Nicht angemeldeter Benutzer - Bearbeiten von Seiten ist nur als angemeldeter Benutzer möglich.

Anthroposophisches Arzneimittel: Unterschied zwischen den Versionen

Aus imedwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[unmarkierte Version][unmarkierte Version]
K (142 Versionen importiert: Import der Seite wikipedia-de:Anthroposophisches Arzneimittel mit Vorlagen und Historie)
(→‎Literatur: Anthroposophische Pharmazie Salumed ergänzt)
 
(13 dazwischenliegende Versionen von 2 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
Ein '''anthroposophisches Arzneimittel''' ist ein Arzneimittel, das nach der [[Anthroposophie|anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis]] entwickelt wurde und nach deren Grundsätzen angewendet wird. Die Herstellung erfolgt nach einem im Europäischen [[Arzneibuch]] oder anderen offiziell gebräuchlichen Arzneibuch eines EU-Staates beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren oder nach einem besonderen anthroposophischen Zubereitungsverfahren.<ref>{{§|4|amg_1976|juris}} Arzneimittelgesetz.</ref> Charakteristisch für die [[Anthroposophische Medizin|anthroposophischen Heilverfahren]] ist der Ansatz, Gesundheit und Medizin neben [[naturwissenschaft]]lichen auch unter „spirituellen“ (d.&nbsp;h. anthroposophischen) Gesichtspunkten zu erfassen. Für die Herstellung anthroposophischer Arzneimittel werden pflanzliche, mineralische und tierische Substanzen eingesetzt, die nach aus dem Therapiesystem abgeleiteten Gesichtspunkten verarbeitet und zum Teil [[Potenzieren (Homöopathie)|potenziert]] werden.
+
Ein '''anthroposophisches Arzneimittel''' ist ein Arzneimittel, das nach der [[Anthroposophische Medizin|anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis]] entwickelt wurde und nach deren Grundsätzen angewendet wird. Die Herstellung erfolgt nach einem im Europäischen [[Wikipedia:Arzneibuch|Arzneibuch]] oder anderen offiziell gebräuchlichen Arzneibuch eines EU-Staates beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren oder nach einem besonderen anthroposophischen Zubereitungsverfahren.<ref>{{§|4|amg_1976|juris}} Arzneimittelgesetz.</ref> Charakteristisch für die ist der Ansatz, Gesundheit und Medizin neben [[Wikipedia:naturwissenschaft|naturwissenschaft]]lichen auch unter „spirituellen“ (d.&nbsp;h. anthroposophischen) Gesichtspunkten zu erfassen. Für die Herstellung anthroposophischer Arzneimittel werden pflanzliche, mineralische und tierische Substanzen eingesetzt, die nach aus dem Therapiesystem abgeleiteten Gesichtspunkten verarbeitet und zum Teil [[Potenzieren|potenziert]] werden.
  
Anthroposophische Arzneimittel sind primär darauf ausgerichtet, die Selbstheilungskräfte des Organismus anzuregen. Sie werden von anthroposophischen Ärzten nicht selten begleitend zu Therapien der wissenschaftlichen Medizin verordnet – gemäß dem Ansatz der anthroposophischen Medizin, die sich selbst als deren Erweiterung, als integrative Medizin oder [[Komplementärmedizin]]<ref>Glöckler: Anthroposophische Arzneitherapie für Ärzte und Apotheker, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2005, Grundwerk, S.&nbsp;1–2.</ref> und nicht als [[Alternativmedizin]] betrachtet. Viele anthroposophische Fertigarzneimittel sind über ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß EU-Recht vermarktbar; für sie werden weder eine bestimmte Wirkung noch ein Anwendungsgebiet angegeben, und ein Wirkungsnachweis entfällt.
+
Anthroposophische Arzneimittel sind primär darauf ausgerichtet, die Selbstheilungskräfte des Organismus anzuregen. Sie werden von anthroposophischen Ärzten nicht selten begleitend zu Therapien der wissenschaftlichen Medizin verordnet – gemäß dem Ansatz der [[Anthroposophische Medizin|anthroposophischen Medizin]], die sich selbst als deren Erweiterung, als integrative Medizin oder [[Komplementärmedizin]]<ref>Glöckler: Anthroposophische Arzneitherapie für Ärzte und Apotheker, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2005, Grundwerk, S.&nbsp;1–2.</ref> und nicht als [[Alternativmedizin]] betrachtet. Viele anthroposophische Fertigarzneimittel sind über ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß EU-Recht vermarktbar; für sie werden weder eine bestimmte Wirkung noch ein Anwendungsgebiet angegeben, und ein Wirkungsnachweis entfällt.
  
== Geschichte ==
+
==Geschichte==
Schon lange bevor [[Rudolf Steiner]] in den 1920er Jahren seine Anregungen ausführte, die die Grundlagen der [[Anthroposophische Medizin|Anthroposophischen Medizin]] (AM) bilden sollten, wurden in anthroposophischen Kreisen spezielle [[alternativmedizin]]ische Mittel angewandt, etwa die Ritterschen Heilmittel oder [[Farbtherapie|Peipers Farbtherapien]]. Die Heilmittelproduktion wurde nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] ein eigenes Arbeitsfeld der AM, das zum Teil aus den Versuchen der Farbherstellung für den ursprünglich in München geplanten [[Goetheanum#Projekt Johannesbau in München|Johannesbau]] in den Vorkriegsjahren hervorging. Eine Schlüsselfigur bei der Genese der Heilmittelherstellung war der Chemiker [[Oskar Schmiedel]] (1887–1959), dessen Laboratorium aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in den Besitz des [[Anthroposophische Gesellschaft#Johannesbauverein versus Sternorden|Johannesbau-Vereins]] in Dornach geriet. Schmiedel übersiedelte nach Dornach, und das chemische Laboratorium wurde in einer einfachen Baracke nahe der [[Goetheanum]]-Baustelle untergebracht. Die Schwerpunktverlagerung von der Farbherstellung zur Produktion pharmazeutischer Produkte fand wahrscheinlich im Oktober 1919 statt, als neue Finanzquellen für den Weiterbau des Goetheanums erschlossen werden mussten, zu denen auch die Heilmittel gehörten.<ref>Helmut Zander: Anthroposophie in Deutschland. 2007, S. 1540 ff.</ref>
+
Schon lange bevor in den 1920er Jahren seine Anregungen ausführte, die die Grundlagen der (AM) bilden sollten, wurden in anthroposophischen Kreisen spezielle [[Alternativmedizin|alternativmedizinische]] Mittel angewandt, etwa die [[Rittersche Therapie|Ritterschen Heilmittel]] oder Peipers Farbtherapien. Die Heilmittelproduktion wurde nach dem [[Wikipedia:Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] ein eigenes Arbeitsfeld der AM, das zum Teil aus den Versuchen der Farbherstellung für den ursprünglich in München geplanten [[Wikipedia:Goetheanum#Projekt Johannesbau in München|Johannesbau]] in den Vorkriegsjahren hervorging. Eine Schlüsselfigur bei der Genese der Heilmittelherstellung war der Chemiker [[Oskar Schmiedel|Oskar Schmiedel(w)]] (1887–1959), dessen Laboratorium aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in den Besitz des [[Wikipedia:Anthroposophische Gesellschaft#Johannesbauverein versus Sternorden|Johannesbau-Vereins]] in Dornach geriet. Schmiedel übersiedelte nach Dornach, und das chemische Laboratorium wurde in einer einfachen Baracke nahe der [[Wikipedia:Goetheanum|Goetheanum]]-Baustelle untergebracht. Die Schwerpunktverlagerung von der Farbherstellung zur Produktion pharmazeutischer Produkte fand wahrscheinlich im Oktober 1919 statt.<ref>Helmut Zander: Anthroposophie in Deutschland. 2007, S. 1540 ff.</ref>
  
Ursprung, Herstellung und Anwendung der anthroposophischen Arzneimittel gehen auf [[Rudolf Steiner]] zurück, der die anthroposophische Medizin zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen mit der Ärztin [[Ita Wegman]] begründet hat. Damals entwickelte Rudolf Steiner die noch heute gültigen Grundlagen für die Wahl der Rohstoffe und die verschiedenen Herstellungsverfahren. Als zweiter wichtigster Pionier für die anthroposophische Pharmazie gilt [[Rudolf Hauschka]] (1891–1969).
+
Ursprung, Herstellung und Anwendung der anthroposophischen Arzneimittel gehen auf [[Rudolf Steiner]] und dessen [[Medizinische Angaben Rudolf Steiners|medizinische Angaben]] zurück, der die anthroposophische Medizin zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen mit der Ärztin [[Ita Wegman]] begründet hat. Damals entwickelte Rudolf Steiner die noch heute gültigen Grundlagen für die Wahl der Rohstoffe und die verschiedenen Herstellungsverfahren. Als zweiter wichtigster Pionier für die anthroposophische Pharmazie gilt [[Rudolf Hauschka|Rudolf Hauschka]] (1891–1969).
  
== Verbreitung ==
+
==Verbreitung==
2012 wurde die anthroposophische Medizin in über 60 Ländern praktiziert. In 22 europäischen Ländern gibt es ca. 15.000 Ärzte, die die anthroposophische Medizin verschreiben, z.&nbsp;B. in Österreich, Dänemark, Frankreich, Deutschland und Italien.<ref>https://www.ivaa.info/fileadmin/editor/file/Facts_and_Figures_AM_WorldwideJuly2012_Final_Public_Light.pdf (Stand: 20. Mai 2015)</ref> Laut dem deutschen [[Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie]] (BPI) haben Anthroposophika im Jahr 2013 einen Umsatz von 58,4 Millionen Euro erzielt.<ref> {{Webarchiv | url=http://www.bpi.de/fileadmin/media/bpi/Downloads/Internet/Publikationen/Pharma-Daten/Pharmadaten_2014_DE.pdf | wayback=20150923194140 | text=Pharma-Daten2014}} (Stand: 20. Mai 2015)</ref>
+
2012 wurde die anthroposophische Medizin in über 60 Ländern praktiziert. In 22 europäischen Ländern gibt es ca. 15.000 Ärzte, die die anthroposophische Medizin verschreiben, z.&nbsp;B. in Österreich, Dänemark, Frankreich, Deutschland und Italien.<ref>https://www.ivaa.info/fileadmin/editor/file/Facts_and_Figures_AM_WorldwideJuly2012_Final_Public_Light.pdf (Stand: 20. Mai 2015)</ref> Laut dem deutschen [[Wikipedia:Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie|Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie]] (BPI) haben Anthroposophika im Jahr 2013 einen Umsatz von 58,4 Millionen Euro erzielt.<ref> {{Webarchiv | url=http://www.bpi.de/fileadmin/media/bpi/Downloads/Internet/Publikationen/Pharma-Daten/Pharmadaten_2014_DE.pdf | wayback=20150923194140 | text=Pharma-Daten2014}} (Stand: 20. Mai 2015)</ref>
  
 
Auf dem EU-Markt gibt es über 1.700 verschiedene anthroposophische Arzneimittel.<ref>IVAA: The System of Anthroposophic Medicine, gefunden unter: http://www.ivaa.info/fileadmin/editor/file/The_system_of_Anthroposophic_Medicine_2014.pdf, S. 21 (Stand: 20. Mai 2015)</ref> Innerhalb der EU ist unterschiedlich geregelt, ob anthroposophische Arzneimittel vom Arzt verschrieben werden müssen. In Deutschland beispielsweise sind die meisten der Präparate nicht verschreibungspflichtig und müssen deshalb seit 2004 von den Patienten selbst bezahlt werden.
 
Auf dem EU-Markt gibt es über 1.700 verschiedene anthroposophische Arzneimittel.<ref>IVAA: The System of Anthroposophic Medicine, gefunden unter: http://www.ivaa.info/fileadmin/editor/file/The_system_of_Anthroposophic_Medicine_2014.pdf, S. 21 (Stand: 20. Mai 2015)</ref> Innerhalb der EU ist unterschiedlich geregelt, ob anthroposophische Arzneimittel vom Arzt verschrieben werden müssen. In Deutschland beispielsweise sind die meisten der Präparate nicht verschreibungspflichtig und müssen deshalb seit 2004 von den Patienten selbst bezahlt werden.
  
In Deutschland den „Apothekerberuf durch Anthroposophie zu erweitern“ und eine „'''Anthroposophische Pharmazie'''“ weiterzuentwickeln ist Ziel der 2001 gegründeten ''Gesellschaft Anthroposophischer Apotheker in Deutschland'' (GAPiD).<ref>http://www.gapid.de/ Gesellschaft Anthroposophischer Apotheker in Deutschland e.V.</ref>
+
In Deutschland den „Apothekerberuf durch Anthroposophie zu erweitern“ und eine „'''Anthroposophische Pharmazie'''“ weiterzuentwickeln ist Ziel der 2001 gegründeten [[Gesellschaft für Anthroposophische Pharmazie in Deutschland e.V. (GAPiD)|''Gesellschaft für Anthroposophische Pharmazie in Deutschland'' (GAPiD)]].<ref>http://www.gapid.de/ Gesellschaft Anthroposophische Pharmazie in Deutschland e.V.</ref>
  
== Theorie und Hintergrund ==
+
==Theorie und Hintergrund==
Die Grundlage der anthroposophischen Heilweise ist eine [[Ganzheitlichkeit|ganzheitliche]] Betrachtung von Mensch und Natur. Dabei ist es eine Besonderheit der anthroposophischen Arzneitherapie, dass sie davon ausgeht, dass es zwischen dem menschlichen Organismus und den Naturprozessen in der mineralischen, pflanzlichen, tierischen Welt eine evolutionäre Verwandtschaft gibt.<ref>Glöckler: Anthroposophische Arzneitherapie für Ärzte und Apotheker, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2005, 3. Akt.-Lfg. 2010 S. 2–14</ref> Auf Grundlage dieses Zusammenhangs gelten für die Auswahl der Ausgangsstoffe und deren Verarbeitung sowie für die Herstellung und die Anwendung von anthroposophischen Arzneimitteln bestimmte Regeln. Vor diesem Hintergrund sollen die „spezifischen Heilkräfte“ eines natürlichen Stoffes heraus gearbeitet werden, um sie auf ein bestimmtes therapeutisches Ziel hin auszurichten. Die Vorgeschichte der Inhaltsstoffe anthroposophischer Mittel ist oft bedeutender als ihre stoffliche Zusammensetzung.
+
Die Grundlage der anthroposophischen Heilweise ist eine [[Wikipedia:Ganzheitlichkeit|ganzheitliche]] Betrachtung von Mensch und Natur. Dabei ist es eine Besonderheit der anthroposophischen Arzneitherapie, dass sie davon ausgeht, dass es zwischen dem menschlichen Organismus und den Naturprozessen in der mineralischen, pflanzlichen, tierischen Welt eine evolutionäre Verwandtschaft gibt.<ref>Glöckler: Anthroposophische Arzneitherapie für Ärzte und Apotheker, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2005, 3. Akt.-Lfg. 2010 S. 2–14</ref> Auf Grundlage dieses Zusammenhangs gelten für die Auswahl der Ausgangsstoffe und deren Verarbeitung sowie für die Herstellung und die Anwendung von anthroposophischen Arzneimitteln bestimmte Regeln. Vor diesem Hintergrund sollen die „spezifischen Heilkräfte“ eines natürlichen Stoffes heraus gearbeitet werden, um sie auf ein bestimmtes therapeutisches Ziel hin auszurichten. Die Vorgeschichte der Inhaltsstoffe anthroposophischer Mittel ist oft bedeutender als ihre stoffliche Zusammensetzung.
  
Das Menschenbild der Anthroposophie basiert auf dem Verständnis, dass vier Existenzebenen (Leiber / [[Anthroposophie|Wesensglieder]]) des menschlichen Wesens mit drei Natur-Systemen interagieren.<ref>Rankin-Box and Williamson: Complementary Medicine. A Guide for Pharmacists, Churchill Livingston, 2006</ref> Die folgende Tabelle zeigt, von welchen Bezügen die Anthroposophie ausgeht:
+
Das Menschenbild der Anthroposophie basiert auf dem Verständnis, dass vier Existenzebenen (Leiber / [[Wikipedia:Anthroposophie|Wesensglieder]]) des menschlichen Wesens mit drei Natur-Systemen interagieren.<ref>Rankin-Box and Williamson: Complementary Medicine. A Guide for Pharmacists, Churchill Livingston, 2006</ref> Die folgende Tabelle zeigt, von welchen Bezügen die Anthroposophie ausgeht:
  
 
{| class="wikitable"
 
{| class="wikitable"
 
|-
 
|-
! Mensch !! Naturreich
+
!Mensch!!Naturreich
 
|-
 
|-
| Die physisch-körperliche Ebene steht in Bezug zur... || Welt der Mineralien
+
|Die physisch-körperliche Ebene steht in Bezug zur...||Welt der Mineralien
 
|-
 
|-
| Lebens-Organisation, Ätherleib (biologische Identität, Regeneration und physiologische Funktionen) steht in Bezug zur || Welt der Pflanzen
+
|Lebens-Organisation, Ätherleib (biologische Identität, Regeneration und physiologische Funktionen) steht in Bezug zur||Welt der Pflanzen
 
|-
 
|-
| Empfindungsorganisation, Astralleib (Gefühl und Bewegung) steht in Bezug zur || Welt der Tiere
+
|Empfindungsorganisation, Astralleib (Gefühl und Bewegung) steht in Bezug zur||Welt der Tiere
 
|-
 
|-
| Ich-Organisation (geistige Ebene) als individuelle Ebene || Selbstwahrnehmung gibt es nur beim Menschen
+
|Ich-Organisation (geistige Ebene) als individuelle Ebene||Selbstwahrnehmung gibt es nur beim Menschen
 
|}
 
|}
  
Gemäß dem anthroposophischen Verständnis hat die Behandlung mit anthroposophischen Arzneimitteln eine doppelte Ausrichtung: Zum einen sollen sie direkt in [[Krankheitsverlauf|akute und chronische]] und Krankheitsprozesse eingreifen und [[Symptom]]e lindern. Zum anderen sollen sie selbstregulierende Fähigkeiten des Organismus anregen.<ref>Deutscher Apotheker Verlag: Komplementärmedizin für die Kitteltasche. Beratungsempfehlungen für die Selbstmedikation, 2009, S. 20</ref>
+
Gemäß dem anthroposophischen Verständnis hat die Behandlung mit anthroposophischen Arzneimitteln eine doppelte Ausrichtung: Zum einen sollen sie direkt in [[Wikipedia:Krankheitsverlauf|akute und chronische]] und Krankheitsprozesse eingreifen und [[Wikipedia:Symptom|Symptom]]e lindern. Zum anderen sollen sie selbstregulierende Fähigkeiten des Organismus anregen.<ref>Deutscher Apotheker Verlag: Komplementärmedizin für die Kitteltasche. Beratungsempfehlungen für die Selbstmedikation, 2009, S. 20</ref>
  
== Pharmazeutische Herstellungsverfahren ==
+
==Pharmazeutische Herstellungsverfahren==
Bei der Herstellung anthroposophischer Arzneimittel werden sowohl spezifisch anthroposophische als auch typisch [[Homöopathie|homöopathische]] Verfahren eingesetzt.<ref>GAPiD: Grundfragen zur Anthroposophischen Pharmazie, 2014, S. 29 f.</ref> Ausgangsstoffe von anthroposophischen Arzneimitteln sind mineralische/metallische, pflanzliche oder tierische Substanzen, zum Beispiel Quarz, Schwefel, Gold, Kupfer, Silber, Arnika, Kamille oder Calendula.<ref>http://www.damid.de/anthroposophische-medizin/arzneimittel/19-anthroposophische-arzneitherapie.html, (Stand: 14. Juli 2015)</ref> Es kommen vielfach rhythmische Prozesse und/oder abgestufte Wärmeanwendungen zum Einsatz. Tierversuche werden so weit wie möglich vermieden.
+
Bei der Herstellung anthroposophischer Arzneimittel werden sowohl spezifisch anthroposophische als auch typisch Verfahren eingesetzt.<ref>GAPiD: Grundfragen zur Anthroposophischen Pharmazie, 2014, S. 29 f.</ref> Ausgangsstoffe von anthroposophischen Arzneimitteln sind mineralische/metallische, pflanzliche oder tierische Substanzen, zum Beispiel Quarz, Schwefel, Gold, Kupfer, Silber, Arnika, Kamille oder Calendula.<ref>http://www.damid.de/anthroposophische-medizin/arzneimittel/19-anthroposophische-arzneitherapie.html, (Stand: 14. Juli 2015)</ref> Es kommen vielfach rhythmische Prozesse und/oder abgestufte Wärmeanwendungen zum Einsatz. Tierversuche werden so weit wie möglich vermieden.
  
 
Anthroposophisches Mittel sind etwa das ''Skleron'', welches aus Blei, Honig und Zucker besteht, oder das Kieselsäure, Schwefel und Eisen enthaltende Migränemittel ''Biodoron''.<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 246.</ref>
 
Anthroposophisches Mittel sind etwa das ''Skleron'', welches aus Blei, Honig und Zucker besteht, oder das Kieselsäure, Schwefel und Eisen enthaltende Migränemittel ''Biodoron''.<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 246.</ref>
  
=== Behandlung pflanzlicher Ausgangsstoffe ===
+
===Behandlung pflanzlicher Ausgangsstoffe===
 
Beispiele für typische Verfahren bei pflanzlichen Ausgangsstoffen:
 
Beispiele für typische Verfahren bei pflanzlichen Ausgangsstoffen:
 
{| class="wikitable"
 
{| class="wikitable"
 
|-
 
|-
! Pharmazeutisches Verfahren !! Temperatur !! Ausgangsstoff
+
!Pharmazeutisches Verfahren!!Temperatur!!Ausgangsstoff
 
|-
 
|-
| Kaltes Mazerieren || 2–8&nbsp;°C || frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile
+
|Kaltes Mazerieren||2–8&nbsp;°C||frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile
 
|-
 
|-
| Mazerieren || ca. 15–20&nbsp;°C || frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile
+
|Mazerieren||ca. 15–20&nbsp;°C||frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile
 
|-
 
|-
| Rhythmische Verarbeitung || 4–37&nbsp;°C || frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile
+
|[[Rhythmische Verfahren|Rhythmische Verarbeitung]]||4–37&nbsp;°C||frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile
 
|-
 
|-
| Digerieren || 37&nbsp;°C || frische Pflanzen, Blüten und Blätter
+
|Digerieren||37&nbsp;°C||frische Pflanzen, Blüten und Blätter
 
|-
 
|-
|Infundieren|| 60–90&nbsp;°C || getrocknete Blätter und Blüten
+
|Infundieren||60–90&nbsp;°C||getrocknete Blätter und Blüten
 
|-
 
|-
| Kochen || ca. 100&nbsp;°C || getrocknete Wurzeln, Rinde und Samen
+
|Kochen||ca. 100&nbsp;°C||getrocknete Wurzeln, Rinde und Samen
 
|-
 
|-
| Destillieren || Dampf, ca. 100&nbsp;°C || frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile
+
|Destillieren||Dampf, ca. 100&nbsp;°C||frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile
 
|}
 
|}
  
 
Die Verfahren sind im Homöopathischen Arzneibuch beschrieben, beispielsweise in den Vorschriften 18 bis 24. Die Vorschriften 18 bis 20 befassen sich mit ethanolischen Zubereitungen (ethanolische ''Digestio'', ethanolisches ''Decoctum'', ethanolischer ''Infus''). Die sogenannten ''Rh-Tinkturen'', deren Herstellung in den Vorschriften 20 und 21 beschrieben ist, werden aus zerkleinerten Frischpflanzen oder Presssaft durch einen Vergärungsprozess im tageszeitlichen Warm-Kalt-Rhythmus hergestellt, wobei abwechselnd Temperaturen von 37&nbsp;°C und 4&nbsp;°C zur Anwendung kommen.<ref>Kurt H. Bauer, Karl-Heinz Frömming, Claus Führer, Bernhardt C. Lippold – Pharmazeutische Technologie. Thieme Verlag, 2. Auflage 1989, S. 469 </ref> Bei dem Rh-Verfahren wird von einer durch Beeinflussung der von Tages- und Nachtrhythmen angeblich beeinflussten Pflanzenqualität ausgegangen und diese mittels Temperatur- und Bewegungsänderungen bei der Präparatgewinnung aus dem Arzneipflanzensaft versucht, zu erzielen.<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 248.</ref>
 
Die Verfahren sind im Homöopathischen Arzneibuch beschrieben, beispielsweise in den Vorschriften 18 bis 24. Die Vorschriften 18 bis 20 befassen sich mit ethanolischen Zubereitungen (ethanolische ''Digestio'', ethanolisches ''Decoctum'', ethanolischer ''Infus''). Die sogenannten ''Rh-Tinkturen'', deren Herstellung in den Vorschriften 20 und 21 beschrieben ist, werden aus zerkleinerten Frischpflanzen oder Presssaft durch einen Vergärungsprozess im tageszeitlichen Warm-Kalt-Rhythmus hergestellt, wobei abwechselnd Temperaturen von 37&nbsp;°C und 4&nbsp;°C zur Anwendung kommen.<ref>Kurt H. Bauer, Karl-Heinz Frömming, Claus Führer, Bernhardt C. Lippold – Pharmazeutische Technologie. Thieme Verlag, 2. Auflage 1989, S. 469 </ref> Bei dem Rh-Verfahren wird von einer durch Beeinflussung der von Tages- und Nachtrhythmen angeblich beeinflussten Pflanzenqualität ausgegangen und diese mittels Temperatur- und Bewegungsänderungen bei der Präparatgewinnung aus dem Arzneipflanzensaft versucht, zu erzielen.<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 248.</ref>
  
=== Potenzieren ===
+
===Potenzieren===
Ein häufig angewandtes Herstellungsverfahren ist ferner das [[Potenzieren (Homöopathie)|Potenzieren]], das auch in der [[Homöopathie]] verwendet wird. Gegenüber der [[Homöopathie|klassischen Homöopathie]] unterscheidet sich die [[Potenzieren (Homöopathie)|Schüttelungstechnik]], zudem werden [[Tageszeit]] und [[Konstellation|Sternenkonstellation]] bei der Herstellung berücksichtigt.<ref>{{Literatur |Autor=Hans Wolfgang Hoefert, Bernhard Uehleke |Hrsg= |Titel=Komplementäre Heilverfahren im Gesundheitswesen |TitelErg=Analyse und Bewertung |Auflage=1. |Verlag=Huber |Ort=Bern |Datum=2009 |ISBN=978-3-456-84700-9 |Seiten=184f}}</ref> Potenzierte Präparate enthalten oft letztlich extrem verdünnte Substanzen. Jeder Verdünnungsgrad wird durch rhythmisches Schütteln oder [[Potenzieren (Homöopathie)|Verreiben]] erzielt. Das Prinzip der Potenzierung wird kontrovers diskutiert, da in höheren Verdünnungen die stoffliche Menge der Ausgangssubstanz gegen Null geht, so dass selbst das Vorhandensein einzelner [[Atom]]e oder [[Molekül]]e der Ausgangssubstanz unwahrscheinlich wird. Der Medizinhistoriker [[Robert Jütte]] ist der Ansicht, dass die von [[Samuel Hahnemann|Hahnemann]] gezogene Grenze zwischen Homöopathie und "[[Allopathie]]" in der anthroposophischen Medizin weniger scharf sei.<ref>{{Literatur |Autor=Robert Jütte |Hrsg= |Titel=Geschichte der Alternativen Medizin |TitelErg=Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute |Verlag=C.H. Beck |Ort=München |Datum=1996 |ISBN=978-3-406-40495-5 |Seiten=238}}</ref>
+
Ein häufig angewandtes Herstellungsverfahren ist ferner das [[Wikipedia:Potenzieren (Homöopathie)|Potenzieren]], das auch in der verwendet wird. Gegenüber der unterscheidet sich die [[Wikipedia:Potenzieren (Homöopathie)|Schüttelungstechnik]], zudem werden [[Wikipedia:Tageszeit|Tageszeit]] und [[Wikipedia:Konstellation|Sternenkonstellation]] bei der Herstellung berücksichtigt.<ref>{{Literatur |Autor=Hans Wolfgang Hoefert, Bernhard Uehleke |Hrsg= |Titel=Komplementäre Heilverfahren im Gesundheitswesen |TitelErg=Analyse und Bewertung |Auflage=1. |Verlag=Huber |Ort=Bern |Datum=2009 |ISBN=978-3-456-84700-9 |Seiten=184f}}</ref> Potenzierte Präparate enthalten oft letztlich extrem verdünnte Substanzen. Jeder Verdünnungsgrad wird durch rhythmisches Schütteln oder [[Wikipedia:Potenzieren (Homöopathie)|Verreiben]] erzielt. Das Prinzip der Potenzierung wird kontrovers diskutiert, da in höheren Verdünnungen die stoffliche Menge der Ausgangssubstanz gegen Null geht, so dass selbst das Vorhandensein einzelner [[Wikipedia:Atom|Atom]]e oder [[Wikipedia:Molekül|Molekül]]e der Ausgangssubstanz unwahrscheinlich wird. Der Medizinhistoriker [[Robert Jütte|Robert Jütte]] ist der Ansicht, dass die von gezogene Grenze zwischen Homöopathie und "[[Wikipedia:Allopathie|Allopathie]]" in der anthroposophischen Medizin weniger scharf sei.<ref>{{Literatur |Autor=Robert Jütte |Hrsg= |Titel=Geschichte der Alternativen Medizin |TitelErg=Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute |Verlag=C.H. Beck |Ort=München |Datum=1996 |ISBN=978-3-406-40495-5 |Seiten=238}}</ref>
  
== Hersteller ==
+
===Rhythmische Verfahren===
Anthroposophische Arzneimittel werden von eigens gegründeten pharmazeutischen Betrieben hergestellt, z.&nbsp;B. [[Weleda (Unternehmen)|Weleda AG]], [[Wala Heilmittel|Wala Heilmittel GmbH]], Abnoba GmbH, Helixor Heilmittel GmbH & Co. KG und andere.<ref>Barbara Burkhard: ''Anthroposophische Arzneimittel. Eine kritische Betrachtung.'' GOVI, Eschborn 2000. S. 15.</ref>
+
{{Hauptartikel|Rhythmische Verfahren}}
  
== Rechtliche Einordnung ==
+
==Hersteller==
 +
Anthroposophische Arzneimittel werden von eigens gegründeten pharmazeutischen Betrieben hergestellt, z.&nbsp;B. [[Weleda|Weleda AG]], [[Wala|Wala Heilmittel GmbH]], [[Abnoba GmbH]], [[Helixor Heilmittel GmbH & Co. KG]] und andere.<ref>Barbara Burkhard: ''Anthroposophische Arzneimittel. Eine kritische Betrachtung.'' GOVI, Eschborn 2000. S. 15.</ref>
 +
 
 +
==Rechtliche Einordnung==
 
Anthroposophische Arzneimittel, die in einer offiziellen Pharmakopöe eines EU-Mitgliedstaates beschrieben und nach einem homöopathischen Verfahren zubereitet werden, sind hinsichtlich der Registrierung und der Genehmigung für das Inverkehrbringen in den Mitgliedsstaaten der EU homöopathischen Arzneimitteln gleichgestellt. Das heißt, in den EU-Mitgliedsländern ist wie bei homöopathischen Arzneimitteln, sofern sie die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren erfüllen, kein Wirksamkeitsnachweis erforderlich und der pharmazeutische Unternehmer darf keine Wirkungen und Anwendungsgebiete nennen.
 
Anthroposophische Arzneimittel, die in einer offiziellen Pharmakopöe eines EU-Mitgliedstaates beschrieben und nach einem homöopathischen Verfahren zubereitet werden, sind hinsichtlich der Registrierung und der Genehmigung für das Inverkehrbringen in den Mitgliedsstaaten der EU homöopathischen Arzneimitteln gleichgestellt. Das heißt, in den EU-Mitgliedsländern ist wie bei homöopathischen Arzneimitteln, sofern sie die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren erfüllen, kein Wirksamkeitsnachweis erforderlich und der pharmazeutische Unternehmer darf keine Wirkungen und Anwendungsgebiete nennen.
  
* {{WikipediaDE|Homöopathisches_Arzneimittel#Rechtliche_Einordnung|titel1=Homöopathisches Arzneimittel, Rechtliche Einordnung}}
+
*{{WikipediaDE|Homöopathisches_Arzneimittel#Rechtliche_Einordnung|titel1=Homöopathisches Arzneimittel, Rechtliche Einordnung}}
  
In Deutschland wurde mit der Novellierung des [[Arzneimittelgesetz (Deutschland)|Arzneimittelgesetzes]] 1976 für homöopathische Arzneimittel die Möglichkeit für das vereinfachte Verfahren ohne [[Therapeutische Wirksamkeit|Wirksamkeitsnachweis]] („Registrierung“) eingeführt. Anthroposophische Arzneimittel sind zudem in Deutschland nach dem {{§|34|sgb_5|juris}} [[SGB V]] und {{§|25|amg_1976|juris}} Abs.&nbsp;7 [[Arzneimittelgesetz]] ähnlich wie die Homöopathie<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 252 f.</ref> als „besondere“ bzw. „bestimmte“ Therapierichtung gesetzlich definiert.
+
In Deutschland wurde mit der Novellierung des [[Wikipedia:Arzneimittelgesetz (Deutschland)|Arzneimittelgesetzes]] 1976 für homöopathische Arzneimittel die Möglichkeit für das vereinfachte Verfahren ohne [[Therapeutische Wirksamkeit|Wirksamkeitsnachweis]] („Registrierung“) eingeführt. Anthroposophische Arzneimittel sind zudem in Deutschland nach dem {{§|34|sgb_5|juris}} [[Wikipedia:SGB V|SGB V]] und {{§|25|amg_1976|juris}} Abs.&nbsp;7 [[Wikipedia:Arzneimittelgesetz|Arzneimittelgesetz]] ähnlich wie die Homöopathie<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 252 f.</ref> als „besondere“ bzw. „bestimmte“ Therapierichtung gesetzlich definiert.
  
* {{WikipediaDE|Arzneimittelgesetz_(Deutschland)#Besondere_Therapierichtungen|titel1=Deutsches Arzneimittelgesetz, Besondere Therapierichtungen}}
+
*{{WikipediaDE|Arzneimittelgesetz_(Deutschland)#Besondere_Therapierichtungen|titel1=Deutsches Arzneimittelgesetz, Besondere Therapierichtungen}}
  
Der Internist [[Klaus Dietrich Bock]] bemängelte 1993, dass bei der Einstufung als „besondere Therapierichtung“ und der Befreiung der anthroposophischen Arzneimittel von der Wirksamkeitsprüfung das Hauptproblem ausgeklammert worden sei: Man habe nicht geprüft, ob die anthroposophische Arzneimittellehre wissenschaftlichen Kriterien genüge. Die von Steiner beabsichtigte „Erweiterung“ der Schulmedizin durch die Anthroposophie sei generell unmöglich, da zwei unvereinbare Paradigmen der Medizin nicht nebeneinander anwendbar seien.<ref name="Klaus Dietrich Bock 1993">Klaus Dietrich Bock: ''Wissenschaftliche und alternative Medizin: Paradigmen—Praxis—Perspektiven.'' Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 1993. S. 65 f.</ref>
+
Der Internist [[Wikipedia:Klaus Dietrich Bock|Klaus Dietrich Bock]] bemängelte 1993, dass bei der Einstufung als „besondere Therapierichtung“ und der Befreiung der anthroposophischen Arzneimittel von der Wirksamkeitsprüfung das Hauptproblem ausgeklammert worden sei: Man habe nicht geprüft, ob die anthroposophische Arzneimittellehre wissenschaftlichen Kriterien genüge. Die von Steiner beabsichtigte „Erweiterung“ der Schulmedizin durch die Anthroposophie sei generell unmöglich, da zwei unvereinbare Paradigmen der Medizin nicht nebeneinander anwendbar seien.<ref name="Klaus Dietrich Bock 1993">Klaus Dietrich Bock: ''Wissenschaftliche und alternative Medizin: Paradigmen—Praxis—Perspektiven.'' Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 1993. S. 65 f.</ref>
  
== Anwendungsbereiche ==
+
==Anwendungsbereiche==
 
Eingesetzt werden anthroposophischen Medikamente in unterschiedlichen Darreichungsformen: Äußerlich zum Beispiel als Öle, Gele, Salben oder Tinkturen oder innerlich als Tropfen, Pulver, Tabletten oder Streukügelchen (Globuli).<ref>GAÄD: Vademecum Anthroposophische Medizin, 2008, S. 364 ff.</ref> Ferner gibt es Ampullen für die Injektion oder Inhalation.
 
Eingesetzt werden anthroposophischen Medikamente in unterschiedlichen Darreichungsformen: Äußerlich zum Beispiel als Öle, Gele, Salben oder Tinkturen oder innerlich als Tropfen, Pulver, Tabletten oder Streukügelchen (Globuli).<ref>GAÄD: Vademecum Anthroposophische Medizin, 2008, S. 364 ff.</ref> Ferner gibt es Ampullen für die Injektion oder Inhalation.
  
Auch in der Krebstherapie (Onkologie) werden anthroposophische Arzneimittel eingesetzt. Besonders bekannt sind Zubereitungen aus der [[Weißbeerige Mistel|Mistel]]<ref>Kienle, Kiene and Albonico: Anthroposophische Medizin in der klinischen Forschung, Schattauer, 2006, Kapitel 6</ref> wie das Präparar „Iscador“.<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 246 f.</ref> Es liegen zwar viele klinische Studien zur [[Misteltherapie]] vor. Deren Ergebnisse werden jedoch kontrovers diskutiert und unterschiedlich bewertet.<ref>Kienle, Kiene: Influence of mistletoe treatment on quality of life in cancer patients. A systematic review of controlled clinical studies. Integrative Cancer Therapies 2010: http://ict.sagepub.com/content/9/2/142.full.pdf+html (Stand: 14. Juli 2015)</ref><ref>Horneber, Bueschel, Huber, Linde, Rostock: Mistletoe therapy in oncology (Cochrane-Review: Mistletoe in oncology (Review). 2008 The Cochrane Collaboration. Published by John Wiley & Sons, Ltd)</ref><ref>Kienle, Berrino, Büssing, Portalupi, Rosenzweig, Kiene: Mistletoe in cancer - a systematic review on controlled clinical trials. Eur J Med Res 8, 2003, S. 109–119</ref> Der Internist Klaus Dietrich Bock bemängelt, dass es die Anthroposophen seit über 60 Jahren nicht geschafft haben, einen Wirksamkeitsnachweis an Krebskranken zu erbringen, der den Kriterien der universitären Medizin genügt. Derweil rekurriere man auf [[in vitro]]-Versuche, die alleine nichts besagten oder auf die „[[adjuvant]]e“ Krebsbehandlung, für die es ebenfalls keine Wirsamkeitsnachweise gibt.<ref name="Klaus Dietrich Bock 1993"/><ref>Barbara Burkhard: ''Anthroposophische Arzneimittel. Eine kritische Betrachtung.'' GOVI, Eschborn 2000, S. 162 f.</ref>
+
Auch in der Krebstherapie (Onkologie) werden anthroposophische Arzneimittel eingesetzt. Besonders bekannt sind Zubereitungen aus der [[Weißbeerige Mistel|Mistel]]<ref>Kienle, Kiene and Albonico: Anthroposophische Medizin in der klinischen Forschung, Schattauer, 2006, Kapitel 6</ref> wie das Präparar „Iscador“.<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 246 f.</ref> Es liegen zwar viele klinische Studien zur vor. Deren Ergebnisse werden jedoch kontrovers diskutiert und unterschiedlich bewertet.<ref>Kienle, Kiene: Influence of mistletoe treatment on quality of life in cancer patients. A systematic review of controlled clinical studies. Integrative Cancer Therapies 2010: http://ict.sagepub.com/content/9/2/142.full.pdf+html (Stand: 14. Juli 2015)</ref><ref>Horneber, Bueschel, Huber, Linde, Rostock: Mistletoe therapy in oncology (Cochrane-Review: Mistletoe in oncology (Review). 2008 The Cochrane Collaboration. Published by John Wiley & Sons, Ltd)</ref><ref>Kienle, Berrino, Büssing, Portalupi, Rosenzweig, Kiene: Mistletoe in cancer - a systematic review on controlled clinical trials. Eur J Med Res 8, 2003, S. 109–119</ref> Der Internist Klaus Dietrich Bock bemängelt, dass es die Anthroposophen seit über 60 Jahren nicht geschafft haben, einen Wirksamkeitsnachweis an Krebskranken zu erbringen, der den Kriterien der universitären Medizin genügt. Derweil rekurriere man auf [[Wikipedia:in vitro|in vitro]]-Versuche, die alleine nichts besagten oder auf die „[[Wikipedia:adjuvant|adjuvant]]e“ Krebsbehandlung, für die es ebenfalls keine Wirsamkeitsnachweise gibt.<ref name="Klaus Dietrich Bock 1993" /><ref>Barbara Burkhard: ''Anthroposophische Arzneimittel. Eine kritische Betrachtung.'' GOVI, Eschborn 2000, S. 162 f.</ref>
 +
 
 +
==Siehe auch==
 +
 
 +
*{{WikipediaDE|Anthroposophisches Arzneimittel}}
 +
 
 +
==Literatur==
  
== Siehe auch ==
+
*Barbara Burkhard: ''Anthroposophische Arzneimittel. Eine kritische Betrachtung.'' GOVI, Eschborn 2000, ISBN 3-7741-0810-2.
* {{WikipediaDE|Anthroposophisches Arzneimittel}}
+
*[[Robert Jütte|Robert Jütte]]: ''Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 240–260.
 +
*{{BibISBN|9783928914314}}
  
== Literatur ==
+
==Weblinks==
* Barbara Burkhard: ''Anthroposophische Arzneimittel. Eine kritische Betrachtung.'' GOVI, Eschborn 2000, ISBN 3-7741-0810-2.
 
* [[Robert Jütte]]: ''Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 240–260.
 
  
== Weblinks ==
+
*[http://www.damid.de/ Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland e.V.]
* [http://www.damid.de/ Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland e.V.]
+
*[http://www.iaap.org.uk/ International Association of Anthroposophic Pharmacists] (englisch)
* [http://www.iaap.org.uk/ International Association of Anthroposophic Pharmacists] (englisch)
+
*[http://www.escamp.org/ European Scientific Cooperative on Anthroposophic Medicinal Products] (englisch)
* [http://www.escamp.org/ European Scientific Cooperative on Anthroposophic Medicinal Products] (englisch)
 
  
== Einzelnachweise ==
+
==Einzelnachweise==
 
<references />
 
<references />
  
 
[[Kategorie:Anthroposophisches Arzneimittel|!]]
 
[[Kategorie:Anthroposophisches Arzneimittel|!]]
  
{{QuelleWikipedia|datum=04. December 2019|oldid=190384071|oldid-lokal=10755}}
+
{{QuelleWikipedia|datum=28. December 2019|oldid=190384071|oldid-lokal=17378|geschichte=true}}

Aktuelle Version vom 12. Juni 2022, 10:53 Uhr

Ein anthroposophisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis entwickelt wurde und nach deren Grundsätzen angewendet wird. Die Herstellung erfolgt nach einem im Europäischen Arzneibuch oder anderen offiziell gebräuchlichen Arzneibuch eines EU-Staates beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren oder nach einem besonderen anthroposophischen Zubereitungsverfahren.[1] Charakteristisch für die ist der Ansatz, Gesundheit und Medizin neben naturwissenschaftlichen auch unter „spirituellen“ (d. h. anthroposophischen) Gesichtspunkten zu erfassen. Für die Herstellung anthroposophischer Arzneimittel werden pflanzliche, mineralische und tierische Substanzen eingesetzt, die nach aus dem Therapiesystem abgeleiteten Gesichtspunkten verarbeitet und zum Teil potenziert werden.

Anthroposophische Arzneimittel sind primär darauf ausgerichtet, die Selbstheilungskräfte des Organismus anzuregen. Sie werden von anthroposophischen Ärzten nicht selten begleitend zu Therapien der wissenschaftlichen Medizin verordnet – gemäß dem Ansatz der anthroposophischen Medizin, die sich selbst als deren Erweiterung, als integrative Medizin oder Komplementärmedizin[2] und nicht als Alternativmedizin betrachtet. Viele anthroposophische Fertigarzneimittel sind über ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß EU-Recht vermarktbar; für sie werden weder eine bestimmte Wirkung noch ein Anwendungsgebiet angegeben, und ein Wirkungsnachweis entfällt.

Geschichte

Schon lange bevor in den 1920er Jahren seine Anregungen ausführte, die die Grundlagen der (AM) bilden sollten, wurden in anthroposophischen Kreisen spezielle alternativmedizinische Mittel angewandt, etwa die Ritterschen Heilmittel oder Peipers Farbtherapien. Die Heilmittelproduktion wurde nach dem Ersten Weltkrieg ein eigenes Arbeitsfeld der AM, das zum Teil aus den Versuchen der Farbherstellung für den ursprünglich in München geplanten Johannesbau in den Vorkriegsjahren hervorging. Eine Schlüsselfigur bei der Genese der Heilmittelherstellung war der Chemiker Oskar Schmiedel(w) (1887–1959), dessen Laboratorium aufgrund finanzieller Schwierigkeiten in den Besitz des Johannesbau-Vereins in Dornach geriet. Schmiedel übersiedelte nach Dornach, und das chemische Laboratorium wurde in einer einfachen Baracke nahe der Goetheanum-Baustelle untergebracht. Die Schwerpunktverlagerung von der Farbherstellung zur Produktion pharmazeutischer Produkte fand wahrscheinlich im Oktober 1919 statt.[3]

Ursprung, Herstellung und Anwendung der anthroposophischen Arzneimittel gehen auf Rudolf Steiner und dessen medizinische Angaben zurück, der die anthroposophische Medizin zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen mit der Ärztin Ita Wegman begründet hat. Damals entwickelte Rudolf Steiner die noch heute gültigen Grundlagen für die Wahl der Rohstoffe und die verschiedenen Herstellungsverfahren. Als zweiter wichtigster Pionier für die anthroposophische Pharmazie gilt Rudolf Hauschka (1891–1969).

Verbreitung

2012 wurde die anthroposophische Medizin in über 60 Ländern praktiziert. In 22 europäischen Ländern gibt es ca. 15.000 Ärzte, die die anthroposophische Medizin verschreiben, z. B. in Österreich, Dänemark, Frankreich, Deutschland und Italien.[4] Laut dem deutschen Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) haben Anthroposophika im Jahr 2013 einen Umsatz von 58,4 Millionen Euro erzielt.[5]

Auf dem EU-Markt gibt es über 1.700 verschiedene anthroposophische Arzneimittel.[6] Innerhalb der EU ist unterschiedlich geregelt, ob anthroposophische Arzneimittel vom Arzt verschrieben werden müssen. In Deutschland beispielsweise sind die meisten der Präparate nicht verschreibungspflichtig und müssen deshalb seit 2004 von den Patienten selbst bezahlt werden.

In Deutschland den „Apothekerberuf durch Anthroposophie zu erweitern“ und eine „Anthroposophische Pharmazie“ weiterzuentwickeln ist Ziel der 2001 gegründeten Gesellschaft für Anthroposophische Pharmazie in Deutschland (GAPiD).[7]

Theorie und Hintergrund

Die Grundlage der anthroposophischen Heilweise ist eine ganzheitliche Betrachtung von Mensch und Natur. Dabei ist es eine Besonderheit der anthroposophischen Arzneitherapie, dass sie davon ausgeht, dass es zwischen dem menschlichen Organismus und den Naturprozessen in der mineralischen, pflanzlichen, tierischen Welt eine evolutionäre Verwandtschaft gibt.[8] Auf Grundlage dieses Zusammenhangs gelten für die Auswahl der Ausgangsstoffe und deren Verarbeitung sowie für die Herstellung und die Anwendung von anthroposophischen Arzneimitteln bestimmte Regeln. Vor diesem Hintergrund sollen die „spezifischen Heilkräfte“ eines natürlichen Stoffes heraus gearbeitet werden, um sie auf ein bestimmtes therapeutisches Ziel hin auszurichten. Die Vorgeschichte der Inhaltsstoffe anthroposophischer Mittel ist oft bedeutender als ihre stoffliche Zusammensetzung.

Das Menschenbild der Anthroposophie basiert auf dem Verständnis, dass vier Existenzebenen (Leiber / Wesensglieder) des menschlichen Wesens mit drei Natur-Systemen interagieren.[9] Die folgende Tabelle zeigt, von welchen Bezügen die Anthroposophie ausgeht:

Mensch Naturreich
Die physisch-körperliche Ebene steht in Bezug zur... Welt der Mineralien
Lebens-Organisation, Ätherleib (biologische Identität, Regeneration und physiologische Funktionen) steht in Bezug zur Welt der Pflanzen
Empfindungsorganisation, Astralleib (Gefühl und Bewegung) steht in Bezug zur Welt der Tiere
Ich-Organisation (geistige Ebene) als individuelle Ebene Selbstwahrnehmung gibt es nur beim Menschen

Gemäß dem anthroposophischen Verständnis hat die Behandlung mit anthroposophischen Arzneimitteln eine doppelte Ausrichtung: Zum einen sollen sie direkt in akute und chronische und Krankheitsprozesse eingreifen und Symptome lindern. Zum anderen sollen sie selbstregulierende Fähigkeiten des Organismus anregen.[10]

Pharmazeutische Herstellungsverfahren

Bei der Herstellung anthroposophischer Arzneimittel werden sowohl spezifisch anthroposophische als auch typisch Verfahren eingesetzt.[11] Ausgangsstoffe von anthroposophischen Arzneimitteln sind mineralische/metallische, pflanzliche oder tierische Substanzen, zum Beispiel Quarz, Schwefel, Gold, Kupfer, Silber, Arnika, Kamille oder Calendula.[12] Es kommen vielfach rhythmische Prozesse und/oder abgestufte Wärmeanwendungen zum Einsatz. Tierversuche werden so weit wie möglich vermieden.

Anthroposophisches Mittel sind etwa das Skleron, welches aus Blei, Honig und Zucker besteht, oder das Kieselsäure, Schwefel und Eisen enthaltende Migränemittel Biodoron.[13]

Behandlung pflanzlicher Ausgangsstoffe

Beispiele für typische Verfahren bei pflanzlichen Ausgangsstoffen:

Pharmazeutisches Verfahren Temperatur Ausgangsstoff
Kaltes Mazerieren 2–8 °C frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile
Mazerieren ca. 15–20 °C frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile
Rhythmische Verarbeitung 4–37 °C frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile
Digerieren 37 °C frische Pflanzen, Blüten und Blätter
Infundieren 60–90 °C getrocknete Blätter und Blüten
Kochen ca. 100 °C getrocknete Wurzeln, Rinde und Samen
Destillieren Dampf, ca. 100 °C frische oder getrocknete Pflanzen, alle Teile

Die Verfahren sind im Homöopathischen Arzneibuch beschrieben, beispielsweise in den Vorschriften 18 bis 24. Die Vorschriften 18 bis 20 befassen sich mit ethanolischen Zubereitungen (ethanolische Digestio, ethanolisches Decoctum, ethanolischer Infus). Die sogenannten Rh-Tinkturen, deren Herstellung in den Vorschriften 20 und 21 beschrieben ist, werden aus zerkleinerten Frischpflanzen oder Presssaft durch einen Vergärungsprozess im tageszeitlichen Warm-Kalt-Rhythmus hergestellt, wobei abwechselnd Temperaturen von 37 °C und 4 °C zur Anwendung kommen.[14] Bei dem Rh-Verfahren wird von einer durch Beeinflussung der von Tages- und Nachtrhythmen angeblich beeinflussten Pflanzenqualität ausgegangen und diese mittels Temperatur- und Bewegungsänderungen bei der Präparatgewinnung aus dem Arzneipflanzensaft versucht, zu erzielen.[15]

Potenzieren

Ein häufig angewandtes Herstellungsverfahren ist ferner das Potenzieren, das auch in der verwendet wird. Gegenüber der unterscheidet sich die Schüttelungstechnik, zudem werden Tageszeit und Sternenkonstellation bei der Herstellung berücksichtigt.[16] Potenzierte Präparate enthalten oft letztlich extrem verdünnte Substanzen. Jeder Verdünnungsgrad wird durch rhythmisches Schütteln oder Verreiben erzielt. Das Prinzip der Potenzierung wird kontrovers diskutiert, da in höheren Verdünnungen die stoffliche Menge der Ausgangssubstanz gegen Null geht, so dass selbst das Vorhandensein einzelner Atome oder Moleküle der Ausgangssubstanz unwahrscheinlich wird. Der Medizinhistoriker Robert Jütte ist der Ansicht, dass die von gezogene Grenze zwischen Homöopathie und "Allopathie" in der anthroposophischen Medizin weniger scharf sei.[17]

Rhythmische Verfahren

Hauptartikel: Rhythmische Verfahren

Hersteller

Anthroposophische Arzneimittel werden von eigens gegründeten pharmazeutischen Betrieben hergestellt, z. B. Weleda AG, Wala Heilmittel GmbH, Abnoba GmbH, Helixor Heilmittel GmbH & Co. KG und andere.[18]

Rechtliche Einordnung

Anthroposophische Arzneimittel, die in einer offiziellen Pharmakopöe eines EU-Mitgliedstaates beschrieben und nach einem homöopathischen Verfahren zubereitet werden, sind hinsichtlich der Registrierung und der Genehmigung für das Inverkehrbringen in den Mitgliedsstaaten der EU homöopathischen Arzneimitteln gleichgestellt. Das heißt, in den EU-Mitgliedsländern ist wie bei homöopathischen Arzneimitteln, sofern sie die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren erfüllen, kein Wirksamkeitsnachweis erforderlich und der pharmazeutische Unternehmer darf keine Wirkungen und Anwendungsgebiete nennen.

In Deutschland wurde mit der Novellierung des Arzneimittelgesetzes 1976 für homöopathische Arzneimittel die Möglichkeit für das vereinfachte Verfahren ohne Wirksamkeitsnachweis („Registrierung“) eingeführt. Anthroposophische Arzneimittel sind zudem in Deutschland nach dem § 34 SGB V und § 25 Abs. 7 Arzneimittelgesetz ähnlich wie die Homöopathie[19] als „besondere“ bzw. „bestimmte“ Therapierichtung gesetzlich definiert.

Der Internist Klaus Dietrich Bock bemängelte 1993, dass bei der Einstufung als „besondere Therapierichtung“ und der Befreiung der anthroposophischen Arzneimittel von der Wirksamkeitsprüfung das Hauptproblem ausgeklammert worden sei: Man habe nicht geprüft, ob die anthroposophische Arzneimittellehre wissenschaftlichen Kriterien genüge. Die von Steiner beabsichtigte „Erweiterung“ der Schulmedizin durch die Anthroposophie sei generell unmöglich, da zwei unvereinbare Paradigmen der Medizin nicht nebeneinander anwendbar seien.[20]

Anwendungsbereiche

Eingesetzt werden anthroposophischen Medikamente in unterschiedlichen Darreichungsformen: Äußerlich zum Beispiel als Öle, Gele, Salben oder Tinkturen oder innerlich als Tropfen, Pulver, Tabletten oder Streukügelchen (Globuli).[21] Ferner gibt es Ampullen für die Injektion oder Inhalation.

Auch in der Krebstherapie (Onkologie) werden anthroposophische Arzneimittel eingesetzt. Besonders bekannt sind Zubereitungen aus der Mistel[22] wie das Präparar „Iscador“.[23] Es liegen zwar viele klinische Studien zur vor. Deren Ergebnisse werden jedoch kontrovers diskutiert und unterschiedlich bewertet.[24][25][26] Der Internist Klaus Dietrich Bock bemängelt, dass es die Anthroposophen seit über 60 Jahren nicht geschafft haben, einen Wirksamkeitsnachweis an Krebskranken zu erbringen, der den Kriterien der universitären Medizin genügt. Derweil rekurriere man auf in vitro-Versuche, die alleine nichts besagten oder auf die „adjuvante“ Krebsbehandlung, für die es ebenfalls keine Wirsamkeitsnachweise gibt.[20][27]

Siehe auch

Literatur

  • Barbara Burkhard: Anthroposophische Arzneimittel. Eine kritische Betrachtung. GOVI, Eschborn 2000, ISBN 3-7741-0810-2.
  • Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 240–260.
  • Meyer U, Pedersen PA, Wäckerle H, Baumgartner S, Alsted Pedersen P (Hrsg.): Anthroposophische Pharmazie: Grundlagen, Herstellprozesse, Arzneimittel. 1. Auflage. Salumed, Berlin 2016, ISBN  978-3-928914-31-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. § 4 Arzneimittelgesetz.
  2. Glöckler: Anthroposophische Arzneitherapie für Ärzte und Apotheker, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2005, Grundwerk, S. 1–2.
  3. Helmut Zander: Anthroposophie in Deutschland. 2007, S. 1540 ff.
  4. https://www.ivaa.info/fileadmin/editor/file/Facts_and_Figures_AM_WorldwideJuly2012_Final_Public_Light.pdf (Stand: 20. Mai 2015)
  5. Pharma-Daten2014 (Memento vom 23. September 2015 im Internet Archive) (Stand: 20. Mai 2015)
  6. IVAA: The System of Anthroposophic Medicine, gefunden unter: http://www.ivaa.info/fileadmin/editor/file/The_system_of_Anthroposophic_Medicine_2014.pdf, S. 21 (Stand: 20. Mai 2015)
  7. http://www.gapid.de/ Gesellschaft Anthroposophische Pharmazie in Deutschland e.V.
  8. Glöckler: Anthroposophische Arzneitherapie für Ärzte und Apotheker, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2005, 3. Akt.-Lfg. 2010 S. 2–14
  9. Rankin-Box and Williamson: Complementary Medicine. A Guide for Pharmacists, Churchill Livingston, 2006
  10. Deutscher Apotheker Verlag: Komplementärmedizin für die Kitteltasche. Beratungsempfehlungen für die Selbstmedikation, 2009, S. 20
  11. GAPiD: Grundfragen zur Anthroposophischen Pharmazie, 2014, S. 29 f.
  12. http://www.damid.de/anthroposophische-medizin/arzneimittel/19-anthroposophische-arzneitherapie.html, (Stand: 14. Juli 2015)
  13. Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 246.
  14. Kurt H. Bauer, Karl-Heinz Frömming, Claus Führer, Bernhardt C. Lippold – Pharmazeutische Technologie. Thieme Verlag, 2. Auflage 1989, S. 469
  15. Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 248.
  16. Hans Wolfgang Hoefert, Bernhard Uehleke: Komplementäre Heilverfahren im Gesundheitswesen. Analyse und Bewertung. 1. Auflage. Huber, Bern 2009, ISBN  978-3-456-84700-9, S. 184 f.
  17. Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute. C.H. Beck, München 1996, ISBN  978-3-406-40495-5, S. 238.
  18. Barbara Burkhard: Anthroposophische Arzneimittel. Eine kritische Betrachtung. GOVI, Eschborn 2000. S. 15.
  19. Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 252 f.
  20. 20,0 20,1 Klaus Dietrich Bock: Wissenschaftliche und alternative Medizin: Paradigmen—Praxis—Perspektiven. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 1993. S. 65 f.
  21. GAÄD: Vademecum Anthroposophische Medizin, 2008, S. 364 ff.
  22. Kienle, Kiene and Albonico: Anthroposophische Medizin in der klinischen Forschung, Schattauer, 2006, Kapitel 6
  23. Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2, S. 246 f.
  24. Kienle, Kiene: Influence of mistletoe treatment on quality of life in cancer patients. A systematic review of controlled clinical studies. Integrative Cancer Therapies 2010: http://ict.sagepub.com/content/9/2/142.full.pdf+html (Stand: 14. Juli 2015)
  25. Horneber, Bueschel, Huber, Linde, Rostock: Mistletoe therapy in oncology (Cochrane-Review: Mistletoe in oncology (Review). 2008 The Cochrane Collaboration. Published by John Wiley & Sons, Ltd)
  26. Kienle, Berrino, Büssing, Portalupi, Rosenzweig, Kiene: Mistletoe in cancer - a systematic review on controlled clinical trials. Eur J Med Res 8, 2003, S. 109–119
  27. Barbara Burkhard: Anthroposophische Arzneimittel. Eine kritische Betrachtung. GOVI, Eschborn 2000, S. 162 f.
Wikipedia-logo-v2.svg
Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Anthroposophisches Arzneimittel aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Fassung 190384071 vom 28. December 2019 und steht unter der GNU Lizenz für freie Dokumentation und der Creative Commons Attribution/Share Alike. Auf Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. Veränderungen seither in Imedwiki. Veränderungen seither in Wikipedia.Weiteres zum Import aus Wikipedia siehe Seite Imedwiki:Import aus Wikipedia.