfahren (Medizin)|bildgebender Verfahren]] sind topografisch-anatomische Kenntnisse von großer Bedeutung. Die Topographische Anatomie bedient sich standardisierter [[Wikipedia:Anatomische Lage- und Richtungsbezeichnungen|Lage- und Richtungsbezeichnungen]], die von der aktuellen Körperposition unabhängig sind und stattdessen relative Bezugspunkte verwendet. Funktionelle Zusammenhänge können nicht nur aus strukturellen und insbesondere topographischen Eigentümlichkeiten des Aufbaus von körperlicher Gestalt und Organen, sondern insbesondere auch aus der [[Wikipedia:Somatotopie|somatotopischen]] Struktur des Nervengewebes erschlossen werden.<ref>[[Wikipedia:Alfred Benninghoff|Alfred Benninghoff]] u.&nbsp;a.: ''Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Dargestellt unter Bevorzugung funktioneller Zusammenhänge.'' 3. Band: Nervensystem, Haut und Sinnesorgane. Urban und Schwarzenberg, München 1964, Seite 112–297.</ref>
 
{{Anker|Vergleichende Anatomie}}
 
{{Anker|Vergleichende Anatomie}}
* Die '''systematische Anatomie''', welche im 20. Jahrhundert die topographische Anatomie verdrängt hatte, gruppiert die einzelnen Strukturen des Körpers zu funktionell-zusammenhängenden [[Organsystem]]en. Dies ermöglicht zwar eine gewisse Kategorisierung und erleichtert das Erlernen, hat aber auch Nachteile. Topografische Aspekte, wie sie der Arzt/Tierarzt im klinischen Alltag bewältigen muss, bleiben unberücksichtigt. Zudem sind alle Organsysteme auch wieder untereinander verknüpft, die [[Haut]] besitzt z.&nbsp;B. [[Blutgefäß]]e, [[Nerv]]en, Zellen der [[Immunsystem|Immunabwehr]] usw.
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* Die '''systematische Anatomie''', welche im 20. Jahrhundert die topographische Anatomie verdrängt hatte, gruppiert die einzelnen Strukturen des Körpers zu funktionell-zusammenhängenden [[Organsystem]]en. Dies ermöglicht zwar eine gewisse Kategorisierung und erleichtert das Erlernen, hat aber auch Nachteile. Topografische Aspekte, wie sie der Arzt/Tierarzt im klinischen Alltag bewältigen muss, bleiben unberücksichtigt. Zudem sind alle Organsysteme auch wieder untereinander verknüpft, die [[Haut]] besitzt z.&nbsp;B. [[Wikipedia:Blutgefäß|Blutgefäß]]e, [[Wikipedia:Nerv|Nerv]]en, Zellen der [[Immunsystem|Immunabwehr]] usw.
* Die '''vergleichende Anatomie''' untersucht den Körperbau verschiedener Tierarten. Bereits die klassische [[Systematik (Biologie)|biologische Systematik]] beruhte auf baulichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden für die Einteilung von den [[Reich (Biologie)|Reichen]] bis zu den [[Art (Biologie)|Arten]], zunehmend werden aber auch genetische Differenzen in die Klassifikation einbezogen. Mit der Gegenüberstellung und dem [[Homologie (Biologie)|Vergleich]] verschiedener Tierarten lassen sich manchmal Beobachtungen an einer Tierart überhaupt erst deuten. Darüber hinaus bietet dieser Vergleich die Möglichkeit, bestimmte bauliche Grundprinzipien zu erkennen und damit die Basis für eine gemeinsame Benennung zu schaffen. Erste Vorlesungen auf dem Gebiet der Vergleichenden Anatomie hielt [[Johann Friedrich Blumenbach]] ab 1785.<ref>''Johann Friedrich Blumenbach.'' In: ''Allgemeine Zeitung München'' 1840, Nr. 34 (Beilage vom 3. Februar 1840), S. 265 f.</ref> Der Mediziner, Anatom und Physiologe [[Hermann Friedrich Stannius]] (1808–1883) aus Rostock führte den Begriff [[Zootomie]] ein, welcher sich fast gänzlich mit dem Begriff der vergleichenden Anatomie deckt.
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* Die '''vergleichende Anatomie''' untersucht den Körperbau verschiedener Tierarten. Bereits die klassische [[Wikipedia:Systematik (Biologie)|biologische Systematik]] beruhte auf baulichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden für die Einteilung von den [[Wikipedia:Reich (Biologie)|Reichen]] bis zu den [[Wikipedia:Art (Biologie)|Arten]], zunehmend werden aber auch genetische Differenzen in die Klassifikation einbezogen. Mit der Gegenüberstellung und dem [[Wikipedia:Homologie (Biologie)|Vergleich]] verschiedener Tierarten lassen sich manchmal Beobachtungen an einer Tierart überhaupt erst deuten. Darüber hinaus bietet dieser Vergleich die Möglichkeit, bestimmte bauliche Grundprinzipien zu erkennen und damit die Basis für eine gemeinsame Benennung zu schaffen. Erste Vorlesungen auf dem Gebiet der Vergleichenden Anatomie hielt [[Wikipedia:Johann Friedrich Blumenbach|Johann Friedrich Blumenbach]] ab 1785.<ref>''Johann Friedrich Blumenbach.'' In: ''Allgemeine Zeitung München'' 1840, Nr. 34 (Beilage vom 3. Februar 1840), S. 265 f.</ref> Der Mediziner, Anatom und Physiologe [[Wikipedia:Hermann Friedrich Stannius|Hermann Friedrich Stannius]] (1808–1883) aus Rostock führte den Begriff [[Wikipedia:Zootomie|Zootomie]] ein, welcher sich fast gänzlich mit dem Begriff der vergleichenden Anatomie deckt.
  
 
=== Mikroskopische Anatomie ===
 
=== Mikroskopische Anatomie ===
Für die Untersuchung anatomischer Strukturen unterhalb des mit bloßem Auge sichtbaren Bereichs ist die Mikroskopische Anatomie ([[Histologie]]) zuständig. Sie beschreibt den Feinbau von Organen, [[Gewebe (Biologie)|Geweben]] und Zellen.
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Für die Untersuchung anatomischer Strukturen unterhalb des mit bloßem Auge sichtbaren Bereichs ist die Mikroskopische Anatomie ([[Wikipedia:Histologie|Histologie]]) zuständig. Sie beschreibt den Feinbau von Organen, [[Wikipedia:Gewebe (Biologie)|Geweben]] und Zellen.
  
 
=== Embryologie ===
 
=== Embryologie ===
 
{{Hauptartikel|Embryologie}}
 
{{Hauptartikel|Embryologie}}
Die Embryologie beschreibt die Entstehung der anatomischen Strukturen während der Embryonalentwicklung. Anhand der Entstehungsgeschichte lassen sich vielfältige topografische und funktionelle Beziehungen erkennen. Auch für das Verständnis der Entstehung von [[Fehlbildung]]en sind embryologische Kenntnisse unverzichtbar.
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Die Embryologie beschreibt die Entstehung der anatomischen Strukturen während der Embryonalentwicklung. Anhand der Entstehungsgeschichte lassen sich vielfältige topografische und funktionelle Beziehungen erkennen. Auch für das Verständnis der Entstehung von [[Wikipedia:Fehlbildung|Fehlbildung]]en sind embryologische Kenntnisse unverzichtbar.
  
 
== Aufgaben in der medizinischen Ausbildung ==
 
== Aufgaben in der medizinischen Ausbildung ==
 
[[Datei:Anatomie-Leipzig2.jpg|mini|Tafel am Hörsaal der Anatomie in Leipzig]]
 
[[Datei:Anatomie-Leipzig2.jpg|mini|Tafel am Hörsaal der Anatomie in Leipzig]]
Ein wichtiges Gebiet der Anatomie ist die Bereitstellung von Anschauungsmaterialien zur Arztausbildung. Dies geschieht in [[Präparierkurs]]en und -übungen, Vorlesungsveranstaltungen, anatomischen Sammlungen, anatomischen Museen, vergleichenden anatomischen Sammlungen oder anatomischen Lehrsammlungen. Entsprechendes gilt für die Erstellung anatomischer Lehrbücher und [[Nachschlagewerk#Atlas|Atlanten]], in denen auch heute noch feine Zeichnungen (Strichzeichnungen) ihre [[Didaktik|didaktische]] Bedeutung haben.
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Ein wichtiges Gebiet der Anatomie ist die Bereitstellung von Anschauungsmaterialien zur Arztausbildung. Dies geschieht in [[Wikipedia:Präparierkurs|Präparierkurs]]en und -übungen, Vorlesungsveranstaltungen, anatomischen Sammlungen, anatomischen Museen, vergleichenden anatomischen Sammlungen oder anatomischen Lehrsammlungen. Entsprechendes gilt für die Erstellung anatomischer Lehrbücher und [[Wikipedia:Nachschlagewerk#Atlas|Atlanten]], in denen auch heute noch feine Zeichnungen (Strichzeichnungen) ihre [[Wikipedia:Didaktik|didaktische]] Bedeutung haben.
  
Der Wiener Anatomieprofessor [[Josef Hyrtl]] schrieb in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Anatomie: „[Sie] zerstört mit den Händen einen vollendeten Bau, um ihn im Geiste wieder aufzuführen, und den Menschen gleichsam nachzuerschaffen. Eine herrlichere Aufgabe kann sich der menschliche Geist nicht stellen. Die Anatomie ist eine der anziehendsten, und zugleich gründlichsten und vollkommensten Naturwissenschaften, und ist dieses in kurzer Zeit geworden, da ihre Aera erst ein Paar Jahrhunderte umfasst.“<ref>Joseph Hyrtl: ''Lehrbuch der Anatomie des Menschen, mit Rücksicht auf physiologische Begründung und praktische Anwendung.'' 11. Auflage, Wien 1870, S. 9 f.</ref>
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Der Wiener Anatomieprofessor [[Wikipedia:Josef Hyrtl|Josef Hyrtl]] schrieb in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Anatomie: „[Sie] zerstört mit den Händen einen vollendeten Bau, um ihn im Geiste wieder aufzuführen, und den Menschen gleichsam nachzuerschaffen. Eine herrlichere Aufgabe kann sich der menschliche Geist nicht stellen. Die Anatomie ist eine der anziehendsten, und zugleich gründlichsten und vollkommensten Naturwissenschaften, und ist dieses in kurzer Zeit geworden, da ihre Aera erst ein Paar Jahrhunderte umfasst.“<ref>Joseph Hyrtl: ''Lehrbuch der Anatomie des Menschen, mit Rücksicht auf physiologische Begründung und praktische Anwendung.'' 11. Auflage, Wien 1870, S. 9 f.</ref>
  
 
== Siehe auch ==
 
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== Literatur (Auswahl) ==
 
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* [[Gerhard Baader]]: ''Zur Anatomie in Paris im 13. und 14. Jahrhundert.'' Medizinhistorisches Journal 3 (1968), S. 40–53.
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* Gerhard Baader] ''Zur Anatomie in Paris im 13. und 14. Jahrhundert.'' Medizinhistorisches Journal 3 (1968), S. 40–53.
* [[Axel W. Bauer]]: ''„De sedibus et causis morborum“. Der Zugriff der neuzeitlichen Medizin auf den toten Körper als Erkenntnismethode und Grenzverletzung.'' Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 24, 2005, S. 162–179.
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* Axel W. Bauer: ''„De sedibus et causis morborum“. Der Zugriff der neuzeitlichen Medizin auf den toten Körper als Erkenntnismethode und Grenzverletzung.'' Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 24, 2005, S. 162–179.
* [[Jean Marc Bourgery]], N. H. Jacob: ''Atlas of Human Anatomy and Surgery.'' The complete colored Plates of 1831–1854. Jean-Marie Le Minor, Henri Sick: Atlas der Anatomie und Chirurgie von J. M. Bourgery und N. H. Jacob. Ein Monumentalwerk des 19. Jahrhunderts. Dreisprachig (f/e/d), Faksimile-Reprint 726 handkolorierte Lithografien, Großformat. Taschen, Köln 2005, ISBN 978-2-286-01268-7.
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* Jean Marc Bourgery, N. H. Jacob: ''Atlas of Human Anatomy and Surgery.'' The complete colored Plates of 1831–1854. Jean-Marie Le Minor, Henri Sick: Atlas der Anatomie und Chirurgie von J. M. Bourgery und N. H. Jacob. Ein Monumentalwerk des 19. Jahrhunderts. Dreisprachig (f/e/d), Faksimile-Reprint 726 handkolorierte Lithografien, Großformat. Taschen, Köln 2005, ISBN 978-2-286-01268-7.
 
* Heinz Feneis: ''Anatomisches Bildwörterbuch der internationalen Nomenklatur.'' 2. Aufl. 1970; 4. Aufl. 1974.
 
* Heinz Feneis: ''Anatomisches Bildwörterbuch der internationalen Nomenklatur.'' 2. Aufl. 1970; 4. Aufl. 1974.
* Werner Kahle, [[Helmut Leonhardt]], Werner Platzer: ''Taschenatlas der Anatomie.'' I–III, Stuttgart 1975 u. ö.
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* Werner Kahle, Helmut Leonhardt, Werner Platzer: ''Taschenatlas der Anatomie.'' I–III, Stuttgart 1975 u. ö.
 
* [[Gundolf Keil]], Bernhard D. Haage, Wolfgang Wegner, Christoph Schweikardt: ''Anatomie.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 55–61.
 
* [[Gundolf Keil]], Bernhard D. Haage, Wolfgang Wegner, Christoph Schweikardt: ''Anatomie.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 55–61.
* [[Leonardo da Vinci]]: ''Anatomische Zeichnungen.'' Aus der königlichen Bibliothek auf Schloss Windsor. Hamburger Kunsthalle 1979.
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* Leonardo da Vinci: ''Anatomische Zeichnungen.'' Aus der königlichen Bibliothek auf Schloss Windsor. Hamburger Kunsthalle 1979.
* [[Joachim-Hermann Scharf]]: ''Die nomina anatomica im System der Wissenschaftssprache im Wandel der Zeiten.'' In: ''Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft.'' Band 80, 1986, S. 27–73.
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* Joachim-Hermann Scharf: ''Die nomina anatomica im System der Wissenschaftssprache im Wandel der Zeiten.'' In: ''Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft.'' Band 80, 1986, S. 27–73.
 
* Ernst Seidl, Philipp Aumann: ''KörperWissen. Erkenntnis zwischen Eros und Ekel'', Tübingen: MUT, 2009, ISBN 978-3-9812736-1-8.
 
* Ernst Seidl, Philipp Aumann: ''KörperWissen. Erkenntnis zwischen Eros und Ekel'', Tübingen: MUT, 2009, ISBN 978-3-9812736-1-8.
* [[Carl von Siebold]] und Hermann Stannius: ''Handbuch der Zootomie'', Band 2. Veit, 1854.
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* Carl von Siebold und Hermann Stannius: ''Handbuch der Zootomie'', Band 2. Veit, 1854.
* [[Hermann Stannius]]: '' Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere'', Band 1. Veit, 1854.
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* Hermann Stannius: '' Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere'', Band 1. Veit, 1854.
* [[Ralf Vollmuth]]: ''Das anatomische Zeitalter. Die Anatomie der Renaissance von Leonardo da Vinci bis Andreas Vesal''. Verlag Neuer Merkur, München 2004, ISBN 3-929360-70-5.
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* Ralf Vollmuth: ''Das anatomische Zeitalter. Die Anatomie der Renaissance von Leonardo da Vinci bis Andreas Vesal''. Verlag Neuer Merkur, München 2004, ISBN 3-929360-70-5.
 
* Ralf Vollmuth: ''Das anatomische Zeitalter.'' Verlag Neuer Merkur, München 2004, ISBN 3-929360-70-5.
 
* Ralf Vollmuth: ''Das anatomische Zeitalter.'' Verlag Neuer Merkur, München 2004, ISBN 3-929360-70-5.
 
*Gordon Cheers: ''Anatomica, Körper und Gesundheit, das komplette nachschlagewerk,'' Tandem Verlag GmbH, München 2004, ISBN 978-3-8331-1286-7.
 
*Gordon Cheers: ''Anatomica, Körper und Gesundheit, das komplette nachschlagewerk,'' Tandem Verlag GmbH, München 2004, ISBN 978-3-8331-1286-7.
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* [http://www.apotheken-umschau.de/Koerperatlas apotheken-umschau: interaktiver Koerperatlas]
  
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Aktuelle Version vom 21. September 2021, 11:47 Uhr

Die Anatomie ist ein Teilgebiet der Morphologie und in der Medizin bzw. Humanbiologie (Anthropotomie), Zoologie (Zootomie) und Botanik (Phytotomie) die Lehre vom inneren Bau der Organismen.

Anatomie des menschlichen Kopfes

Es werden Gestalt, Lage und Struktur von Körperteilen, Organen, Geweben oder Zellen betrachtet. Die pathologische Anatomie befasst sich mit krankhaft veränderten Körperteilen. Die mikroskopische Anatomie befasst sich mit den feineren biologischen Strukturen bis zur molekularen Ebene und knüpft an die Molekularbiologie an. Die klassische Anatomie verwendet eine standardisierte Nomenklatur, die auf der lateinischen und der griechischen Sprache basiert.

Der Begriff Anatomie wird „schon seit früherem 16. Jh. auch allgemeiner und übertragen verwendet in der Bed[eutung] „Zergliederung, Strukturbestimmung, Analyse von konkreten und abstrakten Dingen“, auch „Struktur, (Auf-)bau“, z. B. Anatomie des Bodens, der Kunst, der Gedanken, der Gesellschaft.“[1][2]

Geschichte

Mayabüste

Die frühesten erhaltenen anatomischen Studien finden sich im Papyrus Edwin Smith, der auf etwa 1550 v. Chr. datiert wird. Behandelt werden u. a. das Herz und die Herzkranzgefäße, Leber, Milz und Nieren, Hypothalamus, Gebärmutter und Blase sowie die Blutgefäße.

Der Papyrus Ebers aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts v. Chr. enthält ein Traktat zum Herzen, in dem auch die Blutgefäße beschrieben werden.

Nomenklatur, Methodik und Anwendungen gehen auf die griechischen Ärzte der Antike zurück. Beschreibungen von Muskeln und Skelett finden sich im Corpus Hippocraticum (v. a. Über die Knochenbrüche und Über die Gelenke), wobei in der hippokratischen Medizin die menschliche Physiologie eine größere Bedeutung hatte als die Anatomie. Aristoteles beschrieb anhand der Sektion von Tieren die Anatomie der Wirbeltiere. Praxagoras von Kos kannte bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. den Unterschied zwischen Arterien und Venen.[3]

Anfänge einer systematischen Anatomie entstanden im alten Babylon.[4] Eine erste anatomische Schule gab es im 2. Jahrhundert v. Chr. in Alexandria. Ptolemaios I. erlaubte die Leichenöffnung für anatomische Studien, meist an Exekutierten. Herophilos von Chalkedon führte die ersten wissenschaftlichen Obduktionen und auch Vivisektionen an Mensch und Tier durch. Er soll 600 Strafgefangene lebend seziert haben[5] und gilt als „Vater der Anatomie“. Er verwarf die Ansicht von Aristoteles, das Herz sei der Sitz des Intellekts und nannte dafür das Gehirn.[6] Weitere Anatomen in Alexandria waren Erasistratos und Eudemos von Alexandria.[7]

Galenos von Pergamon fasste im 2. Jahrhundert n. Chr. das medizinische Wissen der antiken Ärzte systematisch zusammen. Als Arzt von Gladiatoren konnte er verschiedenste Arten von Wunden und so auch die Anatomie des Menschen genau studieren. Weitere Studien betrieb er mit Schweinen und Affen. Seine Schriften bildeten die Basis für die Werke des Mittelalters, so auch für den Kanon der Medizin von Avicenna.

Seit etwa 1300 wurden, vor allem in Oberitalien, gelegentlich anatomische Lehrsektionen vorgenommen. Derartige Demonstrationen dienten jedoch vor allem dem Zweck, die Lehren der antiken Autoren bzw. Autoritäten zu bestätigen.[8]

Rembrandts „Die Anatomie des Dr. Tulp“

Ab dem 15. Jahrhundert erfuhr die Anatomie, inspiriert durch Ideen des Humanismus und der Renaissance, neue Impulse. Nachdem im Mittelalter die Anatomie keine großen Fortschritte gemacht hatte, korrigierte der flämische Anatom Andreas Vesalius (1514–1564) die über Jahrhunderte kaum hinterfragten Annahmen bzw. Glaubenssätze, was viele seiner Kollegen empörte. Seine Arbeit machte ihn zum Begründer der modernen Anatomie.[9] Ausgehend von oberitalienischen Vorbildern erlangte der anatomische Unterricht mittels des Sezierens von menschlichen Leichen im 16. Jahrhundert auch im deutschsprachigen Raum seine Verbreitung. So etwa ab spätestens 1530 in Deutschland, ab 1535 durch Burghard Mithobius (1501–1564) an der Universität Marburg.[10]

William Harvey gilt als Entdecker des Blutkreislaufs im Abendland und als Wegbereiter der modernen Physiologie.[11][12]

Die Anatomie nahm seitdem einen hohen Stellenwert in den bildenden Künsten ein, Sektionen an Menschen und Tieren gehörten zur Grundausbildung der Studenten. Künstler wie Michelangelo, Raffael, Dürer und Leonardo da Vinci (1452–1519) brachten Jahre mit dem Studium des menschlichen Körpers zu. Da Vincis Codex Windsor übertraf in seiner wissenschaftlichen Genauigkeit die Arbeiten des 62 Jahre später geborenen Vesalius. Die enge Zusammenarbeit von Künstlern und Anatomen ließ medizinische Schriften von außergewöhnlich hoher Qualität entstehen wie zum Beispiel das Lehrbuch[13] des Flamen Philip Verheyen (1648–1710).[14]

Im Zeitalter der Aufklärung errichtete man anatomische Theater, die neben dem wissenschaftlichen Wert einen hohen Schauwert hatten.

Den ersten populär gewordenen fotografischen Anatomieatlas veröffentlichten 1982/83 Johannes W. Rohen und Chihiro Yokochi.

Arbeitsgebiete

Illustration des menschlichen Skeletts von Gerard de Lairesse in Govard Bidloos Ontleding des menschlyken lichaams von 1685. Die Vanitas-Symbole Sarg und Stundenglas rechtfertigen noch das Sujet.

Makroskopische Anatomie

Die makroskopische Anatomie beschäftigt sich mit dem Aufbau des Menschen, von Tieren oder Pflanzen, und zwar mit allen Dingen, die man mit dem bloßen Auge sehen kann. Beachtet hierbei werden nicht nur äußerlich sichtbare Strukturen, sondern insbesondere auch die Strukturen, welche nach Auf- und Auseinanderschneiden des Körpers zu beobachten sind.

Nach der Art der Herangehensweise wird die makroskopische Anatomie unterteilt:

  • Die beschreibende oder deskriptive Anatomie ist die wohl antiquierteste Art der Vermittlung der Anatomie. Bei ihr werden die einzelnen Strukturen des Körpers lediglich hinsichtlich ihrer äußerlichen Erscheinung vermittelt. Funktionelle, topografische und systematische Aspekte werden nicht berücksichtigt. Bei allen Nachteilen hat aber auch die modern vermittelte Anatomie immer einen deskriptiven Anteil, denn ein Arzt muss in der Lage sein, krankhafte Veränderungen an einem Organ zu erkennen.
  • Die topographische Anatomie beschreibt die einzelnen Strukturen des Körpers nach ihren räumlichen Lagebeziehungen zueinander (topos: griech. „Ort“). Der große Vorteil liegt sicherlich darin, dass der Arzt/Tierarzt ein sehr anwendungsorientiertes Wissen erwirbt. So ist es z. B. für einen Handchirurgen nicht ausschließlich wichtig, zu welchem größeren Organsystem eine Struktur gehört, er muss besonders wissen, wo Nerven, Blutgefäße bzw. Sehnen genau verlaufen. Auch für die Anwendung bildgebender Verfahren sind topografisch-anatomische Kenntnisse von großer Bedeutung. Die Topographische Anatomie bedient sich standardisierter Lage- und Richtungsbezeichnungen, die von der aktuellen Körperposition unabhängig sind und stattdessen relative Bezugspunkte verwendet. Funktionelle Zusammenhänge können nicht nur aus strukturellen und insbesondere topographischen Eigentümlichkeiten des Aufbaus von körperlicher Gestalt und Organen, sondern insbesondere auch aus der somatotopischen Struktur des Nervengewebes erschlossen werden.[15]

  • Die systematische Anatomie, welche im 20. Jahrhundert die topographische Anatomie verdrängt hatte, gruppiert die einzelnen Strukturen des Körpers zu funktionell-zusammenhängenden Organsystemen. Dies ermöglicht zwar eine gewisse Kategorisierung und erleichtert das Erlernen, hat aber auch Nachteile. Topografische Aspekte, wie sie der Arzt/Tierarzt im klinischen Alltag bewältigen muss, bleiben unberücksichtigt. Zudem sind alle Organsysteme auch wieder untereinander verknüpft, die Haut besitzt z. B. Blutgefäße, Nerven, Zellen der Immunabwehr usw.
  • Die vergleichende Anatomie untersucht den Körperbau verschiedener Tierarten. Bereits die klassische biologische Systematik beruhte auf baulichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden für die Einteilung von den Reichen bis zu den Arten, zunehmend werden aber auch genetische Differenzen in die Klassifikation einbezogen. Mit der Gegenüberstellung und dem Vergleich verschiedener Tierarten lassen sich manchmal Beobachtungen an einer Tierart überhaupt erst deuten. Darüber hinaus bietet dieser Vergleich die Möglichkeit, bestimmte bauliche Grundprinzipien zu erkennen und damit die Basis für eine gemeinsame Benennung zu schaffen. Erste Vorlesungen auf dem Gebiet der Vergleichenden Anatomie hielt Johann Friedrich Blumenbach ab 1785.[16] Der Mediziner, Anatom und Physiologe Hermann Friedrich Stannius (1808–1883) aus Rostock führte den Begriff Zootomie ein, welcher sich fast gänzlich mit dem Begriff der vergleichenden Anatomie deckt.

Mikroskopische Anatomie

Für die Untersuchung anatomischer Strukturen unterhalb des mit bloßem Auge sichtbaren Bereichs ist die Mikroskopische Anatomie (Histologie) zuständig. Sie beschreibt den Feinbau von Organen, Geweben und Zellen.

Embryologie

Die Embryologie beschreibt die Entstehung der anatomischen Strukturen während der Embryonalentwicklung. Anhand der Entstehungsgeschichte lassen sich vielfältige topografische und funktionelle Beziehungen erkennen. Auch für das Verständnis der Entstehung von Fehlbildungen sind embryologische Kenntnisse unverzichtbar.

Aufgaben in der medizinischen Ausbildung

Tafel am Hörsaal der Anatomie in Leipzig

Ein wichtiges Gebiet der Anatomie ist die Bereitstellung von Anschauungsmaterialien zur Arztausbildung. Dies geschieht in Präparierkursen und -übungen, Vorlesungsveranstaltungen, anatomischen Sammlungen, anatomischen Museen, vergleichenden anatomischen Sammlungen oder anatomischen Lehrsammlungen. Entsprechendes gilt für die Erstellung anatomischer Lehrbücher und Atlanten, in denen auch heute noch feine Zeichnungen (Strichzeichnungen) ihre didaktische Bedeutung haben.

Der Wiener Anatomieprofessor Josef Hyrtl schrieb in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Anatomie: „[Sie] zerstört mit den Händen einen vollendeten Bau, um ihn im Geiste wieder aufzuführen, und den Menschen gleichsam nachzuerschaffen. Eine herrlichere Aufgabe kann sich der menschliche Geist nicht stellen. Die Anatomie ist eine der anziehendsten, und zugleich gründlichsten und vollkommensten Naturwissenschaften, und ist dieses in kurzer Zeit geworden, da ihre Aera erst ein Paar Jahrhunderte umfasst.“[17]

Siehe auch

Literatur (Auswahl)

  • Gerhard Baader] Zur Anatomie in Paris im 13. und 14. Jahrhundert. Medizinhistorisches Journal 3 (1968), S. 40–53.
  • Axel W. Bauer: „De sedibus et causis morborum“. Der Zugriff der neuzeitlichen Medizin auf den toten Körper als Erkenntnismethode und Grenzverletzung. Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 24, 2005, S. 162–179.
  • Jean Marc Bourgery, N. H. Jacob: Atlas of Human Anatomy and Surgery. The complete colored Plates of 1831–1854. Jean-Marie Le Minor, Henri Sick: Atlas der Anatomie und Chirurgie von J. M. Bourgery und N. H. Jacob. Ein Monumentalwerk des 19. Jahrhunderts. Dreisprachig (f/e/d), Faksimile-Reprint 726 handkolorierte Lithografien, Großformat. Taschen, Köln 2005, ISBN 978-2-286-01268-7.
  • Heinz Feneis: Anatomisches Bildwörterbuch der internationalen Nomenklatur. 2. Aufl. 1970; 4. Aufl. 1974.
  • Werner Kahle, Helmut Leonhardt, Werner Platzer: Taschenatlas der Anatomie. I–III, Stuttgart 1975 u. ö.
  • Gundolf Keil, Bernhard D. Haage, Wolfgang Wegner, Christoph Schweikardt: Anatomie. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 55–61.
  • Leonardo da Vinci: Anatomische Zeichnungen. Aus der königlichen Bibliothek auf Schloss Windsor. Hamburger Kunsthalle 1979.
  • Joachim-Hermann Scharf: Die nomina anatomica im System der Wissenschaftssprache im Wandel der Zeiten. In: Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft. Band 80, 1986, S. 27–73.
  • Ernst Seidl, Philipp Aumann: KörperWissen. Erkenntnis zwischen Eros und Ekel, Tübingen: MUT, 2009, ISBN 978-3-9812736-1-8.
  • Carl von Siebold und Hermann Stannius: Handbuch der Zootomie, Band 2. Veit, 1854.
  • Hermann Stannius: Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere, Band 1. Veit, 1854.
  • Ralf Vollmuth: Das anatomische Zeitalter. Die Anatomie der Renaissance von Leonardo da Vinci bis Andreas Vesal. Verlag Neuer Merkur, München 2004, ISBN 3-929360-70-5.
  • Ralf Vollmuth: Das anatomische Zeitalter. Verlag Neuer Merkur, München 2004, ISBN 3-929360-70-5.
  • Gordon Cheers: Anatomica, Körper und Gesundheit, das komplette nachschlagewerk, Tandem Verlag GmbH, München 2004, ISBN 978-3-8331-1286-7.

Weblinks

 Commons: Anatomie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Anatomie – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Anatomie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikibooks: Topographische Anatomie – Lern- und Lehrmaterialien
Wikibooks: Neuroanatomie – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

  1. Schulz, Hans; Basler, Otto: Deutsches Fremdwörterbuch, Bd. 1. De Gruyter, 1995.
  2. Vgl. auch den Filmtitel „Anatomie eines Mordes “.
  3. Ferdinand Peter Moog: Praxagoras von Kos. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. Berlin 2004, S. 1182.
  4. Joachim-Hermann Scharf: Anfänge von systematischer Anatomie und Teratologie im alten Babylon. Berlin 1988 (= Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse. Band 120, Heft 3).
  5. Mary Roach: Stiff: The curious Lives of Human Cadavers. W.W. Norton, New York 2003, S. 41.
  6. Charles Singer: A Short History of Anatomy & Physiology from Greeks to Harvey. Dover Publications Inc., NEw York 1957, S. 29.
  7. Ludwig Hopf: Die Anfänge der Anatomie bei den alten Kulturvölkern. Рипол Классик, ISBN 978-5-88165-547-1. S. 82.
  8. Axel Karenberg: Neurologie. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1037–1044; hier: S. 1041.
  9. Marie Boas: The Scientific Renaissance 1450–1630. Fontana, 1970, S. 120, 248: „Vesalius, finding Galen full of errors, was quite certain that he had been able to eradicate them.“
  10. Rolf Heyers: Dr. Georg Marius, genannt Mayer von Würzburg (1533-1606). (Zahn-)Medizinische Dissertation Würzburg 1957, S. 33 f.
  11. Marie Boas: The Scientific Renaissance 1450–1630. Fontana, 1970, S. 262: „Like any sixteenth-century anatomist too he [Harvey] began with what Galen had taught, and managed to interpret Galen's words to win support for his new doctrine.“
  12. Gottfried Zirnstein: William Harvey. (= Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner. Band 28). Teubner, Leipzig 1977.
  13. Philip Verheyn: Anatomie oder Zerlegung des menschlichen Leibes […]. Aus dem Lateinischen übersetzt, Leipzig (Thomas Fritschen) 1708; Neudruck Lindau im Bodensee 1981.
  14. Barbara I. Tshisuaka: Verheyen, Philippe. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1440.
  15. Alfred Benninghoff u. a.: Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Dargestellt unter Bevorzugung funktioneller Zusammenhänge. 3. Band: Nervensystem, Haut und Sinnesorgane. Urban und Schwarzenberg, München 1964, Seite 112–297.
  16. Johann Friedrich Blumenbach. In: Allgemeine Zeitung München 1840, Nr. 34 (Beilage vom 3. Februar 1840), S. 265 f.
  17. Joseph Hyrtl: Lehrbuch der Anatomie des Menschen, mit Rücksicht auf physiologische Begründung und praktische Anwendung. 11. Auflage, Wien 1870, S. 9 f.
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Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Anatomie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Fassung 194811052 vom 09. December 2019 und steht unter der GNU Lizenz für freie Dokumentation und der Creative Commons Attribution/Share Alike. Auf Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. Veränderungen seither in Imedwiki. Veränderungen seither in Wikipedia.Weiteres zum Import aus Wikipedia siehe Seite Imedwiki:Import aus Wikipedia.