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Alternativmedizin: Unterschied zwischen den Versionen
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− | '''Alternativmedizin''' (auch '''Alternative Medizin''') und '''Komplementärmedizin''' (auch '''komplementäre Medizin''') sind Sammelbezeichnungen für | + | '''Alternativmedizin''' (auch '''Alternative Medizin''') und '''Komplementärmedizin''' (auch '''komplementäre Medizin''') sind Sammelbezeichnungen für Behandlungsmethoden und [[Diagnose|diagnostische]] Konzepte, die sich als [[wikipedia:Alternative|Alternative]] (Alternativmedizin) oder [[wikipedia:Komplementarität|Ergänzung]]([[Komplementärmedizin]]) zu wissenschaftlich begründeten Methoden der [[Medizin|Medizin]] verstehen oder verstanden werden.<ref>J. Köbberling: [http://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Die_AWMF/Service/Gesamtarchiv/AWMF-Konferenz/Der_Begriff_der_Wissenschaft_in_der_Medizin.pdf ''Der Begriff der Wissenschaft in der Medizin.''] [[Wikipedia:Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften|Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften]] (AWMF). Abgerufen am 27. März 2017.</ref> Die [[Integrative Medizin]] steht für eine Synthese [[Konventionelle Medizin|konventioneller]] und komplementärer Ansätze. |
− | Behandlungsmethoden und [[Diagnose|diagnostische]] Konzepte, die sich als [[Alternative]] oder [[Komplementarität|Ergänzung]] zu wissenschaftlich begründeten Methoden der [[Medizin]] verstehen.<ref>J. Köbberling: [http://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Die_AWMF/Service/Gesamtarchiv/AWMF-Konferenz/Der_Begriff_der_Wissenschaft_in_der_Medizin.pdf ''Der Begriff der Wissenschaft in der Medizin.''] [[Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften]] (AWMF). Abgerufen am 27. März 2017.</ref> | ||
− | Zu den alternativ- und komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden | + | Zu den alternativ- und komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden werden unter anderem gezählt: [[Naturheilkunde|Naturheilverfahren]], [[wikipedia:Körpertherapie|Körpertherapieverfahren]], einige [[wikipedia:Entspannungsverfahren|Entspannungsverfahren]] und Behandlungsmethoden wie [[Homöopathie]], [[Osteopathie]] und [[Eigenbluttherapie]] sowie Methoden der [[Anthroposophische Medizin|Anthroposophischen Medizin]] und der [[Traditionelle Chinesische Medizin|Traditionellen Chinesischen Medizin]]. |
− | == Definitionsversuche und Begriffsvarianten == | + | ==Definitionsversuche und Begriffsvarianten== |
− | Zurzeit existiert keine allgemein akzeptierte Definition von „Alternativmedizin“.<ref>{{Literatur |Autor=Marcela Ullmann |Hrsg= |Titel=EU fördert Komplementärmedizin |TitelErg=Interview mit Wolfgang Weidenhammer |Sammelwerk=Naturamed : Forschung und Praxis ; Das offizielle Organ des Komitee Forschung Naturmedizin e. V. (KFN) und seiner internationalen Sektion CRNM |Band= |Nummer=3 |Verlag=MiM-Verl.-Ges. |Ort=Egelsbach |Datum=2010 |ISSN=0931-1513 |Seiten=8–9}}</ref> Der ''[[Pschyrembel (Medizinisches Wörterbuch)|Pschyrembel]] für Naturheilkunde und alternative Heilverfahren'' beschreibt „Alternativmedizin“ als „umstrittene und unscharfe Sammelbezeichnung für diagnostische und therapeutische Verfahren, die außerhalb der konventionellen Medizin stehen“. Der Begriff suggeriere, „dass diese Methoden anstatt der [[Schulmedizin]] eingesetzt werden können; überzeugende Daten zur klinischen Evaluation bezüglich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit fehlen für viele Methoden der Alternativmedizin; die theoretischen Erklärungsmodelle erscheinen häufig spekulativ“.<ref>Michaela Noseck-Licul: ''1. Begriffsdefinitionen – Alternativmedizin (Alternative Therapien).'' In: [http://bmg.gv.at/cms/home/attachments/0/0/1/CH1092/CMS1311593085442/heilmethoden1.pdf ''Komplementäre Heilmethoden und traditionelle Anwendungen in Österreich.''] Auftragsarbeit des [[Bundesministerium für Gesundheit (Österreich)]] (PDF, S. 5).</ref> | + | Zurzeit existiert keine allgemein akzeptierte Definition von „Alternativmedizin“.<ref>{{Literatur |Autor=Marcela Ullmann |Hrsg= |Titel=EU fördert Komplementärmedizin |TitelErg=Interview mit Wolfgang Weidenhammer |Sammelwerk=Naturamed : Forschung und Praxis ; Das offizielle Organ des Komitee Forschung Naturmedizin e. V. (KFN) und seiner internationalen Sektion CRNM |Band= |Nummer=3 |Verlag=MiM-Verl.-Ges. |Ort=Egelsbach |Datum=2010 |ISSN=0931-1513 |Seiten=8–9}}</ref> Der ''[[Wikipedia:Pschyrembel (Medizinisches Wörterbuch)|Pschyrembel]] für Naturheilkunde und alternative Heilverfahren'' beschreibt „Alternativmedizin“ als „umstrittene und unscharfe Sammelbezeichnung für diagnostische und therapeutische Verfahren, die außerhalb der konventionellen Medizin stehen“. Der Begriff suggeriere, „dass diese Methoden anstatt der [[Schulmedizin|Schulmedizin]] eingesetzt werden können; überzeugende Daten zur klinischen Evaluation bezüglich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit fehlen für viele Methoden der Alternativmedizin; die theoretischen Erklärungsmodelle erscheinen häufig spekulativ“.<ref>Michaela Noseck-Licul: ''1. Begriffsdefinitionen – Alternativmedizin (Alternative Therapien).'' In: [http://bmg.gv.at/cms/home/attachments/0/0/1/CH1092/CMS1311593085442/heilmethoden1.pdf ''Komplementäre Heilmethoden und traditionelle Anwendungen in Österreich.''] Auftragsarbeit des [[Wikipedia:Bundesministerium für Gesundheit (Österreich)|Bundesministerium für Gesundheit (Österreich)]] (PDF, S. 5).</ref> |
− | Gemäß [[Robert Jütte]] sollten nur diejenigen Heilweisen als „alternativ“ „bezeichnet werden, die in einer bestimmten medikalen Kultur, die selbst wiederum einem historischen Wandlungsprozeß unterworfen ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder über einen längeren Zeitraum von der herrschenden medizinischen Richtung mehr oder weniger stark abgelehnt werden, weil sie die Therapieformen der herrschenden medizinischen Richtung teilweise oder völlig in Frage stellen bzw. auf eine unmittelbare und grundlegende Änderung des medizinischen Systems abzielen“.<ref>Robert Jütte: ''Alternativmedizin.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 42–49; hier: S. 43.</ref> | + | Gemäß [[Robert Jütte|Robert Jütte]] sollten nur diejenigen Heilweisen als „alternativ“ „bezeichnet werden, die in einer bestimmten medikalen Kultur, die selbst wiederum einem historischen Wandlungsprozeß unterworfen ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder über einen längeren Zeitraum von der herrschenden medizinischen Richtung mehr oder weniger stark abgelehnt werden, weil sie die Therapieformen der herrschenden medizinischen Richtung teilweise oder völlig in Frage stellen bzw. auf eine unmittelbare und grundlegende Änderung des medizinischen Systems abzielen“.<ref>Robert Jütte: ''Alternativmedizin.'' In: [[Werner E. Gerabek|Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 42–49; hier: S. 43.</ref> |
− | „Komplementär“ meint Ergänzung – Ergänzung eines etablierten Medizinsystems zu einem „neuen Ganzen“.<ref>''Komplementärmedizin.'' In: ''Wörterbuch der Sozialpolitik.'' [http://www.socialinfo.ch/cgi-bin/dicopossode/show.cfm?id=350 (online)]</ref> Der Begriff „Komplementärmedizin“ wird oft als Ersatz für den Begriff „Alternativmedizin“ gebraucht.<ref>[[Jutta Hübner]]: [https://hautkrebs-netzwerk.de/komplementaere-und-alternative-medizin-warum-ist-der-unterschied-wichtig/ ''Komplementäre und alternative Medizin – warum ist der Unterschied wichtig?'']</ref><ref name="Noseck-Licul" /> „Komplementärmedizin“ soll signalisieren, dass die damit bezeichneten Methoden nicht als Alternativen zur etablierten Medizin angesehen werden sollten, sondern als Ergänzungen. Das entspricht zum einen den Gepflogenheiten der Patienten, die zusätzlich zu konventionellen auch andere Methoden nachfragen und kommuniziert zum anderen die Absicht der Anbieter unkonventioneller Heilmethoden, mit der etablierten Medizin zusammenzuarbeiten.<ref name="Noseck-Licul">Michaela Noseck-Licul: ''1. Begriffsdefinitionen – Komplementärmedizin.'' In: [http://bmg.gv.at/cms/home/attachments/0/0/1/CH1092/CMS1311593085442/heilmethoden1.pdf ''Komplementäre Heilmethoden und traditionelle Anwendungen in Österreich.''] Auftragsarbeit des | + | „Komplementär“ meint Ergänzung – Ergänzung eines etablierten Medizinsystems zu einem „neuen Ganzen“.<ref>''Komplementärmedizin.'' In: ''Wörterbuch der Sozialpolitik.'' [http://www.socialinfo.ch/cgi-bin/dicopossode/show.cfm?id=350 (online)]</ref> Der Begriff „Komplementärmedizin“ wird oft als Ersatz für den Begriff „Alternativmedizin“ gebraucht.<ref>[[Wikipedia:Jutta Hübner|Jutta Hübner]]: [https://hautkrebs-netzwerk.de/komplementaere-und-alternative-medizin-warum-ist-der-unterschied-wichtig/ ''Komplementäre und alternative Medizin – warum ist der Unterschied wichtig?'']</ref><ref name="Noseck-Licul" /> „Komplementärmedizin“ soll signalisieren, dass die damit bezeichneten Methoden nicht als Alternativen zur etablierten Medizin angesehen werden sollten, sondern als Ergänzungen. Das entspricht zum einen den Gepflogenheiten der Patienten, die zusätzlich zu konventionellen auch andere Methoden nachfragen und kommuniziert zum anderen die Absicht der Anbieter unkonventioneller Heilmethoden, mit der etablierten Medizin zusammenzuarbeiten.<ref name="Noseck-Licul">Michaela Noseck-Licul: ''1. Begriffsdefinitionen – Komplementärmedizin.'' In: [http://bmg.gv.at/cms/home/attachments/0/0/1/CH1092/CMS1311593085442/heilmethoden1.pdf ''Komplementäre Heilmethoden und traditionelle Anwendungen in Österreich.''] Auftragsarbeit des Bundesministerium für Gesundheit (Österreich) (PDF, S. 6).</ref> Der Begriff wird auch in Deutschland zunehmend verwendet.<ref>Walter Bruchhausen, Heinz Schott: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' 2008, ISBN 978-3-8252-2915-3.</ref> |
− | Beide Begriffe werden gelegentlich synonym verwendet. Eine Definition der [[Weltgesundheitsorganisation]] lautet: „Die Begriffe ‚Komplementärmedizin‘ oder ‚Alternativmedizin‘ umfassen ein breites Spektrum von Heilmethoden, die nicht Teil der Tradition des jeweiligen Landes sind und nicht vollständig in das dominierende Gesundheitssystem integriert sind. In manchen Ländern werden sie synonym zum Begriff ‚Traditionelle Medizin‘ verwendet.“<ref>{{Internetquelle |url=https://www.who.int/traditional-complementary-integrative-medicine/about/en/ |autor=World Health Organisation (WHO) |titel=Traditional, complementary and integrative medicine |hrsg=Who.int |datum= |zugriff=2019-08-18}}</ref> Im englischsprachigen Raum ist die Komplementär- und Alternativmedizin zusammenfassende Abkürzung CAM (Complementary and alternative medicine) gebräuchlich.<ref name="What Is CAM?">What Is CAM? [http://nccam.nih.gov/health/whatiscam National Institutes of Health]</ref> | + | Beide Begriffe werden gelegentlich synonym verwendet. Eine Definition der [[Wikipedia:Weltgesundheitsorganisation|Weltgesundheitsorganisation]] lautet: „Die Begriffe ‚Komplementärmedizin‘ oder ‚Alternativmedizin‘ umfassen ein breites Spektrum von Heilmethoden, die nicht Teil der Tradition des jeweiligen Landes sind und nicht vollständig in das dominierende Gesundheitssystem integriert sind. In manchen Ländern werden sie synonym zum Begriff ‚Traditionelle Medizin‘ verwendet.“<ref>{{Internetquelle |url=https://www.who.int/traditional-complementary-integrative-medicine/about/en/ |autor=World Health Organisation (WHO) |titel=Traditional, complementary and integrative medicine |hrsg=Who.int |datum= |zugriff=2019-08-18}}</ref> Im englischsprachigen Raum ist die Komplementär- und Alternativmedizin zusammenfassende Abkürzung CAM (Complementary and alternative medicine) gebräuchlich.<ref name="What Is CAM?">What Is CAM? [http://nccam.nih.gov/health/whatiscam National Institutes of Health]</ref> |
− | Neuere Ansätze streben wieder | + | Neuere Ansätze streben wieder, in einer ''[[Integrative Medizin|Integrativen Medizin]]''<ref name="welt-2811524">{{Internetquelle |autor=Birgitta vom Lehn |url=https://www.welt.de/gesundheit/article2811524/Integrative-Medizin-sucht-neue-Heilmethoden.html |titel="Integrative Medizin" sucht neue Heilmethoden |werk=[[Wikipedia:Die Welt#Online-Ausgabe|welt.de]] |datum=2008-12-01 |zugriff=2014-12-28}}</ref> eine Zusammenarbeit von konventioneller und Komplementärmedizin an.<ref name="aerzteblatt-41771">{{Literatur |Autor=Stefan N. Willich, Matthias Girke, Jörg-Dietrich Hoppe, Helmut Kiene, Wolfgang Klitzsch, Peter F. Matthiessen, Peter Meister, [[Wikipedia:Günter Ollenschläger|Günter Ollenschläger]], Hermann Heimpel |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/41771/Schulmedizin-und-Komplementaermedizin-Verstaendnis-und-Zusammenarbeit-muessen-vertieft-werden Schulmedizin und Komplementärmedizin: Verständnis und Zusammenarbeit müssen vertieft werden] |Sammelwerk=[[Wikipedia:Deutsches Ärzteblatt|Deutsches Ärzteblatt]] |Band=101 |Nummer=19 |Verlag=[[Wikipedia:Deutscher Ärzte-Verlag|Deutscher Ärzte-Verlag]] |Datum=2004-05-07 |Seiten=A-1314 / B-1087 / C-1051}}</ref> |
− | = | + | Je nach ideologischem Hintergrund werden auch folgende Begriffe verwendet, die teilweise nicht ganz treffend sind oder das Gesamtgebiet nicht ganz abdecken:<ref>{{Literatur |Autor=[[Robert Jütte|Robert Jütte]] |Hrsg= |Titel=Geschichte der Alternativen Medizin |TitelErg=Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute |Verlag=C.H. Beck |Ort=München |Datum=1996 |ISBN=3-406-40495-2 |Seiten=insbesondere S. 11–16 (''Einleitung'').}}</ref> ''[[Unkonventionelle medizinische Methoden|Unkonventionelle Medizinische Richtungen]] (UMR)'',<ref>{{Internetquelle |url=http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/568.php |titel=Bundesministerium für Bildung und Forschung |hrsg=Gesundheitsforschung-bmbf.de |zugriff=2010-09-25 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20091008010146/http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/568.php |archiv-datum=2009-10-08 }}</ref> ''Erfahrungsheilkunde'',<ref>{{Internetquelle |url=http://www.erfahrungsheilkunde.org/ |titel=Ärztegesellschaft für Erfahrungsheilkunde e. V. |hrsg=Erfahrungsheilkunde.org |zugriff=2010-09-25}}</ref> ''Alternative Heilmethoden'', ''Sanfte Medizin'', ''[[Ganzheitliche Medizin|Ganzheitliche Medizin]]'',<ref>Christian Rieger: ''Pädiatrische Pneumologie.'' 2. Auflage. Springer, 2004, ISBN 3-540-43627-8, S. 395.</ref> ''biologische<ref>Vgl. etwa Heinz Bottenberg: ''Biologische Therapie des praktischen Arztes.'' Lehmann, München 1935.</ref> Medizin'', ''[[traditionelle Medizin|traditionelle Medizin]]'', ''Naturgemäße Heilweisen'', ''[[Wikipedia:Arzneimittelgesetz (Deutschland)|Besondere Therapierichtungen]]'', ''Nichtetablierte Medizin'' und andere. [[Wikipedia:Bernhard Uehleke|Bernhard Uehleke]] und Hans-Wolfgang Hoefert schreiben: „Die heute gebräuchlichen Begriffe ‚alternativ‘ oder ‚komplementär‘ klingen relativ neutral und frei von diskriminierenden Wertungen. Sie täuschen aber auch darüber hinweg, dass die jüngere Medizingeschichte auch eine Geschichte der gegenseitigen – durchaus wertend-diskriminierend gemeinten – Begriffe ist, welche zumindest latent noch nicht abgeschlossen ist.“<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Hans-Wolfgang Hoefert, Bernhard Uehleke |Hrsg= |Titel=Komplementäre Heilverfahren im Gesundheitswesen. Analyse und Bewertung |Verlag=Huber |Ort=Bern |Datum=2009 |ISBN=978-3-456-84700-9 |Kapitel=Geschichte der Etikettierungen |Seiten=10}}</ref> Es werden auch die Begriffe ''Paramedizin,''<ref>Hans Peter Bischoff: ''Leitfaden Naturheilkunde.'' Elsevier, Urban & Fischer, ISBN 3-437-55132-9.</ref><ref>Otto Prokop (Hrsg.): ''Medizinischer Okkultismus. Paramedizin.'' 2. Auflage. Stuttgart 1964.</ref> ''Pseudomedizin''<ref>{{Internetquelle |autor=Natalie Grams |url=https://netzwerk-homoeopathie.info/warum-nennen-wir-die-homoeopathie-pseudo-und-nicht-laenger-alternativmedizin/ |titel=Warum nennen wir die Homöopathie Pseudo- und nicht länger Alternativmedizin? |werk=netzwerk-homoeopathie.info |hrsg=Informationsnetzwerk Homöopathie |datum=2016-03-20 |abruf=2019-08-17 |sprache=de-DE}}</ref> und ''Außenseitermedizin''<ref name=":0" /> verwendet. |
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− | + | ==Merkmale== | |
+ | Viele Ansätze der Alternativmedizin werden als „natürlich“, „biologisch“, „alternativ“, „die [[Wikipedia:Selbstheilung|Selbstheilung]]skräfte aktivierend“<ref>{{Internetquelle |url=http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/standard.html?channel=CH0784&doc=CMS1201613307099 |titel=Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend zu Komplementärmedizin |hrsg=Bmgfj.gv.at |archiv-url=https://web.archive.org/web/20090210190832/http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/standard.html?channel=CH0784&doc=CMS1201613307099 |archiv-datum=2009-02-10 |zugriff=2010-09-25}}</ref> oder „ganzheitlich“ bezeichnet, womit oft gemeint ist, dass es um eine Behandlung „von Körper, Geist und Seele“ gehen soll. | ||
− | + | Alternativmedizinische Methoden können von Ärzten angeboten werden, in Deutschland aber auch von Angehörigen anderer [[Heilberuf|Heilberuf]]e wie zum Beispiel [[Heilpraktiker|Heilpraktiker]]n. Nicht selten werden die Therapierichtungen von [[Wikipedia:Soziale Bewegung|sozialen Bewegungen]] oder bestimmten [[Wikipedia:Weltanschauungsgemeinschaft|weltanschaulichen]] Gruppen getragen.<ref name="Joss">nach Rudolf Joss: ''Schulmedizin und Alternativmedizin – Die Sicht der Schulmedizin.'' [http://www.hauszumdolder.ch/referat_r_joss/ Haus zum Dolder – Referat R. Joss].</ref> Im Gegensatz zur Komplementärmedizin, bei der ergänzende Aspekt im Vordergrund steht, grenzen sich solche Bewegungen teilweise kritisch von der sogenannten „[[Schulmedizin|Schulmedizin]]“ ab. Teilweise zielen sie auf eine grundlegende Änderung des medizinischen Gesamtverständnisses. | |
− | + | Wirksamkeitsnachweise der Alternativmedizin beruhen häufig auf [[Wikipedia:Anekdotische Evidenz|anekdotischer Evidenz]]. Anwender alternativmedizinischer Verfahren berufen sich bei der Frage nach einer Wirksamkeit auf ihre eigene therapeutische Erfahrung, da diese angeblich eine hinreichend sichere Unterscheidung von brauchbaren und unbrauchbaren Verfahren gestattet.<ref>Thorsten Noack, Heiner Fangerau, Jörg Vögele: ''Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin.'' Elsevier, Urban & Fischer, 2007, ISBN 978-3-437-41392-6, S. 156–157.</ref> Derartige retrospektive, subjektive Betrachtungen haben jedoch aus wissenschaftlicher Sicht nur einen geringen Evidenzgrad. | |
− | + | Die Komplementär- bzw. Alternativmedizin umfasst neben therapeutischen Maßnahmen auch zahlreiche Diagnoseverfahren. Wissenschaftlich aussagekräftige Daten liegen für die [[Wikipedia:angewandte Kinesiologie|angewandte Kinesiologie]], die [[Wikipedia:Haaranalyse|Haaranalyse]], die [[Wikipedia:Irisdiagnostik|Irisdiagnostik]], die [[Wikipedia:Kirlian-Fotografie|Kirlian-Fotografie]], das [[Wikipedia:Siderisches Pendel|Pendeln]], die [[Wikipedia:Pulsdiagnose|Pulsdiagnose]] und den [[Wikipedia:Vegatest|Vegatest]] vor. Für keine dieser Methoden ist die [[Wikipedia:Validität|Validität]] nachgewiesen; die Mehrzahl der Studien spricht im Gegenteil gegen den Wert dieser Verfahren. Die Gefahr nicht validierter diagnostischer Methoden besteht unter anderem darin, dass im Falle falschpositiver Diagnosen unnütze Behandlungen durchgeführt werden, die im ungünstigsten Falle auch unerwünschte, überflüssige Nebenwirkungen verursachen.<ref name="aerzteblatt-48961">{{Literatur |Autor=Edzard Ernst |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/48961/Komplementaermedizinische-Diagnoseverfahren Komplementärmedizinische Diagnoseverfahren] |Sammelwerk=[[Wikipedia:Deutsches Ärzteblatt|Deutsches Ärzteblatt]] |Band=102 |Nummer=44 |Verlag=[[Wikipedia:Deutscher Ärzte-Verlag|Deutscher Ärzte-Verlag]] |Datum=2005-11-04 |Seiten=A-3034 / B-2560 / C-2410}}</ref> | |
− | Der [[Medizinhistoriker]] [[Robert Jütte]] charakterisiert [[Paradigma|paradigmatische]] Denkansätze von Komplementär- und konventioneller Medizin folgendermaßen:<ref>Robert Jütte: [http://www.dakomed.ch/app/download/11866446427/Kurzexpertise_R_J%C3%BCtte.pdf ''Medizinhistorische Kurzexpertise zur Einordnung der Komplementärmedizin''], 19. August 2013, S. 8.</ref> | + | Verfechter der Alternativmedizin behaupten teilweise – ohne eine schlüssige Begründung zu geben, warum dies so sein sollte –, dass sich die Wirksamkeit und Sicherheit ihrer Konzepte mit Methoden der [[Evidenzbasierte Medizin|evidenzbasierten Medizin]] (z. B. randomisierte, placebokontrollierte, klinische [[Wikipedia:Doppelblindstudie|Doppelblindstudie]]n) nicht überprüfen ließen, und lehnen solche Methoden daher ab. Sie argumentieren stattdessen mit anekdotischen [[Fallbericht (Medizin)|Fallberichten]] und theoretischen Annahmen, die teilweise im Widerspruch zur modernen Auffassung von Anatomie, Biochemie oder Physik stehen.<ref name="PMID9738094">M. Angell, J. P. Kassirer: ''Alternative medicine–the risks of untested and unregulated remedies.'' In: ''[[Wikipedia:The New England Journal of Medicine|The New England Journal of Medicine]].'' Band 339, Nummer 12, September 1998, S. 839–841, {{ISSN|0028-4793}}. [[wikipedia:doi:10.1056/NEJM199809173391210|doi:10.1056/NEJM199809173391210(w)]]. PMID 9738094.</ref> |
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+ | Der [[Wikipedia:Medizinhistoriker|Medizinhistoriker]] [[Robert Jütte|Robert Jütte]] charakterisiert [[Paradigma|paradigmatische]] Denkansätze von Komplementär- und konventioneller Medizin folgendermaßen:<ref>Robert Jütte: [http://www.dakomed.ch/app/download/11866446427/Kurzexpertise_R_J%C3%BCtte.pdf ''Medizinhistorische Kurzexpertise zur Einordnung der Komplementärmedizin''], 19. August 2013, S. 8.</ref> | ||
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|Krankheitslehre | |Krankheitslehre | ||
− | |[[Ätiologie (Medizin)|ätiologisch]]-[[Analytisches Urteil|analytisch]] | + | |[[Wikipedia:Ätiologie (Medizin)|ätiologisch]]-[[Wikipedia:Analytisches Urteil|analytisch]] |
− | |[[Phänomenologie|phänomenologisch]]-synthetisch | + | |[[Wikipedia:Phänomenologie|phänomenologisch]]-synthetisch |
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|Therapeutische Forschung | |Therapeutische Forschung | ||
− | |[[Quantität|quantitativ]], [[Experiment|experimentell]] | + | |[[Wikipedia:Quantität|quantitativ]], [[Wikipedia:Experiment|experimentell]] |
− | |[[Qualität|qualitativ]], [[Hermeneutik|hermeneutisch]] | + | |[[Wikipedia:Qualität|qualitativ]], [[Wikipedia:Hermeneutik|hermeneutisch]] |
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|Therapie | |Therapie | ||
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|Denkstil | |Denkstil | ||
− | |[[Kausalität|kausal]] | + | |[[Wikipedia:Kausalität|kausal]] |
− | |[[Analogie (Philosophie)|analog]] | + | |[[Wikipedia:Analogie (Philosophie)|analog]] |
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|Ansatz | |Ansatz | ||
|weitgehende Trennung zwischen Körper und Geist trotz psychosomatischer Erkenntnisse | |weitgehende Trennung zwischen Körper und Geist trotz psychosomatischer Erkenntnisse | ||
− | |"[[Ganzheitlichkeit|ganzheitlicher]]" Ansatz | + | |"[[Wikipedia:Ganzheitlichkeit|ganzheitlicher]]" Ansatz |
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|Biologisches Modell | |Biologisches Modell | ||
− | |physiologisch, [[Zellbiologie|zellbiologisch]] | + | |physiologisch, [[Wikipedia:Zellbiologie|zellbiologisch]] |
− | |[[Synergetik|synergetisch]], [[Vitalismus|vitalistisch („Lebenskraft“)]] | + | |[[Wikipedia:Synergetik|synergetisch]], [[Vitalismus|vitalistisch („Lebenskraft“)]] |
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|Relevanz der Erkenntnis | |Relevanz der Erkenntnis | ||
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|Soziale Integration | |Soziale Integration | ||
− | |[[Professionalisierung|professionalisierte]] Medizin ([[Experte]]<nowiki />nkultur) | + | |[[Wikipedia:Professionalisierung|professionalisierte]] Medizin ([[Wikipedia:Experte|Experte]]<nowiki/>nkultur) |
− | |[[Partizipation|partizipatorische]] Medizin (Bedeutung des Laiensystems) | + | |[[Wikipedia:Partizipation|partizipatorische]] Medizin (Bedeutung des Laiensystems) |
|} | |} | ||
− | == Einteilung == | + | ==Einteilung== |
Es gibt kein allgemein anerkanntes Einteilungsschema.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Hans-Wolfgang Hoefert, Bernhard Uehleke |Hrsg= |Titel=Komplementäre Heilverfahren im Gesundheitswesen. Analyse und Bewertung |Verlag=Huber |Ort=Bern |Datum=2009 |ISBN=978-3-456-84700-9 |Kapitel=komplementäre und Alternative Medizin |Seiten=9}}</ref> | Es gibt kein allgemein anerkanntes Einteilungsschema.<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Hans-Wolfgang Hoefert, Bernhard Uehleke |Hrsg= |Titel=Komplementäre Heilverfahren im Gesundheitswesen. Analyse und Bewertung |Verlag=Huber |Ort=Bern |Datum=2009 |ISBN=978-3-456-84700-9 |Kapitel=komplementäre und Alternative Medizin |Seiten=9}}</ref> | ||
Für alternativmedizinische Verfahren schlug Robert Jütte 1996 folgendes Klassifikationsschema<ref>Robert Jütte: ''Alternativmedizin.'' In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' 2005, S. 42–49, hier: S. 49.</ref> vor: | Für alternativmedizinische Verfahren schlug Robert Jütte 1996 folgendes Klassifikationsschema<ref>Robert Jütte: ''Alternativmedizin.'' In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' 2005, S. 42–49, hier: S. 49.</ref> vor: | ||
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− | + | *Religiöse und Magische Medizin | |
+ | *Körper- und gefühlsbetonte Psychotherapien | ||
+ | *Mentales Training | ||
+ | *[[Naturheilverfahren|Naturheilverfahren]] (Wasserkuren, Lichtkuren, Luftkuren, Lehmkuren, Ernährungstherapien, Kräutermedizin) | ||
+ | *Biodynamische Heilweisen (zum Beispiel [[Homöopathie]], [[Anthroposophische Medizin|Anthroposophie]], [[Wikipedia:Spagyrik|Spagyrik]], [[Wikipedia:Neuraltherapie|Neuraltherapie]], Frischzellentherapie und Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie) | ||
+ | *Physikalische Behandlungsweisen ([[Akupunktur|Akupunktur]], Chiropraktik, [[Wikipedia:Osteopathie (Alternativmedizin)|Osteopathie]], Elektrotherapien). | ||
− | + | In Anlehnung an die [[Wikipedia:National Institutes of Health|National Institutes of Health]] können die komplementärmedizinischen Verfahren in vier Gruppen eingeteilt werden, die sich teilweise überlappen.<ref name="What Is CAM?" /> | |
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− | + | *Verfahren, die Naturprodukte wie Kräuter, Nahrungsmittel und Vitamine benutzen oder Diäten empfehlen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht bewiesen oder deren Eignung zweifelhaft ist. | |
+ | *Verfahren, welche die Einheit von Körper und Geist postulieren und die Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist nutzen wollen. Dazu gehören Methoden wie [[Yoga|Yoga]], [[Taijiquan|Tai-Chi]], [[Meditation|Meditation]], Entspannungstechniken und Körpertherapien wie [[Wikipedia:Feldenkrais|Feldenkrais]] oder [[Wikipedia:Alexandertechnik|Alexandertechnik]]. Einige dieser Verfahren gelten im Rahmen der Psychotherapie als Methoden der [[Evidenzbasierte Medizin|evidenzbasierten Medizin]] | ||
+ | *Manuelle Verfahren, wie Osteopathie, [[Wikipedia:Manuelle Medizin|Chirotherapie]], [[Wikipedia:Massage|Massage]]. | ||
+ | *Andere Verfahren. In weitesten Sinn gehören auch Verfahren, die mit „Energiefeldern“ arbeiten, zu den alternativ- und komplementärmedizinischen Methoden. Dazu zählen einerseits Methoden wie [[Reiki|Reiki]] und [[Wikipedia:Therapeutic Touch|Therapeutic Touch]] und andererseits Methoden, die elektromagnetische Felder auf eine unkonventionelle, wissenschaftlich nicht belegte Weise zur Heilung nutzen. | ||
− | + | Es existieren auch Systeme innerhalb der Alternativmedizin, die mehrere alternativmedizinische Verfahren zusammen nutzen und deshalb nicht in das Schema passen. Dazu gehören in der ''traditionellen europäischen Medizin(TEM)'' zum Beispiel die Homöopathie und Naturheilverfahren. Zu den Verfahren aus außereuropäischen Kulturkreisen gehören zum Beispiel die [[Traditionelle Chinesische Medizin|Traditionelle chinesische Medizin]] (Akupunktur), die [[Tibetische Medizin]], [[Ayurveda]] oder [[Unani]]. | |
− | == Geschichte == | + | Schon im 19. Jahrhundert galten Bewegung und Sport als ein Allheilmittel.<ref>James C. Whorton: ''Crusaders for fitness: the history of American health reformers.'' Princeton Univ. Press, Princeton 1982.</ref> In der darauf beruhenden [[Wikipedia:Bewegungstherapie|Bewegungstherapie]] treffen alternativ- und schulmedizinische Verfahren zusammen, da einerseits versucht wird, evidenzbasierte Gesetzmäßigkeiten zu entwickeln und andererseits Erfahrungswissen von Trainern und Lauftherapeuten zu verwenden. Durch die Vielzahl an wissenschaftlichen Experimenten in den letzten 30 Jahren haben die evidenzbasierten Kenntnisse und Verfahren deutlich zugenommen.<ref>[[Wikipedia:Arnd Krüger|Arnd Krüger]]: ''Geschichte der Bewegungstherapie.'' In: ''Präventivmedizin.'' Springer Loseblatt Sammlung, Heidelberg 1999, 07.06, 1–22.</ref> |
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+ | ==Geschichte== | ||
Der Begriff der Alternativmedizin taucht erstmals vereinzelt Ende der 1940er Jahre im englischsprachigen Raum auf und wird in der Bundesrepublik Deutschland der 1980er Jahre zu einer Sammelbezeichnung für unkonventionelle Strömungen in der Medizin. Ebenfalls in den 1980er Jahren kam die Bezeichnung „Komplementärmedizin“ über England nach Deutschland. Sie lässt sich seit Ende der 1980er Jahre im deutschen Sprachraum nachweisen.<ref>Robert Jütte: [http://www.dakomed.ch/app/download/11866446427/Kurzexpertise_R_J%C3%BCtte.pdf ''Medizinhistorische Kurzexpertise zur Einordnung der Komplementärmedizin''], 19. August 2013, S. 2, 5.</ref> | Der Begriff der Alternativmedizin taucht erstmals vereinzelt Ende der 1940er Jahre im englischsprachigen Raum auf und wird in der Bundesrepublik Deutschland der 1980er Jahre zu einer Sammelbezeichnung für unkonventionelle Strömungen in der Medizin. Ebenfalls in den 1980er Jahren kam die Bezeichnung „Komplementärmedizin“ über England nach Deutschland. Sie lässt sich seit Ende der 1980er Jahre im deutschen Sprachraum nachweisen.<ref>Robert Jütte: [http://www.dakomed.ch/app/download/11866446427/Kurzexpertise_R_J%C3%BCtte.pdf ''Medizinhistorische Kurzexpertise zur Einordnung der Komplementärmedizin''], 19. August 2013, S. 2, 5.</ref> | ||
− | Sozial- und wissenschaftsgeschichtlich betrachtet ist die Alternativmedizin der Gegenwart eine neue und weitere Erscheinungsform der medizinischen Reform- und Erneuerungsbewegungen, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts den [[Geschichte der Medizin#19. Jahrhundert|Aufstieg der (natur-)wissenschaftlichen Medizin]] begleiteten.<ref>Robert Jütte: [http://www.dakomed.ch/app/download/11866446427/Kurzexpertise_R_J%C3%BCtte.pdf ''Medizinhistorische Kurzexpertise zur Einordnung der Komplementärmedizin''], 19. August 2013, S. 6.</ref> In auffälliger Weise wiederholen sich Inhalte und Formen der Auseinandersetzung in zahlreichen Versuchen, eine Alternative zur etablierten Medizin zu schaffen. Dies scheint unabhängig von den zu verschiedenen Zeiten jeweils aktuellen Problemlagen („[[Krise der Medizin|Krisen der Medizin]]“) zu sein. Die Kritiken betreffen die Einstellungen zur [[Natur]], zu [[Leib-Seele-Problem|Geist und Körper]], zu [[Krankheit]] versus [[Gesundheit]], zum [[Arzt-Patient-Beziehung|Arzt-Patienten-Verhältnis]] und zur [[Gesundheitsökonomie]]. | + | Sozial- und wissenschaftsgeschichtlich betrachtet ist die Alternativmedizin der Gegenwart eine neue und weitere Erscheinungsform der medizinischen Reform- und Erneuerungsbewegungen, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts den [[Geschichte der Medizin#19. Jahrhundert|Aufstieg der (natur-)wissenschaftlichen Medizin]] begleiteten.<ref>Robert Jütte: [http://www.dakomed.ch/app/download/11866446427/Kurzexpertise_R_J%C3%BCtte.pdf ''Medizinhistorische Kurzexpertise zur Einordnung der Komplementärmedizin''], 19. August 2013, S. 6.</ref> In auffälliger Weise wiederholen sich Inhalte und Formen der Auseinandersetzung in zahlreichen Versuchen, eine Alternative zur etablierten Medizin zu schaffen. Dies scheint unabhängig von den zu verschiedenen Zeiten jeweils aktuellen Problemlagen („[[Wikipedia:Krise der Medizin|Krisen der Medizin]]“) zu sein. Die Kritiken betreffen die Einstellungen zur [[Wikipedia:Natur|Natur]], zu [[Wikipedia:Leib-Seele-Problem|Geist und Körper]], zu [[Krankheit|Krankheit]] versus [[Gesundheit|Gesundheit]], zum [[Wikipedia:Arzt-Patient-Beziehung|Arzt-Patienten-Verhältnis]] und zur [[Wikipedia:Gesundheitsökonomie|Gesundheitsökonomie]]. |
− | Damit verbunden finden sich durchgängig [[Standespolitik|standespolitische]] Konflikte und häufig von persönlichen Angriffen durchzogene erbitterte Auseinandersetzungen.<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin.'' (1996), S. 14 ff.</ref> Die Ärzteschaft konkurriert dabei auch mit anderen Berufsgruppen wie [[Hebamme]]n, | + | Damit verbunden finden sich durchgängig [[Wikipedia:Standespolitik|standespolitische]] Konflikte und häufig von persönlichen Angriffen durchzogene erbitterte Auseinandersetzungen.<ref>Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin.'' (1996), S. 14 ff.</ref> Die Ärzteschaft konkurriert dabei auch mit anderen Berufsgruppen wie [[Wikipedia:Hebamme|Hebamme]]n, n, [[Wikipedia:Dentist|Dentist]]en sowie [[Wikipedia:Psychologe|Psychologe]]n. |
− | === Alternativmedizin im Nationalsozialismus === | + | ===Alternativmedizin im Nationalsozialismus=== |
{{Hauptartikel|Medizin im Nationalsozialismus}} | {{Hauptartikel|Medizin im Nationalsozialismus}} | ||
− | Eine von den [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] anfänglich propagierte Synthese von Medizin und Naturheilkunde im Sinne einer ''Deutschen Medizin'' im Rahmen der ''Reichsarbeitsgemeinschaft für eine [[Neue Deutsche Heilkunde]]'' kam über einzelne Ansätze nicht hinaus. Es gab jedoch eine ideologische Tendenz zu allem „reinen“ und „unvermischten“. In diesem Kontext wurde [[Vollkorn]] | + | Eine von den [[Wikipedia:Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] anfänglich propagierte Synthese von Medizin und Naturheilkunde im Sinne einer ''Deutschen Medizin'' im Rahmen der ''Reichsarbeitsgemeinschaft für eine [[Wikipedia:Neue Deutsche Heilkunde|Neue Deutsche Heilkunde]]'' kam über einzelne Ansätze nicht hinaus. Es gab jedoch eine ideologische Tendenz zu allem „reinen“ und „unvermischten“. In diesem Kontext wurde [[Wikipedia:Vollkorn|Vollkornernährung]] propagiert, da diese besonders rein und unverfälscht sei.<ref>Uwe Spiekermann: ''Vollkorn für die Führer. Zur Geschichte der Vollkornbrotpolitik im „Dritten Reich“.'' In: ''Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts.'' Band 16, 2001, S. 91.</ref> Ab 1936 traten die Synthesebestrebungen von Volks- bzw. Naturheilkunde und Medizin gegenüber der Kriegsvorbereitung in den Hintergrund. Die Arbeitsgemeinschaft wurde Anfang 1937 wieder aufgelöst.<ref name="Jütte">Robert Jütte: ''Homöopathie und Nationalsozialismus – eine historische Expertise''.</ref> Die Homöopathie, deren Anhängerschaft 1938 mit 10,4 % den Hauptanteil der nicht den „Schulmedizinern“ vertrauenden Personen ausmachte,<ref>Robert Jütte (1996), S. 54.</ref> fand im Nationalsozialismus etliche Befürworter (vgl. [[Wikipedia:Homöopathie im Nationalsozialismus|Homöopathie im Nationalsozialismus]]), breitere Untersuchungen zur Einführung in den Regelbetrieb der Medizin hatten aber so schlechte Ergebnisse, dass diese Anstrengungen abgebrochen wurden. |
− | === Alternative Heilkultur im Mittelalter === | + | ===Alternative Heilkultur im Mittelalter=== |
− | Beginnend im 14. Jahrhundert findet sich in [[Schlesien]] eine alternative Heilkultur, die sich gegen die von der [[Scholastische Medizin|scholastischen Medizin]] ausgehende [[Rationalisierung (Psychologie)#Psychologie|Rationalisierung]] und „Mathematisierung“ der [[Medizin des Mittelalters|Heilkunde]] (wie sie sich in einer quantifizierenden Pharmakologie in Montpellier aufzeigen lässt) richtete, und bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts andauerte. Initiator dieser „naturheilkundlichen Welle“ war der in [[Krakau]] um 1278 wirkende [[Dominikaner]]arzt Nikolaus von Polen ([[Niklas von Mumpelier]]), der bereits einen Strukturwandel forderte, der den Heiler an die Stelle des Mediziners, die Natur an die Stelle der Medizin und die Erfahrung an die Stelle der Wissenschaft setzen sollte. Ein Heilmittel sei gemäß Nikolaus nur aus Erfahrung zu gewinnen und ein Arzneimittel ein ''empiricum''.<ref>Gundolf Keil: ''virtus occulta. Der Begriff des „empiricum“ bei Nikolaus von Polen.'' In: August Buck (Hrsg.): ''Die okulten Wissenschaften in der Renaissance.'' Wiesbaden 1992 (= ''Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceoforschung.'' Band 12), S. 159–196.</ref> In seiner als „Antihippokrates“ bezeichneten Schrift warf er der Hippokratischen Medizin vor, die empirische Heilkunde ausgelöscht zu haben.<ref>Gundolf Keil: ''Medizinische Bildung und Alternativmedizin.'' In: | + | Beginnend im 14. Jahrhundert findet sich in [[Wikipedia:Schlesien|Schlesien]] eine alternative Heilkultur, die sich gegen die von der [[Wikipedia:Scholastische Medizin|scholastischen Medizin]] ausgehende [[Wikipedia:Rationalisierung (Psychologie)#Psychologie|Rationalisierung]] und „Mathematisierung“ der [[Wikipedia:Medizin des Mittelalters|Heilkunde]] (wie sie sich in einer quantifizierenden Pharmakologie in Montpellier aufzeigen lässt) richtete, und bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts andauerte. Initiator dieser „naturheilkundlichen Welle“ war der in [[Wikipedia:Krakau|Krakau]] um 1278 wirkende [[Wikipedia:Dominikaner|Dominikaner]]<nowiki/>arzt Nikolaus von Polen ([[Wikipedia:Niklas von Mumpelier|Niklas von Mumpelier]]), der bereits einen Strukturwandel forderte, der den Heiler an die Stelle des Mediziners, die Natur an die Stelle der Medizin und die Erfahrung an die Stelle der Wissenschaft setzen sollte. Ein Heilmittel sei gemäß Nikolaus nur aus Erfahrung zu gewinnen und ein Arzneimittel ein ''empiricum''.<ref>Gundolf Keil: ''virtus occulta. Der Begriff des „empiricum“ bei Nikolaus von Polen.'' In: August Buck (Hrsg.): ''Die okulten Wissenschaften in der Renaissance.'' Wiesbaden 1992 (= ''Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceoforschung.'' Band 12), S. 159–196.</ref> In seiner als „Antihippokrates“ bezeichneten Schrift warf er der Hippokratischen Medizin vor, die empirische Heilkunde ausgelöscht zu haben.<ref>Gundolf Keil: ''Medizinische Bildung und Alternativmedizin.'' In: Winfried Böhm, Martin Lindauer (Hrsg.): ''„Nicht Vielwissen sättigt die Seele“. Wissen, Erkennen, Bildung, Ausbildung heute.'' (= ''Drittes Symposium der Universität Würzburg.'') Ernst Klett, Stuttgart 1988, ISBN 3-12-984580-1, S. 245–271, hier: S. 248–252.</ref> Nikolaus war ein erbitterter Gegner der [[Galenos|Galenischen Medizin]]. Er verwarf ihre theoretische Grundlage – die [[Wikipedia:Humoralpathologie|Humoralpathologie]] – und verunglimpfte die Ärzte und Apotheker seiner Zeit mit der Absicht, sie durch den Beruf der Naturheilkundigen (lateinisch ''empirici'') zu ersetzen. Statt der {{"|teuren [[Wikipedia:Spezerei|Spezerei]]en der [[Wikipedia:Pharmazeut|Pharmazeut]]en}} und der [[Heilpflanze|Heilpflanzen]] seiner Zeit favorisierte er die {{"|verabscheuten Vertreter}} der Tiere wie [[Wikipedia:Schlangen|Schlangen]], [[Wikipedia:Schnecken|Schnecken]], [[Wikipedia:Kröten|Kröten]], [[Wikipedia:Maulwürfe|Maulwürfe]] und [[Wikipedia:Maulwurfsgrillen|Maulwurfsgrillen]] als Heilmittel. Er folgte damit einer Art „negativer [[Signaturenlehre|Signaturenlehre]]“<ref>Peter Mario Kreuter: ''Paracelsus und die deutsche Sprache.'' In: Albrecht Classen (Hrsg.): ''Paracelsus im Kontext der Wissenschaften seiner Zeit: Kultur- und mentalitätsgeschichtliche Annäherungen.'' Walter de Gruyter, 2010, ISBN 978-3-11-021887-9, S. 206.</ref> bzw. einem später auch bei [[Paracelsus|Paracelsus]] wiederzufindenden „Simile-Prinzip“.<ref>Gundolf Keil: ''Medizinische Bildung und Alternativmedizin.'' 1988, S. 250–252.</ref> Die Arzneien waren von den Patienten in ein [[Wikipedia:Amulett|Amulett]] verpackt zu tragen. |
− | == Verbreitung == | + | ==Verbreitung== |
− | Umfrageergebnisse über die Verbreitung nichtkonventioneller Heilverfahren streuen erheblich. Allgemein ist in Deutschland jedoch in den letzten Jahrzehnten eine erheblich gestiegene Nachfrage nach sogenannten Naturheilverfahren, aber auch nach anderen Formen der Alternativmedizin zu verzeichnen.<ref name="aerzteblatt-7802">{{Literatur |Autor=Dorothee Häußermann |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/7802/Allensbach-Studie-Wachsendes-Vertrauen-in-Naturheilmittel Allensbach-Studie: Wachsendes Vertrauen in Naturheilmittel] |Sammelwerk=[[Deutsches Ärzteblatt]] |Band=94 |Nummer=39 |Verlag=[[Deutscher Ärzte-Verlag]] |Datum=1997-09-26 |Seiten=A-2466 / B-2108 / C-1974}}</ref> Insbesondere Frauen, Befragte mit hohem Bildungsniveau, chronisch Erkrankte und Personen mit einer gesundheitsbewussteren Lebensweise nehmen in besonders starkem Maße alternative Medizin in Anspruch, oft nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur konventionellen Behandlung. Der ''Gesundheitsmonitor 2002''<ref name="Marstedt">{{Internetquelle |url=http://www.forum-gesundheitspolitik.de/dossier/PDF/AlternativmedizinBilanz.pdf |titel=SwissLight |zugriff=2010-09-25 |format=PDF; 62 kB}}</ref> zeigte, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung noch gar nicht mit alternativer Medizin in Berührung gekommen war und etwa ein Viertel bislang ausschließlich [[Naturheilkunde|naturheilkundliche]] Substanzen oder Therapieverfahren erprobt hatte. Knapp die Hälfte hatte jedoch auch Erfahrungen mit anderen Methoden wie Homöopathie, Akupunktur usw. Am häufigsten waren alternative Heilmethoden von niedergelassenen Ärzten verordnet worden (bei rund 2/3 der Betroffenen). Nach Angaben der [[Kassenärztliche Bundesvereinigung|Kassenärztlichen Bundesvereinigung]] führten 2004 15.970 Ärzte die [[Ärztliche Weiterbildung|Zusatzbezeichnung]] „Chirotherapie“, 13.502 die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“ und 5.538 Ärzte die Zusatzbezeichnung ''Homöopathie''. Die Anzahl der Ärzte, die Akupunktur anwenden, wird auf 20.000 bis 50.000 geschätzt.<ref name="aerzteblatt-53300">{{Literatur |Autor=Wolfgang Weidenhammer |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/53300/Forschung-zu-Naturheilverfahren-und-Komplementaermedizin-Luxus-oder-Notwendigkeit Forschung zu Naturheilverfahren und Komplementärmedizin: Luxus oder Notwendigkeit?] |Sammelwerk=[[Deutsches Ärzteblatt]] |Band=103 |Nummer=44 |Verlag=[[Deutscher Ärzte-Verlag]] |Datum=2006-11-03 |Seiten=A-2929 / B-2551 / C-2453}}</ref> Vermutlich werden viele nichtkonventionelle Methoden noch häufiger von [[Heilpraktiker]] | + | Umfrageergebnisse über die Verbreitung nichtkonventioneller Heilverfahren streuen erheblich. Allgemein ist in Deutschland jedoch in den letzten Jahrzehnten eine erheblich gestiegene Nachfrage nach sogenannten Naturheilverfahren, aber auch nach anderen Formen der Alternativmedizin zu verzeichnen.<ref name="aerzteblatt-7802">{{Literatur |Autor=Dorothee Häußermann |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/7802/Allensbach-Studie-Wachsendes-Vertrauen-in-Naturheilmittel Allensbach-Studie: Wachsendes Vertrauen in Naturheilmittel] |Sammelwerk=[[Wikipedia:Deutsches Ärzteblatt|Deutsches Ärzteblatt]] |Band=94 |Nummer=39 |Verlag=[[Wikipedia:Deutscher Ärzte-Verlag|Deutscher Ärzte-Verlag]] |Datum=1997-09-26 |Seiten=A-2466 / B-2108 / C-1974}}</ref> Insbesondere Frauen, Befragte mit hohem Bildungsniveau, chronisch Erkrankte und Personen mit einer gesundheitsbewussteren Lebensweise nehmen in besonders starkem Maße alternative Medizin in Anspruch, oft nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur konventionellen Behandlung. Der ''Gesundheitsmonitor 2002''<ref name="Marstedt">{{Internetquelle |url=http://www.forum-gesundheitspolitik.de/dossier/PDF/AlternativmedizinBilanz.pdf |titel=SwissLight |zugriff=2010-09-25 |format=PDF; 62 kB}}</ref> zeigte, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung noch gar nicht mit alternativer Medizin in Berührung gekommen war und etwa ein Viertel bislang ausschließlich [[Naturheilkunde|naturheilkundliche]] Substanzen oder Therapieverfahren erprobt hatte. Knapp die Hälfte hatte jedoch auch Erfahrungen mit anderen Methoden wie Homöopathie, Akupunktur usw. Am häufigsten waren alternative Heilmethoden von niedergelassenen Ärzten verordnet worden (bei rund 2/3 der Betroffenen). Nach Angaben der [[Wikipedia:Kassenärztliche Bundesvereinigung|Kassenärztlichen Bundesvereinigung]] führten 2004 15.970 Ärzte die [[Ärztliche Weiterbildung|Zusatzbezeichnung]] „Chirotherapie“, 13.502 die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“ und 5.538 Ärzte die Zusatzbezeichnung ''Homöopathie''. Die Anzahl der Ärzte, die Akupunktur anwenden, wird auf 20.000 bis 50.000 geschätzt.<ref name="aerzteblatt-53300">{{Literatur |Autor=Wolfgang Weidenhammer |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/53300/Forschung-zu-Naturheilverfahren-und-Komplementaermedizin-Luxus-oder-Notwendigkeit Forschung zu Naturheilverfahren und Komplementärmedizin: Luxus oder Notwendigkeit?] |Sammelwerk=[[Wikipedia:Deutsches Ärzteblatt|Deutsches Ärzteblatt]] |Band=103 |Nummer=44 |Verlag=[[Wikipedia:Deutscher Ärzte-Verlag|Deutscher Ärzte-Verlag]] |Datum=2006-11-03 |Seiten=A-2929 / B-2551 / C-2453}}</ref> Vermutlich werden viele nichtkonventionelle Methoden noch häufiger von [[Heilpraktiker|Heilpraktikern]] und im Rahmen der Selbstbehandlung bzw. Laienbehandlung angewandt. Verlässliche Daten dazu sind aber nicht bekannt. In Europa werden komplementärmedizinische Verfahren von mehr als 100 Millionen Menschen in Anspruch genommen.<ref>{{Internetquelle |url=http://derstandard.at/1263706727077/Forschungsgelder-fuer-die-Komplementaermedizin |titel=Forschungsgelder für die Komplementärmedizin |hrsg=derstandard.at |zugriff=2010-09-25}}</ref> |
− | In der [[Europäische Union|EU]] gibt es schätzungsweise 305.000 Anbieter für CAM, davon 160.000 Ärzte. Die Anzahl von Ärzten nach Therapie verteilt sich wie folgt: Akupunktur (80.000), Homöopathie (45.000), Anthroposophische Medizin (4.500) und Neuraltherapie (1.500).<ref>K. von Ammon, M. Frei-Erb, F. Cardini, U. Daig, S. Dragan, G. Hegyi, P. Roberti di Sarsina, J. Sörensen, G. Lewith: ''Complementary and alternative medicine provision in Europe–first results approaching reality in an unclear field of practices.'' In: ''Forschende Komplementärmedizin.'' Band 19, Suppl 2, 2012, S. 37–43, [[doi:10.1159/000343129]]. PMID 23883943 (Review).</ref> | + | In der [[Wikipedia:Europäische Union|EU]] gibt es schätzungsweise 305.000 Anbieter für CAM, davon 160.000 Ärzte. Die Anzahl von Ärzten nach Therapie verteilt sich wie folgt: Akupunktur (80.000), Homöopathie (45.000), Anthroposophische Medizin (4.500) und Neuraltherapie (1.500).<ref>K. von Ammon, M. Frei-Erb, F. Cardini, U. Daig, S. Dragan, G. Hegyi, P. Roberti di Sarsina, J. Sörensen, G. Lewith: ''Complementary and alternative medicine provision in Europe–first results approaching reality in an unclear field of practices.'' In: ''Forschende Komplementärmedizin.'' Band 19, Suppl 2, 2012, S. 37–43, [[wikipedia:doi:10.1159/000343129|doi:10.1159/000343129(w)]]. PMID 23883943 (Review).</ref> |
− | Eine | + | Eine mögliche Erklärung für die Attraktivität der alternativen Medizin liegt in der häufig negativen Bewertung der konventionellen [[Wikipedia:medikament|medikament]]<nowiki/>ösen Therapie. In deutlichem Kontrast hierzu werden nicht-evidenzbasierte Methoden eher mit Schlagworten wie ''sanft'', ''natürlich'' und ''frei von Nebenwirkungen'' besetzt. Teilweise wenden sich im Rahmen eines Nicht-wahrhaben-Wollens ihrer Situation auch onkologisch und palliativmedizinisch betreute, unheilbar Kranke komplementärmedizinischen bzw. alternativmedizinischen Angeboten zu.<ref>Markus Horneber, Gerwin Kaiser, Jutta Hübner, Gerda Hofmann-Wackersreuther: ''Komplementärmedizin in der Onkologie.'' In: Eberhard Aulbert, Friedemann Nauck, [[Wikipedia:Lukas Radbruch|Lukas Radbruch]] (Hrsg.): ''Lehrbuch der Palliativmedizin.'' Mit einem Geleitwort von Heinz Pichlmaier. 3., aktualisierte Auflage. Schattauer, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-7945-2666-6, S. 691–709, hier insbesondere: S. 694 f.</ref> Viele Patienten erfahren darüber hinaus bei alternativen Therapeuten ein höheres Maß an Zuwendung und Kommunikation, so dass hier auch ein niederschwelliges Psychotherapie- oder Beratungsangebot wahrgenommen wird. Die Erfahrung eines Mangels an ''[[Wikipedia:Sprechende Medizin|sprechender Medizin]]'' ist hier Motor der steigenden Nachfrage.<ref name="Marstedt" /> Die [[Wikipedia:Anthropologie|anthropologische]], auf einem in den 1920er Jahren entstandenen Konzept des Mediziners [[Wikipedia:Viktor von Weizsäcker|Viktor von Weizsäcker]]<ref>Josef N. Neumann: ''Medizintheorie.'' In: [[Werner E. Gerabek|Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' de Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 957–962, hier: S. 960 (''Anthropologische Medizin'').</ref> beruhend, und [[Wikipedia:Psychosomatik|psychosomatische]] Medizin versuchen dieser Nachfrage im Rahmen der wissenschaftlichen Medizin gerecht zu werden. |
− | == Ökonomische Bedeutung == | + | ==Ökonomische Bedeutung== |
− | Der Umsatz von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen (Homöopathie, Anthroposophische Medizin, Phytotherapie) betrug in 2018 in Deutschland insgesamt 1,7 Milliarden Euro (der Gesamt-Apothekenmarkt verzeichnete einen Umsatz von 55,8 Mrd. Euro).<ref>{{Literatur |Autor=Jan König u. a. |Titel=Der Arzneimittelmarkt in Deutschland. Zahlen und Fakten 2018 |Hrsg=Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort=Bonn / Berlin |Datum= |ISBN= |Seiten=}}</ref> Im Jahr 2006 wurden in Deutschland insgesamt rund neun Milliarden Euro für alternativmedizinische Produkte oder Leistungen ausgegeben, das entsprach pro Einwohner durchschnittlich etwa 110 Euro pro Jahr. Etwa fünf Milliarden Euro davon zahlten die Patienten selbst, vier Milliarden Euro erstatteten die Krankenkassen, 40.000 Ärzte boten entsprechende Leistungen an.<ref name="aerzteblatt-57593">{{Literatur |Autor=Petra Spielberg |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/57593/Schul-und-Komplementaermedizin-Miteinander-statt-nebeneinander Schul- und Komplementärmedizin: Miteinander statt nebeneinander] |Sammelwerk=[[Deutsches Ärzteblatt]] |Band=104 |Nummer=46 |Verlag=[[Deutscher Ärzte-Verlag]] |Datum=2007-11-16 |Seiten=A-3148 / B-2770 / C-2672}}</ref> | + | Der Umsatz von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen (Homöopathie, Anthroposophische Medizin, Phytotherapie) betrug in 2018 in Deutschland insgesamt 1,7 Milliarden Euro (der Gesamt-Apothekenmarkt verzeichnete einen Umsatz von 55,8 Mrd. Euro).<ref>{{Literatur |Autor=Jan König u. a. |Titel=Der Arzneimittelmarkt in Deutschland. Zahlen und Fakten 2018 |Hrsg=Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort=Bonn / Berlin |Datum= |ISBN= |Seiten=}}</ref> Im Jahr 2006 wurden in Deutschland insgesamt rund neun Milliarden Euro für alternativmedizinische Produkte oder Leistungen ausgegeben, das entsprach pro Einwohner durchschnittlich etwa 110 Euro pro Jahr. Etwa fünf Milliarden Euro davon zahlten die Patienten selbst, vier Milliarden Euro erstatteten die Krankenkassen, 40.000 Ärzte boten entsprechende Leistungen an.<ref name="aerzteblatt-57593">{{Literatur |Autor=Petra Spielberg |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/57593/Schul-und-Komplementaermedizin-Miteinander-statt-nebeneinander Schul- und Komplementärmedizin: Miteinander statt nebeneinander] |Sammelwerk=[[Wikipedia:Deutsches Ärzteblatt|Deutsches Ärzteblatt]] |Band=104 |Nummer=46 |Verlag=[[Wikipedia:Deutscher Ärzte-Verlag|Deutscher Ärzte-Verlag]] |Datum=2007-11-16 |Seiten=A-3148 / B-2770 / C-2672}}</ref> |
− | == Rechtlicher Rahmen == | + | ==Rechtlicher Rahmen== |
− | === Deutschland === | + | ===Deutschland=== |
− | Die Anwendung „alternativer“ Behandlungsmethoden ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt, solange kein Verstoß gegen die [[Gute Sitten|guten Sitten]] im Sinne von {{§|138|BGB|juris}} [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] und {{§|228|StGB|juris}} [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]] vorliegt. Vor Anwendung solcher Methoden ist der Patient umfänglich über etwaige Risiken und [[Nebenwirkung]] | + | Die Anwendung „alternativer“ Behandlungsmethoden ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt, solange kein Verstoß gegen die [[Wikipedia:Gute Sitten|guten Sitten]] im Sinne von {{§|138|BGB|juris}} [[Wikipedia:Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] und {{§|228|StGB|juris}} [[Wikipedia:Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]] vorliegt. Vor Anwendung solcher Methoden ist der Patient umfänglich über etwaige Risiken und [[Wikipedia:Nebenwirkung|Nebenwirkungen]] aufzuklären. Steht eine erfolgversprechendere anerkannte Therapie zur Verfügung, muss der Patient hierüber vorrangig aufgeklärt werden. Zu Lasten der [[Wikipedia:Gesetzliche Krankenversicherung|gesetzlichen Krankenversicherung]] (GKV) dürfen nur Leistungen abgerechnet werden, die notwendig und wirtschaftlich vertretbar sind; beides wird für alternative Methoden in der Regel bezweifelt. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der [[Wikipedia:Gemeinsamer Bundesausschuss|Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen]] den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit der neuen Methode bewertet und in Richtlinien nach {{§|92|sgb_5|juris}} [[Wikipedia:Fünftes Buch Sozialgesetzbuch|SGB V]] Empfehlungen über die Anerkennung abgegeben hat. Leistungen im Rahmen alternativmedizinischer Behandlungen werden von der deutschen GKV meist nicht übernommen und können dann nur [[Wikipedia:Privatpatient|privat]] in Rechnung gestellt werden. Über die ggf. selbst zu tragenden Kosten ist der Patient aufzuklären.<ref>Reinhard Dettmeyer: ''7. »Alternativ«- bzw. Komplementärmedizin.'' In: ''Medizin & Recht: Rechtliche Sicherheit für den Arzt.'' 2. Auflage. Springer, 2006, ISBN 3-540-29863-0, S. 143–154.</ref> |
Die Debatte um die Durchführung alternativmedizinischer Behandlungsmethoden oder Verordnung entsprechender Arzneimittel zu Lasten der Solidargemeinschaft führte immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten.<ref>Urteile von Sozialgerichten: [http://www.kostenlose-urteile.de/newsview4491A.htm S 7 KR 283/06 (SG Speyer)], {{Webarchiv | url=http://www.arzneimittel-und-recht.de/04_rechtsprechung/s8kr321-04_1.03.2005.htm | wayback=20090210194732 | text=S 8 KR 321/04 (SG Düsseldorf)}}, [http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=58858 S 18 KR 534/05 (SG Dresden)]; [http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=2900 Revisionsantrag zum Urteil des SG Dresden zurückgezogen]; Urteile des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts: [http://lexetius.com/2005,1297 B 1 A 1/03 R], [http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=ps&Datum=2008&nr=10499&pos=1&anz=35 B 1 KR 5/08 R], [http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=ps&Datum=2008-2&nr=10266&linked=ps B 1 KR 16/07 R], [http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20051206_1bvr034798.html 1 BvR 347/98]</ref> Am 1. Dezember 2011 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) beschlossen.<ref>{{Toter Link |date= 2017-10-20| url=http://www.bundesrat.de/cln_235/SharedDocs/Drucksachen/2011/0701-800/785-11,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/785-11.pdf }} Bundesrat Drucksache 785/11 vom 2. Dezember 2011, Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages. GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) (PDF; 684 kB)</ref> Darin aufgenommen ist eine Klarstellung im Leistungsrecht, dass Versicherte mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, eine noch nicht allgemein anerkannte Leistung beanspruchen können, wenn Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht<ref>{{Webarchiv | url=http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/Laufende_Verfahren/V/10_06_11_Referentenentwurf_Versorgunsgesetz.pdf | wayback=20111226185832 | text=Referentenentwurf – Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung}} (PDF; 484 kB)</ref> (Klarstellung des Geltungsumfangs des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005, BvR 347/98<ref>[http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20051206_1bvr034798.html Beschluss des Ersten Senats vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 -]</ref>). | Die Debatte um die Durchführung alternativmedizinischer Behandlungsmethoden oder Verordnung entsprechender Arzneimittel zu Lasten der Solidargemeinschaft führte immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten.<ref>Urteile von Sozialgerichten: [http://www.kostenlose-urteile.de/newsview4491A.htm S 7 KR 283/06 (SG Speyer)], {{Webarchiv | url=http://www.arzneimittel-und-recht.de/04_rechtsprechung/s8kr321-04_1.03.2005.htm | wayback=20090210194732 | text=S 8 KR 321/04 (SG Düsseldorf)}}, [http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=58858 S 18 KR 534/05 (SG Dresden)]; [http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=2900 Revisionsantrag zum Urteil des SG Dresden zurückgezogen]; Urteile des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts: [http://lexetius.com/2005,1297 B 1 A 1/03 R], [http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=ps&Datum=2008&nr=10499&pos=1&anz=35 B 1 KR 5/08 R], [http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=ps&Datum=2008-2&nr=10266&linked=ps B 1 KR 16/07 R], [http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20051206_1bvr034798.html 1 BvR 347/98]</ref> Am 1. Dezember 2011 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) beschlossen.<ref>{{Toter Link |date= 2017-10-20| url=http://www.bundesrat.de/cln_235/SharedDocs/Drucksachen/2011/0701-800/785-11,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/785-11.pdf }} Bundesrat Drucksache 785/11 vom 2. Dezember 2011, Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages. GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) (PDF; 684 kB)</ref> Darin aufgenommen ist eine Klarstellung im Leistungsrecht, dass Versicherte mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, eine noch nicht allgemein anerkannte Leistung beanspruchen können, wenn Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht<ref>{{Webarchiv | url=http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/Laufende_Verfahren/V/10_06_11_Referentenentwurf_Versorgunsgesetz.pdf | wayback=20111226185832 | text=Referentenentwurf – Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung}} (PDF; 484 kB)</ref> (Klarstellung des Geltungsumfangs des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005, BvR 347/98<ref>[http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20051206_1bvr034798.html Beschluss des Ersten Senats vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 -]</ref>). | ||
− | [[Homöopathisches Arzneimittel|Homöopathische Zubereitungen]] mit einem Verdünnungsgrad von mindestens 1:10.000 und ohne spezifische Heilanzeige, sowie sogenannte „[[traditionelle pflanzliche Arzneimittel]]“ sind in der [[Europäische Union|EU]] gemäß [[Richtlinie 2001/83/EG]] vom [[Arzneimittelzulassung]]sverfahren befreit. Solche [[Präsentationsarzneimittel|Präparate]] können nach einem vereinfachten Registrierungsverfahren in Verkehr gebracht werden. Für die Registrierung müssen lediglich die pharmazeutische Qualität und Unbedenklichkeit, nicht jedoch die [[therapeutische Wirksamkeit]] nachgewiesen werden; eine [[Indikation]] darf nicht angegeben werden. Die weitergehende Zulassung wird von Land zu Land verschieden gehandhabt: Nach dem [[Arzneimittelgesetz (Deutschland)|deutschen Arzneimittelgesetz]] sind bei der Zulassung von Arzneimitteln der Therapierichtungen [[Homöopathie]], [[anthroposophische Medizin]] und [[Phytotherapie]] die Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen zu berücksichtigen. Dazu ist, anders als bei [[Funktionsarzneimittel]]n, in die Zulassungsentscheidung die Beurteilung durch eine eigens für die jeweilige Therapierichtung einberufene Zulassungskommission einzubeziehen ([[Binnenkonsens]]). Diese besteht aus Experten der jeweiligen Therapierichtung, die über entsprechende Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen im Anwendungsgebiet gesammelt haben.<ref>{{§|25|amg_1976|juris}} [[Arzneimittelgesetz (Deutschland)|Arzneimittelgesetz]] (AMG).</ref> | + | [[Wikipedia:Homöopathisches Arzneimittel|Homöopathische Zubereitungen]] mit einem Verdünnungsgrad von mindestens 1:10.000 und ohne spezifische Heilanzeige, sowie sogenannte „[[Wikipedia:traditionelle pflanzliche Arzneimittel|traditionelle pflanzliche Arzneimittel]]“ sind in der [[Wikipedia:Europäische Union|EU]] gemäß [[Wikipedia:Richtlinie 2001/83/EG|Richtlinie 2001/83/EG]] vom [[Wikipedia:Arzneimittelzulassung|Arzneimittelzulassung]]<nowiki/>sverfahren befreit. Solche [[Wikipedia:Präsentationsarzneimittel|Präparate]] können nach einem vereinfachten Registrierungsverfahren in Verkehr gebracht werden. Für die Registrierung müssen lediglich die pharmazeutische Qualität und Unbedenklichkeit, nicht jedoch die [[therapeutische Wirksamkeit|therapeutische Wirksamkeit]] nachgewiesen werden; eine [[Wikipedia:Indikation|Indikation]] darf nicht angegeben werden. Die weitergehende Zulassung wird von Land zu Land verschieden gehandhabt: Nach dem [[Wikipedia:Arzneimittelgesetz (Deutschland)|deutschen Arzneimittelgesetz]] sind bei der Zulassung von Arzneimitteln der Therapierichtungen [[Homöopathie|Homöopathie]], [[anthroposophische Medizin|anthroposophische Medizin]] und [[Phytotherapie|Phytotherapie]] die Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen zu berücksichtigen. Dazu ist, anders als bei [[Wikipedia:Funktionsarzneimittel|Funktionsarzneimittel]]n, in die Zulassungsentscheidung die Beurteilung durch eine eigens für die jeweilige Therapierichtung einberufene Zulassungskommission einzubeziehen ([[Wikipedia:Binnenkonsens|Binnenkonsens]]). Diese besteht aus Experten der jeweiligen Therapierichtung, die über entsprechende Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen im Anwendungsgebiet gesammelt haben.<ref>{{§|25|amg_1976|juris}} [[Wikipedia:Arzneimittelgesetz (Deutschland)|Arzneimittelgesetz]] (AMG).</ref> |
− | Die [[Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft]] urteilte 1998, die nicht wissenschaftlich fundierten Therapierichtungen machten „in der Regel Besonderheiten geltend, um sich der wissenschaftlichen Prüfung ihrer Hypothesen zu entziehen“. Dies gelte für die im Arzneimittelgesetz explizit erwähnten Formen wie „Homöopathie“, anthroposophisch begründete Heilverfahren und traditionellen Phytopharmaka ebenso wie für die Vielzahl heterogener Methoden von Ayurveda bis Bach-Blüten-Therapie. Die Kommission sieht eine „seitens der Politik eingeräumte Sonderstellung“ für die „besonderen Therapierichtungen“ (Homöopathie, Anthroposophie, Phytotherapie) und kritisiert, dass diese Stellung nicht nur jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehre, sondern auch bedeute, dass Wirksamkeit mit zweierlei Maß gemessen werde. Sie transferiere Konzepte des individuell oder staatlich praktizierten Wertepluralismus fälschlicherweise in die Bewertung der von wissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten bestimmten modernen Arzneitherapie.<ref name="AKdÄ">Knut-Olaf Haustein, Dietrich Höffler, Rainer Lasek, Bruno Müller-Oerlinghausen (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft): {{Webarchiv | url=http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Alternativpdf.pdf | wayback=20071023140017 | text=''Außerhalb der wissenschaftlichen Medizin stehende Methoden der Arzneitherapie''}} In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' 95, Heft 14, 1998, S. A-800–805.</ref> | + | Die [[Wikipedia:Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft|Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft]] urteilte 1998, die nicht wissenschaftlich fundierten Therapierichtungen machten „in der Regel Besonderheiten geltend, um sich der wissenschaftlichen Prüfung ihrer Hypothesen zu entziehen“. Dies gelte für die im Arzneimittelgesetz explizit erwähnten Formen wie „Homöopathie“, anthroposophisch begründete Heilverfahren und traditionellen Phytopharmaka ebenso wie für die Vielzahl heterogener Methoden von Ayurveda bis Bach-Blüten-Therapie. Die Kommission sieht eine „seitens der Politik eingeräumte Sonderstellung“ für die „besonderen Therapierichtungen“ (Homöopathie, Anthroposophie, Phytotherapie) und kritisiert, dass diese Stellung nicht nur jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehre, sondern auch bedeute, dass Wirksamkeit mit zweierlei Maß gemessen werde. Sie transferiere Konzepte des individuell oder staatlich praktizierten Wertepluralismus fälschlicherweise in die Bewertung der von wissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten bestimmten modernen Arzneitherapie.<ref name="AKdÄ">Knut-Olaf Haustein, Dietrich Höffler, Rainer Lasek, Bruno Müller-Oerlinghausen (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft): {{Webarchiv | url=http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Alternativpdf.pdf | wayback=20071023140017 | text=''Außerhalb der wissenschaftlichen Medizin stehende Methoden der Arzneitherapie''}} In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' 95, Heft 14, 1998, S. A-800–805.</ref> |
− | === Schweiz === | + | ===Schweiz=== |
− | In der [[Schweiz]] wurden Verfahren außerhalb der wissenschaftsbasierten Medizin 1999 provisorisch in den Katalog der von der [[Obligatorische Krankenpflegeversicherung|obligatorischen Krankenpflegeversicherung]] zu bezahlenden Leistungen aufgenommen (Homöopathie, anthroposophische Medizin, Phytotherapie, traditionelle chinesische Therapie und Neuraltherapie). Dieses Provisorium lief 2005 aus.<ref>{{Internetquelle |autor=Dominic Benz |url=http://www.handelszeitung.ch/unternehmen/komplementaermedizin-kleine-tricks-mit-sanfter-medizin |titel=KOMPLEMENTÄRMEDIZIN: Kleine Tricks mit sanfter Medizin |werk=handelszeitung.ch |datum=2014-03 |zugriff=2014-12-28}}</ref><ref name="nzz-9073294">{{Internetquelle |url=http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/alternative-behandlungsmethoden-kassenpflichtig-1.9073294 |titel=Alternativmedizin vorerst wieder kassenpflichtig |werk=nzz.ch |datum=2011-01-12 |zugriff=2014-12-28}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Claudia Blumer |url=http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Weshalb-sich-ein-SVPStaenderat-fuer-KuegeliMedizin-stark-macht/story/22396613 |titel=Weshalb sich ein SVP-Ständerat für Kügeli-Medizin stark macht |werk=tagesanzeiger.ch |datum=2010-12-23 |zugriff=2014-12-28}}</ref><ref>[http://www.natuerlich-online.ch/fileadmin/Natuerlich/Archiv/2006/06-06/6_50-51%20aerzte%20tricksen.pdf natuerlich-online.ch] (PDF)</ref><ref>{{Literatur |Autor=[[Alex Reichmuth]] |Titel=Minister ohne Meinung |Sammelwerk=Die Weltwoche |Nummer=47 |Datum=2011 |Online=http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2011-47/minister-ohne-meinung-die-weltwoche-ausgabe-472011.html |Abruf=2014-12-28}}</ref> | + | In der [[Wikipedia:Schweiz|Schweiz]] wurden Verfahren außerhalb der wissenschaftsbasierten Medizin 1999 provisorisch in den Katalog der von der [[Wikipedia:Obligatorische Krankenpflegeversicherung|obligatorischen Krankenpflegeversicherung]] zu bezahlenden Leistungen aufgenommen (Homöopathie, anthroposophische Medizin, Phytotherapie, traditionelle chinesische Therapie und Neuraltherapie). Dieses Provisorium lief 2005 aus.<ref>{{Internetquelle |autor=Dominic Benz |url=http://www.handelszeitung.ch/unternehmen/komplementaermedizin-kleine-tricks-mit-sanfter-medizin |titel=KOMPLEMENTÄRMEDIZIN: Kleine Tricks mit sanfter Medizin |werk=handelszeitung.ch |datum=2014-03 |zugriff=2014-12-28}}</ref><ref name="nzz-9073294">{{Internetquelle |url=http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/alternative-behandlungsmethoden-kassenpflichtig-1.9073294 |titel=Alternativmedizin vorerst wieder kassenpflichtig |werk=nzz.ch |datum=2011-01-12 |zugriff=2014-12-28}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Claudia Blumer |url=http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Weshalb-sich-ein-SVPStaenderat-fuer-KuegeliMedizin-stark-macht/story/22396613 |titel=Weshalb sich ein SVP-Ständerat für Kügeli-Medizin stark macht |werk=tagesanzeiger.ch |datum=2010-12-23 |zugriff=2014-12-28}}</ref><ref>[http://www.natuerlich-online.ch/fileadmin/Natuerlich/Archiv/2006/06-06/6_50-51%20aerzte%20tricksen.pdf natuerlich-online.ch] (PDF)</ref><ref>{{Literatur |Autor=[[Wikipedia:Alex Reichmuth|Alex Reichmuth]] |Titel=Minister ohne Meinung |Sammelwerk=Die Weltwoche |Nummer=47 |Datum=2011 |Online=http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2011-47/minister-ohne-meinung-die-weltwoche-ausgabe-472011.html |Abruf=2014-12-28}}</ref> |
− | Die [[eidgenössische Abstimmung]] vom 17. Mai 2009 ergab jedoch eine Zweidrittelmehrheit für einen Verfassungszusatz, der die Regierung verpflichtet, komplementärmedizinische Verfahren wieder zu berücksichtigen. Ähnlich wie in anderen Ländern fordern die Schweizer Krankenkassen für zu erstattende Methoden den Nachweis der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. | + | Die [[Wikipedia:eidgenössische Abstimmung|eidgenössische Abstimmung]] vom 17. Mai 2009 ergab jedoch eine Zweidrittelmehrheit für einen Verfassungszusatz, der die Regierung verpflichtet, komplementärmedizinische Verfahren wieder zu berücksichtigen. Ähnlich wie in anderen Ländern fordern die Schweizer Krankenkassen für zu erstattende Methoden den Nachweis der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. |
Zur Umsetzung dieses Verfassungsgrundsatzes wurden ab 2012 bis provisorisch Juni 2017 die Bereiche Homöopathie, anthroposophische Medizin, Phytotherapie, traditionelle chinesische Therapie und Neuraltherapie unter bestimmten Voraussetzungen wieder von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bezahlt. An seiner Sitzung vom 16. Juni 2017 hat der Bundesrat die neuen Verordnungsbestimmungen genehmigt, welche die komplementärmedizinischen ärztlichen Leistungen den anderen von der OKP vergüteten medizinischen Fachrichtungen gleichstellen. Die neuen Regelungen traten per 1. August 2017 in Kraft.<ref>Die Leistungen der fünf Bereiche werden seit dem 01. August unbefristet von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen | Zur Umsetzung dieses Verfassungsgrundsatzes wurden ab 2012 bis provisorisch Juni 2017 die Bereiche Homöopathie, anthroposophische Medizin, Phytotherapie, traditionelle chinesische Therapie und Neuraltherapie unter bestimmten Voraussetzungen wieder von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bezahlt. An seiner Sitzung vom 16. Juni 2017 hat der Bundesrat die neuen Verordnungsbestimmungen genehmigt, welche die komplementärmedizinischen ärztlichen Leistungen den anderen von der OKP vergüteten medizinischen Fachrichtungen gleichstellen. Die neuen Regelungen traten per 1. August 2017 in Kraft.<ref>Die Leistungen der fünf Bereiche werden seit dem 01. August unbefristet von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen | ||
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Leistungen aus den Bereichen Homöopathie, anthroposophische Medizin, Phytotherapie, traditionelle chinesische Therapie und Neuraltherapie werden von der obligatorischen Grundversicherung übernommen, wenn sie von Ärzten erbracht werden. Für Leistungen aus den übrigen Bereichen der Alternativmedizin und durch nicht-ärztliche TherapeutInnen kann eine Zusatzversicherung abgeschlossen werden. Die meisten schweizerischen Versicherer orientieren sich bei der Entscheidung zur Kostenübernahme von alternativmedizinischen Therapien an den Zertifizierungen der Leistungserbringer durch unabhängige Prüfstellen, z. B. dem Erfahrungsmedizinischen Register.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.srf.ch/sendungen/puls/gesundheitswesen/ein-nachschlagewerk-fuer-alternative-therapien |titel=Gesundheitswesen - Ein Nachschlagewerk für alternative Therapien |datum=2016-02-05 |abruf=2019-07-17 |sprache=de}}</ref> | Leistungen aus den Bereichen Homöopathie, anthroposophische Medizin, Phytotherapie, traditionelle chinesische Therapie und Neuraltherapie werden von der obligatorischen Grundversicherung übernommen, wenn sie von Ärzten erbracht werden. Für Leistungen aus den übrigen Bereichen der Alternativmedizin und durch nicht-ärztliche TherapeutInnen kann eine Zusatzversicherung abgeschlossen werden. Die meisten schweizerischen Versicherer orientieren sich bei der Entscheidung zur Kostenübernahme von alternativmedizinischen Therapien an den Zertifizierungen der Leistungserbringer durch unabhängige Prüfstellen, z. B. dem Erfahrungsmedizinischen Register.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.srf.ch/sendungen/puls/gesundheitswesen/ein-nachschlagewerk-fuer-alternative-therapien |titel=Gesundheitswesen - Ein Nachschlagewerk für alternative Therapien |datum=2016-02-05 |abruf=2019-07-17 |sprache=de}}</ref> | ||
− | == Forschung == | + | ==Forschung== |
An einigen deutschen Universitäten gibt es Forschungsprojekte zur Komplementärmedizin, die hauptsächlich von Stiftungsgeldern, von den Krankenkassen im Rahmen von Modellprojekten und zu einem kleinen Teil von der Industrie gefördert werden. | An einigen deutschen Universitäten gibt es Forschungsprojekte zur Komplementärmedizin, die hauptsächlich von Stiftungsgeldern, von den Krankenkassen im Rahmen von Modellprojekten und zu einem kleinen Teil von der Industrie gefördert werden. | ||
− | Die [[Deutsche Krebshilfe]] hat 2012 das bis dahin größte Forschungsprojekt über die Wirksamkeit von Alternativmedizin bei der Krebsbekämpfung gestartet und dafür 2,5 Millionen Euro bereitgestellt. Koordiniert wird das KOKON (Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie) genannte interdisziplinäre Verbundprojekt von der Onkologie des Klinikums Nürnberg im Zusammenwirken mit: Universitätsklinik Hamburg Eppendorf, Universitätsklinik Rostock, Charité Berlin, Universitätsklinik Frankfurt am Main, Hans-Bredow Institut Hamburg, Klinikum Fürth und Klinik für Tumorbiologie Freiburg.<ref>[http://www.kompetenznetz-kokon.de/ KOKON – Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie].</ref> | + | Die [[Wikipedia:Deutsche Krebshilfe|Deutsche Krebshilfe]] hat 2012 das bis dahin größte Forschungsprojekt über die Wirksamkeit von Alternativmedizin bei der Krebsbekämpfung gestartet und dafür 2,5 Millionen Euro bereitgestellt. Koordiniert wird das KOKON (Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie) genannte interdisziplinäre Verbundprojekt von der Onkologie des Klinikums Nürnberg im Zusammenwirken mit: Universitätsklinik Hamburg Eppendorf, Universitätsklinik Rostock, Charité Berlin, Universitätsklinik Frankfurt am Main, Hans-Bredow Institut Hamburg, Klinikum Fürth und Klinik für Tumorbiologie Freiburg.<ref>[http://www.kompetenznetz-kokon.de/ KOKON – Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie].</ref> |
− | Annähernd die Hälfte der Krebspatienten will durch ergänzende Maßnahmen zur eigenen Heilung beitragen.<ref>Markus Horneber, Gerd Bueschel, Gabriele Dennert, Danuta Less, Erik Ritter, Marcel Zwahlen: ''[http://ict.sagepub.com/content/11/3/187 How Many Cancer Patients Use Complementary and Alternative Medicine. A Systematic Review and Metaanalysis].'' In: ''[[Integr Cancer Ther]].'' 11, 2012, S. 187–203.</ref> | + | Annähernd die Hälfte der Krebspatienten will durch ergänzende Maßnahmen zur eigenen Heilung beitragen.<ref>Markus Horneber, Gerd Bueschel, Gabriele Dennert, Danuta Less, Erik Ritter, Marcel Zwahlen: ''[http://ict.sagepub.com/content/11/3/187 How Many Cancer Patients Use Complementary and Alternative Medicine. A Systematic Review and Metaanalysis].'' In: ''[[Wikipedia:Integr Cancer Ther|Integr Cancer Ther]].'' 11, 2012, S. 187–203.</ref> |
− | Von 2010 bis Ende 2012 lief unter dem [[Akronym]] ''Cambrella''<ref>{{Webarchiv | url=http://www.cambrella.eu/cambrella/ca.html | wayback=20100501055658 | text=Cambrella, ein Forschungsnetzwerk der EU für Alternativ- und Komplementärmedizin}}</ref> ein von der [[Europäische Union|Europäischen Union]] mit 1,5 Millionen Euro ausgestattetes dreijähriges Projekt, dessen Ziel war, ein Netzwerk von 16 europäischen Forschungseinrichtungen in 12 Ländern im Bereich der Komplementärmedizin mit dem Ziel einer internationalen [[Kooperation]] und [[Koordination]] aufzubauen.<ref>Zentrum für naturheilkundliche Forschung am Klinikum rechts der Isar koordiniert EU-Forschungsprojekt: Komplementärmedizin wird europaweit vernetzt. [http://portal.mytum.de/pressestelle/meldungen/news_article.2009-11-10.0004445265 Technische Universität München 2009].</ref> | + | Von 2010 bis Ende 2012 lief unter dem [[Wikipedia:Akronym|Akronym]] ''Cambrella''<ref>{{Webarchiv | url=http://www.cambrella.eu/cambrella/ca.html | wayback=20100501055658 | text=Cambrella, ein Forschungsnetzwerk der EU für Alternativ- und Komplementärmedizin}}</ref> ein von der [[Wikipedia:Europäische Union|Europäischen Union]] mit 1,5 Millionen Euro ausgestattetes dreijähriges Projekt, dessen Ziel war, ein Netzwerk von 16 europäischen Forschungseinrichtungen in 12 Ländern im Bereich der Komplementärmedizin mit dem Ziel einer internationalen [[Wikipedia:Kooperation|Kooperation]] und [[Wikipedia:Koordination|Koordination]] aufzubauen.<ref>Zentrum für naturheilkundliche Forschung am Klinikum rechts der Isar koordiniert EU-Forschungsprojekt: Komplementärmedizin wird europaweit vernetzt. [http://portal.mytum.de/pressestelle/meldungen/news_article.2009-11-10.0004445265 Technische Universität München 2009].</ref> |
− | Ein konzeptuellen Dialog zwischen Komplementärmedizinischen Richtungen und der naturwissenschaftlichen Medizin ist Ziel des „Dialogforum Pluralismus in der Medizin“, das im Jahr 2000 auf Anregung von [[Jörg-Dietrich Hoppe]], des damaligen Präsidenten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, gegründet wurde.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.dialogforum-pluralismusindermedizin.de/downloads/dpm/Editorial.pdf |titel=Pluralismus der Medizin – Pluralismus der Therapieevaluation? |werk=Z. ärztl. Fortbild. Qual. Gesundh.wes. |datum=2005 |seiten=2 |zugriff=2015-06-13 |format=PDF}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.aerzteblatt.de/archiv/70330/Aerztliche-Professionalitaet-und-Komplementaermedizin-Was-ist-serioeses-Therapieren |titel=Deutsches Ärzteblatt: Ärztliche Professionalität und Komplementärmedizin: Was ist seriöses Therapieren? |werk=aerzteblatt.de |datum=2010-03-26 |zugriff=2015-06-13}}</ref> Es setzt sich für eine vermehrte Integration der Komplementärmedizin in die Schulmedizin ein.<ref>{{Literatur |Autor=Claudia M. Witt |Titel=Komplementärmedizin: Weitere Forschung ist die Basis für Integration in die Versorgung |Sammelwerk=[[Deutsches Ärzteblatt]] |Band=106 |Nummer=37 |Datum=2009 |ISSN=0012-1207 |Seiten=A1786–A1789 |Online=http://www.aerzteblatt.de/archiv/65947/Komplementaermedizin-Weitere-Forschung-ist-die-Basis-fuer-Integration-in-die-Versorgung |OCLC=48656751}}</ref> | + | Ein konzeptuellen Dialog zwischen Komplementärmedizinischen Richtungen und der naturwissenschaftlichen Medizin ist Ziel des „Dialogforum Pluralismus in der Medizin“, das im Jahr 2000 auf Anregung von [[Wikipedia:Jörg-Dietrich Hoppe|Jörg-Dietrich Hoppe]], des damaligen Präsidenten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, gegründet wurde.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.dialogforum-pluralismusindermedizin.de/downloads/dpm/Editorial.pdf |titel=Pluralismus der Medizin – Pluralismus der Therapieevaluation? |werk=Z. ärztl. Fortbild. Qual. Gesundh.wes. |datum=2005 |seiten=2 |zugriff=2015-06-13 |format=PDF}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.aerzteblatt.de/archiv/70330/Aerztliche-Professionalitaet-und-Komplementaermedizin-Was-ist-serioeses-Therapieren |titel=Deutsches Ärzteblatt: Ärztliche Professionalität und Komplementärmedizin: Was ist seriöses Therapieren? |werk=aerzteblatt.de |datum=2010-03-26 |zugriff=2015-06-13}}</ref> Es setzt sich für eine vermehrte Integration der Komplementärmedizin in die Schulmedizin ein.<ref>{{Literatur |Autor=Claudia M. Witt |Titel=Komplementärmedizin: Weitere Forschung ist die Basis für Integration in die Versorgung |Sammelwerk=[[Wikipedia:Deutsches Ärzteblatt|Deutsches Ärzteblatt]] |Band=106 |Nummer=37 |Datum=2009 |ISSN=0012-1207 |Seiten=A1786–A1789 |Online=http://www.aerzteblatt.de/archiv/65947/Komplementaermedizin-Weitere-Forschung-ist-die-Basis-fuer-Integration-in-die-Versorgung |OCLC=48656751}}</ref> |
− | == Ausbildungsmöglichkeiten == | + | ==Ausbildungsmöglichkeiten== |
Im Medizinstudium in Deutschland können komplementärmedizinische Inhalte im 2003 eingeführten Querschnittsbereich 12 (Rehabilitation, Physikalische Medizin und Naturheilverfahren) enthalten sein.<ref>{{Internetquelle |url=http://naturheilkunde.klinikum-bochum.de/forschung-und-lehre.html |titel=Forschung und Lehre – Naturheilkunde Klinik Blankenstein |werk=naturheilkunde.klinikum-bochum.de |zugriff=2015-06-18 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20150618155541/http://naturheilkunde.klinikum-bochum.de/forschung-und-lehre.html |archiv-datum=2015-06-18 }}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Beate Stock-Schröer |url=https://gesellschaft-medizinische-ausbildung.org/tagungen/2014-hamburg/abstracts.html?file=files/Tagungen/2014-Hamburg/uploads/gma-2014-beate-stock-schroeer-p131.pdf |titel=10 Jahre neue Approbationsordnung: Zum Stand der Lehre im Querschnittsbereich 12 |werk=gesellschaft-medizinische-ausbildung.org |seiten=1 |zugriff=2015-06-18 |format=PDF |kommentar=Beitrag auf der GMA-Tagung 2014 in Hamburg}}</ref> | Im Medizinstudium in Deutschland können komplementärmedizinische Inhalte im 2003 eingeführten Querschnittsbereich 12 (Rehabilitation, Physikalische Medizin und Naturheilverfahren) enthalten sein.<ref>{{Internetquelle |url=http://naturheilkunde.klinikum-bochum.de/forschung-und-lehre.html |titel=Forschung und Lehre – Naturheilkunde Klinik Blankenstein |werk=naturheilkunde.klinikum-bochum.de |zugriff=2015-06-18 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20150618155541/http://naturheilkunde.klinikum-bochum.de/forschung-und-lehre.html |archiv-datum=2015-06-18 }}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Beate Stock-Schröer |url=https://gesellschaft-medizinische-ausbildung.org/tagungen/2014-hamburg/abstracts.html?file=files/Tagungen/2014-Hamburg/uploads/gma-2014-beate-stock-schroeer-p131.pdf |titel=10 Jahre neue Approbationsordnung: Zum Stand der Lehre im Querschnittsbereich 12 |werk=gesellschaft-medizinische-ausbildung.org |seiten=1 |zugriff=2015-06-18 |format=PDF |kommentar=Beitrag auf der GMA-Tagung 2014 in Hamburg}}</ref> | ||
− | Für die komplementärmedizinischen Methoden Akupunktur, [[Manuelle Medizin|Chirotherapie]], Homöopathie und Naturheilverfahren sind von den Ärztekammern Weiterbildungsvorschriften erlassen worden. Nach bestandener Prüfung darf als Qualifikationsnachweis die jeweilige ''ärztliche [[Zusatzbezeichnung]]'' getragen werden, die u. U. auch Voraussetzung für die Abrechenbarkeit mit den Krankenkassen ist. Für die Anthroposophische Medizin gibt es für Ärzte eine [[Binnenanerkennung]] Tätigkeitsschwerpunkt „Anthroposophische Medizin (GAÄD)“ durch die [[Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland]] (GAÄD).<ref>Rüdiger Zuck: ''Das Recht der anthroposophischen Medizin.'' 2. Auflage. 2012, S. 133ff.</ref> | + | Für die komplementärmedizinischen Methoden Akupunktur, [[Wikipedia:Manuelle Medizin|Chirotherapie]], Homöopathie und Naturheilverfahren sind von den Ärztekammern Weiterbildungsvorschriften erlassen worden. Nach bestandener Prüfung darf als Qualifikationsnachweis die jeweilige ''ärztliche [[Wikipedia:Zusatzbezeichnung|Zusatzbezeichnung]]'' getragen werden, die u. U. auch Voraussetzung für die Abrechenbarkeit mit den Krankenkassen ist. Für die Anthroposophische Medizin gibt es für Ärzte eine [[Wikipedia:Binnenanerkennung|Binnenanerkennung]] Tätigkeitsschwerpunkt „Anthroposophische Medizin (GAÄD)“ durch die [[Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland|Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland]] (GAÄD).<ref>Rüdiger Zuck: ''Das Recht der anthroposophischen Medizin.'' 2. Auflage. 2012, S. 133ff.</ref> |
− | Ärzte, Apotheker, Psychotherapeuten und andere Berufsgruppen mit einem akademischen Abschluss können einen berufsbegleitenden Masterstudiengang für Komplementärmedizin-Kulturwissenschaften-Heilkunde an der [[Europa-Universität Viadrina]] in Frankfurt (Oder) absolvieren. Nach vier Semestern und erfolgreicher Prüfung erhalten die Absolventen den Titel eines Master of Arts.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.master-kmkh.eu/ | wayback=20090210185703 | text=Masterstudiengang Komplementärmedizin an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder)}} master-kmkh.eu</ref> | + | Ärzte, Apotheker, Psychotherapeuten und andere Berufsgruppen mit einem akademischen Abschluss können einen berufsbegleitenden Masterstudiengang für Komplementärmedizin-Kulturwissenschaften-Heilkunde an der [[Wikipedia:Europa-Universität Viadrina|Europa-Universität Viadrina]] in Frankfurt (Oder) absolvieren. Nach vier Semestern und erfolgreicher Prüfung erhalten die Absolventen den Titel eines Master of Arts.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.master-kmkh.eu/ | wayback=20090210185703 | text=Masterstudiengang Komplementärmedizin an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder)}} master-kmkh.eu</ref> |
− | == Konzept- und Begriffskritik == | + | ==Konzept- und Begriffskritik== |
− | Die [[Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft]] kritisiert Bestrebungen einiger Vertreter der Homöopathie oder anderer „besonderer“ Therapierichtungen, ihre Arzneimittel als Unterstützung der schulmedizinischen Behandlung („Komplementäre Therapie“) auszugeben. Der Kommission zufolge erscheine es „nicht sehr überzeugend“, einerseits bei ernsthaften Erkrankungen wie Tumorleiden und Infektionskrankheiten die Errungenschaften der modernen Medizin in Anspruch zu nehmen, andererseits aber deren Bedeutung zu relativieren. Da den wissenschaftlich begründeten und den allein von persönlichen Überzeugungen getragenen Behandlungsverfahren Paradigmen zugrunde lägen, die sich gegenseitig ausschlössen, erscheine eine „ökumenische Gemeinschaft“ beider undenkbar und alles Beschwören von „Gemeinsamkeit“, „Ergänzung“, „Komplementarität“ oder „Erweiterung“ zwar politisch opportun, aber wissenschaftstheoretisch unhaltbar. Wissenschaftliche Medizin und | + | Die [[Wikipedia:Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft|Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft]] kritisiert Bestrebungen einiger Vertreter der Homöopathie oder anderer „besonderer“ Therapierichtungen, ihre Arzneimittel als Unterstützung der schulmedizinischen Behandlung („Komplementäre Therapie“) auszugeben. Der Kommission zufolge erscheine es „nicht sehr überzeugend“, einerseits bei ernsthaften Erkrankungen wie Tumorleiden und Infektionskrankheiten die Errungenschaften der modernen Medizin in Anspruch zu nehmen, andererseits aber deren Bedeutung zu relativieren. Da den wissenschaftlich begründeten und den allein von persönlichen Überzeugungen getragenen Behandlungsverfahren Paradigmen zugrunde lägen, die sich gegenseitig ausschlössen, erscheine eine „ökumenische Gemeinschaft“ beider undenkbar und alles Beschwören von „Gemeinsamkeit“, „Ergänzung“, „Komplementarität“ oder „Erweiterung“ zwar politisch opportun, aber wissenschaftstheoretisch unhaltbar. Wissenschaftliche Medizin und |
Paramedizin seien in ihren Konzepten unvereinbar. Dieser Feststellung stehe die Toleranz eines aufgeklärten Bürgers nicht entgegen.<ref name="AKdÄ" /> | Paramedizin seien in ihren Konzepten unvereinbar. Dieser Feststellung stehe die Toleranz eines aufgeklärten Bürgers nicht entgegen.<ref name="AKdÄ" /> | ||
− | [[Johannes Köbberling]] zufolge, suggeriert der Begriff „Alternativmedizin“, dass neben der wissenschaftlich erprobten Medizin tatsächlich eine Alternative bestehe. Diese Alternative bestehe jedoch nur in dem „erklärten Verzicht auf wissenschaftliche Methodik und alle für die eigentliche Medizin eingeführten Qualitätsstandards“.<ref>Johannes Köbberling: ''Der Wissenschaft verpflichtet.'' In: Hans-Peter Schuster, Maximilian G. Broglie: ''Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin: Die Reden ihrer Vorsitzenden 1982 bis 2010.'' 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2010, ISBN 978-3-13-104582-9, S. 154.</ref> | + | [[Wikipedia:Johannes Köbberling|Johannes Köbberling]] zufolge, suggeriert der Begriff „Alternativmedizin“, dass neben der wissenschaftlich erprobten Medizin tatsächlich eine Alternative bestehe. Diese Alternative bestehe jedoch nur in dem „erklärten Verzicht auf wissenschaftliche Methodik und alle für die eigentliche Medizin eingeführten Qualitätsstandards“.<ref>Johannes Köbberling: ''Der Wissenschaft verpflichtet.'' In: Hans-Peter Schuster, Maximilian G. Broglie: ''Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin: Die Reden ihrer Vorsitzenden 1982 bis 2010.'' 2. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2010, ISBN 978-3-13-104582-9, S. 154.</ref> |
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+ | Anhänger alternativer Heilmethoden behaupten teilweise, dass diese eine Wirksamkeit bei vielen verschiedenen Krankheiten und in unterschiedlichen Krankheitsstadien hätten, ohne [[Wikipedia:Nebenwirkung|Nebenwirkung]]en zu verursachen. Hierzu äußerte sich der Pharmakologe [[Wikipedia:Gustav Kuschinsky|Gustav Kuschinsky]]: „Ein Arzneimittel, von dem behauptet wird, daß es keine Nebenwirkungen habe, steht im dringenden Verdacht, auch keine Hauptwirkung zu besitzen.“ | ||
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+ | ==Gesundheitsrisiken== | ||
+ | Die Datenlage zu den Risiken alternativ- und komplementärmedizinischer Verfahren wurde 2008 als unzureichend bewertet. Als gravierende direkte Risiken wurden zum Beispiel Verletzungen, Immunreaktionen und Arzneimittel-Interaktionen dokumentiert. Indirekte Gesundheitsrisiken liegen im Versäumen notwendiger medizinischer Diagnostik und Therapie.<ref name="Burkhard">Barbara Burkhard: ''Risikofreie Komplementär- und Alternativmedizin?'' In: ''[[Wikipedia:Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen|Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen]]'' 2008, Jahrgang 102, Ausgabe 9; S. 568–573. {{doi|10.1016/j.zefq.2008.09.019}}.</ref> Dies betrifft besonders lebensbedrohliche Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs.<ref>{{Literatur |Autor=Skyler B. Johnson et al. |Titel=Use of Alternative Medicine for Cancer and Its Impact on Survival |Hrsg= |Sammelwerk=JNCI: Journal of the National Cancer Institute |Band=110 |Nummer=1 |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2018-01-01 |ISBN= |DOI=10.1093/jnci/djx145 |Seiten=121–124}}</ref><ref>[http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/studie-wie-alternativmedizin-krebspatienten-gefaehrdet-a-1219406.html Nina Weber: ''Wie Alternativmedizin Krebspatienten gefährdet.''] [[Wikipedia:SPIEGEL Online|SPIEGEL Online]]. Abgerufen am 17. September 2018.</ref><ref>{{Internetquelle |autor=mdr.de |url=https://www.mdr.de/investigativ/video-182300_zc-f80c8d3a_zs-0fdb427d.html |titel=Dubiose Krebsbehandlung mit Homöopathie {{!}} MDR.DE |zugriff=2018-09-30 |sprache=de-DE}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Skyler B. Johnson et al. |Titel=Complementary Medicine, Refusal of Conventional Cancer Therapy, and Survival Among Patients With Curable Cancers |Hrsg= |Sammelwerk=JAMA Oncology |Band=4 |Nummer=10 |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2018-10-01 |ISBN= |DOI=10.1001/jamaoncol.2018.2487 |Seiten=1375–1381}}</ref> [[Wikipedia:Edzard Ernst|Edzard Ernst]] kritisiert [[Arzt|Ärzte]] und [[Heilpraktiker|Heilpraktiker]], die alternative Medizin anbieten: {{"|Viele Alternativbehandlungen sind harmlos. Aber leider sind die Behandler nicht immer harmlos. Diese Leute erkennen die eigenen Grenzen nicht.}}<ref name="SZ">[https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/naturheilkunde-glauben-mit-nebenwirkungen-1.2594935 Christina Berndt: ''Wenn Eltern ihre Kinder gefährden.''] [[Wikipedia:Süddeutsche Zeitung|Süddeutsche Zeitung]]. Abgerufen am 17. September 2018.</ref> Die Ablehnung von Impfungen kann auch zu einer kollektiven Gefährdung führen. Als Risiken alternativmedizinischer Konzepte und Methoden sind auch Todesfälle von Patienten dokumentiert.<ref name="Burkhard" /><ref name="SZ" /> | ||
− | == | + | ==== Unterlassen von empfohlenen Behandlungen ==== |
− | + | Von Kritikern wird wiederholt angeführt, Alternativmedizin oder Komplementärmedizin wäre deshalb gefährlich, weil dadurch notwendige Behandlungen verzögert oder unterlassen würden<ref>Eckert, Nadine: Alternative Medizin: Keine Alternative bei Krebs. Dtsch Arztebl 2020; 117(10): A-498 / B-427. https://www.aerzteblatt.de/archiv/212881/Alternative-Medizin-Keine-Alternative-bei-Krebs</ref>. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es einige wenige Belege dafür<ref>R. Mistry, B. Wademan, G. Avery, S.T. Tan: '''A case of misdiagnosed squamous cell carcinoma due to alternative medical misadventure—time for tightening regulation?''' New Zealand Medical Journal, 123 (2010), pp. 61-67</ref>. | |
− | == Siehe auch == | + | ==Siehe auch== |
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− | + | *{{WikipediaDE|Kategorie:Alternativmedizin}} | |
− | * | + | *{{WikipediaDE|Alternativmedizin}} |
− | * | + | *{{WikipediaDE|Medizinethnologie}} |
− | * | + | *{{WikipediaDE|Ethnomedizin}} |
− | * | + | *{{WikipediaDE|Volksmedizin}} |
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− | == Weblinks == | + | ==Literatur== |
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+ | *Raymond Becker u. a. (Hrsg.): ''Neue Wege in der Medizin. Alternativmedizin- Fluch oder Segen?'' Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8253-5841-9. | ||
+ | *Krista Federspiel, Vera Herbst: ''Die Andere Medizin. Nutzen und Risiken sanfter Heilmethoden''. Stiftung Warentest, Berlin 1996, ISBN 3-924286-96-5. | ||
+ | *Colin Goldner: ''Alternative Diagnose- und Therapieverfahren. Eine kritische Bestandsaufnahme.'' Alibri Verlag, Aschaffenburg 2008, ISBN 978-3-86569-043-2. | ||
+ | *Robert Jütte: ''Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute.'' C.H. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2. | ||
+ | *Gundolf Keil: ''Medizinische Bildung und Alternativmedizin.'' In: [[Wikipedia:Winfried Böhm|Winfried Böhm]], [[Wikipedia:Martin Lindauer|Martin Lindauer]] (Hrsg.): ''„Nicht Vielwissen sättigt die Seele“. Wissen, Erkennen, Bildung, Ausbildung heute.'' (= ''Drittes Symposium der Universität Würzburg.'') Ernst Klett, Stuttgart 1988, ISBN 3-12-984580-1, S. 245–271. | ||
+ | *Michael Prang: ''Alternativmedizin. Was sie leistet. Wann sie schadet.'' C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-65935-5. | ||
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+ | ==Weblinks== | ||
{{Wikibooks|Atlas der alternativen Behandlungsmethoden}} | {{Wikibooks|Atlas der alternativen Behandlungsmethoden}} | ||
{{Commonscat|Alternative medicine|Alternativmedizin}} | {{Commonscat|Alternative medicine|Alternativmedizin}} | ||
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− | * {{DNB-Portal|4112639-7}} | + | |
− | * {{Literatur | + | *{{DNB-Portal|4112639-7}} |
+ | *{{Literatur | ||
|Autor=Helmut Kiene, Hermann Heimpel | |Autor=Helmut Kiene, Hermann Heimpel | ||
|Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/70330/Aerztliche-Professionalitaet-und-Komplementaermedizin-Was-ist-serioeses-Therapieren Ärztliche Professionalität und Komplementärmedizin: Was ist seriöses Therapieren?] | |Titel=[http://www.aerzteblatt.de/archiv/70330/Aerztliche-Professionalitaet-und-Komplementaermedizin-Was-ist-serioeses-Therapieren Ärztliche Professionalität und Komplementärmedizin: Was ist seriöses Therapieren?] | ||
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*{{Webarchiv | url=http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Alternativpdf.pdf | wayback=20071023140017 | text=Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Stellungnahme zu außerhalb der wissenschaftlichen Medizin stehenden Methoden der Arzneitherapie}} In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' Band 95, Heft 14, 3. April 1998, und {{Webarchiv | url=http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/litdruck.asp?id=10368 | wayback=20090212153958 | text=zugehöriges Literaturverzeichnis}} (PDF; 75 kB) | *{{Webarchiv | url=http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Alternativpdf.pdf | wayback=20071023140017 | text=Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Stellungnahme zu außerhalb der wissenschaftlichen Medizin stehenden Methoden der Arzneitherapie}} In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' Band 95, Heft 14, 3. April 1998, und {{Webarchiv | url=http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/litdruck.asp?id=10368 | wayback=20090212153958 | text=zugehöriges Literaturverzeichnis}} (PDF; 75 kB) | ||
− | * Krista Federspiel: {{Webarchiv | url=http://downloads.bistum-augsburg.de/108304979977656.pdf | wayback=20070927003104 | text=''Alternativmedizin – kritisch betrachtet im Spiegel der Wissenschaft.''}} Bischöfliches Seelsorgeamt Referat für Religions- und Weltanschauungsfragen, 3/2002 (PDF; 67 kB) | + | *Krista Federspiel: {{Webarchiv | url=http://downloads.bistum-augsburg.de/108304979977656.pdf | wayback=20070927003104 | text=''Alternativmedizin – kritisch betrachtet im Spiegel der Wissenschaft.''}} Bischöfliches Seelsorgeamt Referat für Religions- und Weltanschauungsfragen, 3/2002 (PDF; 67 kB) |
− | * Robert Jütte: [http://www.hauszumdolder.ch/referat_r_juette ''Die Faszination des Anderen: Die Alternativmedizin aus der Sicht des Medizinhistorikers.''] Münsterer Tagung 2003 im Haus zum Dolder (Beromünster) | + | *Robert Jütte: [http://www.hauszumdolder.ch/referat_r_juette ''Die Faszination des Anderen: Die Alternativmedizin aus der Sicht des Medizinhistorikers.''] Münsterer Tagung 2003 im Haus zum Dolder (Beromünster) |
− | * Dossier Alternativmedizin im Stern: [http://www.stern.de/gesundheit/themen/alternativemedizin-4141030.html stern.de] | + | *Dossier Alternativmedizin im Stern: [http://www.stern.de/gesundheit/themen/alternativemedizin-4141030.html stern.de] |
− | * K. L. Resch: [http://content.karger.com/ProdukteDB/produkte.asp?Aktion=ShowPDF&ProduktNr=224242&Ausgabe=231625&ArtikelNr=91193&filename=91193.pdf ''„Die Andere Medizin“: Gut gemeint – schlecht gemacht.''] In: ''Forschende Komplementärmedizin.'' 13, 2006, S. 6–8. (PDF; 47 kB) | + | *K. L. Resch: [http://content.karger.com/ProdukteDB/produkte.asp?Aktion=ShowPDF&ProduktNr=224242&Ausgabe=231625&ArtikelNr=91193&filename=91193.pdf ''„Die Andere Medizin“: Gut gemeint – schlecht gemacht.''] In: ''Forschende Komplementärmedizin.'' 13, 2006, S. 6–8. (PDF; 47 kB) |
− | * [http://content.karger.com/ProdukteDB/produkte.asp?Aktion=ShowPDF&ArtikelNr=95711&Ausgabe=232112&ProduktNr=224242&filename=95711.pdf Brief an die Herausgeber – Zum Editorial: „Die Andere Medizin“: Gut gemeint – schlecht gemacht] In: ''Forschende Komplementärmedizin.'' 13, 2006, S. 252–254. (PDF; 51 kB) | + | *[http://content.karger.com/ProdukteDB/produkte.asp?Aktion=ShowPDF&ArtikelNr=95711&Ausgabe=232112&ProduktNr=224242&filename=95711.pdf Brief an die Herausgeber – Zum Editorial: „Die Andere Medizin“: Gut gemeint – schlecht gemacht] In: ''Forschende Komplementärmedizin.'' 13, 2006, S. 252–254. (PDF; 51 kB) |
− | * Gerd Marstedt, Susanne Moebus: [http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gastg&p_aid=&p_knoten=FID&p_sprache=D&p_suchstring=7861::Medizin ''Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin.''] aus der Reihe „Gesundheitsberichterstattung des Bundes“ des Robert Koch-Instituts, August 2002. | + | *Gerd Marstedt, Susanne Moebus: [http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gastg&p_aid=&p_knoten=FID&p_sprache=D&p_suchstring=7861::Medizin ''Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin.''] aus der Reihe „Gesundheitsberichterstattung des Bundes“ des Robert Koch-Instituts, August 2002. |
− | * [http://www.rahrp.org/cms/ Religious and Alternative Healing Research Platform (RAHRP Amsterdam)] | + | *[http://www.rahrp.org/cms/ Religious and Alternative Healing Research Platform (RAHRP Amsterdam)] |
− | + | {{Normdaten|TYP=s|GND=4112639-7}} | |
− | == Einzelnachweise == | + | ==Einzelnachweise== |
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+ | {{QuelleWikipedia|datum=18. November 2019|oldid=194048883|oldid-lokal=4839}} | ||
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Aktuelle Version vom 18. April 2022, 22:00 Uhr
Alternativmedizin (auch Alternative Medizin) und Komplementärmedizin (auch komplementäre Medizin) sind Sammelbezeichnungen für Behandlungsmethoden und diagnostische Konzepte, die sich als Alternative (Alternativmedizin) oder Ergänzung(Komplementärmedizin) zu wissenschaftlich begründeten Methoden der Medizin verstehen oder verstanden werden.[1] Die Integrative Medizin steht für eine Synthese konventioneller und komplementärer Ansätze.
Zu den alternativ- und komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden werden unter anderem gezählt: Naturheilverfahren, Körpertherapieverfahren, einige Entspannungsverfahren und Behandlungsmethoden wie Homöopathie, Osteopathie und Eigenbluttherapie sowie Methoden der Anthroposophischen Medizin und der Traditionellen Chinesischen Medizin.
Definitionsversuche und Begriffsvarianten
Zurzeit existiert keine allgemein akzeptierte Definition von „Alternativmedizin“.[2] Der Pschyrembel für Naturheilkunde und alternative Heilverfahren beschreibt „Alternativmedizin“ als „umstrittene und unscharfe Sammelbezeichnung für diagnostische und therapeutische Verfahren, die außerhalb der konventionellen Medizin stehen“. Der Begriff suggeriere, „dass diese Methoden anstatt der Schulmedizin eingesetzt werden können; überzeugende Daten zur klinischen Evaluation bezüglich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit fehlen für viele Methoden der Alternativmedizin; die theoretischen Erklärungsmodelle erscheinen häufig spekulativ“.[3]
Gemäß Robert Jütte sollten nur diejenigen Heilweisen als „alternativ“ „bezeichnet werden, die in einer bestimmten medikalen Kultur, die selbst wiederum einem historischen Wandlungsprozeß unterworfen ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder über einen längeren Zeitraum von der herrschenden medizinischen Richtung mehr oder weniger stark abgelehnt werden, weil sie die Therapieformen der herrschenden medizinischen Richtung teilweise oder völlig in Frage stellen bzw. auf eine unmittelbare und grundlegende Änderung des medizinischen Systems abzielen“.[4]
„Komplementär“ meint Ergänzung – Ergänzung eines etablierten Medizinsystems zu einem „neuen Ganzen“.[5] Der Begriff „Komplementärmedizin“ wird oft als Ersatz für den Begriff „Alternativmedizin“ gebraucht.[6][7] „Komplementärmedizin“ soll signalisieren, dass die damit bezeichneten Methoden nicht als Alternativen zur etablierten Medizin angesehen werden sollten, sondern als Ergänzungen. Das entspricht zum einen den Gepflogenheiten der Patienten, die zusätzlich zu konventionellen auch andere Methoden nachfragen und kommuniziert zum anderen die Absicht der Anbieter unkonventioneller Heilmethoden, mit der etablierten Medizin zusammenzuarbeiten.[7] Der Begriff wird auch in Deutschland zunehmend verwendet.[8]
Beide Begriffe werden gelegentlich synonym verwendet. Eine Definition der Weltgesundheitsorganisation lautet: „Die Begriffe ‚Komplementärmedizin‘ oder ‚Alternativmedizin‘ umfassen ein breites Spektrum von Heilmethoden, die nicht Teil der Tradition des jeweiligen Landes sind und nicht vollständig in das dominierende Gesundheitssystem integriert sind. In manchen Ländern werden sie synonym zum Begriff ‚Traditionelle Medizin‘ verwendet.“[9] Im englischsprachigen Raum ist die Komplementär- und Alternativmedizin zusammenfassende Abkürzung CAM (Complementary and alternative medicine) gebräuchlich.[10]
Neuere Ansätze streben wieder, in einer Integrativen Medizin[11] eine Zusammenarbeit von konventioneller und Komplementärmedizin an.[12]
Je nach ideologischem Hintergrund werden auch folgende Begriffe verwendet, die teilweise nicht ganz treffend sind oder das Gesamtgebiet nicht ganz abdecken:[13] Unkonventionelle Medizinische Richtungen (UMR),[14] Erfahrungsheilkunde,[15] Alternative Heilmethoden, Sanfte Medizin, Ganzheitliche Medizin,[16] biologische[17] Medizin, traditionelle Medizin, Naturgemäße Heilweisen, Besondere Therapierichtungen, Nichtetablierte Medizin und andere. Bernhard Uehleke und Hans-Wolfgang Hoefert schreiben: „Die heute gebräuchlichen Begriffe ‚alternativ‘ oder ‚komplementär‘ klingen relativ neutral und frei von diskriminierenden Wertungen. Sie täuschen aber auch darüber hinweg, dass die jüngere Medizingeschichte auch eine Geschichte der gegenseitigen – durchaus wertend-diskriminierend gemeinten – Begriffe ist, welche zumindest latent noch nicht abgeschlossen ist.“[18] Es werden auch die Begriffe Paramedizin,[19][20] Pseudomedizin[21] und Außenseitermedizin[18] verwendet.
Merkmale
Viele Ansätze der Alternativmedizin werden als „natürlich“, „biologisch“, „alternativ“, „die Selbstheilungskräfte aktivierend“[22] oder „ganzheitlich“ bezeichnet, womit oft gemeint ist, dass es um eine Behandlung „von Körper, Geist und Seele“ gehen soll.
Alternativmedizinische Methoden können von Ärzten angeboten werden, in Deutschland aber auch von Angehörigen anderer Heilberufe wie zum Beispiel Heilpraktikern. Nicht selten werden die Therapierichtungen von sozialen Bewegungen oder bestimmten weltanschaulichen Gruppen getragen.[23] Im Gegensatz zur Komplementärmedizin, bei der ergänzende Aspekt im Vordergrund steht, grenzen sich solche Bewegungen teilweise kritisch von der sogenannten „Schulmedizin“ ab. Teilweise zielen sie auf eine grundlegende Änderung des medizinischen Gesamtverständnisses.
Wirksamkeitsnachweise der Alternativmedizin beruhen häufig auf anekdotischer Evidenz. Anwender alternativmedizinischer Verfahren berufen sich bei der Frage nach einer Wirksamkeit auf ihre eigene therapeutische Erfahrung, da diese angeblich eine hinreichend sichere Unterscheidung von brauchbaren und unbrauchbaren Verfahren gestattet.[24] Derartige retrospektive, subjektive Betrachtungen haben jedoch aus wissenschaftlicher Sicht nur einen geringen Evidenzgrad.
Die Komplementär- bzw. Alternativmedizin umfasst neben therapeutischen Maßnahmen auch zahlreiche Diagnoseverfahren. Wissenschaftlich aussagekräftige Daten liegen für die angewandte Kinesiologie, die Haaranalyse, die Irisdiagnostik, die Kirlian-Fotografie, das Pendeln, die Pulsdiagnose und den Vegatest vor. Für keine dieser Methoden ist die Validität nachgewiesen; die Mehrzahl der Studien spricht im Gegenteil gegen den Wert dieser Verfahren. Die Gefahr nicht validierter diagnostischer Methoden besteht unter anderem darin, dass im Falle falschpositiver Diagnosen unnütze Behandlungen durchgeführt werden, die im ungünstigsten Falle auch unerwünschte, überflüssige Nebenwirkungen verursachen.[25]
Verfechter der Alternativmedizin behaupten teilweise – ohne eine schlüssige Begründung zu geben, warum dies so sein sollte –, dass sich die Wirksamkeit und Sicherheit ihrer Konzepte mit Methoden der evidenzbasierten Medizin (z. B. randomisierte, placebokontrollierte, klinische Doppelblindstudien) nicht überprüfen ließen, und lehnen solche Methoden daher ab. Sie argumentieren stattdessen mit anekdotischen Fallberichten und theoretischen Annahmen, die teilweise im Widerspruch zur modernen Auffassung von Anatomie, Biochemie oder Physik stehen.[26]
Der Medizinhistoriker Robert Jütte charakterisiert paradigmatische Denkansätze von Komplementär- und konventioneller Medizin folgendermaßen:[27]
Konventionelle Medizin | Komplementärmedizin | |
---|---|---|
Krankheitslehre | ätiologisch-analytisch | phänomenologisch-synthetisch |
Therapeutische Forschung | quantitativ, experimentell | qualitativ, hermeneutisch |
Therapie | antagonistisch | regulativ |
Denkstil | kausal | analog |
Ansatz | weitgehende Trennung zwischen Körper und Geist trotz psychosomatischer Erkenntnisse | "ganzheitlicher" Ansatz |
Biologisches Modell | physiologisch, zellbiologisch | synergetisch, vitalistisch („Lebenskraft“) |
Relevanz der Erkenntnis | operative Kontrolle | integrative Bedeutung |
Soziale Integration | professionalisierte Medizin (Expertenkultur) | partizipatorische Medizin (Bedeutung des Laiensystems) |
Einteilung
Es gibt kein allgemein anerkanntes Einteilungsschema.[28]
Für alternativmedizinische Verfahren schlug Robert Jütte 1996 folgendes Klassifikationsschema[29] vor:
- Religiöse und Magische Medizin
- Körper- und gefühlsbetonte Psychotherapien
- Mentales Training
- Naturheilverfahren (Wasserkuren, Lichtkuren, Luftkuren, Lehmkuren, Ernährungstherapien, Kräutermedizin)
- Biodynamische Heilweisen (zum Beispiel Homöopathie, Anthroposophie, Spagyrik, Neuraltherapie, Frischzellentherapie und Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie)
- Physikalische Behandlungsweisen (Akupunktur, Chiropraktik, Osteopathie, Elektrotherapien).
In Anlehnung an die National Institutes of Health können die komplementärmedizinischen Verfahren in vier Gruppen eingeteilt werden, die sich teilweise überlappen.[10]
- Verfahren, die Naturprodukte wie Kräuter, Nahrungsmittel und Vitamine benutzen oder Diäten empfehlen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht bewiesen oder deren Eignung zweifelhaft ist.
- Verfahren, welche die Einheit von Körper und Geist postulieren und die Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist nutzen wollen. Dazu gehören Methoden wie Yoga, Tai-Chi, Meditation, Entspannungstechniken und Körpertherapien wie Feldenkrais oder Alexandertechnik. Einige dieser Verfahren gelten im Rahmen der Psychotherapie als Methoden der evidenzbasierten Medizin
- Manuelle Verfahren, wie Osteopathie, Chirotherapie, Massage.
- Andere Verfahren. In weitesten Sinn gehören auch Verfahren, die mit „Energiefeldern“ arbeiten, zu den alternativ- und komplementärmedizinischen Methoden. Dazu zählen einerseits Methoden wie Reiki und Therapeutic Touch und andererseits Methoden, die elektromagnetische Felder auf eine unkonventionelle, wissenschaftlich nicht belegte Weise zur Heilung nutzen.
Es existieren auch Systeme innerhalb der Alternativmedizin, die mehrere alternativmedizinische Verfahren zusammen nutzen und deshalb nicht in das Schema passen. Dazu gehören in der traditionellen europäischen Medizin(TEM) zum Beispiel die Homöopathie und Naturheilverfahren. Zu den Verfahren aus außereuropäischen Kulturkreisen gehören zum Beispiel die Traditionelle chinesische Medizin (Akupunktur), die Tibetische Medizin, Ayurveda oder Unani.
Schon im 19. Jahrhundert galten Bewegung und Sport als ein Allheilmittel.[30] In der darauf beruhenden Bewegungstherapie treffen alternativ- und schulmedizinische Verfahren zusammen, da einerseits versucht wird, evidenzbasierte Gesetzmäßigkeiten zu entwickeln und andererseits Erfahrungswissen von Trainern und Lauftherapeuten zu verwenden. Durch die Vielzahl an wissenschaftlichen Experimenten in den letzten 30 Jahren haben die evidenzbasierten Kenntnisse und Verfahren deutlich zugenommen.[31]
Geschichte
Der Begriff der Alternativmedizin taucht erstmals vereinzelt Ende der 1940er Jahre im englischsprachigen Raum auf und wird in der Bundesrepublik Deutschland der 1980er Jahre zu einer Sammelbezeichnung für unkonventionelle Strömungen in der Medizin. Ebenfalls in den 1980er Jahren kam die Bezeichnung „Komplementärmedizin“ über England nach Deutschland. Sie lässt sich seit Ende der 1980er Jahre im deutschen Sprachraum nachweisen.[32]
Sozial- und wissenschaftsgeschichtlich betrachtet ist die Alternativmedizin der Gegenwart eine neue und weitere Erscheinungsform der medizinischen Reform- und Erneuerungsbewegungen, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts den Aufstieg der (natur-)wissenschaftlichen Medizin begleiteten.[33] In auffälliger Weise wiederholen sich Inhalte und Formen der Auseinandersetzung in zahlreichen Versuchen, eine Alternative zur etablierten Medizin zu schaffen. Dies scheint unabhängig von den zu verschiedenen Zeiten jeweils aktuellen Problemlagen („Krisen der Medizin“) zu sein. Die Kritiken betreffen die Einstellungen zur Natur, zu Geist und Körper, zu Krankheit versus Gesundheit, zum Arzt-Patienten-Verhältnis und zur Gesundheitsökonomie.
Damit verbunden finden sich durchgängig standespolitische Konflikte und häufig von persönlichen Angriffen durchzogene erbitterte Auseinandersetzungen.[34] Die Ärzteschaft konkurriert dabei auch mit anderen Berufsgruppen wie Hebammen, n, Dentisten sowie Psychologen.
Alternativmedizin im Nationalsozialismus
Eine von den Nationalsozialisten anfänglich propagierte Synthese von Medizin und Naturheilkunde im Sinne einer Deutschen Medizin im Rahmen der Reichsarbeitsgemeinschaft für eine Neue Deutsche Heilkunde kam über einzelne Ansätze nicht hinaus. Es gab jedoch eine ideologische Tendenz zu allem „reinen“ und „unvermischten“. In diesem Kontext wurde Vollkornernährung propagiert, da diese besonders rein und unverfälscht sei.[35] Ab 1936 traten die Synthesebestrebungen von Volks- bzw. Naturheilkunde und Medizin gegenüber der Kriegsvorbereitung in den Hintergrund. Die Arbeitsgemeinschaft wurde Anfang 1937 wieder aufgelöst.[36] Die Homöopathie, deren Anhängerschaft 1938 mit 10,4 % den Hauptanteil der nicht den „Schulmedizinern“ vertrauenden Personen ausmachte,[37] fand im Nationalsozialismus etliche Befürworter (vgl. Homöopathie im Nationalsozialismus), breitere Untersuchungen zur Einführung in den Regelbetrieb der Medizin hatten aber so schlechte Ergebnisse, dass diese Anstrengungen abgebrochen wurden.
Alternative Heilkultur im Mittelalter
Beginnend im 14. Jahrhundert findet sich in Schlesien eine alternative Heilkultur, die sich gegen die von der scholastischen Medizin ausgehende Rationalisierung und „Mathematisierung“ der Heilkunde (wie sie sich in einer quantifizierenden Pharmakologie in Montpellier aufzeigen lässt) richtete, und bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts andauerte. Initiator dieser „naturheilkundlichen Welle“ war der in Krakau um 1278 wirkende Dominikanerarzt Nikolaus von Polen (Niklas von Mumpelier), der bereits einen Strukturwandel forderte, der den Heiler an die Stelle des Mediziners, die Natur an die Stelle der Medizin und die Erfahrung an die Stelle der Wissenschaft setzen sollte. Ein Heilmittel sei gemäß Nikolaus nur aus Erfahrung zu gewinnen und ein Arzneimittel ein empiricum.[38] In seiner als „Antihippokrates“ bezeichneten Schrift warf er der Hippokratischen Medizin vor, die empirische Heilkunde ausgelöscht zu haben.[39] Nikolaus war ein erbitterter Gegner der Galenischen Medizin. Er verwarf ihre theoretische Grundlage – die Humoralpathologie – und verunglimpfte die Ärzte und Apotheker seiner Zeit mit der Absicht, sie durch den Beruf der Naturheilkundigen (lateinisch empirici) zu ersetzen. Statt der „teuren Spezereien der Pharmazeuten“ und der Heilpflanzen seiner Zeit favorisierte er die „verabscheuten Vertreter“ der Tiere wie Schlangen, Schnecken, Kröten, Maulwürfe und Maulwurfsgrillen als Heilmittel. Er folgte damit einer Art „negativer Signaturenlehre“[40] bzw. einem später auch bei Paracelsus wiederzufindenden „Simile-Prinzip“.[41] Die Arzneien waren von den Patienten in ein Amulett verpackt zu tragen.
Verbreitung
Umfrageergebnisse über die Verbreitung nichtkonventioneller Heilverfahren streuen erheblich. Allgemein ist in Deutschland jedoch in den letzten Jahrzehnten eine erheblich gestiegene Nachfrage nach sogenannten Naturheilverfahren, aber auch nach anderen Formen der Alternativmedizin zu verzeichnen.[42] Insbesondere Frauen, Befragte mit hohem Bildungsniveau, chronisch Erkrankte und Personen mit einer gesundheitsbewussteren Lebensweise nehmen in besonders starkem Maße alternative Medizin in Anspruch, oft nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur konventionellen Behandlung. Der Gesundheitsmonitor 2002[43] zeigte, dass weniger als ein Drittel der Bevölkerung noch gar nicht mit alternativer Medizin in Berührung gekommen war und etwa ein Viertel bislang ausschließlich naturheilkundliche Substanzen oder Therapieverfahren erprobt hatte. Knapp die Hälfte hatte jedoch auch Erfahrungen mit anderen Methoden wie Homöopathie, Akupunktur usw. Am häufigsten waren alternative Heilmethoden von niedergelassenen Ärzten verordnet worden (bei rund 2/3 der Betroffenen). Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung führten 2004 15.970 Ärzte die Zusatzbezeichnung „Chirotherapie“, 13.502 die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“ und 5.538 Ärzte die Zusatzbezeichnung Homöopathie. Die Anzahl der Ärzte, die Akupunktur anwenden, wird auf 20.000 bis 50.000 geschätzt.[44] Vermutlich werden viele nichtkonventionelle Methoden noch häufiger von Heilpraktikern und im Rahmen der Selbstbehandlung bzw. Laienbehandlung angewandt. Verlässliche Daten dazu sind aber nicht bekannt. In Europa werden komplementärmedizinische Verfahren von mehr als 100 Millionen Menschen in Anspruch genommen.[45]
In der EU gibt es schätzungsweise 305.000 Anbieter für CAM, davon 160.000 Ärzte. Die Anzahl von Ärzten nach Therapie verteilt sich wie folgt: Akupunktur (80.000), Homöopathie (45.000), Anthroposophische Medizin (4.500) und Neuraltherapie (1.500).[46]
Eine mögliche Erklärung für die Attraktivität der alternativen Medizin liegt in der häufig negativen Bewertung der konventionellen medikamentösen Therapie. In deutlichem Kontrast hierzu werden nicht-evidenzbasierte Methoden eher mit Schlagworten wie sanft, natürlich und frei von Nebenwirkungen besetzt. Teilweise wenden sich im Rahmen eines Nicht-wahrhaben-Wollens ihrer Situation auch onkologisch und palliativmedizinisch betreute, unheilbar Kranke komplementärmedizinischen bzw. alternativmedizinischen Angeboten zu.[47] Viele Patienten erfahren darüber hinaus bei alternativen Therapeuten ein höheres Maß an Zuwendung und Kommunikation, so dass hier auch ein niederschwelliges Psychotherapie- oder Beratungsangebot wahrgenommen wird. Die Erfahrung eines Mangels an sprechender Medizin ist hier Motor der steigenden Nachfrage.[43] Die anthropologische, auf einem in den 1920er Jahren entstandenen Konzept des Mediziners Viktor von Weizsäcker[48] beruhend, und psychosomatische Medizin versuchen dieser Nachfrage im Rahmen der wissenschaftlichen Medizin gerecht zu werden.
Ökonomische Bedeutung
Der Umsatz von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen (Homöopathie, Anthroposophische Medizin, Phytotherapie) betrug in 2018 in Deutschland insgesamt 1,7 Milliarden Euro (der Gesamt-Apothekenmarkt verzeichnete einen Umsatz von 55,8 Mrd. Euro).[49] Im Jahr 2006 wurden in Deutschland insgesamt rund neun Milliarden Euro für alternativmedizinische Produkte oder Leistungen ausgegeben, das entsprach pro Einwohner durchschnittlich etwa 110 Euro pro Jahr. Etwa fünf Milliarden Euro davon zahlten die Patienten selbst, vier Milliarden Euro erstatteten die Krankenkassen, 40.000 Ärzte boten entsprechende Leistungen an.[50]
Rechtlicher Rahmen
Deutschland
Die Anwendung „alternativer“ Behandlungsmethoden ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt, solange kein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne von § 138 BGB und § 228 StGB vorliegt. Vor Anwendung solcher Methoden ist der Patient umfänglich über etwaige Risiken und Nebenwirkungen aufzuklären. Steht eine erfolgversprechendere anerkannte Therapie zur Verfügung, muss der Patient hierüber vorrangig aufgeklärt werden. Zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dürfen nur Leistungen abgerechnet werden, die notwendig und wirtschaftlich vertretbar sind; beides wird für alternative Methoden in der Regel bezweifelt. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit der neuen Methode bewertet und in Richtlinien nach § 92 SGB V Empfehlungen über die Anerkennung abgegeben hat. Leistungen im Rahmen alternativmedizinischer Behandlungen werden von der deutschen GKV meist nicht übernommen und können dann nur privat in Rechnung gestellt werden. Über die ggf. selbst zu tragenden Kosten ist der Patient aufzuklären.[51]
Die Debatte um die Durchführung alternativmedizinischer Behandlungsmethoden oder Verordnung entsprechender Arzneimittel zu Lasten der Solidargemeinschaft führte immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten.[52] Am 1. Dezember 2011 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) beschlossen.[53] Darin aufgenommen ist eine Klarstellung im Leistungsrecht, dass Versicherte mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, eine noch nicht allgemein anerkannte Leistung beanspruchen können, wenn Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht[54] (Klarstellung des Geltungsumfangs des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005, BvR 347/98[55]).
Homöopathische Zubereitungen mit einem Verdünnungsgrad von mindestens 1:10.000 und ohne spezifische Heilanzeige, sowie sogenannte „traditionelle pflanzliche Arzneimittel“ sind in der EU gemäß Richtlinie 2001/83/EG vom Arzneimittelzulassungsverfahren befreit. Solche Präparate können nach einem vereinfachten Registrierungsverfahren in Verkehr gebracht werden. Für die Registrierung müssen lediglich die pharmazeutische Qualität und Unbedenklichkeit, nicht jedoch die therapeutische Wirksamkeit nachgewiesen werden; eine Indikation darf nicht angegeben werden. Die weitergehende Zulassung wird von Land zu Land verschieden gehandhabt: Nach dem deutschen Arzneimittelgesetz sind bei der Zulassung von Arzneimitteln der Therapierichtungen Homöopathie, anthroposophische Medizin und Phytotherapie die Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen zu berücksichtigen. Dazu ist, anders als bei Funktionsarzneimitteln, in die Zulassungsentscheidung die Beurteilung durch eine eigens für die jeweilige Therapierichtung einberufene Zulassungskommission einzubeziehen (Binnenkonsens). Diese besteht aus Experten der jeweiligen Therapierichtung, die über entsprechende Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen im Anwendungsgebiet gesammelt haben.[56]
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft urteilte 1998, die nicht wissenschaftlich fundierten Therapierichtungen machten „in der Regel Besonderheiten geltend, um sich der wissenschaftlichen Prüfung ihrer Hypothesen zu entziehen“. Dies gelte für die im Arzneimittelgesetz explizit erwähnten Formen wie „Homöopathie“, anthroposophisch begründete Heilverfahren und traditionellen Phytopharmaka ebenso wie für die Vielzahl heterogener Methoden von Ayurveda bis Bach-Blüten-Therapie. Die Kommission sieht eine „seitens der Politik eingeräumte Sonderstellung“ für die „besonderen Therapierichtungen“ (Homöopathie, Anthroposophie, Phytotherapie) und kritisiert, dass diese Stellung nicht nur jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehre, sondern auch bedeute, dass Wirksamkeit mit zweierlei Maß gemessen werde. Sie transferiere Konzepte des individuell oder staatlich praktizierten Wertepluralismus fälschlicherweise in die Bewertung der von wissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten bestimmten modernen Arzneitherapie.[57]
Schweiz
In der Schweiz wurden Verfahren außerhalb der wissenschaftsbasierten Medizin 1999 provisorisch in den Katalog der von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu bezahlenden Leistungen aufgenommen (Homöopathie, anthroposophische Medizin, Phytotherapie, traditionelle chinesische Therapie und Neuraltherapie). Dieses Provisorium lief 2005 aus.[58][59][60][61][62] Die eidgenössische Abstimmung vom 17. Mai 2009 ergab jedoch eine Zweidrittelmehrheit für einen Verfassungszusatz, der die Regierung verpflichtet, komplementärmedizinische Verfahren wieder zu berücksichtigen. Ähnlich wie in anderen Ländern fordern die Schweizer Krankenkassen für zu erstattende Methoden den Nachweis der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Zur Umsetzung dieses Verfassungsgrundsatzes wurden ab 2012 bis provisorisch Juni 2017 die Bereiche Homöopathie, anthroposophische Medizin, Phytotherapie, traditionelle chinesische Therapie und Neuraltherapie unter bestimmten Voraussetzungen wieder von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bezahlt. An seiner Sitzung vom 16. Juni 2017 hat der Bundesrat die neuen Verordnungsbestimmungen genehmigt, welche die komplementärmedizinischen ärztlichen Leistungen den anderen von der OKP vergüteten medizinischen Fachrichtungen gleichstellen. Die neuen Regelungen traten per 1. August 2017 in Kraft.[63]
Leistungen aus den Bereichen Homöopathie, anthroposophische Medizin, Phytotherapie, traditionelle chinesische Therapie und Neuraltherapie werden von der obligatorischen Grundversicherung übernommen, wenn sie von Ärzten erbracht werden. Für Leistungen aus den übrigen Bereichen der Alternativmedizin und durch nicht-ärztliche TherapeutInnen kann eine Zusatzversicherung abgeschlossen werden. Die meisten schweizerischen Versicherer orientieren sich bei der Entscheidung zur Kostenübernahme von alternativmedizinischen Therapien an den Zertifizierungen der Leistungserbringer durch unabhängige Prüfstellen, z. B. dem Erfahrungsmedizinischen Register.[64]
Forschung
An einigen deutschen Universitäten gibt es Forschungsprojekte zur Komplementärmedizin, die hauptsächlich von Stiftungsgeldern, von den Krankenkassen im Rahmen von Modellprojekten und zu einem kleinen Teil von der Industrie gefördert werden.
Die Deutsche Krebshilfe hat 2012 das bis dahin größte Forschungsprojekt über die Wirksamkeit von Alternativmedizin bei der Krebsbekämpfung gestartet und dafür 2,5 Millionen Euro bereitgestellt. Koordiniert wird das KOKON (Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie) genannte interdisziplinäre Verbundprojekt von der Onkologie des Klinikums Nürnberg im Zusammenwirken mit: Universitätsklinik Hamburg Eppendorf, Universitätsklinik Rostock, Charité Berlin, Universitätsklinik Frankfurt am Main, Hans-Bredow Institut Hamburg, Klinikum Fürth und Klinik für Tumorbiologie Freiburg.[65] Annähernd die Hälfte der Krebspatienten will durch ergänzende Maßnahmen zur eigenen Heilung beitragen.[66] Von 2010 bis Ende 2012 lief unter dem Akronym Cambrella[67] ein von der Europäischen Union mit 1,5 Millionen Euro ausgestattetes dreijähriges Projekt, dessen Ziel war, ein Netzwerk von 16 europäischen Forschungseinrichtungen in 12 Ländern im Bereich der Komplementärmedizin mit dem Ziel einer internationalen Kooperation und Koordination aufzubauen.[68]
Ein konzeptuellen Dialog zwischen Komplementärmedizinischen Richtungen und der naturwissenschaftlichen Medizin ist Ziel des „Dialogforum Pluralismus in der Medizin“, das im Jahr 2000 auf Anregung von Jörg-Dietrich Hoppe, des damaligen Präsidenten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, gegründet wurde.[69][70] Es setzt sich für eine vermehrte Integration der Komplementärmedizin in die Schulmedizin ein.[71]
Ausbildungsmöglichkeiten
Im Medizinstudium in Deutschland können komplementärmedizinische Inhalte im 2003 eingeführten Querschnittsbereich 12 (Rehabilitation, Physikalische Medizin und Naturheilverfahren) enthalten sein.[72][73]
Für die komplementärmedizinischen Methoden Akupunktur, Chirotherapie, Homöopathie und Naturheilverfahren sind von den Ärztekammern Weiterbildungsvorschriften erlassen worden. Nach bestandener Prüfung darf als Qualifikationsnachweis die jeweilige ärztliche Zusatzbezeichnung getragen werden, die u. U. auch Voraussetzung für die Abrechenbarkeit mit den Krankenkassen ist. Für die Anthroposophische Medizin gibt es für Ärzte eine Binnenanerkennung Tätigkeitsschwerpunkt „Anthroposophische Medizin (GAÄD)“ durch die Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland (GAÄD).[74]
Ärzte, Apotheker, Psychotherapeuten und andere Berufsgruppen mit einem akademischen Abschluss können einen berufsbegleitenden Masterstudiengang für Komplementärmedizin-Kulturwissenschaften-Heilkunde an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) absolvieren. Nach vier Semestern und erfolgreicher Prüfung erhalten die Absolventen den Titel eines Master of Arts.[75]
Konzept- und Begriffskritik
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft kritisiert Bestrebungen einiger Vertreter der Homöopathie oder anderer „besonderer“ Therapierichtungen, ihre Arzneimittel als Unterstützung der schulmedizinischen Behandlung („Komplementäre Therapie“) auszugeben. Der Kommission zufolge erscheine es „nicht sehr überzeugend“, einerseits bei ernsthaften Erkrankungen wie Tumorleiden und Infektionskrankheiten die Errungenschaften der modernen Medizin in Anspruch zu nehmen, andererseits aber deren Bedeutung zu relativieren. Da den wissenschaftlich begründeten und den allein von persönlichen Überzeugungen getragenen Behandlungsverfahren Paradigmen zugrunde lägen, die sich gegenseitig ausschlössen, erscheine eine „ökumenische Gemeinschaft“ beider undenkbar und alles Beschwören von „Gemeinsamkeit“, „Ergänzung“, „Komplementarität“ oder „Erweiterung“ zwar politisch opportun, aber wissenschaftstheoretisch unhaltbar. Wissenschaftliche Medizin und Paramedizin seien in ihren Konzepten unvereinbar. Dieser Feststellung stehe die Toleranz eines aufgeklärten Bürgers nicht entgegen.[57]
Johannes Köbberling zufolge, suggeriert der Begriff „Alternativmedizin“, dass neben der wissenschaftlich erprobten Medizin tatsächlich eine Alternative bestehe. Diese Alternative bestehe jedoch nur in dem „erklärten Verzicht auf wissenschaftliche Methodik und alle für die eigentliche Medizin eingeführten Qualitätsstandards“.[76]
Anhänger alternativer Heilmethoden behaupten teilweise, dass diese eine Wirksamkeit bei vielen verschiedenen Krankheiten und in unterschiedlichen Krankheitsstadien hätten, ohne Nebenwirkungen zu verursachen. Hierzu äußerte sich der Pharmakologe Gustav Kuschinsky: „Ein Arzneimittel, von dem behauptet wird, daß es keine Nebenwirkungen habe, steht im dringenden Verdacht, auch keine Hauptwirkung zu besitzen.“
Gesundheitsrisiken
Die Datenlage zu den Risiken alternativ- und komplementärmedizinischer Verfahren wurde 2008 als unzureichend bewertet. Als gravierende direkte Risiken wurden zum Beispiel Verletzungen, Immunreaktionen und Arzneimittel-Interaktionen dokumentiert. Indirekte Gesundheitsrisiken liegen im Versäumen notwendiger medizinischer Diagnostik und Therapie.[77] Dies betrifft besonders lebensbedrohliche Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs.[78][79][80][81] Edzard Ernst kritisiert Ärzte und Heilpraktiker, die alternative Medizin anbieten: „Viele Alternativbehandlungen sind harmlos. Aber leider sind die Behandler nicht immer harmlos. Diese Leute erkennen die eigenen Grenzen nicht.“[82] Die Ablehnung von Impfungen kann auch zu einer kollektiven Gefährdung führen. Als Risiken alternativmedizinischer Konzepte und Methoden sind auch Todesfälle von Patienten dokumentiert.[77][82]
Unterlassen von empfohlenen Behandlungen
Von Kritikern wird wiederholt angeführt, Alternativmedizin oder Komplementärmedizin wäre deshalb gefährlich, weil dadurch notwendige Behandlungen verzögert oder unterlassen würden[83]. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es einige wenige Belege dafür[84].
Siehe auch
- Kategorie:Alternativmedizin - Artikel in der deutschen Wikipedia
- Alternativmedizin - Artikel in der deutschen Wikipedia
- Medizinethnologie - Artikel in der deutschen Wikipedia
- Ethnomedizin - Artikel in der deutschen Wikipedia
- Volksmedizin - Artikel in der deutschen Wikipedia
Literatur
- Raymond Becker u. a. (Hrsg.): Neue Wege in der Medizin. Alternativmedizin- Fluch oder Segen? Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8253-5841-9.
- Krista Federspiel, Vera Herbst: Die Andere Medizin. Nutzen und Risiken sanfter Heilmethoden. Stiftung Warentest, Berlin 1996, ISBN 3-924286-96-5.
- Colin Goldner: Alternative Diagnose- und Therapieverfahren. Eine kritische Bestandsaufnahme. Alibri Verlag, Aschaffenburg 2008, ISBN 978-3-86569-043-2.
- Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute. C.H. Beck, München 1996, ISBN 3-406-40495-2.
- Gundolf Keil: Medizinische Bildung und Alternativmedizin. In: Winfried Böhm, Martin Lindauer (Hrsg.): „Nicht Vielwissen sättigt die Seele“. Wissen, Erkennen, Bildung, Ausbildung heute. (= Drittes Symposium der Universität Würzburg.) Ernst Klett, Stuttgart 1988, ISBN 3-12-984580-1, S. 245–271.
- Michael Prang: Alternativmedizin. Was sie leistet. Wann sie schadet. C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-65935-5.
Weblinks
- Literatur von und über Alternativmedizin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Helmut Kiene, Hermann Heimpel: Ärztliche Professionalität und Komplementärmedizin: Was ist seriöses Therapieren? In: Deutsches Ärzteblatt. Band 107, Nr. 12. Deutscher Ärzte-Verlag, 26. März 2010, S. A-548 / B-477 / C-469.
- Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Stellungnahme zu außerhalb der wissenschaftlichen Medizin stehenden Methoden der Arzneitherapie (Memento vom 23. Oktober 2007 im Internet Archive) In: Deutsches Ärzteblatt. Band 95, Heft 14, 3. April 1998, und zugehöriges Literaturverzeichnis (Memento vom 12. Februar 2009 im Internet Archive) (PDF; 75 kB)
- Krista Federspiel: Alternativmedizin – kritisch betrachtet im Spiegel der Wissenschaft. (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive) Bischöfliches Seelsorgeamt Referat für Religions- und Weltanschauungsfragen, 3/2002 (PDF; 67 kB)
- Robert Jütte: Die Faszination des Anderen: Die Alternativmedizin aus der Sicht des Medizinhistorikers. Münsterer Tagung 2003 im Haus zum Dolder (Beromünster)
- Dossier Alternativmedizin im Stern: stern.de
- K. L. Resch: „Die Andere Medizin“: Gut gemeint – schlecht gemacht. In: Forschende Komplementärmedizin. 13, 2006, S. 6–8. (PDF; 47 kB)
- Brief an die Herausgeber – Zum Editorial: „Die Andere Medizin“: Gut gemeint – schlecht gemacht In: Forschende Komplementärmedizin. 13, 2006, S. 252–254. (PDF; 51 kB)
- Gerd Marstedt, Susanne Moebus: Inanspruchnahme alternativer Methoden in der Medizin. aus der Reihe „Gesundheitsberichterstattung des Bundes“ des Robert Koch-Instituts, August 2002.
- Religious and Alternative Healing Research Platform (RAHRP Amsterdam)
Einzelnachweise
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- ↑ Marcela Ullmann: EU fördert Komplementärmedizin. Interview mit Wolfgang Weidenhammer. In: Naturamed : Forschung und Praxis ; Das offizielle Organ des Komitee Forschung Naturmedizin e. V. (KFN) und seiner internationalen Sektion CRNM. Nr. 3. MiM-Verl.-Ges., 2010, ISSN 0931-1513, S. 8–9.
- ↑ Michaela Noseck-Licul: 1. Begriffsdefinitionen – Alternativmedizin (Alternative Therapien). In: Komplementäre Heilmethoden und traditionelle Anwendungen in Österreich. Auftragsarbeit des Bundesministerium für Gesundheit (Österreich) (PDF, S. 5).
- ↑ Robert Jütte: Alternativmedizin. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 42–49; hier: S. 43.
- ↑ Komplementärmedizin. In: Wörterbuch der Sozialpolitik. (online)
- ↑ Jutta Hübner: Komplementäre und alternative Medizin – warum ist der Unterschied wichtig?
- ↑ 7,0 7,1 Michaela Noseck-Licul: 1. Begriffsdefinitionen – Komplementärmedizin. In: Komplementäre Heilmethoden und traditionelle Anwendungen in Österreich. Auftragsarbeit des Bundesministerium für Gesundheit (Österreich) (PDF, S. 6).
- ↑ Walter Bruchhausen, Heinz Schott: Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. 2008, ISBN 978-3-8252-2915-3.
- ↑ World Health Organisation (WHO): Traditional, complementary and integrative medicine. Who.int, abgerufen am 18. August 2019.
- ↑ 10,0 10,1 What Is CAM? National Institutes of Health
- ↑ Birgitta vom Lehn: "Integrative Medizin" sucht neue Heilmethoden. In: welt.de. 1. Dezember 2008, abgerufen am 28. Dezember 2014.
- ↑ Stefan N. Willich, Matthias Girke, Jörg-Dietrich Hoppe, Helmut Kiene, Wolfgang Klitzsch, Peter F. Matthiessen, Peter Meister, Günter Ollenschläger, Hermann Heimpel: Schulmedizin und Komplementärmedizin: Verständnis und Zusammenarbeit müssen vertieft werden. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 101, Nr. 19. Deutscher Ärzte-Verlag, 7. Mai 2004, S. A-1314 / B-1087 / C-1051.
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- ↑ Vgl. etwa Heinz Bottenberg: Biologische Therapie des praktischen Arztes. Lehmann, München 1935.
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- ↑ nach Rudolf Joss: Schulmedizin und Alternativmedizin – Die Sicht der Schulmedizin. Haus zum Dolder – Referat R. Joss.
- ↑ Thorsten Noack, Heiner Fangerau, Jörg Vögele: Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Elsevier, Urban & Fischer, 2007, ISBN 978-3-437-41392-6, S. 156–157.
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- ↑ M. Angell, J. P. Kassirer: Alternative medicine–the risks of untested and unregulated remedies. In: The New England Journal of Medicine. Band 339, Nummer 12, September 1998, S. 839–841, ISSN 0028-4793. doi:10.1056/NEJM199809173391210(w). PMID 9738094.
- ↑ Robert Jütte: Medizinhistorische Kurzexpertise zur Einordnung der Komplementärmedizin, 19. August 2013, S. 8.
- ↑ Hans-Wolfgang Hoefert, Bernhard Uehleke: Komplementäre Heilverfahren im Gesundheitswesen. Analyse und Bewertung. Huber, Bern 2009, ISBN 978-3-456-84700-9, komplementäre und Alternative Medizin, S. 9.
- ↑ Robert Jütte: Alternativmedizin. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. 2005, S. 42–49, hier: S. 49.
- ↑ James C. Whorton: Crusaders for fitness: the history of American health reformers. Princeton Univ. Press, Princeton 1982.
- ↑ Arnd Krüger: Geschichte der Bewegungstherapie. In: Präventivmedizin. Springer Loseblatt Sammlung, Heidelberg 1999, 07.06, 1–22.
- ↑ Robert Jütte: Medizinhistorische Kurzexpertise zur Einordnung der Komplementärmedizin, 19. August 2013, S. 2, 5.
- ↑ Robert Jütte: Medizinhistorische Kurzexpertise zur Einordnung der Komplementärmedizin, 19. August 2013, S. 6.
- ↑ Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. (1996), S. 14 ff.
- ↑ Uwe Spiekermann: Vollkorn für die Führer. Zur Geschichte der Vollkornbrotpolitik im „Dritten Reich“. In: Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. Band 16, 2001, S. 91.
- ↑ Robert Jütte: Homöopathie und Nationalsozialismus – eine historische Expertise.
- ↑ Robert Jütte (1996), S. 54.
- ↑ Gundolf Keil: virtus occulta. Der Begriff des „empiricum“ bei Nikolaus von Polen. In: August Buck (Hrsg.): Die okulten Wissenschaften in der Renaissance. Wiesbaden 1992 (= Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceoforschung. Band 12), S. 159–196.
- ↑ Gundolf Keil: Medizinische Bildung und Alternativmedizin. In: Winfried Böhm, Martin Lindauer (Hrsg.): „Nicht Vielwissen sättigt die Seele“. Wissen, Erkennen, Bildung, Ausbildung heute. (= Drittes Symposium der Universität Würzburg.) Ernst Klett, Stuttgart 1988, ISBN 3-12-984580-1, S. 245–271, hier: S. 248–252.
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